Hitler und die historische Schuld des Rechtsliberalismus
Bei der Betrachtung der deutschen Geschichte ist vieles auf- oder jedenfalls bearbeitet worden. Ein bedeutendes Thema, das leider fast ausgeblendet wurde, ist die verheerende Rolle des Rechtsliberalismus in der Weimarer Zeit.
Zu Gunsten der Sonderinteressen von Privilegierten verdrängte er Gemeinwohl und soziale Gerechtigkeit aus dem Liberalismus, und ertaubte gegenüber den Nöten der kleinen Leute. Beim Wandel bzw. der Wegwendung von einer linksliberalen DDP (18 % Wählerstimmen) hin zum nationalbesoffenen Wirtschaftsliberalismus hat sich das deutsche Bürgertum tief schuldig gemacht a) als Katalysator und b) als Steigbügelhalter einer verheerenden Entwicklung.
Diese Schuld wird nicht vergessen.
Hitler hatte ein feines Gespür dafür, wo ihm in weltanschaulicher Hinsicht Gefahr drohte, er fürchtete also die eigentlich schlappen Sozialdemokraten und den "Liberalist". Hitlers weltanschaulicher Angstgegner, mochte er in jeglicher Hinsicht noch so besiegt gewesen sein, das war der Linksliberalismus.
Heute, wo sich in vielen gesellschaftlichen Bereichen ein fast schon wirtschaftstotalitäres und sozialdarwinistisches Denkens ausbreitet, heute, wo "Liberalismus" als Klassenkampf von oben propagiert wird, welcher Klientelinteressen als Gemeinwohl vorgibt, heute, wo sich eine militante Krüppelform liberalen Denkens ausbreitet, nämlich die Verwechselung freier "Märkte" bzw. Freiheit für das Eigentum mit menschlicher Freiheit an sich:
Heute! Ist es Zeit für einen neuen Liberalismus von unten, also für eine pazifistische und sozial verpflichtete Liebe zur Freiheit, die sich gegen die satten Eliten stellt - für die Interessen und Grundrechte der Mehrheit der Bevölkerung.
Bekämpft den Rechts- und Wirtschaftsliberalismus!
14 Comments:
Die beste Widerlegung für Deans absurde Thesen findet sich bei Hitler Biograph Joachim Fest.
"Und beide hassten mehr als alles andere die bürgerliche Welt. Wer sich die Jubelschreie in Erinnerung ruft, mit der führende Nationalsozialisten die Zerstörungen der deutschen Städte im Bombenkrieg begrüßten, erhält einen Begriff von der Radikalität ihres Hasses: Goebbels sprach von den "Gefängnismauern" der bourgeoisen Welt, die jetzt endlich "in Klump geschlagen" würden, und Robert Ley "atmete auf": Endlich sei es "vorbei mit der Welt", die sie verabscheuten."
Quelle:
http://www.taz.de/pt/2003/09/27/a0148.1/text
Die Linke hat Hitler erst möglich gemacht, sage ich.
Wenn matthias b. seinen Fest (der ohnehin nicht gerade wertfrei urteilt) wirklich gelesen hätte (und nicht nur einen scherzhaft gemeinten Beitrag für die TAZ am TAZ-Geburtstag), dann wüsste matthias b.:
1. Hitler hatte (laut Fest) eine intensive Bewunderung für das Bürgerliche - und hielt sich sogar für einen Bürgerlichen, und zwar in Gestalt eines kräftigen Modernisierers, welcher nicht so "schwächlich" wie die Bürgerlichen sei.
2. Hitler ermöglichte der bürgerlichen Klasse im Faschismus eine extrem Gewinnrate, die seitdem nie wieder erreicht wurde.
3. Einigen wir uns getrost darauf, dass Hitler in vielerlei Hinsicht schizo und paranoid war. Eigentlich hasste und misstraute er nahezu alles (mit sehr geringfügigen Ausnahmen).
4. Aber hier rede ich z.B. von a) Steigbügelhaltern. Nur politische Knallköpfe und andere Halbirre können wie matthias b. auf die Idee kommen, dass "die Linken" Steigbügelhalter Hitlers waren.
Na, wer hat die Ermächtigungsgesetze unterschrieben? Waren das eventuell auch Rechtsliberale, nä? Wer waren die heimlichen und offenen Bundesgenossen von Hitler?
Es war die bürgeliche Klasse und besonders tiefe Schuld trifft die Rechtsliberalen z.B. in Gestalt der DNVP. Ohne deren Verhalten wäre es nicht zu Hitler gekommen, und zu allem Überfluss bahnten sie mit ihrer Unterstützung der alldeutschen Ideologie Hitler erst den ideologischen Weg, denn Hitler war im Grunde genommen eine (sozialdarwinistisch-rassistische) Intensivierung der rechtsliberalen alldeutschen Ideologie. Erst
(a) die konservative Rechtsliberale wie Hugenberg als Agitator und Einpeitscher eines giftigen Ideenguts und
(b) DVP-Trottel (ergo: Rechtsliberale) wie Stresemann, Friedrich Naumann und Ernst Scholz, welche ihre Wählerschaft auf die NSDAP-Ideologie vorbereiteten, um diese dann in die NSDAP zu treiben, kurs, erst die Rechtsliberalen bereiteten Hitler den Boden.
Wie kann eine historische Schuld noch gesteigert werden???
Nur zur historischen Kenntnis, Stichwort Ermächtigungsgesetz und zur historischen Schuld:
288 Stimmen von der NSDAP, dazu volle Unterstützung durch das konservativ-bürgerliche Zentrum und durch die rechtsliberal-bürgerliche DNVP. Wie haben sich wohl "die Linken" verhalten:
94 Stimmen der SPD, natürlich dagegen. Dazu kamen weitere 26 Abgeordnete, welche von den Nazis gejagd wurden bzw. inhaftiert waren.
81 Abgeordnete der KPD, die gesamte Fraktion, wurde von den Nazis/Rechtsliberalen verhaftet, ermordet oder mussten fliehen.
Hätten sich die bürgerlichen Rechtsliberalen und das bürgerliche Zentrum gegen Hitler gestellt, wäre er verhindert worden.
(kleine Zwischenbilanz am Rande: Rechtsliberale wurden von der NSDAP selbstverständlich nicht gejagd, sondern mit offenen Armen in der NSDAP empfangen, mit Ausnahme einiger weniger DNVP/DVP-Funktionäre, für die man in der NSDAP keine Verwendung fand. Quasi Brüder im Geiste.)
Nur nochmal als nicht unwichtiges Detail am Rande: Ohne die Zustimmung des bürgerlichen Zentrums und der bürgerlichen Rechtsliberalen hätte das Ermächtigungsgesetz nicht die erforderliche 2/3-Mehrheit erlangt.
Die Bürgerlichen und Rechtsliberalen sind in hohen Maß an Hitler schuld.
Das lässt sich mit nichts fortwischen.
Nieder mit dem Rechtsliberalismus!
Liebe Leute, was ist das denn hier für eine Konfusion?
DNVP= deutschnational, rechts-reaktionär, Nachfolgepartei der beiden konservativen Parteien des Kaiserreichs, gewählt vom agraischen-protestantischen Nord-Ost-Deutschland
DVP= rechtsliberal, Nachfolgepartei der Nationalliberalen, Industriepartei, unter Stresemann
Vernunftrepublikaner
DDP=linksliberal, Nachfolgepartei des Fortschritts, der Freisinnigen,
intellektuelles Bürgertum
Zentrum=Mitte,
Dauerregierungspartei, Dauerkoaltion mit SPD in Preußen,
nationalkonservativer Flügel, aber auch sozialer Flügel, der in manchem linker als die SPD ist. Nicht umsonst stellt das Zentrum den Arbeitsminister
KPD=Koaliton der Negation mit der NSDAP, gemeinsame Streikfront mit den Nazis zum Beispiel in Berlin 1932
Wer ist der Gegner der Nazis?
SPD und KPD bekämpfen sich
die bürgerliche Mitte bleibt zu Hause
DNVP koaliert
Wer hat wirklich gegen die Nazis gekämpft:
a) die Münchener Polizei 1923
b) die österreichischen Christsozialen 1934
c) die nationalorientierten Offiziere des 20.Juli
Ich frage mich, wie man in einem angeblich so liberalen Blog den Nicknamen "Che" verwenden kann. Hat der nicht genügend Leute grausam ermorden lassen? Mann muss sich hier schämen, was sich in diesem Blog alles als "liberal" bezeichnet.
Jenseits der konkreten Taten dieses Mannes steht Che symbolisch für das Prinzip des unerschrockenen, auf sich selbst gestellten Linksaktivismus im Unterschied zur Bürokratie der Kommunistischen Parteien, für revolutionäre Romantik und, ja auch, für den Eros der Revolution. Diese Bedeutungen sind, auch in der popkulturellen Che-Adaption, längst viel wichtiger als die Person Che Guevara selber, und sie sind das schon seit fast 40 Jahren. Unser che2001 hingegen hat mehr als einmal bewiesen, dass er mit Genickschussmentalität nichts am Hut hat. Dass auf einem liberalen Blog auch linke und konservative Positionen diskutiert werden, spricht für den Liberalismus dieses Blogs.
mfG
workingclasshero
@dean
Yep. Konsens.
gruß
joachim bons
@Dean
"Hitler hatte (laut Fest) eine intensive Bewunderung für das Bürgerliche - und hielt sich sogar für einen Bürgerlichen, und zwar in Gestalt eines kräftigen Modernisierers, welcher nicht so "schwächlich" wie die Bürgerlichen sei."
Nun, das ist irgenwie seltsam, schließlich bekundete der GröFaz höchstselbst, daß es sein größter Fehler gewesen sei, den entscheidenen Schlag gegen Rechts nicht geführt zu haben.
Quelle: N. v. Below, Als Hitlers Adjutant 1937-45, Mainz, 1980, S. 403.
"2. Hitler ermöglichte der bürgerlichen Klasse im Faschismus eine extrem Gewinnrate, die seitdem nie wieder erreicht wurde."
Nun, Leute wie Götz Aly behaupten, daß eigentlich das ganze deutsche Volk so etwas wie eine "Gewinnrate" einstecken konnte, da wurde wohl niemand ausgenommen.
"Aber hier rede ich z.B. von a) Steigbügelhaltern. Nur politische Knallköpfe und andere Halbirre können wie matthias b. auf die Idee kommen, dass "die Linken" Steigbügelhalter Hitlers waren.
"
Ohne Sozialismus kein Nationalsozialismus. Der Nationalsozialismus war ja nur der braune Ableger des sozialistischen Wahns. Hier die Internationale dort die Volksgemeinschaft. Hier die FDJ da die HJ. Hier die Klasse da die Rasse. Der NS war national eingefärbter Sozialismus und was noch viel wichtiger ist, er war zutiefst antiliberal, was eigentlich schon als Begründung völlig ausreicht.
Ob mich die Sozialisten international oder die Nazis national kollektivieren wollen, kann mir doch wurscht sein.
Wären damals die meisten Deutschen Liberale alter Schule gewesen, der ganze nationalsozialistische Kollektivwahn wäre uns erspart geblieben.
"Na, wer hat die Ermächtigungsgesetze unterschrieben? Waren das eventuell auch Rechtsliberale, nä? Wer waren die heimlichen und offenen Bundesgenossen von Hitler?
"
Liberale? Wo. Es gab vielleicht Parteien die sich liberal genannt haben aber sicher keine Liberalen nach klassischem Vorbild, also echte Liberale. Was sind überhaupt Rechtsliberale? Entweder Liberal oder gar nicht.
Wie sagte schon Hayek. "Der Liberalismus kann sich rühmen, die von Hitler bestgehassteste Lehre zu sein."
Im Endeffekt ist es doch völlig wurscht wer welche Gesetzte unterschrieben hat. Die Atmospähre damals war von allem möglichem gekennzeichnet, aber bestimmt nicht von einem zuviel an Liberalität. Daran hat es gehapert. Das Aufweichen liberalen Denkens in Reichtung mehr Sozialismus - in Fachkreisen auch Linksliberalismus genannt - ist der falsche Weg.
Nieder mit dem Linksliberalismus. ;)
"Hätten sich die bürgerlichen Rechtsliberalen und das bürgerliche Zentrum gegen Hitler gestellt, wäre er verhindert worden.
"
Rein hypothetische Feststellung. Gesellschaftliche Umwälzungen vollziehen sich nicht von einem Parlamentsbeschluß auf den anderen oder das jemand zur falschen Zeit am falschen Ort ein Gesetz, wenn auch ein weitreichendes, unterschreibt.
@che
"Was matthias b. da von sich gibt, ist geschichtsrevisionistischer Quatsch in der Lesart Ernst Noltes."
Joachim Fest hat doch völlig Recht, wenn er sagt daß die Diskussion um den ideologischen Standort des deutschen Nationalsozialismus nie richtig geführt worden ist.
Lieber wurde das Feld überwiegend den Linken und den traditionell antikapitalistisch eingestellten Intellektuellen überlassen.
Die haben es sich natürlich nicht nehmen lassen, den NS als antisozialistisch oder sogar kapitalistisch darzustellen.
Deshalb sage ich: Wider der Geschichtsfälschung, Mut zur Geschichtsrevision.
Die historischen Einzelheiten – wer wann wie im Reichstag gestimmt und mit wann mit wem koaliert hat -, sind mir eigentlich nicht so wichtig. Ich möchte die Parallele zu heute sehen: das, was Dr. Dean als Rechtsliberal bezeichnet, sehe ich als diejenigen wirtschaftlich Mächtigen, die sich von etwaigen ethischen Grundsätzen konservativer Kapitaleigner frei gemacht haben und sich berechtigt glauben, alle Möglichkeiten ihrer wirtschaftlichen Macht ungehemmt auszuschöpfen. Zu diesem "wertfreien" Ausschöpfen der wirtschaftlichen Macht gehört es, dass man sich auch jeden Emporkömmling, gleichgültig welcher Ausrichtung, zunutze machen will in der Meinung, man könne ihn leicht unter Kontrolle halten. Das möchte ich schon als ganz bewusstes Steigbügelhalten bezeichnen. So haben sie es mit Hitler gemacht, so hat es das Kapital um Bush Vater und Sohn mit Saddam Hussein, Bin Laden und den Taliban gemacht – nur – Pech aber auch - die Emporkömmlinge geraten außer Kontrolle....! Das war bei Hitler so, genau wie heute.
@ Mathias B.: "Ohne Sozialismus kein Nationalsozialismus". Das ist ja wohl etwas kurz gegriffen. Sicher, die Partei Hitlers hat sich ganz bewusst "national-sozialistisch" und "Arbeiterpartei" genannt. Um das Volk zu gewinnen, hat sie vom Sozialismus ein paar Attribute übernommen: Volksgemeinschaft, das gegenseitige Helfen, "keiner soll hungern und frieren", das habe ich als Kind noch gut miterlebt. Aber das Verwerfliche am Nationalsozialismus ist doch nicht diese soziale Komponente oder das was Du als "Kollektivismus" bezeichnest. Das Verwerfliche ist doch die rassistische Herrenmenschen-Ideologie, die das eigene Volk über die anderen Menschen stellt und es für berechtigt hält, andere Menschen als "Untermenschen" zu versklaven oder zu vernichten. Diese Ideologie haben sie nicht vom Sozialismus; zum Wesen des Sozialismus hat es immer gehört, alle Menschen auf der Erde als gleichwertig anzusehen. Und Du sagst "Ob mich die Sozialisten international oder die Nazis national kollektivieren wollen, kann mir doch wurscht sein"? Ist das Dein Ernst?
@Anonym workingclasshero: "Dass auf einem liberalen Blog auch linke und konservative Positionen diskutierte werden, spricht für den Liberalismus dieses Blogs". Ich füge hinzu: Nur unter Gleichgesinnten im eigenen Saft schmoren, kann ich auch außerhalb des Internets. Ich hoffe doch, dass unter den politischen Blogs keiner die Überschrift trägt "Für Andersdenkende kein Zutritt"! :-)
Die Bürgerlichen und Rechtsliberalen sind in hohen Maß an Hitler schuld.
Dem stimme ich zu, auch wenn ich ungern den problematischen "Schuld"-Begriff verwende.
Dennoch befremdet mich - ich bin, nach eigenem Verständnis ebenfalls Linksliberaler - diese Parole sehr:
Nieder mit dem Rechtsliberalismus! "Rechtliberale" mögen meine Gegner sein, aber meine "Feinde" - also Leute, mit denen ich nicht mehr rede, sondern nur noch über sie - sind sie nicht.(Ein Kommentar zur Dr. Deans merkwürdiger Aufassung von "Kommunikationsversuch", am Beispiel Hamas, liegt nahe, aber ist an dieser Stelle OT.)
Zumindest solange sie nicht zu Freunden autoritär-undemokratischer "Lösungen" mutieren, also zu "Feinden der offenen Gesellschaft" wurden - wie einst die DVP. Die DNVP war es von Anfang an.
Aly spricht hier von einer "Sozialtechnik", was durchaus einigermaßen Sinn macht, und zwar unter dem Blickwinkel einer Herrschaftstechnik.
Aly geht allerdings bei seiner Gewichtung und Wertung viel zu weit und vergisst beispielsweise, dass viele Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes
a) lediglich eine bloße Fortsetzung sozialstaatlicher Regelungen aus der Weimarer Zeit darstellten und
b) in vielen relevanten Bereichen zu teils sehr deutlichen Rückschritten für die Arbeiterklasse führten (z.B. fielen (!) viele Arbeiterlöhne in der Nazizeit),
c) während die Gewinne von Fabrikbesitzern und Großkapital explodierten und sich die Lage der bürgerlichen Schichten (reden wir von den oberen 10%) sich im Schnitt verbesserte (jedenfalls bis zum Krieg...).
Ich halte Herrn Aly trotz einiger verdienstvoller Untersuchungen für einen ausgeprägten Wirrkopf. Er ist als "Wissenschaftler" in meinen Augen lediglich ein kreativer Literat und Quellenjäger, zudem ein Ideologieverbreiter, also im Grunde genommen ein mustergültiger Lieferant von Hypothesen.
Das klingt nett?
Iwo! Aly geht m.E. wirklich jedes Urteilsvermögen ab und steht für mich mit Leuten wie Ernst Nolte, Sinn und Miegel auf gleicher Höhe - übrigens auch in seiner inzwischen neoliberal geprägten Perspektive, welche "den Sozialstaat" zur nazistischen Ausgeburt erklärt (dies hat er allerdings nach heftiger Kritik aus Historikerkreisen inzwischen deutlich abgeschwächt).
Es wäre mir allerdings im Augenblick sehr lästig, die teils bizarren Wertungsfehler von Aly umfangreicher und genauer darzustellen, das hole ich später vielleicht nochmal nach.
Und wie gesagt: Als eifriger Sammler von Quellen und provokanter Hypothesenfabrikant schätze ich Aly durchaus (wenngleich - und das halte ich als Wissenschaftler für gerade schuftig - stets (!) aus einer einseitigen Perspektive heraus, und zwar so, dass man praktisch in allen Bereichen gewzungen ist, Alys Quellen gesondert zu überprüfen und mit anderen Quellen auf relevante Weise zu gewichten).
@martin m
Du hast schon sehr recht: Der Begriff "Feind" ist im Zusammenhang mit den Rechtsliberalen etwas zu heftig, und sollte im politischen Diskurs generell vermieden werden.
Allerdings halte ich den Rechtsliberalismus, so, wie er sich heute darstellt, tatsächlich für eine ernste Gefahr. Die Begründung dafür zieht man natürlich nicht unbedingt aus historischen Traditionslinien, aber nun, teils kann man hier Kontinuitäten erkennen, z.B. in der Art und Weise, wie aus Klientel- und Sonderinteressen heraus Begriff und Inhalt des Liberalismus schwer deformiert werden.
Ich bin mir in meinem historischen Urteil ziemlich sicher, dass ein starker Linksliberalismus - und der Verzicht der rechtsliberalen Kreise auf ihren klientelistischen Sondnerweg bzw. "Klassenkampf von oben" - Hitler verhindert hätte.
Das ist ein gewagtes Urteil, und im Übrigen gibt es noch eine Reihe anderer Faktoren (wie von Fest vorzüglich geschildert), welche die Machtübernahme (fast) verhindert hätten bzw. eigentlich das Potential dazu gehabt haben müssten.
Allerdings sehe ich den Rechtsliberalismus als entscheidende Kraft (besonders über das Wirken der rechtsliberalen Presse in der Weimarer Zeit, aber auch durch die Rechtsliberalen selber) bei der Anpreisung des alldeutschen Ideenguts. Damit erst haben sie (natürlich neben anderen) diesem giftigen Ideengut den Weg in die Weimarer Zeit geebnet, statt es zu bekämpfen.
Hätten die Rechtsliberalen darauf verzichtet, die DDP zu spalten, hätten sie darauf verzichtet, einen Klassenkampf von oben zu veranstalten, hätten sie darauf verzichtet ihre beschissene militaristische Großmannssucht zu verbreiten (z.B. wie Hugenberg), hätte ein Mann wie Hitler garnicht erst so stark aufkommen können, schlimmer noch, er und seine faschistische Bewegung wurden ganz erheblich von der bürgerlichen Klasse finanziert und unterstützt.
Der Rechtsliberalismus hat in meinen Augen eine sehr schwere historische Schuld zu tragen, das ist bis heute oft verkannt, und er ist m.E. im Begriff, einem künftigen Unheil den Weg zu ebnen.
Über den letzten Halbsatz mag man sich streiten. Man könnte die Rechtsliberalen von heute auch für relativ harmlose Klientelisten halten.
Ich halte sie nicht für harmlos.
Ich würde mich selbst als Liberalen bezeichnen. Liberalismus ist für mich jedoch viel mehr eine persönliche Haltung zu meiner Umwelt, als eine politische Position. Ich bin Individuum und kein Teil eines nationalen oder globalen Kollektivs. Ich reagiere allergisch gegen Versuche mich zu bevormunden und ich suche ein Maximum an Unabhängigkeit. Ich habe in Deutschland keine Heimat in der Parteienlandschaft. Bei den Grünen sind mir zu viele Zeigefingerheber und bei der FDP ist der Liberalismus reine Makulatur. Zu gleichgültig hat die FDP in der Vergangenheit die CDU und SPD dabei unterstützt Demonstrationsrechte zu beschränken und Plebiszite zu erschweren. Die Haltung zum Snowdenasyl ist feige, die Nähe zur Waffenlobby und Pharmabranche beängstigend genau wie die Haltung in der Steuerhinterziehungsdebatte mit der Schweiz bzw. dem Kauf von Steuer-CDs. Aber es ist ja eigentlich eine Illusion anzunehmen, das sich alle Liberalen sich in einer einzigen Partei konzentrieren. Faktisch gibt es in allen Parteien liberale Menschen. Selbst in der CDU. Und jetzt wo die FDP durch die Alternative für Deutschland ersetzt zu werden droht ist wohl Schluss mit dem Freiheitsrudiment. Aber wo kein Liberalismus mehr ist, kann eigentlich auch nichts mehr kaputt gehen. Vielleicht hat der Liberalismus mehr Erfolg als Infiltrant anderer Parteien. Was ich nie so richtig durchblickt habe ist, was eigentlich das Prefix Links- oder Rechts- in Verbindung mit Liberalismus bedeuten soll. Mir kommt es vor wie reine Schwammwörter die keiner und jeder definieren kann. Und für jeden den man fragt ist es etwas anderes. Mein Großvater hat den Liberalen Zeit seines Lebens ihre rückradlose Unterstützung Hitlers vorgeworfen. Als Konsequenz dessen alle nach dem zweiten Weltkrieg entstandenen und entstehenden liberalen Parteien dafür zu verdammen ist mir als Antwort zu jedoch billig. Ich würde mir persönlich ein direktdemokratischeres politisches System wünschen bei dem ich bei mehr Entscheidungen mitentscheiden kann. Insbesondere bei weltbewegenden Entscheidungen hätte ich gern eine Stimme. Beispielsweise Wiedervereinigung, Rettungsschirm, Aufnahme neuer Mitgliedsländer in die EU, Währungsreformen. Aber ich spüre bei meinen Mitmenschen in letzter Zeit eher einen unguten Trend. Die offene Diskriminierung von Ausländern hat zugenommen. Auch die Anzahl der Menschen die aufgrund weniger und selbstbestätigender Indizien an Verschwörungen aller Art glauben. Es gibt ein relativ breites Desinteresse an politischer Partizipation. Parteien die nur nichtssagende Floskeln in ihre Wahlprogramme schreiben die sich wie Horoskope lesen, sind bei Wahlen erheblich erfolgreicher als Parteien die das nicht so machen. Das zerstört meiner Meinung nach die Bedingungen der Möglichkeit von Demokratie und ich frage mich wie man es anders, besser machen kann. Besteht heute wieder die Gefahr, das unser politisches System abgleitet?
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