27 April 2006

Blogpause? Grafikkarte + Monitor kaputt...

Ich werde das Desaster demnächst eingehend dokumentieren. Skandal! Mein tapferer und bereits 8 Jahre alter 17'-Monitor wurde von einer überstarken "Herkules"-Grafikkarte zerschossen, die ihre letzten Zuckungen im Lebenskampfe dafür nutzte, ein anderes Gerät in den Abgrund zu ziehen.

Meine (des Anblicks eines hübschen Bildausgabegerätes verlustig gegangenen) Augen sind tränenverkleistert, und meine Hosen sind vom ganzen Gekrabbel unter dem Schreibtisch dreckverschmiert. Im Augenblick bleibt mir nur eine uralten Miro-S3-Grafikkarte und ein aufrichtig untauglicher 14`-Schwarzweiß-Ersatzmonitor (480 x 640). *Wuaaah*

Frage: Wenn ich maximal 150,- Euro ausgeben will, um diese unhaltbare Situation zu bessern, wofür sollte ich mich entscheiden?

26 April 2006

Antiamerikanismus in deutschen Blogs

Ich habe lange gesucht, den schlagenden Beweis für enthemmten Antiamerikanismus in linken deutschen Blogs. Hier ist er. (via Schockwellenreiter) Um es deutlich zu sagen: Es ist anti-amerikanisch, sich als Deutscher dazu zu äußern. Es ist anti-amerikanisch und anti-freiheitlich, die moralische Leitnation zu kritisieren. Let fredom prevail!

P.S.
Das war Satire. Damit kritisiere ich Stigmatisierung von Kritik und die Schaffung falscher Götzen bzw. die überzogene Konstruktion von Gut-Böse-Konstellationen.

Zu den Grautönen Amerikas gehört u.a. das faschistische Züge tragende Verständnis von Strafe, die zahlreichen menschenquälerischen Bootcamps, oder das hochgradig ineffiziente Gesundheitssystem. Grautöne gibt es überall. Wer sich für das Alltagsleben im Iran interessiert, der lese Jasmins Blog.

Spendenaufruf für Mario

Kein Herz für AbzockerZahlen Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!
Mario benötigt unsere Hilfe! Bitte spenden oder Bild/Link auf das eigene Blog kopieren! Der Jugendliche Mario wurde über eine Art Internet-Fallenstellerei herein gelegt und soll nun "analoge" Lizenzgebühren zahlen, obwohl die zugrunde liegenden und ihm aufgezwungenen Verträge z.B. AGB- und Fernabsatzgesetz widersprechen. Mit einer Spende können wir für Rechtshygiene sorgen und Mario helfen, in die Berufungsklage zu gehen. (via Parteibuch)

25 April 2006

Frau Schavan verspottet die Auszubildenden

Die berufliche Ausbildung bricht gerade zusammen, allein im Vergleich zum Vorjahr verringerte sich die Anzahl von Ausbildungsplätzen um drastische 4 % - und dies trotz einer brillanten Gewinnsituation deutscher Unternehmen.

Und wie reagiert Frau Schavan auf die Notlage der Auszubildenden (Berufsausbildungsbericht 2005 - PDF, 2006 - PDF), darauf, dass von Firmen inzwischen weniger als 50% der erforderlichen Lehrplätze angeboten werden, oder darauf, dass ein Hauptschüler heutzutage kaum noch eine Chance auf eine Berufsausbildung hat?
"Wir werden keine Debatte führen" (25.04.06).
Dreist. Ich weise zudem auf diese ziemlich hilflose Aussprache im Bundestag zum Thema Berufsbildung vom 10.02.2006 hin.

Alles, was Sie zu "DSQUARED" wissen müssen


Mehr findet man bei DSQUARED.org (hier gibt es Comics zum Gucken), sowie im Parteibuch und bei Axonas (über ein Abmahn-Geschäftsmodell zum Lachen). Meinungsfreiheit ist ungesund für Abmahnspezialisten.

23 April 2006

Wegen dem rechtspopulistischen Frühling: Politiker abschieben!

Nur Roland Koch schwächelt. Die übrigen Rechtspopulisten in der CDU blasen eifrig mit den Backen, vermutlich gestärkt von guten Umfrageergebnissen, welche den Koalitionspartner schwächen.

Noch stärker hängt der rechtspopulistische Frühling in der CDU m.E. mit frisch angetrunkener Machtbesoffenheit zusammen, und darum faseln in diesen Wochen Jung, Frau Leyen, Uhl, Stoiber, Schäuble und Schönbohm schiere Schwachheiten daher.
Lösungsvorschlag: Diese Politiker abschieben!
Schäuble ängstigt sich um blonde, blauäugige Menschen und er giert zusammen mit Jung nach mehr Bundeswehr im Inneren. Tschüss! Stoiber fordert Sippenhaft, und will die satirische Verunglimpfung christlicher Symbole bestrafen lassen. Sofort abschieben den Mann! Von der Leyen hat Schwierigkeiten mit der Trennung von Staat und Religion, und auch ansonsten keine Peilung? Hinfort mit ihr! Schönbohm verharmlost rechtsextremistische Gewalt, betrauert deutsche Täter im KZ Sachsenhausen und behindert Ermittlungstätigkeit, will aber für die Migrantenjugend "Schnupperknast" einführen? Schönbohm in den Abschiebeknast! Uhl will einen verfassungswidrigen Straftatsbestand einführen? Darum: Uhl abschieben!

Und wo wir gerade dabei sind, Ackermann und HW Sinn könnte man bei dieser Gelegenheit auch gleich entsorgen.

Anmerkung zum Begriff "ordoliberal"

Wer sich in seinen wirtschaftspolitischen Vorstellungen einseitig orientiert, rein auf die Durchsetzung von Arbeitgeberinteressen bzw. auf eine so genannte "Angebotspolitik", wer nicht nach sozialer Balance trachtet, wer kein Machtgleichgewicht zwichen Arbeitnehmern und Arbeitgebern anstrebt, wer den Sozialstaat ablehnt, wer Marktversagen für eine nur theoretische Erscheinung hält, wer unter internationaler Wettbewerbsfähigkeit ein ständig fallendes Lohnniveau versteht: der ist gewiss nicht ordoliberal.
Aufmerksame Leser werden feststellen, dass ich das "Eucken"institut als nicht ordoliberal einstufe. S.o.

21 April 2006

Nachlese Irakkrieg (1)

Jeffrey Gedmin zählt immer noch recht viel im politischen Berlin, wohl auch, weil ihm Nähe zur Bush-Administration nachgesagt wird. Gedmin? Ein WELT-Essayist und neokonservativer Polit-Aktivist, der sich für eine radikalmarktlich-militaristische Agenda einsetzt. Finanziert wird er u.a. vom Aspen-Institut und vom American Enterprise Institute.

Am 4. März 2003 trat er bei Politik-Digital auf und stellte im Live-Chat zwei Wochen vor Beginn des Irak-Kriegs den damals aktuellen Spin der Neocons dar:

Moderator: Ich gehe davon aus, dass Saddam Hussein Ende 2003 weg ist, haben Sie vor einigen Wochen gesagt. Das klingt nicht so, als gäbe es eine Alternative zum Krieg.

Jeffrey Gedmin: Ich glaube, dass der Krieg immer noch vermeidbar ist. Das liegt aber an Saddam Hussein. Wenn er bereit ist, alle Massenvernichtungswaffen aufzugeben, dann ist die Sache erledigt.

So lassen sich beliebige Kriege begründen. Gedmin sprach hier von nicht existenten MWBs und einer nicht existenten Bedrohung. Für einen PNAC-Mitbegründer und Mitglied der amerikanischen Militaristenunion ist diese Art der Kriegsbegründung m.E. wenig überraschend.

Nach ähnlichem Muster wird es im Augenblick auch im Fall Iran probiert, jedoch zeichnet sich ab, dass sich die amerikanische Öffentlichkeit nicht erneut täuschen lässt.

Der Volksmund weiß: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.

Update Blogroll: Linksliberale Blogs und Internationales

Dank einer hochgeheimen, nur mir bekannten Formel ist es mir gelungen, linksliberale Blogs ausfindig zu machen. Den Entdeckerstolz werde ich mit aller Welt teilen, daher gibt es bei mir nun auch eine entsprechende Blogroll bzw. Liste.

Wer da auf die Liste rauf oder runter will,
a) sagt es mir (z.B.: "i mog net") oder
b) zahlt (Marktlösung).

Die Formel? Nun, hmmja, Freiheitsliebe, Humanismus, Pazifismus, Anti-Rassismus, etwas Bildung und gelegentliche Intelligenzbeweise gehören schon mal dazu. Die Formel ist allerdings noch geheimer als z.B. das Rezept von Coca Cola. Und noch was: Die Liste wächst.

17 April 2006

Kontextsensitive Onlinewerbung

Es geht doch. Nur mit der Klickrate hapert es - das alte Problem.

Hitler und die historische Schuld des Rechtsliberalismus

Bei der Betrachtung der deutschen Geschichte ist vieles auf- oder jedenfalls bearbeitet worden. Ein bedeutendes Thema, das leider fast ausgeblendet wurde, ist die verheerende Rolle des Rechtsliberalismus in der Weimarer Zeit.

Zu Gunsten der Sonderinteressen von Privilegierten verdrängte er Gemeinwohl und soziale Gerechtigkeit aus dem Liberalismus, und ertaubte gegenüber den Nöten der kleinen Leute. Beim Wandel bzw. der Wegwendung von einer linksliberalen DDP (18 % Wählerstimmen) hin zum nationalbesoffenen Wirtschaftsliberalismus hat sich das deutsche Bürgertum tief schuldig gemacht a) als Katalysator und b) als Steigbügelhalter einer verheerenden Entwicklung.

Diese Schuld wird nicht vergessen.

Hitler hatte ein feines Gespür dafür, wo ihm in weltanschaulicher Hinsicht Gefahr drohte, er fürchtete also die eigentlich schlappen Sozialdemokraten und den "Liberalist". Hitlers weltanschaulicher Angstgegner, mochte er in jeglicher Hinsicht noch so besiegt gewesen sein, das war der Linksliberalismus.

Heute, wo sich in vielen gesellschaftlichen Bereichen ein fast schon wirtschaftstotalitäres und sozialdarwinistisches Denkens ausbreitet, heute, wo "Liberalismus" als Klassenkampf von oben propagiert wird, welcher Klientelinteressen als Gemeinwohl vorgibt, heute, wo sich eine militante Krüppelform liberalen Denkens ausbreitet, nämlich die Verwechselung freier "Märkte" bzw. Freiheit für das Eigentum mit menschlicher Freiheit an sich:

Heute! Ist es Zeit für einen neuen Liberalismus von unten, also für eine pazifistische und sozial verpflichtete Liebe zur Freiheit, die sich gegen die satten Eliten stellt - für die Interessen und Grundrechte der Mehrheit der Bevölkerung.

Bekämpft den Rechts- und Wirtschaftsliberalismus!

Forenhaftung - Hamburger Landgericht kämpft gegen die Meinungsfreiheit

(Heise-Meldung via Pickings via Flötenfuchs-Zwischenspeicher) Nun ist sie also raus, die lange erwartete Begründung des Hamburger Landgerichts zum Forenhaftungsurteil, welches allgemeines Aufsehen und allgemeine Verunsicherung ausgelöst hat. Einige Abmahnanwälte freuen sich über diesen großzügigen Freibrief für juristische Wegelagerei.

Man kann dem Hamburger Landgericht für die Rechtsprechungqualität generell kaum die besten Noten vergeben. Schwerlich. Bemängelt werden muss hier eine schlampige Urteilsbegründung. Ggf. gibt es schlampigere richterliche Begründungen bei bedeutsamen Urteilen; aus dem Urteilstext wird deutlich: Die beteiligten Richter haben Angst vor jeglicher Klarheit und Rechtssicherheit gehabt.

Was nun macht die "Gefährlichkeit" eines Forums aus, ab welchem Punkt ist es "gefährlich" und ab wann müssen Kommentare bereits vor der Veröffentlichung geprüft werden? Ergibt sich schon aus der Bereitstellung eines Forums eine gesteigerte Sorgfaltspflicht? Warum verstößt diese Gerichtskammer gegen die einschlägige BGH-Rechtsprechung? Haben Wirtschaftsinteressen einzelner (im Übrigen fragwürdig agierender) Firmen vor anderen Interessen grundsätzlichen Vorrang? Die Kanzlei Dr. Bahr hat das Urteil eingehend analysiert und kommt zum Schluss:
"Kurz zusammengefasst kann man die aktuelle Entscheidung glattweg nur als absolutes Fehlurteil bezeichnen."
Man fühlt sich an die unselige Rechtsprechung der Weimarer Zeit erinnert, nur, dass die Bürger- und Grundrechte auf der einen Seite stehen und das Primat ökonomischer Interessen auf der anderen Seite. Paragraf 1 des Hamburger Landgerichts lautet mutmaßlich: "Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hat Vorrang gegenüber allen übrigen Rechten, inklusive der Grundrechte." Das ist das Denken, welches dieses Landgericht offenbar prägt.

Klassenjustiz anno 2006.

P.S.
Mein Rat:
Google Adsense inaktivieren und das Webmaster Blog lesen. Ich empfehle außereuropäische Bloghoster. Man kann daran zweifeln, ob das Urteil des Hamburger Landgerichts für Rechtsstaat und Rechtsfrieden sonderlich nützlich ist.

15 April 2006

Deutschland hat faule Schüler

Okay, die Aussage ist etwas gegen den Strich gebürstet, aber sie ist unwiderleglich wahr, wie das Blog Quality herausfand:
Deutschlands Schüler sind die Faulsten! Denen muss man 120 Euro geben, damit sie einen Stein werfen! In anderen Ländern, wie zum Beispiel in Frankreich, schmeißen Schüler und Studenten Steine oder sogar Autos zum Nulltarif! Für unser armes Land kommt bei so wenig Leistungswillen jede Hilfe zu spät.
So kann das ja nichts werden, mit unseren faulen Hauptschülern. Wir benötigen an Stelle dieser gierigen Versagerbrut (Beweisfoto) hochqualifizierte Leistungsträger, welche dabei helfen, im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können.

Erzählung: Herr Johannser, Senior-PR-Consultant

Der Summton der Klingel verstummte und die Stimme eines Bediensteten erklang: «Wer ist da bitte?!» Ich neigte mein Haupt zur Sprechanlage und nuschelte gehetzt «Ich bin der 15:00 Uhr-Termin, Mario Moussaka.» Die Stimme fragte: «Mario Moussakka?», «Ja», sagte ich und das fein gearbeitete verzierte Gartentor setzte sich leise ratternd in Bewegung und öffnete sich.

Ich eilte zum Eingang der dreistöckigen Villa, hörte im Flur von einer verdattert guckenden Frau «Guten-Tag-ich-bin»-Mandy die Auskunft «1 Stock, ganz rechts bitte» und stürmte an ihr vorbei die Treppen hoch, das schwere, ausladende Edelholzgeländer, das noch nach frischen Holz roch, beachtete ich fast nicht.

Die lederbeschlagene Tür schloss sich hinter mir, schon stand ich vor dem schweren Schreibtisch von Herrn Johannser, in seiner Bauchfülle ein beinah behäbig wirkender Mann, er schaute mich durchdringend an und sagte: «Mario, junger Freund, es ist schön, dass Du kommst, was darf ich für Dich tun?», wobei er das «Dich» auffällig betonte.

Sein Zweitage-Bart konnte nur mühsam verbergen, dass er und sein Doppelkinn unmäßig schwitzten, seine eckige Brille betonte den kalten stechenden Blick, während sich seine kurzen Haare schmierig-fettig und strähnig auf seinem Kopf ordneten. Seine Krawatte baumelte schief und unförmig aus seinem schwarzen Anzug heraus, und wie immer presste er seine Lippen eng zusammen, nachdem er etwas gesagt hat. Immer noch durchbohrten mich seine braunen Augen, wie ein unpassend zahmes Wildtier, das noch nichts davon weiß, was der Jäger will.

«Setz Dich, und erkläre mir Deinen seltsamen Brief!» Etwas beklommen setzte ich mich. «Du fragst mich», sagte der Senior-Consultant und legte seine Hand mit dem Brief auf den rötlich gezeichneten Marmor seines Schreibtisches, «ob ich Dir einen Rat für die Zukunft geben kann. Du hast geschrieben, Du wärst vom hohen Ideal durchdrungen und doch oder gerade deshalb eckst Du überall im Leben an, ein Leben, das Dir kantig erscheint – das waren Deine Worte – und jetzt willst Du meinen Rat dafür. Junger Freund, das kann ja etwas werden mit Dir...?!»

Ich nickte dankend.

«Zunächst», sprach der Senior-PR-Consultant, «was hast Du bisher gemacht, und was bist Du von Beruf?» Ich schämte mich nicht wenig und erwiderte «Ich habe Kommunikation studiert, und ich bin nichts.»

«Hmm – Hmm“ machte der Senior-PR-Consultant und wiegte voller Bedenken sein Haupt. «Wozu brauchst Du dann noch Rat? Naja immerhin,...ich steh Dir zur Verfügung.»

Ich richtete meinen Finger auf sein schweres Bücherbord, beladen mit ledergebundenen Autographen, dann zeigte ich auf seinen lüsternen Kronleuchter an der Decke, die Lichtbrechungen schweren Bleikristalls tauchten den Raum in ein angenehm diffuses Licht, und stieß die Frage heraus, die mich bewegte: «Wie komme ich zu Erfolg? Wie erreiche ich einen Erfolg, wie Du ihn hast? Lehr mich, wie ich zu Erfolg komme. Diesen Erfolg?»

Erneut zeigte ich mit dem Finger auf einen seiner vielen Kunstschätze, diesmal eine bronzene Stehlampe anpeilend, bei der ein Laokoon-Ensemble den Lampenschirm hält, welcher seine Umgebung behaglich gedämpft erleuchtete. «Woher hast Du das alles?», fragte ich.

Herr Johannser lächelte seltsam.

«Erfolg? Du willst wissen, wie ich als PR-Consultant den Erfolg gelockt habe, junger Freund? Mein lieber, junger Hitzkopf! Es ist ganz einfach: Ich habe mich und überhaupt alles immer gebeugt! Auch die einfachsten Worte habe ich in amorphe glibberige Klumpen verwandelt, an denen nicht ein Gramm Wahrheit Haftung fand, wann immer es für meine Kunden erforderlich war. Du musst die Worte beugen und Du musst Dich beugen!»

«Niemals täte ich das, nie!» sagte ich mit Nachdruck.

«Du musst es tun!», sagte er, «Und Du wirst es tun. Sag, wie hast Du Dir Dein Studium finanziert?»

«Ich war“, dabei schaute ich auf meine Schuhspitzen, «Call-Center-Agent in Leipzig. Bei uns gab es nicht viel.»

«Falsch!» sagte er und sein Blick wurde wieder bohrender, «Wärst Du tüchtig und wirklich smart, dann hättest Du woanders sitzen müssen: In der Presseabteilung von Rheinmetall, als Kontaktmann beim Staatsschutz oder als Marketingassistent in einer Pharmafirma. Weißt Du, was ein Kompromiss ist? Kannst Du Zugeständnisse machen?»

«Nein, sowas will ich nicht!» rief ich.

«Du musst sie machen und Du wirst sie machen. Schau mich an! Ich bin die wohlgenährte Frucht der Kompromisse! Vor einem Monat habe ich für einen Stromkonzern Statistiken gefälscht und erfolgreich verbreitet, letzte Woche war ich für eine kriselnde Antikorruptionsfirma aktiv. Mein Krisenmanagement bestand darin, gegenüber der Presse in ungezählten Journalistenkontakten glaubwürdige Lügengeschichten über den Vorfall und die kleine Kritikerin zu verbreiten.»

«Lügengeschichten?» fragte ich verblüfft und merkte, wie Herr Johannser in Schwung kam.

«Ja, sagte er, man kann Journalisten so herrlich einfach hereinlegen, die sind fast alle bequem. Außerdem fand ich zusammen mit dem Ethikbeauftragten dieser Firma etwas überaus Feines heraus, der ist übrigens ein Könner des Kompromisses. Wir fanden nämlich, dass man die Kritikerin wirkungsvoll erpressen konnte, indem man zugleich ihre Freundin bedroht. Man muss im Leben vorankommen, junger Freund!»

«Aber die Wahrheit? Was ist mit den Idealen?» rief ich unangenehm lauter werdend, «Man muss doch anständig bleiben, damit sich das Leben verlohnt? Ich bin ein Revolutionär, mich drängt es, die Welt zu bessern, und so will ich bleiben! Betrug werde ich Betrug nennen, auch wenn es ein Betrug meines Kunden ist, einen Schleimer einen Schleimer, auch wenn er Senator ist, einen korrupten Partei-Anwalt korrupt, auch wenn er es ist, der mich bezahlt. Ich möchte eine klare Sprache sprechen. Ich werde einen Mord einen Mord heißen und Unrecht Unrecht, das ist es, was ich will. Hilf mir doch! Zeig mir den Weg, wie ich dieses Ziel verwirklichen kann, für meine Ideale, und wie ich glaube, zum Wohl der Menschheit!»

Ich hatte mich in Erregung gesprochen; meine Wangen glühten errötend, meine Lippen waren geöffnet und zitterten leise. Meine Augen suchten Halt im Raum und blieben am eingerahmten Wahlspruch hinter ihm an der Wand hängen:

Consultant, du bist null und nichtig!
Du bist ein subsidiäres Komplement!
Keine Wahrheit! Nimm nur eines wichtig:
Dass der Kunde dich erkennt.

Der Senior-PR-Consultant lächelte. Der große Herr Johannser lächelte milde. «Mein lieber Freund, Du bist noch so jung», hob er an, «aber Du redest Dich um Kopf und Kragen. Um Wohlstand und Erfolg. Auch ich begreife deine schönen Ziele, aber Gesinnungsmoral taugt nicht für den beruflichen Alltag. Hör mir mal genau zu! Auch ich wünschte, dass die Menschheit so edel wäre, wie Du sie machen möchtest. Auch ich bin ein Anhänger von allem Guten und Schönen, von edlen Zielen, ja, ich verehre das. Und doch, mein lieber junger Freund, sehr hart im Raum stoßen sich die Dinge! Man muss die Realität einkalkulieren, gut rechnen, sich klug beugen, wenn es für die Auftraggeber nötig ist...»

«Ich möchte mich nicht beugen!», unterbrach ich ihn trotzig.

«Du wirst Dich beugen, du musst Dich beugen, und das Beugen machst Du Dir zu einem Wesenszug Deiner Person, dann spürst du es garnicht mehr. Lerne die Kunst der Beugung und der Biegung, drehe Deine Worte so, wie Du sie brauchst. Eines Tages wirst Du vierstellige Tagessätze erhalten, und dann beugt es sich bequem und leicht. Es ist so süß, ein winziges Nachgeben, ein kleines Abducken des Kopfes und ein guter Anfang ist gemacht. Dann ein niedliches kleines Verleugnen von Prinzipien; nährt Dich etwa die Aufrichtigkeit? Und schon bist du ein gefragter, angesehener, nützlicher und überall freundlich aufgenommener junger Mann! Willst Du das?»

Zornig abwehrend schüttelte ich den Kopf.

«Ach, was, Schnickschnack!“, versuchte er es mir in warmen Ton auszureden, «Überleg doch mal, was willst Du machen! Du wirst heiraten wollen, einen Hausstand und eine Familie gründen, und Du wirst Dich biegsam zeigen. Was hast Du, was hat die Menschheit von Deinen Prinzipien, von diesem starrsinnigen Festhalten an der Wahrheit oder was Du so nennst! Schau mal, was kostet es mich denn? Ich bin freundlich zu allen Leuten, ich sage zu allem Ja, wo Du vielleicht wütend Nein sagen würdest, und ich kann schweigen. Schweigen, mein Freund, ist gratis und leicht. Schweigen ist die Perle in der Krone der Kommunikationskunst. Du musst schweigen!»

«Ich muss reden, die Wahrheit offen legen, es muss gerade heraus!», rief ich laut.

«Du musst nicht, wer wird denn schon müssen! Mario, schweig, beuge und bieg Dich! Beuge Dich vor der Macht, bieg Dich für den Ruhm, beuge Dich vor dem Geld – vor diesem zuerst – und beug Dich für Deine Kollegen, Deine Nachbarn und vor den Frauen – und rate mal, was Dein Lohn dafür ist?»

Herr Johannser lehnte sich behaglich zurück und lächelte üppig.

«Ich lebe», fuhr er fort, «wie Du siehst auf großem Fuß, und ich bin darum zufrieden mit allem. In meiner Villa verkehren Anwälte und Ärzte, Wirtschaftsbosse, hohe Beamte und Künstler – und keinem davon tue ich in meinen Texten irgendwas an, und jeder bekommt eine gute Flasche Champagner. Glaubst Du, ich weiß nicht, was dahintersteckt? Aber es kümmert mich nicht. Sie lesen meine Artikel, sie kaufen sogar meine Bücher, ich werde als geachtetes Mitglied meiner Zunft von Event zu Event gereicht – was will ich mehr? Bin ich etwa angestellt, um Ihnen die Wahrheit zu sagen, eine unbequeme, nackte und ungeschönte Wahrheit?»

«Wir alle haben Verantwortung, die unverdrehte Wahrheit zu sagen, als Männer des Wortes dürfen wir nicht betrügen und tricksen – es ist unsere Aufgabe, den Menschen die Wahrheit zu sagen» entgegnete ich.

«Bei mir nicht», sagte Herr Johannser, «ich habe diese Aufgabe von meiner umfangreichen Tätigkeitenliste gestrichen, und bitte glaub mir, so lebt es sich schöner. Wer bin ich, dass ich die Welt bessern müsste? Meine Integrität gilt meinen Kunden, ihrem Geld und damit habe ich genug zu tun. Und seitdem habe ich genau, was ich brauche, viel mehr als ich brauche; meine Tochter heiratet demnächst einen Manager aus allerbester Familie. Ja.»

«Soll ich heiraten?» fragte ich ihn.

«Die, welche du liebst, die heirate nicht, trag sie in Deinem Herzen aber nicht in Dein Heim, denn ich ahne bereits: Sie hat kein Geld. Heirate zum Beispiel die Tochter vom Ackermann, oder von irgendeinem anderen reichen Mann. Seine Tochter ist nicht einmal hässlich. Raum ist in der kleinsten Villa, aber eine Villa sollte es schon sein. Rauchst du?»

«Nein, Verzeihung», sage ich, «ich rauche nicht, ich hab noch nie geraucht, ich...»

«Rauche! Mein lieber Freund, rauche doch», drängte er freundlich, «es dämpft ab. Es nimmt Dir die Ungeduld. Und hör auf mich, wo ich oben auf der Leiter stehe, die Du gerne besteigen willst. Der Erfolg ist alles. Mach Dir Erfolgsethik zu eigen, denn das ist auch eine schöne Ethik. Du wirst für den Erfolg bewundert werden, erwirbst sogar Vertrauen, vor allem dort, wo man Erfolg hat. Diesen Erfolg erwirbst Du Dir zuerst mit Schweigen. Sag niemals zuviel, selten die Wahrheit, besser, vermeide sie ganz. Denke an das, was Dein Kunde erwartet. Du erzielst Erfolg durch Kompromiss, Erfolg durch Zuhören und durch geschicktes Schleimen bei alten mächtigen Leuten. Sei überall nett! Und beugen musst Du, Dein Wort und Dich, üb Dich wie ein Sportler in Deiner Disziplin! Du kannst Dir Dein Glück selber schmieden und es ist so unvergleichlich schön, sich sein Glück selbst zu erarbeiten, es zu haben, haben, haben!»

Er grinste fett und eitel, seine Augen strahlten, was sie sonst nur selten tun, fast sah es so aus, als ob er sich für einen Applaus erheben wollte. Ich stand auf, stolperte dabei fast über meine Beine und schaute ihn intensiv und fragend an.

«Du wirst mir heute vielleicht keinen Glauben schenken», sagte Herr Johannser. «In zwanzig Jahren widersprichst Du mir nicht mehr. Sorg dafür, dass es dann nicht zu spät ist, diese Chance hat man nur einmal! Bleibe geschmeidig, und lass es Dir gut gehen!»

Ich nahm die entgegenstreckte Hand und stürzte hinaus.

Im Zimmer saß Herr Senior-PR-Consultant an seinem prächtigen Diplomatenschreibtisch und schüttelte lächelnd den Kopf. «Diese Sorte junge Leute», sagte er. «die wird immer seltener und will doch mit dem Kopf durch die Wand stoßen, will klüger sein, als wir es sind. Nun, seine Erfahrung muss jeder selber machen! Aber jetzt will ich eine Tasse Tee trinken. Johannes!» Und er klingelte.

Unten am Gartentor stand ich, einen kalten Messingknauf in den Händen, meine Wut und mein Zorn ließen meine Hand verkrampft greifen, als sie das Tor von innen öffneten. Ohnmächtig, angeekelt, bitterböse und in meinem Innern fühlte ich, dass der andere wenigstens für sich recht hatte.

Und ich sagte mir: «Was für ein widerlicher Typ!», mich fröstelte, und ich fragte mich, warum er so väterlich zu mir war.

Tipp: Wer etwas Erhellendes aus der Berlin-Mitte unserer Republik lesen will, betrachte dieses Innenbild von Lobbyisten. Relevanz=no follow? Wäre schön.

13 April 2006

Rettet den Papst! Rettet das Abendland!

Man klicke bitte auf keinen Fall zu Hanno Böck. Puh, gerettet!

12 April 2006

Kant, Kapitalismus und die Umkehrung der Menschenwürde

Esther weist auf Verarmungstendenzen in den Vereinigten Staaten hin und schreibt in ihrem Kaffeehausblog über Gefahren einer einseitig auf Marktprinzipien orientierten Gesellschaft. Zunächst beginnt sie mit einem Hayek-Zitat:
"Es soll freimütig zugegeben werden, dass die Marktordnung keinen engen Zusammenhang zwischen subjektivem Verdienst oder individuellen Bedürfnissen und Belohnung zustande bringt."
Dort, wo leistungslose Einkommen die Einkommen aus Leistungen übertreffen, kann die wirtschaftsliberale Vermutung nicht bestätigt werden, dass sich im ungeregelten Kapitalismus ein enger Zusammenhang zwischen individueller Leistung und Einkommen ergibt. Esther warnt:
"Wenn wir alle Lebensbereiche schrankenlos auf Marktprinzipien ausrichten, hat das letztlich die Verkehrung der Kantischen Formel zur Folge, so dass Kapitalverwertung eine Würde hat und Menschen (auf dem Arbeitsmarkt, Partnermarkt, etc.) einen Preis haben."
Anders gesagt, die Zivilisierung des Kapitalismus ist eine gesellschaftliche Daueraufgabe. Esther zieht das Fazit:
"Der Kapitalismus ist unglaublich effizient, aber er [ist mit dem] nicht hinnehmbaren Kollateralschaden [verbunden], dass diejenigen, die nicht mithalten können oder wollen, unter die Räder kommen."

Moderne Fallenstellerei als Geschäftsmodell

(via Don via Basic Thinking)
Ich finde diesen Vorgang interessant, und zwar wegen bestimmter ordnungspolitischer Aspekte. Was sehen wir?

1. Wir sehen technischen Fortschritt in Gestalt sogenannter "digitaler Wasserzeichen", welche das automatisierte Aufspüren von Fotos und/oder Urheberrechtsverstößen im WWW ungemein erleichtern.

2. Wir sehen ein "kreatives Geschäftsmodell", welches neben einer optimierten Leimrutentaktik im Wesentlichen darin besteht, Internetbenutzer in Bezug auf fällige Lizenzgebühren hereinzulegen, um sie dann später sehr gründlich abzukassieren.

3. Bei seiner Gestaltung des Webangebots tut der Fallensteller nichts, um seine Bilder zu schützen und eine unzulässige Bildnutzung zu erschweren, aber fast alles, um einen "Missbrauch" von Urheberrechten zu beschleunigen, indem er z.B. eine "freie" Benutzbarkeit der Bilder suggeriert.

Staatlicher Schutz von Immaterialgütermonopolen z.B. für die Rechteinhaber-Agentur "Bulls Pressedienst" wird zusammen mit einer überzogen scharfen Rechtsprechung dazu genutzt, kaum nachvollziehbare (und in der realen Welt selten gezahlte!) "analoge" Lizenzgebühren (u.a.) einzutreiben, und zwar für ein Produkt, das vom hereingelegten (hier sogar minderjährigen!) Kunden niemals freiwillig und gezielt erworben worden wäre.

Zwei ordnungstheoretische Fragen dazu:

1. Handelt es sich bei den hochgradig kooperierenden Handlungen von "Bulls Pressedienst", "Kanzlei Pötzl & Kirberg" sowie angeblich privaten Internetseiten wie "wallpaperbase.com" um den Ausdruck von klassischen Schädigungswettbewerb im Sinne des Ordoliberalismus?

2. Warum ist es unserer Rechtsordnung eigentlich so, dass echte und materiell wirksame Schädigungshandlungen (hier oder z.B. Ladendiebstähle) vom Staat nur selten verfolgt werden, dass aber andererseits die Tätigkeit moderner Fallensteller (denen im Fall von Bildernutzung kein echter Schaden entstanden ist) rechtlich und richterlich geschützt wird?

Waldorf Synthesizer ist zurück

Auferstanden aus Ruinen! Nach einer Insolvenz (infolge von Größenwahn während der Desasterphase der Neuen Ökonomie) wird aktuell die Waldorf GmbH wiederbelebt! Ein 6-Mann-Team päppelt diese Firma neu auf und wird schon bald wieder technisch anspruchsvolle, hochmusikalische Synthesizer aus unserem Land in die Welt schicken.

Das ist ein Beispiel dafür, dass in den Trümmern untergegangener Firmen noch mancher Schatz ruht. Auch in den Trümmern der NE-Ökonomie findet sich vielleicht noch die eine oder andere Geschäftsidee, welche in gereifter und realistischer (!) Form einen neuen Versuch wert wäre.

Da geht noch was.

Komme bitte niemand mit dem kleingeistigen Gemaule a´la Mc Kinsey, dass Produktion und Produktdesign in Deutschland sowieso nicht lohne! Wenn ich z.B. sehe, dass die erfolgreiche amerikanische Firma Moog Music als neuestes Produkt einen langweiligen, hässlich klingenden "Little Fatty" (Foto) für 1.475,- Dollar rausbringt, mit lahmen Hüllkurven, der kaum zum Musikmachen taugt:

Dann freue ich mich auf feinste deutsche Ingenieurskunst, welche an Stelle hohlen Marketing-Blablas Kundennutzen mit technischen Fortschritt und effizienter, kostengünstiger Produktion verbindet. Teile des Produkts werden (z.B. wie bei Behringer) nach Vorgabe in Fernost gefertigt, und heraus kommt ein kaufwürdiges, geiles Qualitätsprodukt.

So funktioniert das mit dem "Standort Deutschland" - bestens. Professor Sinn und all die anderen Jammerlappen können sich ihre "Basarökonomie" usw. quer durch den Darmausgang schieben, bis es wieder oben rauskommt. Besser ist das.

11 April 2006

Vorschlag zur Liberalisierung des Tarifrechts

Der in Deutschland bislang verbotene "wilde Streik" muss liberalisiert werden. Im Rahmen einer Reformierung des Tarifsrechts sollten wilde Streiks künftig dort gestattet werden, wo Unternehmen außerhalb der Tarifgemeinschaften agieren.

10 April 2006

Berlusconi Zampano......nella prigione!

Die italienische Demokratie hat sich wehrhaft gezeigt, seine ehemaligen politischen Freunde von der UDC beginnen bereits, seinen Leichnam zu fleddern. Aus, vorbei, nie wieder!

Für alle, die sich für den aktuellen Stand der Hochrechnungen und den Verlauf der Stimmenauszählung interessieren, bittschön, dies ist: der Link zum Bündnis Ulivo, wo die jeweils aktuellsten Daten für den Stand der Auszählungen verfügbar sind.

Heute Abend feiert das demokratische Italien!

+++ Update +++
Zu früh gefreut. Die Manipulationen des demokratischen Prozesses (Stichworte: Mediendominanz und Wahlrechtsreform von 12/05) haben über die Demokratie gesiegt? (Anmerkung: An dieser Stelle stand vorher ein Punkt. Grund siehe unten)

+++ Update 11/04 - 12:00 Uhr +++
Ein deutlicher Sitze-Vorsprung in der Abgeordnetenkammer für das Bündnis Prodi ist nach Abschluss der offiziellen Auszählungen bereits sicher. Für den Senat schienen die Sitzverhältnisse bislang unklar zu sein, jedoch gaben die Auslandsitaliener bei 6 noch zu verteilenden Sitzen im Senat 5 Sitze an Prodi, sodass Prodis Bündnis eine Mehrheit im Senat mit mindestens 158 zu 156 Stimmen haben wird. Weitere Informationen bieten Südtirol Online oder Swissinfo. Die offizielle Bestätigung der Sitzverteilung im Senat, durch das italienische Innenministerium, wird für Dienstag Abend erwartet.

Die Prodi-Regierung wird einiges aufzuarbeiten haben, dies beinhaltet m.E. auch vereinzelt monierte Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauszählung und im Verlauf der Auszählung. Ich empfehle das italienische Blog "One More Blog" und das Wahljournal von La Repubblica.

09 April 2006

Gedichtesonntag (2)

Die brave Hausfrau liest im Blättchen
von Lastern selten schlimmster Art,
vom Marktpreis bemühter Luderetten,
vom Lustgreis auch mit Rauschebart.

Mein Gott, denkt sich die junge Gattin,
mein Gott! welch ein Spektakulum!
«Die schlanke Prominente hat ihn... »
Ja was? Sie bringt sich reinweg um?!

O Frau! Die Fantasie hat Grenzen,
sie ist so eng es gibt nicht viel.
Nach wenigen Touren, wenigen Tänzen
ists stets das alte, gleiche Spiel.

Der liebt Knaben. Dieser Ziegen.
Die will die Männer derbe, laut und fett.
Die möchte nur bei einem Vorstand liegen.
Und diese gehn nur mit sich selbst ins Bett.

Hausbacken schminkt sich selbst das Laster.
Sieh hin - und Illusionen fliehn.
Es gründen noch die Päderaster
«Verein für Unzucht, Sitz Berlin.»

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Fragen für den Weltanschauungsunterricht: Tjanun, wie lautet der Titel vom Gedicht?
Was wurd geändert, was soll uns das sagen? Wer war der Autor und darf man dies fragen?

P.S. Ich habe noch einen kleinen Miniskandal für heut Abend. Vattenfall anprangern. Soll ich?

08 April 2006

Vernünftige Drogenpolitik

Ich meine, dass eine Mixtur aus Prävention (zur Verhinderung von Drogensucht) und Substitution/kontrollierter Abgabe (zur Entkriminalisierung und Austrockung des Drogenmarktes) ein vernünftiger Ansatz wäre. Zur Prävention gehört auch die Unterbindung des Handels mit schweren Suchtstoffen.

Bei leichten und relativ harmlosen Suchtstoffen befürworte ich Pragmatismus: Neben Entkriminalisierung von Konsumenten (z.B. von Asthma-, Krebs-, Migränepatienten) ist eine Behinderung des Marktzugangs (= Kampf gegen Dealer) nützlich. Eine Legalisierung von Haschisch ab 21 Jahren ist eventuell sinnvoll.

Da schwere Drogen die Willensfreiheit der Erkrankten massiv einschränken, kann der freie Zugang zu schweren Drogen niemals Teil einer "freien" Gesellschaft sein oder eines "freien und fairen" Marktgeschehens. Anarchokapitalismus ist Unfug.

Im Übrigen finde ich die Perspektive, dass sich Jugendliche mit Drogen vollknallen, unschön. Ein Teil der Bildungsprobleme in Schulen und Berufsschulen geht m.E. darauf zurück, dass sich zu viele frustrierte Jugendliche und junge Erwachsene regelmäßig zudröhnen.

Hans-Peter Uhl als Polit-Uhligan brüllt für Abschiebungen

Man kennt das ja, von zackig auftretenden Ex-Generälen, von autoritätshörigen Spießern, von sogenannten Innenexperten, oder von Hans-Peter Uhl, der für die Bundestags-CDU offenbar Letzteres darstellt.

Viagra ist das Heilmittel für den impotenten Mann, und so ist der Ruf nach mehr Härte das politische Heilmittel für reaktionäre CDU-Innenpolitiker. Diese Pille passt immer, besonders dann, wenn Gehirnwindungen infolge von Verhärtungen schon so verkalkt sind, dass ein Innen-"Experte" dies hier zum Besten gibt:

"Wir brauchen einen neuen Tatbestand der Integrationsverweigerung. Wer sich weigert, an staatlichen Angeboten zur Integration, zum Beispiel an Sprachkursen, teilzunehmen (...) solle auch abgeschoben werden können" (Quellen hier, hier, hier). In der aktuellen CDU-Pressemappe zum Thema Integration (PDF) schreibt er: "Integrationsverweigerung muss konsequent sanktioniert werden."

Und ein Gesetz, das die Verfassung bricht, wird dann zu besseren Zuständen an Hauptschulen führen? Da gibt es bessere Vorschläge. Herr Uhl sollte sich außerdem Gedanken darüber machen, wie die private Wirtschaft zum Erfüllen ihrer Ausbildungsverpflichtungen gebracht werden kann. Aaaah! Aber Herr Uhl! Sie meinen doch nicht wirklich? Was? Sie wollen moralisch degenerierte Wirtschaftsbosse einfach so abschieben? Alle? Und die Zypries wollen sie auch abschieben? Ja, aber...?

Kaum zu glauben: Dieser Polit-Uhligan ist einer der bedeutendsten Innenpolitiker der Bundesrepublik Deutschland. Ich finde, Uhl sollte sich seine Härte in den Arsch stecken, inkl. dem wild herbeigefaselten "Tatbestand der Integrationsverweigerung". Herr Schäuble (aktuelles Interview mit Heribert Prantl) mahnt zur Besonnenheit:
"Wenn wir uns in der Innenpolitik ständig streiten, dann kommt bei den Eingewanderten immer nur die Botschaft an: Die wollen uns nicht. (...) Wir müssen ihnen zunächst einmal das Gefühl geben, dass sie uns willkommen sind, dass wir wollen, dass sie heimisch werden."
Herr Uhl, Ihre Vorschläge sind huhl hohl!

07 April 2006

Hihi

?:"Was ist eine genetische Durchmischung und wo soll die stattfinden?"
-:"Ich zum Beispiel bevorzuge dafür ein Bett, gut gefedert, nicht zu groß und nicht zu klein."
(aus einer Kommentarschlacht)

Es gibt keine Menschenrassen

Nachfolgend einige grundlegende Argumente, warum Begriffe wie "Menschenrassen" oder "die Rasse der Deutschen" völlig unsinnig sind:

1. Der Begriff "Indogermanen" oder anderer "Rassefamilien" (lol) beruht auf einer Verwechslung. Als die ersten Sprachforscher Sprachfamilien entdeckten, meinte man, im darwinistischen und kolonialistischen Taumel der Zeit, dass es entsprechend der Sprachfamilien rassische Ausprägungen beim Menschen geben müsse.

Dies übersieht jedoch erstens, dass es keine im biologischen Sinn "Rassekonkurrenz" zwischen Menschen im Sinne eines "Kampfes um das Dasein" gibt, sondern eine gemeinsame Menschenfamilie, die sich seit hunderttausenden Jahren untereinander promiskutiv betätigt, mischt und dabei sehr beweglich völkerwandert. Über solche Vorgänge berichtet z.B. auch die Bibel - sie sind archäologisch und über Methoden der Humangenetik beweisbar.

Im Ergebnis dieser Prozesse gibt es nur einen Genotypus, nämlich den Menschen. Es gibt keinen dauerhaft wirksamen genetischen Trennmechnanismus, welcher irgendeine "Menschenrasse" trennt.

2. Beim Menschen unterscheiden sich - wegen der hohen genetischen Durchmischung - lediglich 0,1 Prozent der Ermerkmale. Das ist biologisch betrachtet sehr wenig.

Das lässt für die Annahme genetisch signifikanter Ausprägungen zwischen Menschengruppen keinen Raum, jedenfalls keinen, der wesentlich über einen Zusammenhang von ca. 3-5 Generationen innerhalb eines einzelnen Familienverbandes hinaus reicht.

Wenn man aber nun auf dieses Promille Erbmerkmale genauer untersucht, so wird man zum Beispiel feststellen, dass es zwischen der Gruppe der "Bayern" und der "Preußen" ein größere statistische Abweichung des Erbmaterials gibt als zum Beispiel zwischen der Gruppe der "Deutschen" und der Gruppe der "Araber". Dieser Effekt ist im Wesentlichen ein Ergebnis der Tupelgröße. Das heißt: Je kleiner eine Populationsgröße ist (zum Beispiel Familie A versus Familie B), umso höher ist die Wahrscheinlichkeit für signifikante Unterschiede des Erbmaterials.

So, nun kommt der Knackpunkt für Rassisten, sozusagen die humangenetische Widerlegung jeglichen Rassismus inklusive seiner modernen Ausprägungen:

Wenn es z.B. wahr wäre, dass die Gruppe der "Araber" tendenzmäßig eine andere "Rasse" bzw. ein genetisch signifikant differentes "Volk" im Vergleich zur Gruppe der "Deutschen" wäre, so müssten die humangenetischen Unterschiede zwischen "Bayern" und "Preußen" systematisch geringer sein als die Unterschiede zwischen "Arabern" und "Deutschen".

Das ist jedoch nicht der Fall.

3. Wer überhaupt an Rassen glauben möchte, der ist übrigens gezwungen, zunächst zwischen der "Rasse" der Frauen und der "Rasse" der Männer zu unterscheiden.

Immerhin sind hier die genetischen Unterschiede zugleich signifikant wie stabil. Danach kommt allerdings garnichts mehr, was sich im genetischen Sinn einer "Rasse" oder "Ethnie" zuordnen ließe.

lol

Nochmal anders: Auch der Begriff "Ethnie" ist kulturell bedingt, und nicht genetisch. Nehme ich zum Beispiel ein "deutsches" Baby und lasse es in Anatolien aufwachsen, so wird man später eher meinen, dass es sich um einen echten Türken handelt. Auf eine "deutsche Rasse" oder eine abstammungsmäßig determinierte "germanische Ethnie" käme gewiss niemand.

Es gibt somit keine humangenetisch relevanten "Rasseunterschiede" zwischen den Menschen, es gibt allenfalls (und das betrifft dann keine "Rassen") morphogenetische und ziemlich unbedeutende, gleichwohl überschätzte phänotypische Unterschiede.

Wenn man Gegensätze haben möchte, dann bietet sich eher der Gegensatz zwischen Dummheit und Klugheit an, zwischen Unwissen und Wissen, zwischen Lernverweigerung und Lernen.

4. Man könnte nun behaupten, dass es eben gerade auf die minimalen humangenetischen Unterschiede ankommt. Bloß, das unterstützt keine rassistische Ansichten. Ein Beispiel (einem bestimmten Blogger gewidmet, s.u.):

Aus humangenetischer Sicht ist z.B. ein Marokkaner einem Bayern näher, trotz unterschiedlicher Hautfarbe, als einem Jemeniter. Ägypter sind einem amerikanischen Juden genetisch im Durchschnitt näher als z.B. sephardische Juden und aschkenasische Juden untereinander. Seltsame Hebronfaschisten, ohnehin in Anzahl und Bedeutung überschätzt, die das Judentum rassistisch begreifen möchten, müssen zur Kenntnis nehmen, dass Westbank-Palästinenser erstens jene Bevölkerungsgruppe sind, welche den Juden in genetischer Hinsicht am nächsten stehen, und zweitens, dass (auch dies kann moderne Humangenetik nachweisen) die Westbank-Palästinenser genetisch etwas näher zu den historischen Juden von vor 2000 Jahren sind als die heutigen Juden in ihrer Gesamtheit.

Die humangenetischen Verwandtschaftsverhältnisse dürften damit ein wenig klarer sein, sie sind auch etwas anders, als oft vermutet, aber helfen uns diese Erkenntnisse bei der Lösung politischer Konflikte? Wieviel Sinn macht die politische Distinktion von Menschen auf Basis humangenetischer Verwandtschaftsgrade?

Denk- und Begriffsfiguren des Rassismus oder Ethnizismus sind unnütz. Das ganze, die Menschen auf Basis ihrer Abstammung unterscheidende Denken ist ein Extrapolationsfehler und zugleich (man klicke sich oben das Bild einmal groß) ein Beispiel für pseudowissenschaftliche Kategorienbildung.

Eine auf Hautfarbe beruhende Unterscheidung von "Menschenrassen" ist Unfug.
Hautfarbe ist nur Hautfarbe.

(Hinweis: Dieser Abschnitt galt einem rassistischen Blog-Aktivisten aus München, "Rassen-Axel")

5. Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe haben keine naturgegebenen Unterschiede, die über die Hautfarbe hinaus gehen. Das Wesentliche sind vielmehr soziale Dinge, Familie, Mitgefühl, Wissen, Kultur, oder auch die Fähigkeit, Neues lernen zu können bzw. sich starrsinnig einer rassistischen Denkweise hinzugeben.

Das, was Menschen unterscheidet, ergibt sich nicht aus der Hautfarbe.

gez. Lothar Lammfromm im Namen des Instituts für bessere Erkenntnis (IfbE)

Dies hier als ergänzender Lesetipp. +++ Update 09042006 +++ Das krümelige Weblog macht sich Gedanken über überaus seltsame "politisch inkorrekte" Rassisten.

06 April 2006

In Memoriam Erich Lüth - Euroweb-Urteil

Helden des Linksliberalismus (1)
Der Richter spricht: "Zur Demokratie gehört ein Diskurs unter den Menschen!". Warum hat sich aktuell im Euroweb-Fall zum Erstaunen von Thomas Knüwer der Vorsitzende am Landgericht Düsseldorf sich zugunsten der "Diskursfreiheit" entschieden?

Das liegt nicht wenig an Erich Lüth, der in den fünfziger Jahren seine Existenz aufs Spiel setzte, um für die Meinungsfreiheit zu kämpfen. Das sogenannte Lüth-Urteil (Wikipedia-Link sowie ZEIT-Bericht) bewirkte einen Vorrang für die Meinungsfreiheit, und auch, dass die Grundrechte alle Teile des Rechts durchdringen, und nicht nur das Verhältnis zwischen Staat und Bürger.

Der Hamburger Publizist Erich Lüth (1902-1989), ehemals in der DDP, war in den fünziger und sechziger Jahren einer der exponiertesten Linksliberalen. Lesenswert ist m.E. seine Zeitzeugenschilderung zur Reichsprogromnacht.

05 April 2006

Kündigungen zu schwierig? Gesetzlage weithin unbekannt!

Was mir bei Diskussionen im Netz - und noch mehr in real life - häufig begegnet, das ist der Typus des ignoranten BWL-Studenten, der wirklich jede Klage aus dem Arbeitgeberlager für volle Münze nimmt und dann z.B. meint, "der Kündigungsschutz geht viiieeel zu weit", vor allem aber: "Man wird Arbeitnehmer kaum noch los". Sie reden dann von "Einstellungshemmnissen".

Klingt ja zunächst vertraut, gut und schlüssig. Nur, in der Regel kennen diese Leute weder die übersichtliche und einfach verstehbare Gesetzlage, noch die tatsächlichen Verhältnisse. Tatsächlich ist es so: Wenn ein Betrieb einen Arbeitnehmer nicht mehr benötigt, so wird er ihn auch los, und dies sehr schnell.

Das ist die Gesetzlage.

Hierin kann unmöglich irgend ein ernsthaftes Einstellungshindernis liegen. Es gibt, von der Gesetzlage her, keinen sachlichen Grund, das Gejaule des Arbeitgeber-Lagers und seiner Anhängerschar auch nur ansatzweise ernst zu nehmen.

Oder doch?

P.S. Was für eine Art der Befähigung zur Menschenführung soll das sein, die kein Verständnis für die bescheidenen Schutzbedürfnisse anderer hat, aber im eigenen Fall - aus der herbeifantasierten Rolle einer Spitzenposition heraus - inakzeptabel fänden, bei lediglich einem Monatslohn Abfindung jederzeit auswechselbar zu sein? Hey! In einer Spitzenposition, da ist das Schutzerfordernis objektiv niedriger, okay?

P.P.S. Ich bin überzeugt, dass die allerwenigsten Menschen mit Macht über andere Menschen adäquat umgehen könnten. Kaum jemand traut sich zu, ein guter Postkartenmaler zu sein, aber verblüffend viele halten sich für einen prima Vorgesetzten. Manche halten Rücksichtslosigkeit
im Umgang mit anderen sogar für eine Tugend, solange sich dafür nur eine dämliche ideologische Begründung findet. Rätselhaft.

02 April 2006

Linksliberale Hauptschulen

Von der Horrorpenne zur Vorzeigeschule

Hauptschulen müssen kein Horror sein: Wie es anders geht, zeigen Schulen in Berliner Problembezirken. (...) "Vor dreißig Jahren war die Ausgangslage bei uns ähnlich: Lehrer, die mit Eiern beworfen wurden, weit verbreitete Respektlosigkeit, Stühle, die aus dem Fenster flogen und eine überalterte, zum Teil frustrierte Kollegenschaft." Einst war die Werner-Stephan-Oberschule in Berlin-Tempelhof ein Unort (...)

Doch in Tempelhof wurde von einem engagierten Kollegium ein kleines Wunder vollbracht - heute gibt es mehr Bewerber für die Schule als Plätze. Haag, seit über 20 Jahren Vertrauenslehrer, ist mit den Jahren älter geworden, "aber keineswegs frustriert", erzählt er im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. (...)

30 bis 40 Nationalitäten werden hier unterrichtet. Das bedarf zunächst einmal fester Regeln - und die werden selbst erarbeitet. Einmal im Jahr treffen sich die Klassensprecher bei Haag in der Wohnung, um sich ihre eigene Schulordnung zu geben. Das Prinzip hat sich bewährt. (...) Schüler schlichten heute die Streitereien selbst, Unbefugten verweigern sie den Zutritt. Gemeinsam mit einem Lehrer stehen jeweils zwei Vertrauensschüler morgens an der Schulpforte. "Fremde kommen gar nicht erst auf unseren Hof", sagt Haag.

Das Konzept der Schule könnte so umschrieben werden: Zuwendung, Teilnahme und Verantwortung. Eine Grundvoraussetzung sei das Verhältnis von Lehrern und Schülern (...) Und so lernen die Kinder an der Schule, was zuhause schon lange nicht mehr gilt: Absprachen einzuhalten, sich gegenseitig zuzuhören, zu respektieren. Was Unruhe in den Unterricht bringt, ist tabu. Handys müssen vor dem Unterricht ausgestellt werden, wer sich nicht daran hält, ist das Gerät los - nur die Eltern können es abholen. Die Schüler lernen Verantwortung zu übernehmen, erstellen Putzpläne für die Klassenzimmer, betreiben eine eigene Cafeteria. Sportveranstaltungen sollen helfen, Aggressionen abzubauen. Streetball-Turniere werden organisiert, die Schüler sind ihre eigenen Schiedsrichter - das schafft Verantwortung und Selbstbewusstsein.

Wer sich prügelt, wird angezeigt (...)
Viele kommen aus unteren Schichten. So wird denn in Tempelhof intensiv gefördert - es gibt altersgemischte Klassen für Schüler, die keine Deutschkenntnisse haben, es gibt Integrationsklassen. (...)

Eine der wichtigen Fähigkeiten für das Leben nach der Hauptschule sei die Kommunikation, sagt Haag: "Wenn an einer Schule Aggressivität und Respektlosigkeit vorherrscht und man sich selbst so verhält, dann hat man auch keine Chance bei einem Vorstellungsgespräch." (...)

So haben sich an der Moabiter Schule drei ältere Frauen, allesamt Deutsche, bereit gefunden, den Schülern unter die Arme zu greifen. Sie nehmen am Unterricht teil oder betreuen Schüler danach.

Bei allen pädagogischen Bemühungen, das eigentliche Problem aller Hauptschulen heißt: Was kommt danach? Wofür lernen wir? Die Moabiter Schule schickt deshalb, wie auch die Einrichtung aus Tempelhof, Schüler zu Praktika in Betriebe und Unternehmen. (...)

Und hier der vollständige SpOn-Artikel von Severin Weiland.

Wie ich bei der Bergradlerin schrieb: Fernab der Ideologie des Wirtschaftsliberalismus gibt es viele Möglichkeiten. Ich empfehle, sich dass man sich auf diejenigen Dinge konzentriert, die sich in vergleichbaren Fällen in der Praxis als erfolgreich heraus gestellt haben (siehe oben).

Dazu gehören lebendige Demokratie, die Stärkung und Förderung der Schüler, Übergabe von Verantwortung, selbst erarbeitete Regeln der Schüler, deren Durchsetzung, Schaffung von Teilnahmemöglichkeiten, Zuwendung, Organisierung betrieblicher Praktika usw. usf.

Anstelle von Sozialdarwinismus.

Mit "Indizieren!" aufgewacht

In letzter Zeit passiert es mir immer häufiger, dass ich beim Aufwachen eine Antwort im Kopf habe, ein Wort, ein Gedanke oder einen hübschen Gedankenschwarm. Erwach ich also (im Idealfall nach ca. 7 1/4 Stunden), so finde ich mich mit der Lösung eines Problems beschenkt, von dem ich oft nicht mal wusste, dass es mich überhaupt noch beschäftigte.

Heute erwachte ich mit nur einem Wort, nämlich mit dem Wort "Indizieren!". Möglicherweise wird es, besonders mitlesenden Frauen, völlig sinnlos erscheinen, mit einem Wort aufzuwachen, statt z.B. mit einem netten Mann oder sogar einem guten Gefühl.

Da ich wiederum wenig Wert darauf lege, mit einem Mann aufzuwachen, wach ich halt mit dem guten Gefühl auf, dass mir das Wort "Indizieren!" gibt. Und tatsächlich, dieses Wort, und mehr noch, das damit gelöste Rätsel hat mir gehörig gute Laune gemacht. Zu meinen Träumen der Nacht gehörten u.a. brave blonde Söhne, ein übergewichtiger Vater, der das Rumpelstilzchen des Informationszeitalters darstellt, besonders, wenn er von Gefühl ergriffen sich einem größeren Publikum mitteilt.

Indizieren!

Warum erzählt Steve Ballmer seinen Sohn, dass dieser Google strikt meiden solle? Nun, als Monopolist mit großem Interesse an der Ausweitung seines Monopols wäre es ein schönes Geschäftsmodell, sich von Firmen das Indizieren für Suchdienste bezahlen zu lassen (bzw. eine bestimmte MS-Software zur Voraussetzung zu machen). Tja, und das Indizieren, das erfolgt bei Google nicht nur kostenlos, sondern auch in einer Weise, welche kommerziellen Missbrauch (bzw.: Gebrauch) zunehmend abwehrt.

Im "Informationszeitalter" (oder diese Variante: Im Zeitalter kommerziell beeinflusster Informationen) spielt Aufmerksamkeit und der Zugang hierzu die allergrößte Rolle. Microsoft interessiert sich dafür, die Ergebnisse von Internetsuche bzw. die Wiederauffindbarkeit von Informationen kommerziell zu nutzen. Der entscheidende Haken der Sache ist hier:

Das Indizieren.

P.S.
Mein vorheriger Beitrag zur seriellen Musik verfolgte einen Hintergedanken und stand, wenngleich schwer erkennbar, in enger Beziehung zum Begriff "Hörgewohnheiten", den ich für außerordentlich entscheidend halte, wann immer es um Musik geht. Ich habe mich gefragt, warum die durchaus beachtlichen Gedanken der Theoretiker der seriellen Musik direkt ins musikalische Desaster geführt haben. Hier muss ich ein wenig ausholen:

Ich meine, dass Sprache und Musik in einem inneren und sehr engen Zusammenhang stehen. Das erklärt m.E. auch, warum in der Musik Regeln und Mathematik eine große Rolle spielen, denn Musik folgt seinem Wesen nach der Regelhaftigkeit von Sprache: Grammatik, Semantik, Dialekte usw. usf. Wenn man als Musiker und Komponist allerdings nur noch, rein mechanisch nach Regeln vorgeht, und sich trotz kümmerlichen Ergebnisses dabei von eitel sprudelnder Theorie leiten lässt, so wie in der seriellen Musik, dann fehlt etwas ganz Entscheidendes.

Damit Musik Emotionen berührt oder gar auslöst, damit sie uns überhaupt ergreift, muss sie auf eine bereits vorhandene, also erinnerte Struktur Bezug nehmen. In der japanischen Musik, die hiesigen Hörern nur fremd erscheint, ist es das dort sehr spezielle Spiel mit Motiven, Klängen, Rhythmen und Strukturen, die uns i.d.R. nur "fremd" erscheinen und damit vielleicht auch faszinierend, einem in den dortigen Hörgewohnheiten vorgebildeten Hörer hingegen bedeutet diese Musik etwas.

Hörgewohnheiten und die damit verbundene Möglichkeit, auf Grundmotive Bezug zu nehmen, schaffen in der Musik Bedeutung. Musik hingegen, die in jeglicher Hinsicht Bezug vermeidet (ich spreche über serielle Musik), ist nicht etwa intelligent oder "kulturell überlegen", sondern allenfalls ein sinnloses Experiment. Zurück zur Sprache:

Auch ein Autor muss auf vielfache Weise in der Lage sein, Bezug zu nehmen. Es fängt damit an, dass er die Sprache seiner Leser treffen muss. Er sollte auf eine nicht-langweilende Weise mit Erfahrungen und Wörtern spielen, die für seine Leser von besonderer Bedeutung sind, und dabei seine Gedanken und Worte so präsentieren, dass sie logisch aufgebaut wirken (u.a., weil sie gegenseitig Bezug nehmen). Gleichzeitig erhoffen wir uns von einem guten Autor, dass er unseren geistigen Horizont weitet, und nicht nur dort verweilt, wo uns bereits jeder Gedanke vertraut ist.

Und damit kehre ich zur Musik zurück. Gute Musik geht über das Profane und bereits vollständig Bekannte hinaus. Gute Musik nimmt Bezug - aber führt uns in eine neue Welt. Musik, die nicht mehr das Neue sucht, ist stumpfsinnig und zumeist auch nur passend für stumpfsinnige Menschen. Musik hingegen, die nicht Bezug nimmt und kaum jemanden zu ergreifen in der Lage ist, und sei es, weil sie die Möglichkeit des Wiedererkennens vermeidet (z.B. Akkorde, Kadenzen und Melodien), ist eine sinnlose Kopfgeburt. Sie stellt sich ihren Hörer vermutlich als eine Art mathematischen Roboter vor - und beleidigt ihn damit.

Musik muss etwas Körperliches, Fühlbares haben, eine sinnliche Komponente. Als Musiker mache ich einen Fehler, wenn ich mich nur auf Regeln verlasse, und weniger darauf, was die Töne und Komposition in mir bzw. in anderen bewegen. Emotion wiederum setzt in irgendeiner Form Wiedererkennen voraus. Musik, die keine Emotionen anspricht - wer braucht das?

01 April 2006

Serielle Musik und Adorno (SMuA)

Der arme Adorno wusste vermutlich nicht, als er seine gewillkürten Ansichten über Musik zu Paper brachte, dass er damit von vielen Menschen ernst genommen werden würde. Um seine bildungsbürgerlichen Missverständnisse von Musik nicht unnötig tief zu diskutieren, an dieser Stelle nur ein Gedanke:

Würde man die Kompositionstechniken und Grundsätze der seriellen Musik auf die Verfassung von Büchern übertragen (!), würde man also z.B. Gedanken, Worte und Stilistiken zusammenhanglos klingend nach mathematischen Formeln reihen, dann käme dabei nicht einmal dies heraus:

Adorno, Theodor Wiesengrund: "Einleitung in die Musikpsychologie", Frankfurt, 1962

P.S.
Ich finde, man sollte sich Adornos Werk und seiner Apokalyptik mit Skepsis nähern. Mein Lesetipp wäre aber weit eher das gemeinfreie literarische Werk von Jakob Wassermann, welches ich trotz blumiger Sprache sehr mag.

P.P.S.
Ich überlege gerade, ob ich nicht einfach mal aus Jux an der Freud Fünftonmusik komponieren sollte, unterlegt z.B. mit geschichtslügnerischen Reden von Graf Lambsdorff. Soll ich?