Nachlese Irakkrieg (1)
Jeffrey Gedmin zählt immer noch recht viel im politischen Berlin, wohl auch, weil ihm Nähe zur Bush-Administration nachgesagt wird. Gedmin? Ein WELT-Essayist und neokonservativer Polit-Aktivist, der sich für eine radikalmarktlich-militaristische Agenda einsetzt. Finanziert wird er u.a. vom Aspen-Institut und vom American Enterprise Institute.
Am 4. März 2003 trat er bei Politik-Digital auf und stellte im Live-Chat zwei Wochen vor Beginn des Irak-Kriegs den damals aktuellen Spin der Neocons dar:
Moderator: Ich gehe davon aus, dass Saddam Hussein Ende 2003 weg ist, haben Sie vor einigen Wochen gesagt. Das klingt nicht so, als gäbe es eine Alternative zum Krieg.
Jeffrey Gedmin: Ich glaube, dass der Krieg immer noch vermeidbar ist. Das liegt aber an Saddam Hussein. Wenn er bereit ist, alle Massenvernichtungswaffen aufzugeben, dann ist die Sache erledigt.
So lassen sich beliebige Kriege begründen. Gedmin sprach hier von nicht existenten MWBs und einer nicht existenten Bedrohung. Für einen PNAC-Mitbegründer und Mitglied der amerikanischen Militaristenunion ist diese Art der Kriegsbegründung m.E. wenig überraschend.
Nach ähnlichem Muster wird es im Augenblick auch im Fall Iran probiert, jedoch zeichnet sich ab, dass sich die amerikanische Öffentlichkeit nicht erneut täuschen lässt.
Der Volksmund weiß: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.
10 Comments:
Lebst Du in Reichweite iranischer Raketen? Wirst Du den persischen Irren bei der WM in Deutschland auch herzlich willkommen heißen, auf daß er nur Israel bei Gelegenheit vernichten (sei es durch Atomwaffen oder Finanzierung von Terroristen) möge und gnädig zu uns Deutschen sei?
Verfolgst Du den Konflikt um das iranische Atomprogramm überhaupt, oder machst Du es wieder wie (vermutlich) im Fall des Irakkrieges und belässt es bei Pazifismus und "Kein Blut für Öl"-Parolen?
@Nite Owl
Ich habe mich noch nie vor irakischen Waffen gefürchtet. Heute ist das genauso. Insofern ist das amerikanische Irak-Abenteuer
a) zunächst nur teuer (rund 400 Mrd. USD sind nicht grade wenig) und
b) weltpolitische destabilisierend, aber okay, darüber kann man durchaus streiten - aber falls man "Terrorismus" als die ulitmative Gefahr (ich: hahaha) betrachtet, hat sich die Lage erst durch die Intervention entscheidend verschlechtert, vor allem
c) es ist schade um die vielen zigtausend gestorbenen Menschen, um hundertausende an Verletzten, um die allgemeine Verschelchterug der Lebensverhältnisse für das irakische Volk
d) man hätte Hussein auch zivilisieren können oder beseitigen können. Wenn wirklich Hussein das Problem gewesen wäre (ich hege gewisse Zweifel an der Sinnhaftigkeit des beliebten Feindbildes, hach, so frei bin ich), dann hätte man halt einen von über 100.000 Schlapphüten (oder sogar James Bond?).
100.000 Mann gegen einen Mann (plus 10 Leibwächter) - da muss doch was zu machen sein. Im Fußball jedenfalls wäre das sowas wie eine Feldüberlegenheit.
nite owl, Du fragst: Verfolge ich die Sache mit dem iranischen Atomprogramm überhaupt?
Naja, man entkommt dem allgemeinen Gekreische ja nun leider nicht. Den irren Arschmybutt finde ich aus ganz anderen Gründen ziemlich problematisch. Diskussion hier.
Aber Krieg?
Sorry, wie seltsam muss man denken, um diesen Gedanken überhaupt ernsthaft zu erörtern?
Hey, dieser Hirnkrüppen und die von ihm beauftragten Wissenschaftler benötigen noch mindestens fünf Jahre bis zur Bombe. Bis dahin wird sich schon eine Lösung finden.
@che: Zunächstmal ist eine zweite "Koalition der Willigen", trotz der ein oder anderen Drohung, unrealistisch - ich glaube nicht das dies von den USA gewünscht wird.
Man wird es aber möglicherweise für notwendig erachten - ebenso wie ich das tue.
"Auch für einen israelischen luftschlag á la osirak hätte ich, wenn nichts anderes hilft, verständnis."
Es wird wohl diesmal nicht so einfach sein, heißt es - und wenn es dann zum Krieg kommt ist ja noch zu befürchten das Mehrheiten in Europa Israel die schuld geben...
Bezüglich Iran und Mossadegh habe ich einst eine Vorlesung gehört die nicht auf der populären CIA-Affäre aufbaute, sondern auf inneriranische (Verteilungs-) Konflikte.
Was nun die "Wahrheit" ist weiß ich natürlich auch nicht - tut ansich auch nichts zur sache.
"Das mullah-regime gibt es nur deshalb, weil..."
Das ist sicher komplizierter, ebensowenig wie der zweite Weltkrieg alleine mit den Schwachpunken und Ungerechtigkeiten des Versailler Vertrages zu erklären ist.
Ja, "der westen" hat oft die "falschen" unterstützt - oft weil es keine "richtigen" gab bzw. man es für notwendig hielt.
dr.dean: Ich gebe zu, für mich war und ist auch ein vertretbares Motiv für diesen Krieg das Regime zu stürzen und Demokratie und Freiheit zu ermöglichen - man ist ja auch dabei das zu tun und wird noch lange Zeit zu tun haben.
zu b), ja, das bestreite ich - auch was Terrorismus angeht ist das nicht so klar - zum einen haben wir ein Regime weniger das Terroristen unterstützt (nicht Al Kaida, aber zumindest die Hamas) und die Terroristen die im Irak morden tun das nicht global.
zu c), ja, es ist schade um jeden - aber wir sollten nicht so tun als ob der Irak, die Region und die Welt sonst völlig in Ordnung, eine heile Welt, wäre.
zu d) man hat das ja auch lang genug versucht, bevor er durch Krieg gestürzt wurde - soweit man nicht sogar gute Geschäfte mit ihm gemacht hat.
wie gesagt: Krieg halte ich auf absehbare Zeit für unrealistisch - eben gerade aufgrund Irak und Afhanistan etc. - ob Deine Aussage mit den 5 Jahren zutrifft weiß ich nicht, ich denke nicht.
Wer soll eigentlich noch das Demokratie- und Freiheit-Gerede ernst nehmen? Welche Freiheit und Demokratie haben wir den bis jetzt im Irak? Wahlen unter starkem Truppen- und Polizeischutz - toll! Freiheit? Die Freiheit, entweder von Selbstmordattentätern oder GIs abgeknallt bzw. in die Luft gejagt zu werden - geil!
Aber wer war das neulich noch, der meinte, dass der IRak schon auf dem Weg zur zweiten USA sei, weil es da schon mehr Handys gebe als in Deutschland oder so ähnlich? Ich meine, das war bei den Kasperln von PIPI. Aber die sind genauso lächerlich wie die aufgestellte Behauptung. Die einzigen Iraker, denen es im Irak derzeit gut bis sehr gut geht, das sind die, die GIs und Extremisten am besten schmieren können - so wie Bush im Wahlkampf besten vom Skull & Bones-Zirkel die Millionen in den A.... gesteckt bekam und dafür im Gegenzug danach S&B-Schergen in hohe Posten hievte.
Wenn das Demokratie sein soll...
MfG
Daniel
klar, eine totalitäre Diktatur ist vergleichsweise übersichtlich und Außenstehende kriegen so gut wie nichts von mit.
Wer eine möglichst idealistische und moralische Außenpolitik will sind ja gerade die von Euch (dr.dean/ Daniel/che) so verhassten Neokonservativen - dazu gehört auch das diese am ehsten von allen US-Außenpolitikern bereit sind Allianzen mit fragwürdigen Regimen zu lösen.
Zum einen glaube ich daran das es nie nur ein Motiv, eine Ursache oder eine Auslöser gibt - zum anderen ist zumindest aus Sicht der USA, und der objektiven Realpolitk (wenn es denn sowas gibt) die idealistische Politik nicht immer die bessere.
"Im Übrigen: Man nenne mir ein einziges KZ, dessen Gaskammern und Verbrennungsöfen durch gezielte Angriffe alliierter Bomber zerstört wurden."
Das ist nun ein ganz neues Thema... ich denke man hat zum einen befürchtet das der Angriff von der deutschen Propaganda ausgeschlachtet wird (die Toten den Allierten vorgeworfen werden) und zum anderen man am meisten erreicht wenn man die Deutschen möglichst schnell besiegt.
wir wissen ja heute das es auch Massenmorde ohne industriellen Anlagen gab...
@nite owl
Würde die drastische Steigerung der Militärausgaben (als Ergebnis der Neocon-Ideologie) von einem etwa gleich starken Anstieg der US-Entwicklungshilfe begleitet werden, dann würde ich evtl. in Erwägung ziehen, ob Dein Argument mit der "idealistischen und moralischen" Außenpolitik der USA mehr ist als politische Propaganda bzw. eine rhetorische Hülle für Hegemonialpolitik.
Im Übrigen (das ist typisch linksliberal) meine ich:
Die Welt hat schon genügend schlechte Erfahrungen mit "Idealismus" gemacht, der seine Ziele mit Gewalt durchzusetzen trachtet.
Militarismus ist eine Plage, und zwar völlig egal, in welcher Gestalt sie auftritt.
Von diesem Grundsatzargumenten abgesehen hätte ich an Stelle Nite Owl angesichts der durchwachsenen außenpolitischen Bilanz der USA recht erhebliche Zweifel an der Idee vom "guten Hegemon".
Ich halte weder etwas vom verblödeten Urvertrauen auf das "grundsätzlich Gute in der der US-Außenpolitik", noch halte ich etwas von der radikallinken Chimäre einer angeblich stets bösen US-Außenpolitik.
Das irre Alpglühen in den Augen von Neocons, ob nun "im Namen der Freiheit" oder über lächerlich hysterisch begründete, angebliche Notwendigkeiten zum militärischen "Kampf gegen den weltweiten Terror": das macht mir Sorgen, nicht zuletzt deshalb, weil die verfügbaren Machtmittel erheblich und die damit verbundenen prinzipiellen Missbrauchsgefahren proportional hierzu sind.
Wenn man begriffen hat, dass Außenpolitik kein Feld ist, wo man eine "freien Entfaltung" des Militarismus wünschen kann, dann fällt die faschistoide Neocon-Ideologie bereits in sich zusammen.
Und es spielt dabei keine sonderliche Rolle, ob der jeweilige Militarismus nun behauptetermaßen "idealistisch moralisch" ist oder ungeschminkt nach Hegemonie dränkt.
Es bleibt immer (!) ein sehr erhebliches Legitimitätsproblem, und keine politisch-demagogische Formel von "Freiheit" oder "Antiterror" kann diesen Mangel auf Dauer überdecken.
Und nur mal eine Randbemerkung an Idealisten, welche immer noch unter Anwendung von schrecklichen Gewaltmitteln ihre Ideologie verbreiten wollen:
Der Irakkrieg wird dem amerikanischen Steuerzahler etwa 400 Mrd US-Dollar kosten.
Hätte man stattdessen davon 1/4 (also: 100 Mrd.) dafür aufgewendet, um damit die Demokratisierung der Baath-Partei und des Iraks zu fördern (immerhin ein Betrag von satten 10.000 US-Dollar pro erwachsenen Iraker), und zusätzlich eine Reihe von Schlapphüten finanziert, welche Saddam nebst Clan killen, dann hätte man sich das ganze Irak-Abenteuer sparen können.
Okay, das hätte aber im US-Fernsehen weniger hübsche Bilder gegeben, von wegen "unsere Jungs" und "unserer Präsident" in Miltitärklamotten.
Gegen den chauvinistischen Charme von gemusterten Olivgrün hat eine nüchterne Außenpolitik vermutlich kaum eine ernsthafte Chance.
400 Milliarden US-Dollar für einen Völkerrecht brechenden Angriffkrieg? Sir, yes, sir, we like that very much!! It is so much idealistic to fight for the good in the world! We are great! Kill the enemies! Let freedom prevail!!
100 Milliarden US-Dollar für einen friedlichen Wandel? Outch, our tax! This is unsexy, no way!! Tax cuts, so help me god!
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