29 November 2007

In der politischen Blogosphäre gab es in den letzten Tagen eine teils wilde Diskussion über Antifa und Antifaschismus. Ich werde mich zu den kindhaften Albernheiten des Bürgerkindes Michael Holmes nicht äußern, auch nicht zu J. Wertmullah, der davon spricht, dass in Bezug auf die Antifa "Hass noch zu wenig" sei. Aber Lesetipps habe ich, für die, welche den Mössinger Generalstreik (dazu dies) noch nicht kannten. Lohnt sich!

28 November 2007

Zu den Nahost-Verhandlungen: Erstens, ist das gut und überfällig. Zweitens, gerade die Schwäche von Bush, Olmert und Abbas könnte eine gute Voraussetzung sein, denn so hat jeder Staatsführer ein verblüffend großes Interesse an gelingenden Verhandlungen. Drittens, Bush hat bis zum Ende seiner Präsidentschaft endlich ein sinnvolles Projekt. Kein Krieg mit Iran.

Zur veröffentlichten Iglu-Studie: Wenn, wie im Fall Englands, ein Land in vier Jahren vom dritten auf den 19. Platz zurückfällt, dann muss das nicht viel bedeuten. In vier Jahren verändert sich ein Schulsystem nicht so grundlegend. Es ist recht egal, ob ein Land in der Iglu-Studie auf Platz 3 oder auf Platz 19 steht. Was übrigens für viele Rankings gilt. Die Tabellenposition hat oft wenig Aussagewert. Rankings. Pffh!

GESTAPO-Methoden der Polizei


Wenn Papisten durchdrehen, dann sieht das so aus. Tatsächlich, mitunter gilt in Bayern als Terrorist, wer sagt, dass 40 Millionen Euro besser verwendet werden können als für einen Papstbesuch. Derlei GESTAPO-Methoden der Polizei sind m.E. Begleiterscheinungen der sicherheits- und überwachungsstaatlichen Entwicklungen der letzten Jahre - sie können wohl bald auch denen drohen, die dies kritisieren.

Und die Grundrechte munter brechende Staatmacht? Sie schweigt. SpOn schweigt selbstverständlich auch. Von wegen "Sturmgeschütz der Demokratie".

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27 November 2007

Ankündigung: Der CDU-nahe Wirtschaftslobbyist Oswald Metzger wird heute nicht aus der Partei der Grünen austreten. Denn für seine Geldgeber und Freundeskreise aus dem INSM-Umfeld ist er einzig und allein als Grüner wertvoll.

+++ Update 19:00 Uhr +++
Hey, cool, ich habe mich geirrt! Wie in den Kommentaren bzw. hier in den Meldungen zu sehen.

+++ Update 29.11. +++
Zur Dokumentation hier ein großer Teil der Bundesparteitagsrede des Landtagsabgeordneten O.M.:

Ich hatte selten Losglück auf Parteitagen [gemeint: eine frühes Rederecht], ähem, unserer Partei, heute habe ich mich besonders drüber geärgert, dass ich kein Losglück hatte, heute hätte es auch sowetwas wie Fairness bedeutet, wenn man dem Mann, der eine Grundsatzkritik hat, einen Platz eingeräumt hätte heut morgen, in einem Redebeitrag.

(sehr verhaltener Applaus, teils Johlen)

Ohne jede Einschränkung! Das war nicht souverän, Reinhard und Claudia.

Punkt 2. Wir müssen aufpassen als Grüne, dass wir uns immer wieder erden in der Realität. Ich kapriziere mich bei der Begründung des Änderungsantrags jetzt auf einen Punkt, der zeigt, wie weit wir aus der sozialen Realität uns auch ein Stück zu verabschieden beginnen, wenn wir in der Tat in dem Set 01 langfristig die Individualisierung in der Existenzsicherung einführen.

Wissen Sie, äh, wisst ihr, was des heißt? Das heißt, der Gatte der Kieferchirurgien, sehr gut verdienend, hat künftig einen eigenen Leistungsanspruch! Wir entsolidarisieren die Gesellschaft, indem wir als Grüne, die die Brüdergesellschaft wollten [Metger fuchtelt mit zwei Fingern wild in der Luft], die immer das Füreinander-Einstehen propagiert haben, wir entsolndirari, äh, entsolidarisieren die Gesellschaft, weil wir Menschen dann - sozusagen an den Staat, an den anonymen Staat delegieren, den Eindruck erwecken, wir könnten des alles finanzieren, und bindungsfähig in der, äh, in der Gesellschaft; selbst in den Familien, außer Kraft setzen. [nun lauter:] Subsidarität sieht anders aus! Wir wollten immer Hilfe zur Selbsthilfe und nicht eine etatistische Komplettverdienung durch den Staat [nun wieder leiser:], ich halte des für eine verquere Logik.

[Pfiffe im Saal]

Dann, zum Thema Gerechtigkeit. Also diejenigen von euch, die sich über meine Äußerungen so ärgern. Ich wollte, und tue es auch nicht, und habs nicht einmal in diesem harten Interview getan, Leute stigmatisieren, die selber in dieser sozialen Stellung sind. [Nun brüllt er:] Aber schaut euch einmal an, wie gehts Kindern, die in der zweiten oder dritten Gene, Generation in der Sozialhilfe leben oder von HartzIV! [nun wieder normale Sprechlautstärke] Wenn die Eltern praktisch antriebsarm, selber so großgeworden sind, ihren Kindern nicht mal nen Vorbild geben, dass man morgens aufsteht, dass sie kein Interesse [Zwischenrufe, Oswald Metzger wendet sich ab in eine andere Richtung], kein Interesse an den Bildungschancen ihrer Kinder haben, da wäre es doch viel gerechter, den Schweiß der Edlen darauf zu orientieren, dass wir wirklich Mittel in den öffentlichen Haushalten mobilisieren, für faire Bildungsinfrastruktur [Metzger versteht hierunter deutlich höhere Studiengebühren], und äh, für Kinderbetreuung, [Applaus] dass ist doch viel entscheidender.

Um Gottes Willen, wo leben wir denn! Und wenn ihr mal guckt, wie schwierig das ist, und da bin ich voll der Meinung unserer Partei und auch des Leitantrags des Bundesvorstands, wie schwierig es ist [fuchtelt wieder mit zwei Fingern], Geld zu mobilisieren, für den Bereich, Bildung und Kinderbetreuung.

Weil in den meisten Landeshaushalten die Bildungsausgaben allein schon deshalb steigen, weil die die großen Kohorten der geburtenstarken Lehrerjahrgänge in den Ruhestand kommen. In Baden-Württemberg steigen die Bildungsausgaben, weil die Pensionen für mehr Lehrer und Lehrerinnen bezahlen, aber da haben doch die Kinder und die Gesellschaft noch keine qualitative Leistungsverbesserung! Versteht ihr, was ich meine, es ist schon (...)


usw. usf.

26 November 2007

Freedom is on the march

Die Lage im Irak scheint sich in den letzten 2-3 Monaten zu beruhigen, wenn man die Anzahl von Anschlägen sowie die Zahl von Todesopfern unter US-Soldaten als Maßstab dafür nimmt. Tatsächlich aber findet gerade eine "Somalisierung" des Iraks statt, an Stelle eines handlungsfähigen irakischen Staates tritt ein System von US-finanzierten Warlords.

Der Irak ist nun noch weiter davon entfernt, ein lebenswürdiger Ort zu werden. Man hat in der Weltgeschichte wohl noch nie derart viel Pfusch beim "nation building" erlebt. Wenn man vielleicht von Afghanistan absieht.
"The trend is clear: In the Middle East and throughout the world, freedom is on the march." (Quelle)

Ja, sie marschieren. Die Iraker millionenfach in die Flucht, die Übrigen als Soldaten und Untergebene von Warlords, andere wiederum als schlecht bezahlte US-Soldaten oder in mörderischen Privatarmeen. So sieht Freiheit aus, wenn sie von Militaristen definiert wird.

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25 November 2007

Ich habe einen Glauben und ich meine, es ist so: Bereits dort, wo zwei Menschen zusammensitzen, und sich ernsthaft - und Menschen gegenüber respektvoll - über die Bibel oder die Verbesserung der Welt unterhalten, dort ist ER gegenwärtig. Respekt vor dem Mitmenschen, Lernen in Gemeinschaft und Freude an der Schöpfung - all dies enthält schon einen Abglanz des Höchsten. Gewalt, Feindschaft und Singularität sind keine Wege, die vorwärts führen.

Man möge mir meine Glauben verzeihen, ich will mich auch nicht übermäßig darüber verbreiten, zumal, ich habe genug damit zu tun, um auch nur diesen wenigen Worten gerecht zu werden. Es sollte nur einmal gesagt worden sein.

24 November 2007

Das neoliberale Experiment in Australien wurde beendet - Kevin Rudd hat John Howard aus dem Amt gefegt. Der Song "Howard killed the political left" (kostenloser Download) hat sich damit erledigt.

Kurz, nachdem ich mich über einen Kommentar in der Suedeutschen geärgert habe (kein Link für den gewohnt reaktionären Blöker Nico Fri*d), fällt mir auf, dass die neue linksliberale Zeitung "Público" Spanien ziemlich gründlich aufmischt, und den Verwertungsgesellschaften das Fürchten lehrt. Erstaunlich. Beides.

23 November 2007

Leseempfehlung. Was Sie schon immer über Adam, Eva, die Schlange, IHN und das Prinzip wissen wollten. Und ein weiterer Kulturhinweis, für alle, die meinen, dass Gitarrensoli langweilig sind.

22 November 2007

Die braune Verbrecherpartei und die Staatsanwaltschaft

Neuerdings ermitteln einzelne Staatsanwaltschaften, wenn es jemand wagen sollte, die NPD als "braunes Pack" oder "Verbrecherbande" zu beschimpfen. Angesichts neonazistischer Krimineller in NPD-Funktionärsrang ist unklar, warum die Staatsanwaltschaft überhaupt anfing, gegen Arno Hamburger und Konstantin Wecker zu ermitteln. Ist die Wahrheit strafbar? Immerhin: Nachdem es das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Nürnberg öffentlich kritisiert wurde, sind die Anzeigen gegen Arno Lustiger und Thomas Silberhorn eingestellt worden.

Die Anzeigen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Konstantin Wecker und diverse Konzertbesucher laufen jedoch anscheinend noch. (via)

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Metzgers Herrenreiteransichten zu Sozialhilfe und Grundeinkommen

Der CDU-nahe Wirtschaftslobbyist Oswald Metzger tat sich am 20. November mit einer umstrittenen Äußerung im STERN hervor:
Sozialhilfeempfänger werden keineswegs schöpferisch aktiv. Viele sehen ihren Lebenssinn darin, Kohlehydrate oder Alkohol in sich hinein zu stopfen, vor dem Fernseher zu sitzen und das Gleiche den eigenen Kindern angedeihen zu lassen. Die wachsen dann verdickt und verdummt auf. Wenn das die schöpferische Wirkung des bedingungslosen Grundeinkommens sein soll, das die Menschen davon entbindet, sich um das Existenzminimum zu bemühen und nicht mehr arbeiten zu müssen, dann geht doch die Rechnung nicht auf.
Seine Argumentation enthält etwas durchaus Richtiges: Leistungslose Einkommen führen nicht unbedingt dazu, dass sich Menschen anstrengen. Oft laufen ihre Anstrengungen darauf hinaus oder erschöpfen sich sogar darin, sich das leistungslose Einkommen zu sichern. Vergleichbare Wirkmechanismen kann man in Fall von Monopolen erkennen. Die Idee, dass ein allgemeines Grundeinkommen automatisch* zu einer Entfaltung von Kreativität und Schöpfertum führt, ist illusorisch.

Dazu und zu seiner Äußerung gibt es m.E. mehrere Einwände:

Erstens ist das Niveau von ALGII bzw. Sozialhilfe [irrtümlich von Metzger verwendeter Begriff] nicht so hoch, dass deren Bezieher mit ALGII-Bezug materiell zufrieden sind. Wenn sie sich in ihren Anstrengungen zum Einkommenserwerb auf ALGII beschränken, wenn sie sich nicht verbessern "wollen", dann hat das neben Bequemlichkeit (das gibt es auch) vor allem mit widrigen Realitäten am Arbeitsmarkt zu tun, beginnend mit der Schwierigkeit Arbeit zu finden und ausbeutungsähnlichen Niedrigstlöhnen.

Dazu kommt auch ein verbreitetes (oft irrtümliches) Gefühl von Hoffnungslosigkeit, die mangelnde Förderung der ALGII-Beziehern, sowie die übel wirksame gesellschaftliche Degradierung. All das blendet der reaktionäre Lobbyist Metzger aus. Metzger zielt letztlich auf einen sozialdarwinistischen Schmarotzerdiskurs.

Zweitens, man kann derartige Degenerationsprozesse auch z.B. im Kreis von Erben sehen. Nur, wird man dann entdecken, dass diese Aussage so generell nicht gilt. Menschen sind sehr vielfältig, und ein Abgleiten in stumpfen Konsum ist keineswegs die Regel. Das allgemeine Wirtschaftsdogma unserer Zeit meint, es könne schöpferische Prozesse allein mit der Struktur monetärer Anreize erklären. Tatsächlich wirken hier andere Faktoren viel stärker, neben Erziehung, Bildung und Vorbild sind hier Anerkennung und soziales Umfeld zu nennen.

Drittens argumentiert Oswald Metzger wie ein blasierter Herrenreiter, der in autoritärer Pose seine wiederholte Abscheu gegen untere Schichten verkündet, denen er "keineswegs" (das hat er wirklich gesagt) schöpferische Leistungen zutraut, jedenfalls dann nicht, wenn diese ALGII-Zuwendungen erhalten. Woher will er wissen, dass "Sozialhilfeempfänger keineswegs" schöpferisch aktiv werden? Ich erinnere daran, dass die sogenannte "Ich-AG" zur allgemeinen Überraschung recht gerne genutzt wurde (und trotz ihrer teils guten Effizienz dann durch die Politik wieder abgeschafft wurde).

Das von Metzger mit Absicht betonte, für "viele" ALGII-Bezieher gezeichnete Bild von fetten Alkoholikern reduziert die soziale Wirklichkeit unzulässig und entwürdigt diejenigen, die auf ALGII-Bezug angewiesen sind. Er meint "sehr viele" - denn sonst würde seine Argumentation kaum Sinn machen.

Viertens ist Oswald Metzger ein Politiker mit festgefügten Weltbild, der weder sonderlich lernfähig ist, noch zu seinem Wort steht. Jetzt beklagt er, dass das Interview "nicht autorisiert und womöglich auch verkürzt" gewesen sei (Quelle).

Man erkennt den Herrenreiter.

* Ich persönlich würde ein "optionales Grundeinkommen" befürworten, beschränkt auf maximal drei Jahre und gebunden an selbst gewählten sozialen, unternehmerischen, schöpferischen oder künstlerischen Aufgaben - sowie Leistungsnachweisen. Allerdings bin ich auch hier skeptisch, ob unsere Gesellschaft reich genug dafür ist.

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20 November 2007

Grundrechte-Abbau: So warb die Bundesregierung 2001

Kaum zu glauben: Wir leben in einer Zeit, in gegen Tausenden von Bürgern ermittelt wird, weil diese irgendwie entfernt in Beziehung ständen zu einem Wissenschaftler, der die Worte "Gentrifizierung" und "Prekariat" verwendet hatte, in einer Zeit, wo Sicherheitsbehörden völlig selbstverständlich Gespräche von Informanten und Journalisten belauschen und die dabei ermittelten Informationen via Aktenveröffentlichung den Anwälten von Rechtsextremisten zur Verfügung stellen. Und die vierte Gewalt schläft fest.

Noch schwerer zu glauben: 2001 warb ein Bundestag mit dem Fernsprechgeheimnis: "Flirten, Lästern, Tratschen. Und niemand hört mit. Entscheidungen für die Freiheit"

Hinweis und via: Das sehr empfehlenswerte Blog von Hanno Zulla. Vielleicht ist es wieder Zeit zu rufen: Écraser l'infâme!

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19 November 2007

Grundrechte-Abbau: Coffeeandtv hat recherchiert

Da (abgesehen von Heise) sich die "Gate Keeper" in den Medien bislang oft weigern, über Bürgerrechteabbau, Vorratsdatenspeicherung und Onlinedurchsuchung angemessen zu berichten (trotz eines massiv bröckelnden Informantenschutzes!) und auch nicht darüber berichten, dass 26 SPD-Abgeordnete einem Gesetz zustimmen, welches sie in einer separaten Erklärung für grundfalsch halten, ja sogar für grundrechtswidrig, fällt uns Bloggern die Aufgabe der Berichterstattung zu.

Wer, wenn nicht wir?

Lukas von CoffeandTV hat im Fall der 26 Abgeordneten recherchiert und u.a. Fragen an das ZDF, an eine uninformierte FDP, an Jan Korte (die Linke) und an Wolfgang Wieland (Grüne) gerichtet, welcher anmerkt:
Das Motto „Koalitionsfrieden wahren, Ideale zitierfähig ins Protokoll schreiben, Karlsruhe das Aufräumen überlassen“ darf nicht die Handlungsmaxime für Abgeordnete sein.
Verfassungsbruch für Koalitionsfrieden?

Ein solcher Tausch passt zu einer pflaumenweichen Demokratie, einem Innenminister, der zu Mügeln schweigt, aber mit geradezu pathologischen Schreckensszenarien seine Politik rechtfertigt. Woher kommt diese Dumpfheit, diese Schlappschwänzigkeit, diese wortstolpernde Halbbildung, dieser instinktlose Kuhhandelsmentalität, wenn es darum geht, Grundpfeiler unsere Demokratie und Freiheitsrechte zu verteidigen? Sie halten sich für Demokraten, für Freiheitsbewahrer, für was weiß ich. Sie winden sich und fühlen sich zu gar nichts verpflichtet.
"Trotz schwerwiegender politischer und verfassungsrechtlicher Bedenken..."(PDF)
Für den Koalitionsfrieden? Das kann eigentlich nicht sein.

Ich werde morgen 5-10 SPD-Abgeordnete kontaktieren. Ich möchte besser verstehen, wie man als Abgeordneter ein Gesetz befürworten kann, das man für grundgesetzwidrig hält.

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Wir haben in der Schule gelernt, dass die antiparlamentarische Propaganda von KPD und NSDAP undemokratisch war und zum Niedergang der Weimarer Republik beitrug. Dabei wird m.E. übersehen, dass es da allerdings Probleme gab und auch heute noch gibt. Die Aushöhlung des Parlamentarismus von innen: durch ein Übermaß von Interessenpartikularismus und Wirtschaftsinteresssen, durch mangelnde Repräsentation von Bevölkerungsanliegen, und drittens durch eine Form der gelebten Lüge, zu der auch gehört, dass parlamentarische Debatten keine sind und dass "freie" Abgeordnete sich nicht einmal dann gegen ihre Fraktionsbosse stellen und gegen üble Gesetze stimmen, wenn sie von deren Verfassungswidrigkeit überzeugt sind.

(Reaktion u.a. auf diverse Artikel des z.Zt. furiosen Wirres-Bloggers, z.B. diesen. Außerdem hat er Recht: Wenn es die Medien totschweigen, sollten wir Blogger es tun. Achja, und das hier bei Lukas zeigt, dass im Parlament nicht die "Manager" fehlen, sondern die Abgeordnete mit normalen Berufen.)

Kleine Hamburger Ergänzung zu Naumann: Wer sich als Spitzenkandidat ausgerechnet von M. Nesselhauf vertreten lässt, der gehört für mich zu einer gesellschaftlichen Schicht (Stichwort: Osmani), von der ich politisch keinesfalls vertreten werden möchte.

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17 November 2007

Ich bin überrascht, dass es mich immer wieder erschüttern kann. Diesmal: Ein Bild in einem zeitgeschichtlichen Buch. Sein Oberkörper ist grotesk empor gereckt, gigantischer Prunk und Propaganda protzende Dekoration läuft in Sonnenstrahlen nachahmender Art auf ihn zu.

Alle Augen sind auf ihn gerichtet, jeder versucht seinen Nachbarn an Begeisterung und Stolz zu übertreffen, alle rechten Hände hervorgereckt zum Gruß. Alles gilt ihm. Ein Götzenbild eines Menschen - grotesk überhöht wie in einem absurden Autistentraum. Es wird Krieg und Massenmord verkündet, im Mittelpunkt des Geschehens steht ein kleiner und als Person lächerlicher Mann, der sich in diesem Moment wohl wie ein Gott zu fühlen versucht.

Soviel Wahn in einem Bild. Es ist schade, dass es das Bild im Internet nicht gibt.

16 November 2007

Oliver Gehrs weiß genauer, warum es sich ausgeaustelt hat. Ähem, und dazu hat er einen geradezu von Hass zerfressenen langen Artikel fabriziert - der auch einige gute Sätze enthält, z.B.:
Es ist irgendetwas schief gelaufen in Austs Amtszeit: Im Spiegel selbst sind die kritischen Stimmen verstummt, er ist innen hohl. Aber drum herum werden die Kollegen plötzlich frech. Die Journalisten, aus denen er Spiegel-Leute machen sollte, sind keine mehr - dafür führen sich diejenigen wie Spiegel-Leute auf, für die er eigentlich gar nicht zuständig ist.

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15 November 2007

Das Spiel ist aus. Das Spiel ist aust! Aust ist raus !!!

Im Machtkampf mit Mario Frank (G & J) hat sich Aust vergaloppiert. Der Pferdeliebhaber hat sich nun wieder nach Bali verkrümelt, bekam keine Vertragsverlängerung - und - wie zu hören ist, hat kaum Lust auf weitere Vertragserfüllung. Seine Karriere endet. Di Lorenzo könnte sein Nachfolger werden. Schön wär das. Im Kreis der Augstein-Erben knallen heute Abend die Sektkorken, in den Fluren an der Brandtwiete wird getanzt. Sollte jedoch als Favorit von Frank der Schirra-Kumpel nachfolgen, so hat die Pest die Cholera abgelöst.

Bahnstreik, Rürup und warum eigentlich?

Ich frage mich, warum Rürup zum "Wirtschaftsweisen" erklärt wird. Nicht nur, dass viele einer Prognosen und Vorschläge nichts getaugt haben, schlimmer noch, der Großteil von dem, was er äußert, ist reine Interessenpolitik. Nun sagt er (während mehrere Großbetriebe bedingt durch den Bahnstreik lahm liegen und der Wirtschaft Verluste in zweistelliger Milliardenhöhe drohen), dass der evtl. längere Zeit dauernde Bahnstreik die Konjunktur nicht gefährde.

Apropos Bahnstreik: Es gehört zum demokratischen Grundrecht von Beschäftigten, dass sie sich die Gewerkschaft selbst aussuchen können, die sie vertritt. Gute Gründe haben sie ohnehin. Wenn es der Bahn nun zentral darauf ankommt, einen Tarifvertrag zu verhindern, dann verhöhnt sie damit nicht nur das Selbstorganisationsrecht der Beschäftigten, sondern in der Konsequenz auch den Rest der Gesellschaft - welche an den Folgen dieses Starrsinns leidet. Ich hoffe, dass der Bahnvorstand eine saftige Niederlage erleidet - und solidarisiere mich hiermit mit den streikenden Lokführern.

Nieder mit Mehdorn!

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14 November 2007

Schäuble-Behörde nutzt StaSi-Daten

Wäre es möglich, dass das BKA Daten und Personenprofile der StaSi nutzt, um gegen Oppositionsgruppen zu kämpfen?

Doch, genau das ist der Fall. Die Autoren der oppositionellen Zeitschrift "Telegraph" sind wegen ihres Sprachgebrauchs und ihrer politischen Einstellung ins Visier der StaSi des BKA gekommen; ein hahnebüchener Terrorvorwurf wurde konstruiert und Akten der StaSi als Beleg für die Berechtigung des absurden Terrorismusverdachtes herangezogen. Das passt zur internationalen Entwicklung.

Und ich wette darauf, erstens, dass diese Entgleisungen des BKA unseren StaSi-Schäuble das Amt nicht kosten werden, zweitens, dass SpOn und BILD nicht darüber berichten werden.

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13 November 2007

Lesetipp: Wer sich für die Geschichte von Venezuela interessiert oder für die Regierungsbilanz von Chavez, findet hier einen guten Artikel. Allerdings ist dieser Artikel gefärbt. Wenn jemand andere gute Artikel kennt, womöglich sogar welche, die tatsächlich unvoreingenommen sind, wäre ich sehr dankbar!

12 November 2007

Ein Demonstrant und der sicherheitsstaatliche Wahn

+++ Update +++

Tatsächlich gab es einen Versuch Merkel anzugrabschen.


Ergänzung (14.11.2007):

Bei dem nach Medienangaben "unbekannten" Politaktivisten handelt es sich um den derangierten Roland Bialke, der Attentäter zu seinen persönlichen Vorbildern erklärt und sich Roland Ionas Bialke nennt.

Dazu ein paar informierende Links:
Ich frage mich, was stärker zu dem übel deformierten Geisteszustand dieses Politaktivisten beigetragen hat, seine soziale Situation, die er als schwerwiegende Armut und Ausgrenzung empfindet, seine Schwärmerei für Satanismus oder eine bedauerliche persönliche Disposition, die ihn zwischen hystrionischen Wahnsinn und Normalität oszillieren lässt. Man kann - wenn man solche Einzelpersonen betrachtet - bestimmte Maßnahmenwünsche staatlicher Stellen verstehen.

(Es fiel mir schwer, das zu schreiben)

Wobei ich mich die ganze Zeit frage, ob das wahr sein kann; es scheint jedoch zuzutreffen. Wenn man so will, kann man hier einen Terroristen in status nascendi sehen. Ich hoffe für ihn, dass sich Roland Bialke wieder fängt. Man kann davon ausgehen, dass in diesem Fall ein fähiger Sozialarbeiter mehr bringt als noch so scharfe überwachungs- und sicherheitsstaatliche Regelungen.

+++ Update +++


[Der nachfolgende Text ist obsolet geworden]

S
o lügt die bürgerliche Presse:
"25-Jähriger attackiert Merkel an Schule
Angela Merkel und der französische Präsident Sarkozy haben heute eine Schule in Reinickendorf besucht. Plötzlich stürmte ein Mann laut schreiend auf die Kanzlerin zu. Er konnte von Sicherheitskräften abgedrängt werden. (...) Uniformierte Polizisten konnten den Mann rechtzeitig abdrängen. Bei seiner Festnahme leistete der Mann erheblichen Widerstand."
(Quelle: Tsp)
Komplett gelogen. Die Sueddeutsche schreibt:
"Der 25-jährige Mann habe aus der Menge heraus zu Merkel beleidigende Parolen gerufen, als die beiden Staatschefs die Schule verließen, sagte ein Polizeisprecher. Unter anderem habe der Festgenommene in Richtung der Bundeskanzlerin gegen den "Überwachungsstaat“ gepöbelt. Als Zivilbeamte ihn abdrängen wollten, habe der Mann Widerstand geleistet. Er sei daraufhin überwältigt worden."
Was war tatsächlich passiert? Tatsächlich hat ein harmloser einzelner Protestierer sein Grundrecht auf Protest wahrgenommen und Parolen gegen den Überwachungsstaat gerufen, als die Kanzlerin - in einiger Entfernung - an ihm und anderen Zuschauern vorbei lief. Er bedrängte die Kanzlerin nicht, er rannte nicht auf sie zu, und er beleidigte die Kanzlerin nicht. Allerdings hielt es die Polizei für eine dem Rechtsstaat angemessene, legitime Aufgabe, Protest zu unterbinden.

Der Protestierer wurde dabei rechtswidrig von Zivilbeamten in schwarzen Jacken bedrängt. Sie versuchten ihn von seinem Protest abzuhalten - und weil er seinen Protest fortsetzte, wurde er überwältigt, zu Boden geworfen, in Haft genommen und ihm ein gewalttätiger "Widerstand" vorgeworfen. Es läuft z.Zt. eine Strafanzeige gegen ihn.

Widerstand? Das schreiben übereinstimmend die "Gate Keeper" der Medien, aber auch das ist eine Lüge. Wie man auf diesem Bild und auf diesem Bild sehen kann, nämlich an der Nähe der umgebenden Zuschauer, kam es zu keinen Kampf- oder Widerstandshandlungen. Bei jeder ernsthaften Kampf- oder Widerstandshandlung hätten diese erfahrungsgemäß einen weit größeren Abstand gewählt.


+++ Update +++

Mein Text (durchgestrichen) geht von falschen Tatsachen aus. Tatsächlich gab es hier seitens eines Politaktivisten einen - wenngleich glimpflichen - Versuch, Merkel anzugrabschen. Mehr dazu in den Kommentaren. Gewalttätiger Widerstand - wie vorgeworfen - ist m.E. jedoch nicht erfolgt.

+++ Update +++

(Ganz schön peinlich für mich - ich entschuldige mich hiermit bei meinen Lesern! Und ich hoffe, durch meine nachträgliche Recherche wurde mein Fehler aufgewogen. Herzlichen Dank an die hilfreichen Kommentatoren/innen!)

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Carl Schmitt und die RAF

Von heutigen, zumeist erstaunlich geistlosen "Publizisten" der Großverlage (wo man Personen wie Norbert Bolz bewundert) wird gerne der Eindruck erweckt, oder als offener Verdacht ausgesprochen, dass es zwischen "den 68ern" und der RAF ein einigendes Band gäbe. Zuviel Lektüre von Adorno, Marcuse oder Habermas (z.B. dies) führe gewissermaßen zum Terrorisismus.

Verhältnismäßig unbekannt ist es hingegen, dass Carl Schmitt, der Idiotologie der Autorität, geistigen Input zum Terror der RAF geliefert hat. Auf den Lesetischen der RAF lag nicht etwa die "minima moralia" von Adorno, sondern Carl Schmitts "Theorie des Partisanen".

Die Bewunderung war wechselseitig. Carl Schmitt verachtete den liberalen und Bürgerrechte achtenden Staat als "verweichlicht"* und bewunderte die RAF, von der er anerkennend sagte: "So spricht der Staat". Der entmenschte Kommandoton der RAF war es, der Gefühle von Zuneigung in Carl Schmitt auslöste, wie ein vertrauter Klang aus alten Zeiten...

* In einer teils ähnlichen geistigen Tradition steht meines Erachtens der radikale Politiker Wolfgang Schäuble. Beachtlich zum Thema RAF und Carl Schmitt ist ein Artikel in der TAZ von Stephan Schlak. Ich weiß allerdings nicht, aus welchen Quellen Schlak seine Meinungen schöpft. Dafür, dass die "Theorie des Partisanen" von der RAF rezipiert wurde, fand ich keine Quellen. Ich halte es für möglich: Die RAF empfand für den Begriff "Partisan" eine so große Fasziniation, dass man dort vor C. Schmitt nicht gescheut hat.

10 November 2007

Jubii ist irre

Lycos bzw. Bertelsmann (bzw. Lycos-Chef Christoph Mohn) möchten nach den diversen Internetpleiten des Konzerns mal wieder Erfolg haben - und bieten einen "neuen" Dienst im Web 2.0-Gewand an, er nennt sich Jubii. Kurz auf die AGB geschaut:
"Sie dürfen die kostenlosen Dienste von Lycos nicht für die Anbahnung oder den Abschluss von Rechtsgeschäften nutzen, insbesondere nicht im Rahmen der Ausübung einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit."
Dazu passt dann die aktuelle Meldung des "Produkt Managers Sven":

"Bei Jubii dreht sich alles um dich und dein persönliches Netzwerk vertrauenswürdiger Personen. XING zeigt ihren Mitgliedern die Kontakte ihrer Kontakte an und ermöglicht ihnen so, ihr persönliches Netzwerk auszubauen. Eine Kooperation zwischen diesen zwei Marken bezüglich einer tiefen Integration von XING in Jubii geht weit über die üblichen Cross-Marketing Konzepte und Standard Werbe Initiativen hinaus."

Kommentar: Wie durchgeknallt muss man bei Lycos bzw. seitens der Bertelsmannführung sein, dass man ausgerechnet Xing, ein Kontakthof Portal für Gewerbetreibende und Selbstständige, in den Dienst Jubii integriert, wenn man derartige Nutzungen zugleich via AGB strikt verbietet? Außerdem - völlig rechtswidrig - sollen die Cross Marketing Targets Nutzer wesentliche Rechte für ihre eingestellten Inhalte dem Konzern schenken übertragen.

Die spinnen, die Bertelsmänner.

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09 November 2007

Spiegelkritische Notizen für den Tag:

1. Malzahn hält ein betont serviles Interview mit Westerwelle, wo dieser bürgerliche, angebliche "Liberale" unhinterfragt verdrehten Kauderwelsch feil bieten darf und sich eifrig wie sinnlos über die DDR erregt. Kein Link für diesen Interviewdreck.

2. Die Hamburger Wahlbehörde macht Werbung für einen lästigen, teuren und Demokratie unterminierenden "digitalen Wahlstift" und das kritische Nachfragen der SpOn-Journalisten erschöpft sich im Erstauen darüber dass die Hamburger Bevölkerung massives Desinteresse an diesen Werbemaßnahmen zeigt. Überall woanders gibt es bessere Informationen.

3. Ich wundere mich, warum SpOn einen gewerkschaftsnahen Lohnspiegel lobt, und zwar dieses unzulängliche Mistding. Eine erfahrene Führungskraft im Großhandel würde im Durchschnitt 2250 Euro brutto verdienen, ein Call-Center-Agent ohne Berufserfahrung verdiene 1800 Euro. Lachhaft. Dieser Lohnspiegel liefert Werte, die im Schnitt 35% (!) unterhalb der statistischen Wirklichkeit liegen (via). Der Spiegelverlag, der diesen Unfug empfiehlt, sollte sich schämen.

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08 November 2007

Wollt Ihr den totalen Markt?

"Die Verdrängung von Kritik macht es möglich, den Leuten zu erzählen, daß sie in einem System allumfassender "Deregulierung", in einem totalen Markt, automatisch freie Menschen sein werden. Die Leute stellen sich ein System der Ungleichheit, in dem sich nahezu alle Mittel im Besitz des Eigentumselite befinden und in dem die vermachtete Privatwirtschaft der einzige Arbeitgeber ist, als ein Reich der Freiheit vor. Sie berücksichtigen niemals die Möglichkeit, daß eine allmächtige Privatwirtschaft in ihrer Utopie nach Zielen streben könnte, die sie selber völlig ablehnen. Stets nehmen sie stillschweigend an, daß der der totale Markt genau das tun wird, was er nach ihren Wünschen tun sollte."
Zitiert wurde hier Ludwig Mises. Geringfügig bearbeitet. *räusper*

07 November 2007

Trend: Während Unternehmen immer stärker darauf setzen, mit anwaltlicher Hilfe missliebige Informationen und Meinungen zu unterdrücken (z.B. im Fall Euroweb und Parfip), wird zugleich auf das Prinzip "gläserner Kunde" gesetzt, z.B. über Behavioral Targeting. Werbestrategen jubeln:
Die Behavioural-Targeting-Technik erlaubt auch die site-übergreifende Analyse, wenn diese Sites von gleichen oder miteinander vernetzten Adservern gesteuert werden. (...) Die große Akzeptanz von Behavioral Targeting in der Online-Werbung belegt eine Studie von Jupiter Research, derzufolge bereits viele Firmen einen Großteil ihres Budgets für Online-Werbung im Rahmen von Behavioral Targeting ausgeben.
Kaum, dass sich Microsoft an der social software Facebook beteiligt hat, erhalten Werbetreibende ab sofort persönliche Informationen der Nutzer mitgeteilt, z.B. Alter, Geschlecht, Kaufverhalten und Interessen, zum Zweck von Social Ads bzw. zielgerichteter Kundenspionage. Gleichzeitig interessieren sich staatliche Behörden zunehmend für das Surfverhalten von Nutzern. Brave new world.

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06 November 2007

Prognose zu den Wahlen in Dänemark

Eine neue linksliberale bis zentristische Partei wird bei den Wahlen am 13 November in Dänemark die Vorherrschaft des rechten Parteienblockes voraussichtlich brechen. Die Partei "Ny Alliance" ist eine Ausgründung aus der linksliberalen "Radikale Venstre". Sie besetzt ein politisches Spektrum, das vorher scheinbar verwaist war, und stellt eine Kombination aus Sozialstaatlichkeit und bürgerlicher Liberalität dar.

05 November 2007

Gabor Steingart und sein dreifacher Murcks

Gabor wäre gerne der Herrscher Aust-Nachfolger im SPIEGEL, aber weil es dazu nicht gelangt hat, ist er jetzt nur ein Korrespondent in Washington. Und was tut er dort? Er leckt dort seine Wunden. Außerdem solidarisiert er sich (im Unterschied zur US-Bevölkerung) mit dem Präsidenten GW Bush, den er fast so großartig findet wie sich selbst, und mindestens genauso verkannt, bewunderungswürdig und ungemein lebendig. Gabor Steingart imaginiert sich einen Bruder im Geiste - und, als ob das noch nicht reichte, dichtet er GW Bush große Erfolge an.

Erstens faselt Gabor von großen "Feldherrenglück", denn es sei GW Bush gelungen, dass nun "Bewegung an der irakischen Kriegsfront" herrsche. Tatsächlich, im Irak bewegt sich ein unverändert blutiger Strom aus Kampf gegen die Besatzungsmacht, Morden, Anschlägen und Vergeltungen. Indes, die meisten Iraker und Amerikaner würden mit etwas weniger Bewegung zufriedener sein. Die Lage im Irak ist ein Desaster und lässt sich nicht schönschreiben.

Zweitens, GW Bush "dominiert" angeblich die Kandidatensuche im Vorwahlkampf in den USA. Das behauptet Gabor. Abgesehen von der kranken Denkfigur, die sich einen dominierenden Bush herbeiwünscht wie einen Führer, ist diese Behauptung so verwegen haltlos, dass man an Steingarts geistiger Gesundheit zweifeln darf. Jeder Kandidat, der im Verdacht steht GW Bush nahe zu sein, muss mit der Verachtung der Amerikaner rechnen. Domination sieht anders aus.

Drittens meint er, Bush "treibt die Demokraten wie der Hirtenhund die Schafe". Dies begründet Gabor, der sich von seiner neokonservativen Vergangenheit offenbar nicht lösen kann, mit folgenden Satz:
Die demokratischen Themen - Armut, Gesundheitsreform und Klimakatastrophe - verglühen gerade im Feuer der Granatwerfer von Bagdad.
Wer so schreibt wie Gabor, kann eigentlich nur ein kriegsverherrlichender Bejubler von Granatwerfern sein, dem die Lektüre von Jüngers Stahlgewittern nicht bekommen ist,- aber schlimmer noch, er ist ignorant. Man schaue sich einfach an, wie die Lage der angeblich wehrlos wie Schafe getriebenen Demokraten vor dem Hintergrund des Irakkriegs aussieht, anhand aktueller Umfragewerte (NBC News/WSJ Survey #6067):

Auf die Frage "All in all, do you think that things in the nation are generally headed in the right direction, or do you feel that things are off on the wrong track?" antworten 26 Prozent der US-Bürger "Headed in the right direction" und 61 Prozent "Off on the wrong track".

57 Prozent der US-Bürger sind mit der Amtsführung von GW Bush nicht einverstanden, und bei der Frage "In general, do you approve or disapprove of the job that George W. Bush is doing in handling the situation in Iraq?" zeigen sich 33% der Amerikaner mit GW Bushs Irakpolitik zufrieden, während diese von 63% abgelehnt wird. Trotzdem dürfte es einfacher sein, einem Papagei das Rülpsen beizubringen, als Gabor Steingart zugeben zu lassen, dass er falsch liegt.

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04 November 2007

Zur Gegenwart und Zukunft der Bertelsmannstiftung

Lesetipp: Ein Artikel von Erich Katterfeld zur Bertelsmannstiftung.

Einige der Einschätzungen von Katterfeld halte ich für überzogen. Andererseits belegt der teils starke Einfluss auf Gesetzgebungsverfahren in Europa und Deutschland die politische Wirksamkeit der Bertelsmannstiftung.

Zukunft

Vermutlich liege ich falsch, aber nach dem Machtkampf in der Stiftungsführung halte ich es für denkbar, dass Liz Mohn mit ihrer eher karikativen Grundorientierung eine sachte Ent-Neoliberalisierung der Bertelsmannstiftung einleiten wird.

Andererseits: Der Polit-Tanker Bertelsmannstiftung beschäftigt und steuert einige hundert Projektmanager und Wissenschaftler. Eine politische Institution in dieser Größe und Konstruktion lässt sich wohl nicht schnell umsteuern. Vieles wird beim Alten bleiben. Dennoch, der mittels dem Herauskramen von Schmutzwäsche betriebene Rauswurf von Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Weidenfeld war eine Zäsur. Die Anverwandte Ursula Weidenfeld motzt ausführlich aus Sorge vor der kommenden Ent-Neoliberalisierung. Zugleich belegt sie, dass ihr technokratisches ökonomisches Halbwissen weder den Menschen, noch der Wirklichkeit gerecht wird.

Ursula W. begründet in ihrem Artikel mit ihrerseits nur halb begriffenen experimentalökonomischen Erkenntnissen, dass der Mensch oft subrational handelt - und folgert daraus, dass das Projekt einer weiter fortschreitenden Neoliberalisierung der Gesellschaft ("Reform" genannt) nur aus Dummheit der Bevölkerung heraus abgelehnt wird. Die Arroganz der Frau Weidenfeld schließt aus, dass Alternativen zu ihren politischen Vorstellungen ebenfalls rational sein können. Sie meint, dass eine Bevölkerung, die anders als sie denkt, sehr dumm sein müsse. Wie erbärmlich.

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01 November 2007

Musik und das Prinzip dogmatischer Unfreude

Meine Erfahrung mit Musik ist, in doppelter Hinsicht, dass Schaffensfreude positiv wirkt. Damit ist beileibe nicht "Kraft durch Freude" oder Getöne in der Art von Gotthilf Fischer gemeint. Auch für düstere und melancholische Musik hat die freie Entfaltung von Schaffensfreude einen großen Wert - dort vielleicht sogar besonders. Auch das Verfolgen von eigentlich absurden Kompositionsregeln (z.B. 12-Ton-Musik) kann Ausdruck von Experimentier- und Schaffensfreude sein. Wenn aber die Macht des Dogmas hinzutritt, dann kann ein eigentlich kreativer und neue Möglichkeiten erforschender Ansatz sich in sein Gegenteil verkehren.

Das wäre, kurz gefasst, mein Lob und meine Kritik an der 12-Ton-Kompositionstechnik.

Schaffensfreude wirkt positiv auf die Musik, aber auch bei der Zusammenarbeit von Musikern. Dazu gehört auch der Mut, mit Regeln zu brechen. Umgekehrt ist es meine persönliche Erfahrung, dass Dogmatismus in der Musik nur selten nützt, besonders, wenn er ein bestimmtes Maß überschreitet. Er verkrüppelt die Beziehung des Musikers zur Musik bzw. schränkt seine Entfaltung ein. Auch in sozialer Hinsicht wirkt Dogmatismus einschränkend und destruktiv. Der kleinste Nenner des Dogmatismus ist für mich Rechthaberei.

Wird die Freude am (z.B. musikalischen) Dialog mit dem anderen vergessen, tritt die Rechthaberei in den Vordergrund (die ansonsten als Teil menschlicher Regungen natürlich sein mag und oft auch ein nützlicher Antrieb ist) - gewinnt Dogmatismus ein Übergewicht gebenüber dem Respekt und der Freude am Dialog, so wird sie schnell Quelle persönlicher Gegnerschaften, Kränkungen und Aversionen. Vielleicht erklärt das auch die Instabilität dogmatischer Gruppierungen.

Der Dogmatiker mag sich seine eigene Welt erschaffen haben, in der er sich auskennt und wohl fühlt, er mag diese Welt verfeinern, bedeutende Entdeckungen machen und sie sogar prächtig ausbreiten - er wird jedoch fast immer Probleme mit dem Dialog haben bzw. in der Gefahr stehen, diesen mit Unfreude und Gehässigkeiten zu vergiften. Sehr leicht fühlt sich beleidigt, wenn man ihn nicht versteht oder ihm widerspricht.

Ich bedaure das - und ich empfinde dogmatische Streitereien immer auch als einen Mangel an Musikalität.