08 April 2006

Vernünftige Drogenpolitik

Ich meine, dass eine Mixtur aus Prävention (zur Verhinderung von Drogensucht) und Substitution/kontrollierter Abgabe (zur Entkriminalisierung und Austrockung des Drogenmarktes) ein vernünftiger Ansatz wäre. Zur Prävention gehört auch die Unterbindung des Handels mit schweren Suchtstoffen.

Bei leichten und relativ harmlosen Suchtstoffen befürworte ich Pragmatismus: Neben Entkriminalisierung von Konsumenten (z.B. von Asthma-, Krebs-, Migränepatienten) ist eine Behinderung des Marktzugangs (= Kampf gegen Dealer) nützlich. Eine Legalisierung von Haschisch ab 21 Jahren ist eventuell sinnvoll.

Da schwere Drogen die Willensfreiheit der Erkrankten massiv einschränken, kann der freie Zugang zu schweren Drogen niemals Teil einer "freien" Gesellschaft sein oder eines "freien und fairen" Marktgeschehens. Anarchokapitalismus ist Unfug.

Im Übrigen finde ich die Perspektive, dass sich Jugendliche mit Drogen vollknallen, unschön. Ein Teil der Bildungsprobleme in Schulen und Berufsschulen geht m.E. darauf zurück, dass sich zu viele frustrierte Jugendliche und junge Erwachsene regelmäßig zudröhnen.

9 Comments:

At 09 April, 2006 10:58, Anonymous Anonym said...

Die in drogenpolitischen Fragen als liberal geltende Schweiz praktiziert seit einem Jahrzehnt recht erfolgreich eine so genannte Vier-Säulen-Drogenpolitik, welche Prävention, Therapie / Reintegration, Schadensbegrenzung (Überlebenshilfe) und Repression. Einseitig nur auf Repression zu setzen, erhöht hauptsächlich Umsatz und Marge der Drogenmafia, senkt aber die Nachfrage zumindest kurzfristig nicht. Das haben auch unsere konservativen Betonköpfe einsehen müssen. Anfangs der 90er-Jahre war Zürich weit herum bekannt für die offene Drogenszene mit Heroin-Junkies. Heute ist dank ärztlich kontrollierter Heroinabgabe dieses Problem unter Kontrolle.

Dennoch: Auch in der Schweiz fliesst jeder zweite Franken für Drogenpolitik in Repression. Eindeutig zu viel. Vor allem die Kriminalisierung des Cannabis-Konsums ist stossend. Weit über die Hälfte der Jugendlichen haben schon einmal gekifft. Die allermeisten lernen selber einen massvollen Umgang mit der Droge. Die Verfolgung der Cannabis-KonsumentInnen ist äusserst willkürlich, denn pro erwischtem Kiffer werden 99 oder mehr nicht erwischt. Ausschlag gebend für eine Kontrolle ist dann oft die Kleidung, Haartracht oder Hautfarbe, welche der Polizei nicht passt.

Ich finde durchaus, dass der Markt auch bei den Drogen spielen soll. Das heisst umgekehrt noch nicht, dass der Staat auf Kontrollen zur Lebensmittelsicherheit und auf Steuern von mehreren hundert Prozent verzichten muss. Lieber einen kontrollierten legalen Drogenmarkt mit prohibitiv hohen Preisen als ein gutes Geschäft für die Mafia, während die Kosten ohnehin die Allgemeinheit bezahlen muss.

 
At 09 April, 2006 11:38, Anonymous Anonym said...

Lieber Dr. Dean,

ich befürworte in diesem Punkte einen klaren StaMoKap Standpunkt: der Staat sollte hier ein Monopol übernehmen und reine Drogen aller Art zu billigen Preisen abgeben an wen auch immer will.

Das ganze verkauft aus einer Art "Traffik" (Achtung Wortwitz) wie in Österreich die Zigarettenbuden, bemannt von den faulsten und arrogantesten Beamten Deutschlands.

Das hilft gleich mehreren Agenden:

1. weniger bis keine Beschaffungskriminalität
2. kein schmutziger Stoff, weniger Tote
3. Geld für die maroden Staatskassen
4. Zusammenbruch der Rauschgiftmafia weltweit
5. Weniger cooles Drogenimage, denn seit wann sind L*dl-billige Ramschartikel cool


Es grüßt Sie,


der Lebemann

 
At 09 April, 2006 18:14, Anonymous Anonym said...

Ich denke, ein Problem ist nicht nur die Bildung, sonern vor allem auch die weitgehende Abwesenheit der Eltern, da mittlerweile immer öfter beide Elternteile voll berufstätig sein müssen, um das Einkommen und Auskommen ihrer Familie zu sichern. Ursache also ganz klar das Lohn- und Sozialdumping in Europa. Aber sich wundern, wenn die Leute keine Kinder mehr in die Welt setzen, wenn es bei immer mehr Paaren nur noch für einen selbst reicht.

Wo sind eigentlich die ach so tollen "westlichen Werte" hin, die unsere NeoCoNazi-Blogger so gerne anführen? Da scheinen mir nur noch zwei "Werte" überlebt zu haben:

1. Haste was, biste was.

2. Mehr Geld, mehr Geld, mehr Geld! (War das nicht ursprünglich so ein Scientology-Spruch?)

MfG

Daniel

 
At 09 April, 2006 20:08, Blogger John Dean said...

@esther
Stimmt, die Schweiz könnte als ein recht gutes Vorbild gelten. Und genau der Hinweis auf die Repressionskosten, den halte ich für sehr wichtig, um einen Maßstab bei den weichen Drogen (immer noch Schad-Stoffe!) zu finden, wann und wo eine Repression macht, und wann eben nicht.

Es ist aber ein Irrtum zu glauben, dass der Verzicht auf Suchtstoff-Repression zu "mehr Freiheit" führt. Denn wie gesagt: Drogen sind an und für sich anti-freiheitlich.

Die Propagandaformel vom "Recht auf Rausch" trägt m.E. zur Verharmlosung von Suchtstoffen bei. Es sind ja nicht nur Rausch-Mittel, sondern aus liberaler Sicht vor allem auch Sucht-Mittel, das heißt, sie vermindern Freiheit.

Und weil die Bekämpfung höchst komplex ist, schnell auch zu repressiv oder gar antiproduktiv gerät, halte ich Pragmatik für eine gute Idee in der Drogenpolitik, und auch, dass man genau schaut, welche Erfolge bzw. Misserfolge in der Praxis erzielt werden.

Und tatsächlich: Wo konservative Betonköpfe die Drogenpolitik bestimmen, dort wächst das Elend.

Ich warne aber vor der Verharmlosung von Cannabis! Bis zum 21-ten Lebensjahr ist es sicher, dass ein regelmäßiger Konsum schädlich ist. Eine Verknappung des Angebots, eine Bekämpfung von Dealern (sofern dies nicht auf hysterisch übertriebene Weise geschieht) halte ich daher für allemal sinnvoll.

Die Dealerkontrolle wird immer, dazu weiß ich jedenfalls keine Alternative, zu einer "Diskriminierung" bestimmter Gruppen führen. Man muss dann halt genauer aufpassen, wie man dabei vorgeht, dass die Normen des Rechtsstaats gewahrt werden usw.

Nur, warum soll bei Sucht-Stoffen (und damit: Freiheitverminderungs-Sstoffen) der Markt eine Rolle spielen? Welche? Wozu? Die hohen Preise dienen ja nicht zuletzt auch dazu, Konsumanreiz und Konsumfrequenz zu senken.

@Lebemann
Traurig ist ja, dass dein Vorschlag garnicht mal so absurd ist, wie er auf den ersten Blick aussieht.

Daran kann man m.E. aber auch gut sehen, das Drogen eben keine Güter für einen "freien und fairen" Markt sein können.

@Daniel
In einer Welt, wo zunehmend nur Konsum und Eigentum als Werte zählen, wo immer weniger Menschen mithalten können, wo immer stärker Menschen herausselektiert werden, wird man vermutlich zunehmend mit Drogenproblemen zu kämpfen haben.

Werte- und Tugendlosigkeit sind in meinen Augen so wenig eine gute Orientierung für eine Gesellschaft wie die tugendfreie Autoritäts- und Militärhörigkeit vergangener Zeiten.

Und dass nun gerade von Seiten teils extremistischer Marktlibertäre die dumme Friedman-Forderung nach der Freigabe des Drogenhandels gefordert wird, das wundert mich bei diesen "Markt-über-alles"-Leuten nicht unbedingt.

Dass es irgendwo Bereiche geben könnte, wo man mit der platten Devise "mehr Markt!" ganz sicher keine Probleme löst, sondern nur die Probleme deutlich vergrößert, das stellt für bestimmte Leute ein ideologisches Ärgernis ersten Ranges dar.

Widerspricht es doch dem ersten Grunddogma des eigenen Weltbildes...

 
At 09 April, 2006 20:12, Blogger John Dean said...

"(...)und wo eine Repression macht, und wann eben nicht."

Es muss heißen:

"und wo Repression Sinn macht, und wann eben nicht."

 
At 10 April, 2006 01:18, Anonymous Anonym said...

Ich will den Konsum von Drogen nicht verharmlosen. Ich weiss von Menschen, die ich kennen gelernt habe, dass Drogen die Gesundheit massiv schädigen und die sozialen Beziehungen stark beeinträchtigen können. Insbesondere Alkohol wird immer wieder unterschätzt. Aber meiner Meinung nach sind nicht berauschende Lebensmittel an sich schlecht, sondern gewisse Konsummuster.

Wer heute erwachsen wird, muss auch einen vernünftigen Umgang mit Rauschmitteln, Medikamenten und anderen Mitteln zur Flucht aus der Realität (TV, Games, Internet, etc.) lernen. Wer das nicht lernt, der oder die hat es heute schwer. Aber eigentlich bin ich recht optimistisch: Wenn ich mir die immensen Mengen von Cannabis, Kokain und Ecstasy vor Augen halte, die gemäss Hochrechnungen konsumiert werden, dann ist es eigentlich erstaunlich, dass nicht mehr passiert. Insofern würde ich meinen, dass der Staat seine erwachsenen BürgerInnen eigentlich nicht bevormunden muss, welche Substanzen er oder sie geniessen darf. Bei Jugendlichen bis sagen wir mal 16 Jahre, sehe ich gewisse Beschränkungen ein. Auch wird es Prävention, Schadensbegrenzung und Ausstiegshilfen für Leute mit harten Konsummustern brauchen, die durch Drogen in die Verelendung abzurutschen drohen. Das ist der Preis, den wir für die Freiheit, selbst über den Konsum von Rauschmitteln zu bestimmen, zahlen.

Ich sage auch nicht, dass wir ohne Repression auskommen. Ich sage nur, dass Repression willkürlich wird, wenn das Gesetz ohnehin nicht flächendeckend durchgesetzt werden kann. Und ich bin der Meinung, Repression sollte in erster Linie gegen Umgehung von Qualitätsstandards, Steuern und Altersvorschriften beim legalen (zu legalisierenden) Drogenhandel richten.

 
At 10 April, 2006 03:24, Anonymous Anonym said...

@Dr. Dean:

Schon einmal daran gedacht, dass Drogenkonsum gesellschaftlich von unseren Eliten erwünscht ist? Wer Drogen konsumiert, ist weniger gefährlich für den Status quo, da er lieber seine Wahrnehmung der Welt verändert, anstatt sich dafür einzusetzen, dass sich die Welt ändert. Ich denke, dass daher z.B. auch die Alkoholpolitik so übertrieben liberal gehandhabt wird. Suff bis zum bitteren Ende wird an Karneval und zu anderen Festivitäten als "angemessen" dargestellt - einer der Gründe, warum ich solche Veranstaltungen meide, da ich selbst in der gesamten Festival-Saison wohl weniger Alkohol konsumiere als genügend Karnevalisten an einem Tag.

Ich halte das "mehr Markt"-Geschwafel überall dort für überflüssig und Wettbewerb für sinnfrei, wo es um die Grundbedürfnisse der Menschen geht, sie also keine andere Wahl haben als zu konsumieren, z.B. bei Nahrungsmitteln, Wasser, Energie, Bildung usw. Denn alleine das Beispiel Energie zeigt, dass sich aus dem staatlichen Monopol oftmals nur korrupte Oligopole / Kartelle zum Nachteil der Kunden entwickelt haben.

Es wäre in der Tat Zeit für neue Werte, die unsere Küchenkonservativen nach der Unterdrückungs-Heillehre des Christentums aufbauen wollen. Wir bräuchten aber mehr vernunftbasierte Werte in unseren Gesellschaften anstelle einer radikalisierten Kopie christlichen Zinnobers. Solange wir uns bei Werten auf das Christentum beziehen, schließen wir potentiell all jene von der Akzeptanz dieser Werte aus, die einer anderen Glaubensgemeinschaft angehören. Als Grund für die Ablehnung können diese dann einfach sagen, dass sie eben keine Christen seien. Aber wer würde sich ernsthaft den Werten und Maßstäben der diesseitigen Vernunft zu widersetzen versuchen?

MfG

Daniel

 
At 10 April, 2006 12:58, Anonymous Anonym said...

Liebe, Sex, gutes Essen, schöne Menschen, Begehren, Obsessionen, aber auch manche Hobbies, Sportarten, Fahrzeuge, Verhaltensweisen, alles suchterzeugend, anti-freiheitlich. Auch hier muss der ordoliberale Staat schleunigstens eingreifen. Dass sich jemand wegen Drogen ins Unglück stürzt und seine Freiheit aufgibt, ja nun, das wird ja bereits immerhhin unbeholfen bekämpft. Wer aber bekämpft die Unfreiheit, die sich aus dem Geschleime und Gebagger und Geprotze anlässlich der ANwesenheit einer gutaussehenden freizügig gekleideten Frau unter alleinstehenden Männern ergibt? Die stereotypen Verhaltensweisen? Wer nimmt den Drachenfliegern die Drachen weg und den BMW-Fahrern die BMWs? Den Fettsäcken die Schnitzel mit Sahnesauce, oder den psychisch Labilen Scientology, EKD, Papst Benedikt? Den passiven den Fernseher, den Idioten die BILD? Den aufgebrezelten Frauen die hundert Paar Schuhe? Den Nazis das Vaterland? Den Verhaltensgestörten und Hässlichen die Pornohefte? Den Künstlern die Kunst, den Musikermn die Musik? Den Managern ihre Macht? Alles genauso Dinge, die einerseits gut kicken, andererseits unfrei machen. Aber das alles ist natürlich sozial, kulturell, in der Bevölkerung (also von der CDU): akzeptiert.

Das ist doch alles so bigott und verlogen.

"Schon einmal daran gedacht, dass Drogenkonsum gesellschaftlich von unseren Eliten erwünscht ist? Wer Drogen konsumiert, ist weniger gefährlich für den Status quo, da er lieber seine Wahrnehmung der Welt verändert, anstatt sich dafür einzusetzen, dass sich die Welt ändert."

Klar, wahrscheinlich haben sie Leary deshalb lebenslänglich in den Knast gesteckt: Weil LSD so schön passiv macht. Deswegen schrieben all die Rebellen ja auch ihre drogengeschwängerten- oder befeuerten Bücher: Weil das so passiv macht. Ich behaupte jetzt einfach mal: Es verhält sich mit Sport so, statt mit Drogen. Die Eliten wollen viel Sport, wollen, dass man sich da auspowert und anstrengt, damit man die Aggressionen gegen sie friedlich loswird. Sportler rebellieren nicht. Tja, und nun?

 
At 24 September, 2006 21:18, Blogger John Dean said...

Ich halte den Begriff "Konsummuster" für problematisch, wenn er im Sinne einer Propaganda eingesetzt wird, in dem Sinne, dass nicht die Drogen das Problem seien, sondern lediglich die Konsummuster.

Dabei wird nicht nur die Sucht-auslösende Wirkung von Rauschdrogen übersehen, was schlimm genug ist, sondern auch suggieriert, dass lediglich die Konsummuster zu kurieren seien, was eine glatte Lüge darstellt.

Die Minderung von Drogenproblemen beruht gewiss nicht allein auf die Veränderung von Konsummustern, sondern auch darauf, dass der Zugang zu Suchtsubstanzen eingeschränkt wird, sofern dies auch nur einigermaßen realistisch ist.

Und das ist realistisch, wenn man es richtig anstellt, z.B. ohne unnötige Kriminalisierungen usw.

 

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