29 September 2005

BILD links vom SPIEGEL

Dass BILD mittlerweile links vom SPIEGEL steht, und dies nicht mal so selten, das hat sich schon länger abgezeichnet. Ich bringe mal vom "Thema des Tages" ein paar Zitate:

Sinken die Löhne unterm Strich jetzt schon?

Ja! Im letzten Jahr gab’s (...) ein reales Minus von 1,2 % (DIW).

Wer profitiert?

(...) Zum Teil wird Lohnverzicht abgepreßt, um Rekordgewinne einzufahren. Wenn das alle machen, kommt die große Krise.
Wir fordern: Dicke Überschriften. Mehr Gossip. Luder-Berichterstattung.
Und eine
Format-Änderung für den SPIEGEL...

Okay, okay, nicht immer werden Wünsche erfüllt. Zwar berichtet SPIEGEL höchst fleißig über Paris Hilton (wer?) in allen erdenklichen Facetten,
was unserer Forderung schon sehr entgegen kommt, aber es finden sich auch wieder lesenswerte Artikel:
Ende des neuliberalen Zeitalters zeichnet sich ab
Anmerkung: Für den SpOn gab es eine andere Schlagzeile - Franz Walter wollte den SPIEGEL-Redakteuren halt keine Angst machen
*g*

Mut machen geht anders

Ich teile im Moment die Beobachtung, dass die "Du bist"-Kampagne in der Blogosphäre vorverurteilt wird (und gehöre selber zu den Kampagnenlästerern). Ich meine, dass das Indifferente der Kampagne diese Vor-Verurteilung begüngstigt. Wenn mit einem Riesenaufwand (Mittel im Wert von ca. 30 Mio Eur mobilisiert) eine Art Erziehungskampagne veranstaltet wird, dann löst das grundsätzliches Misstrauen aus, erst recht, wenn man erfährt, dass die Bertelsmann-Stiftung federführend dahinter steht.

Dann gewinnen Aussagen wie “Frag nicht nach den anderen, mach selber etwas” ein unangenehmes Geschmäckle.

Ich meine jedoch (nach ein paar Recherchen), dass hinter der Kampagne nicht nur die allzeit ruckenden, neoliberalen Bestrebungen der Bertelsmann-Stiftung stehen, welche eine neue Republik anstrebt, sondern auch allemal legitime Anliegen.

Vielleicht war der Fehler, die B-Stifung und Jung van Matt an die Sache zu lassen. Besser wäre m.E. z.B. eine “Du bist Okay”-Kampagne gewesen. Wenn man erfolgreiche Innovationen gezeigt hätte und die Menschen, die dahinter stehen. Dazu Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, und dazu dann: "Du bist Okay". Wenn man den Menschen Angst nehmen will und Mut machen möchte, dann sollte man deutlich sagen, das unser Sozialstaat erhalten bleiben muss und erhalten bleibt. Es wäre besser gewesen, wenn sich diese Kampagne deutlich vom hysterischen “Deutschland ist ein Sarnierungsfall”-Geschwätz abgesetzt hätte.

Ich behaupte: Das hätte dem eigentlichen Initiatorenkreis sogar gefallen.

Wie gesagt: Der Fehler war, die B-Stiftung da ran zu lassen. Die deutsche Bevölkerung reagiert auf neoliberales Chaka-Chaka allergisch.

Mut machen geht anders.

28 September 2005

Ökonomische Gedankensprengsel (1)

Wenn der "freie Markt" in einer weitgehend unregulierten Form Wunderkräfte hätte, sozusagen eine wohltätige unsichtbare Hand, müsste Russland heute blühen.

Russland blüht nicht.

Wenn es unwichtig wäre, dass der Staat ausgleichend wirkt, z.B. in Hinblick auf etwa gleich starke Vertragspartner und faire Marktprozesse, wenn dies weitgehend unwichtig wäre, wenn die neoliberal geprägte Vertragstheorie wirtschaftspolitische Prognosekraft und Relevanz hätte, dann müssten die rabiaten Privatisierungen in Russland eine Erfolgsstory sein.

Das Gegenteil trifft zu.

Enthemmtem, unreguliertem Kapitalismus wohnt zwar Schumpertersche Zerstörungskraft inne, jedoch kaum die Kreativität, von der in bestimmten Kreisen so gerne gesprochen wird.
Es benötigt weit mehr als die Gier der oberen Zehntausend,
wenn eine Gesellschaft kreativ und erfolgreich sein soll.
Wer formuliert hier die Einwände?
Die "Du bist"-Bertelsmann-Stiftung wird mir leider nicht antworten. Schade irgendwie.

Linktipps des Tages

Du bist ein Linktipp.

Lesenswert: Blick nach vorn.
Dort porträtiert Udo di Fabio das schräge Deutschlandbild der bürgerlichen Eliten, welche denken, dass
..."unsere Republik sich im Niedergang befinde und daran maßgeblich die 68er mit ihrer Kulturrevolution schuld seien. Denn verantwortlich für das Erlahmen aller Wachstumskräfte seien die falschen Werte einer permissiven Freizeitgesellschaft, in der inzwischen eine Mehrheit vom Staat grundversorgt sein will, der Leistungs- und Bindungswille durch negative Anreizsysteme systematisch diskreditiert werde."
Als krönende Zugabe zum angestrebten Wirtschaftstotalitarismus gibt es für den Plebs einen schwarz-rot-gelben Kothaufen.

Ein Treppenwitz...


...der seltsamen Art ist es, wenn der kampagnenfabrizierende neoliberale Erweckungswahn einen Art Kothaufen zum Symbol erwählt. So genau wollte ich nicht wissen, was von Deutschland übrig bleibt, wenn Kirchhof & seine steuerunterschlagenden Brüder im Geiste ihr Programm für unser Land durchgezogen haben.

P.S. Mein Antwort-Manifest kommt noch. Gutes braucht Zeit.

27 September 2005

Für Deutschland oder für Lobbyisten?

Wie sehen Lobbyisten Deutschland? :Als Selbstbedienungsladen.

Damit das bald besser klappt, verabreden sie aberwitzig teure Kampagnen, diesmal eine, welche uns Deutschen erklären mag, wie von uns zu denken und zu empfinden ist - und zwar möglichst konform zu den Ideen der Bertelsmann-Stiftung.

Ich las es gerade bei Flötenfuchs. Es ist interessant, was Agenturen wie Jung van Matt so treiben. Bibliotheken werden eine nach der anderen geschlossen, aber für so etwas sind jederzeit genügend Mittel vorhanden - 30 Mio Euro. Jetzt versuchen sie es also mit dem Nationalgefühl.

Gabor S. analysierte am 15.09.2005 die Wahlniederlage der gemerkelten Radikalreformer und meinte, dass dies an der generellen "Reformunwiligkeit" der Deutschen liegt. Die werbewirtschaftende Kokserelite zog schon vorher Konsequenzen bzw. eine gezinkte nationale Karte, die jetzt ausgespielt wird und bestens zum verordneten "Gründerzeit"-Feeling im Fall einer schwarz-gelben Mehrheit gepasst hätte. Man möchte die "Reform"bereitschaft der Deutschen in Richtung eines neoliberalen Politikverständnisses drücken. Die Ideen von Kirch waren erst der Anfang.

Denn darum geht es: Klassenkampf von oben. Das allzeit ruckende Geschwafel von der einen, möglichst schnell umzusetzenden Reform kennt keine Alternativen. Sie halten die deutschen Bürger für dumm.

Ich werde heute oder morgen einen netten Text dazu verfassen, vielleicht sogar ein richtiges Gegen-Manifest. Über uns Deutsche und den berechtigten Stolz bzw. Freude über das, was wir erreicht haben. Über unsere Agenda. Zukunft. Aufgemerkt!

Deutschland: Das ist bei uns - nicht bei dieser hysterischen Jammer-Elite, die Deutschland schlecht zu machen versucht.
Damit das klar ist.

P.S. Diese Werber rauschen in ihrem werbewirtschaftenden Raumschiff offenbar mit wenig Kontakt zur Normalität durch den Webspace - und merken daher nicht, dass sich ihre Kampagnenwebseite zwar gut auf ihren Notebooks präsentieren lässt - nicht aber auf den meisten Durchschnitts-PCs in unserem Land...

Ausschlafen

Normalerweise beschäftige ich mich ja mit Themen zur Weltrettung (oder knapp darunter), was im Grunde genommen ja auch nicht verkehrt ist. Solange brainreduced people wie Mahlzahn und Kirchhof die Themen öffentlicher Debatten prägen, kann man - auch als eigener kritischer Betrachter - dafür wohlwollendes Verständnis haben.

Diesmal: Ausschlafen.

Ich weiß nicht, ob es in anderen Sprachen ebenfalls die Formulierung "ausgeschlafen sein" gibt, fände ich mal interessant.

Ich zwinge mich also, sobald ich nach meinen standardmäßigen sechs Stunden Schlaf von allein aufwache, zu einer ein bis anderthalb-stündigen Nachschlafzeit. Und auch, wenn ich dann ungeduldig dösend wach bleibe und nicht wieder einschlafe: Ich bleibe liegen!Basta!

Der Wecker ist bei mir jetzt kein Aus-dem-Schlaf-Reißer wie bei anderen Leuten, sondern eine Art Schlafsbefehlshaber. 7 1/2 Stunden? Jawohl, Kamerad Wecker!

Beim Lesen historischer Texte ist mir aufgefallen, dass die Menschen früher im Allgemeinen deutlich länger schliefen. Goethe soll es sogar auf 14 Stunden gebracht haben. So 8 bis 9 Stunden, auch 10 Stunden, waren jedenfalls waren die Regel.

Und wozu nun das Ganze? Antwort: Ich habe deutlich mehr vom Tag.

Heute zum Beispiel. Dank meiner Extra-Schlafrunde hat mein Paketbote, als er zum Abholen eines Pakets vorbeikam, mich unrasiert und mit reichlich zerzausten Haar kennen gelernt. Das schien mich sympathischer zu machen, jedenfalls kamen wir ins Gespräch. Vielleicht sollte ich nach der Schlafumstellung als Nächstes die Frisurfrage angehen...

26 September 2005

"Ihm sei ähnlich zugesetzt worden..."

Kirchhof zum Thema Medienmanipulation im Wahlkampf:
Die eine Person hätte man etwa schon auf dem Weg zum Studio Hände schüttelnd und ins Gespräch mit Journalisten vertieft gesehen. Die andere sei mehr oder weniger in die Aufnahmeräume hetzend und überwiegend von hinten gezeigt worden. Ihm selbst sei ähnlich zugesetzt worden, kam Kirchhof schließlich zur Sache. (Quelle)
*Kopfschüttel* - Okay, er kann im Miligrammbereich differenzieren, aber wie lange wird es wohl brauchen, bis Herr Kirchhof merkt, dass die Wähler in Deutschland seine Idee von Gerechtigkeit einfach nicht teilen?

Nur, weil Kirchhofs (von vielen Medienseiten unterstützte) Verkaufsmasche nicht zog, sollte er nicht über Medienmanipulation klagen! Er wurde hochgejubelt und mault. Ja, worüber eigentlich? Herrn Kirchhof fehlt die politische Reife.

Wird er jemals verstehen, dass seine übergroße Präpotenz im Hörsaal gewiss nicht stört, aber für größere Aufgaben eher hinderlich ist? Wenn er das nicht glaubt, so möge er doch mal genauer überdenken, auch auf die eigene Person hin, wie die Deutschen bei Schröder das laut-arrogante Paviansgehabe in der Elefantenrunde fanden.

Nämlich nicht so dolle. Und dann meint Kirchhof anlässlich eines Kommunikationskongresses (welch hässliches Wort!) noch:
"Alle großen wissenschaftlichen Theorien brauchen zwanzig Jahre, bis ihnen der Durchbruch beschieden ist."
Hahaha! "Große wissenschaftliche Theorie" - hatte ich das Wort "Präpotenz" schon untergebracht? Der "große Wissenschaftler" unserer Zeit Kirchhof sollte wissen, dass sein subjektives Empfinden in Bezug auf Gerechtigkeit, nicht wissenschaftlich beweisbar ist. Einen Begründungsansatz für alternative normative Sichtweisen findet man z.B. hier.

Im Übrigen ist seine Idee eines über Freibeträge gemäßigten Einheitssteuersatzes keine "neue" Theorie, sondern hat bereits einen über hundertjährigen Bart. Was zugleich zeigt, dass es Herrn Kirchhof an geistiger Frische mangelt.

Guten Tag!

24 September 2005

Ich möchte gerne erfahren...

...woher Wulff so sicher wissen will, wie ein "Graf Koks" aussieht.

Vielleicht ist es ja ein Kennzeichen dieser "Berliner" Republik, dass dort Koks inzwischen bekannter ist als Wein, und dass so viele von Koks zu wissen glauben und dies sogar bereitwillig abdrucken, während sie sich z.B. die auffällige Sediertheit von Frau Merkel in der Wahlnacht entgehen lassen.

Wäre nicht die Selbstüberschätzung der Medienagenturen und "Leit"medien in Deutschland für unsere kommunikativen Kokser-Eliten ein wirklich dankbares Thema? Wie wandelten sich sogenannte "Gate Keeper" in nimmersatte Räuber, die sich überdies ihren Fehlschlag beim letzten Raubzug nicht eingestehen können? Kurbjuweits verspOnnener Schmähartikel zum Thema Realitätsverlust jedenfalls ist ein Eigentor und eine projektive Fehlleistung.

Apropos "Sedativum": Wenn Wulff seine Ambitionen dieser Tage dementiert, so mag das beruhigend wirken. Sedativa werden im Allgemeinen zielgerichtet und wegen konkreter Anlässe verabreicht...

Paradise now

Ich bin gegen diesen Film - unabhängig davon, dass ich ihn mir nicht ansehen werde. Ich bin gegen diesen Film, weil er ein komplexes Thema in die deutsche Öffentlichkeit zieht, das bei uns ohnehin schon unangemessen überpräsent ist, so, als ob es sich um eine bedeutende Thematik deutscher Innenpolitik handelte.

Ich habe kein Problem damit, dass sich Deutsche (ich gehöre ja auch dazu) sich für derartige Problematiken interessieren, aber ein Spezialfilm wie dieser gehört weder an ein großes Publikum noch in große Kinosäle.

Ich halte diesen Film für konzeptionell mangelhaft.

Wenn man schon die Sichtweise auf die Täter konzentriert und von den Opfern abwendet (was immer problematisch ist), dann muss mehr von der Familie, vom Freundesumfeld und vor allem vom indoktrinativen Irrsinn gezeigt werden, in dem sich solche Täter bewegen. Der Film bemüht sich jedoch erkennbar mehr darum, die Täter sympathisch aussehen zu lassen. Der irre Rachekult, aus dem heraus es zu derartigen Taten kommt, hätte mit filmischen Mitteln zur Sprache gebracht werden müssen. Die absurdalltägliche Glorifizierung von "Märtyrern" und vor allem die typische Ich-Schwäche der Täter müssten gezeigt werden.

Doch was tun die Filmemacher? Was tun sie?

Basis des Films ist eine abwegige Kunstidee - der Film zeichnet den Entschluss zur Tat als eine komplex zustande gekommene Gewissenstat. Leider: Das Gegenteil ist richtig. Ein weiterer Fehler: Das "Paradies" spielt für die meisten Selbstmord-Täter beim Entschluss zur Tat kaum eine Rolle.

Der Zuschauer wird aus diesem Film nichts aber auch rein garnichts über derartige Täter und deren Umfeld lernen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass bloßer Boykott zu wenig wäre.

23 September 2005

Brot






Wie ich früher ohne Brotmaschine leben konnte, ist mir heute unerklärlich. Es ist so einfach. Ein wenig Brotfertigmischung hinein, dazu ein paar gute Sachen zum Verfeinern, Wasser drauf, *knopfdrück*, fertig! Warmes, noch leicht dampfendes, duftendes Brot lässt fast jede Sorge vergessen, die die Welt für einen bereit hält. Hhmmm!

Warum eigentlich gibt es keine Brotrestaurant-Ketten, sozusagen "new bread economy", wo man zu jeder Tageszeit höchst frisch gebackenes noch warmes Brot in Scheiben mit lecker Belag und einem kleinen Schälchen Krautsalat bekommt?

Macht

Macht manipuliert, oft auch denjenigen, der über sie verfügt. Auch deshalb meine ich, dass die zeitgeistige Denkträgheit, welche die Devise "Weniger Staat!" als Schild vor sich herträgt, recht gefährlich sein kann, weil sie von der Fragestellung ablenkt, wie ein Staat zu organisieren ist, damit der Staat möglichst viel Freiheit ermöglicht und Interessen ausgleicht. Der Staat muss Machtmissbrauch unterbinden (auch den eigenen) und auf Machtungleichgewichte ausgleichend wirken.

Ich habe oft gesehen, wie gute Menschen durch das bloße Verfügen über Macht korrumpiert wurden. Machtmittel tragen oft etwas Verderbendes in sich. Nur recht wenige Menschen sind dafür geeignet, Macht über Menschen auszuüben. Schon die kleine Macht, die mit der Möglichkeit zur Abmahnung verbunden ist, verdeutlicht dies.

Ein Wort zu Hayek & seinen Fans

Seit einigen Jahren wird unseren Wirtschaftsstudenten zunehmend Hayek eingepaukt, dieser österreichische Ignorant, der nicht erkennen konnte, dass "freie" Marktprozesse menschliche Freiheiten gefährden können, der überdies z.B. private Monopole als "Tüchtigkeit" anpries, dieser bis zur Idiotie staatsfeindliche Extremist, der in jeglichen staatlichen Handeln eine übergroße Gefahr der Abschaffung der "Freiheit" wähnte, und in sozialer Marktwirtschaft einen "Weg zur Knechtschaft".

Im Grunde genommen beschreibt dieser Irre bereits den Wahnzustand der "modernen" Libertären bzw. neoliberalen Wirtschafts"experten"priester, die nahezu jede staatliche Aktivität, insbesondere Bemühungen um sozialen Ausgleich bzw. Chancengleichheit als einen fundamentalen Angriff auf die "Freiheit" empfinden. Gleich danach kommen Marktregulierungen, die als furchtbare Sklaverei empfunden werden. Typisch für diese Leute scheint zu sein, ein interessanter Fall struktureller Inkonsequenz, dass sie teure staatliche Bemühungen um Höchstrüstung/Kriegsführung nicht weiter erwähnenswert finden oder sogar als "unerlässlich" bejubeln. Direkte Angriffe auf die menschliche Freiheit z.B. im Namen von "Terrorabwehr" werden von Neoliberalen, die doch so um "Freiheit" besorgt sind, häufig gut geheißen oder ostentativ ignoriert. Der klassische Neoliberale ist auch ein Neokonservativer.

Eigentümliche Neoconnards.

Nun ist es nicht so, dass ich eine zu hohe Staatsquote für unproblematisch halte. Jenseits der 50%-Marke, vermutlich schon etwas früher, erzeugt eine hohe Staatsquote starke Effekte und Anreizverzerrungen, welche nahezu jede marktwirtschaftliche Ökonomie lähmen. Ich persönlich halte eine Quote von 33% für eine vernünftige Zielgröße, und ich bin mir sicher, dass mit dieser Quote eine vorzügliche Sozialstaatlichkeit realisiert werden könnte - wenn man dies anstrebt.

Im Übrigen wird jeder vernünftige Ökonom, wenn er sich von den Wahnhaftigkeiten der Hayek-Imitatoren frei gemacht hat, einsehen können, dass der menschlichen Freiheit grundsätzlich von vielen Seiten Gefahr droht. Es gibt da weitaus mehr als nur als die Gefahr eines wuchernden Staates, der seine Aufgaben oft nur tölpelhaft zu organisieren weiß. Zu diesen Gefahren zählen z.B. auch unzulänglich organisierte/finanzierte Sozialstaatlichkeit, allzu ungebremst agierende ökonomische und/oder soziale Übermacht von Institutionen bzw. ökonomischen Akteuren, hysterische Erscheinungen bei der Abwehr innerer/äußerer Feinde, oder auch Machtdefizite von Arbeitnehmern. Eine andere, heutzutage sogar beobachtbare Gefahr wird sichtbar, wenn der Staat von golfspielenden Snobs gelenkt wird, welche den Staat und seine Aufgaben hassen. Staatsversagen wird so zum Ergebnis einer Diskussion um Staatsversagen.

Machtdefizite von Arbeitnehmern? Der empirisch gestählte Ökonom wird bestätigen können, dass hinter diesem Begriff mehr Sinn für Realität steht als hinter dem ewigen Geheule der Neoconnards wegen ein paar Arbeitnehmerrechten.

Mein Schluss- und Leitwort an die Hayek-Fans:
Das Bemühen um Deregulierung ersetzt
keine vernünftigen ordnungspolitischen Vorstellungen.

Normalität II

Während ich abends einen kleinen Spaziergang mache, überlege ich, worin die methodisch-wissenschaftlichen Hauptprobleme der Neoliberalen bestehen könnten, wie deren wissenschaftliche Normalität zu charakterisieren ist. Ich muss meine wenigen Leser, die ich habe, enttäuschen, denn eine wirklich gute Antwort habe ich noch nicht gefunden, vieles ist noch nicht zu Ende gedacht. Aber nun:

Das Elend der Neoliberalen besteht darin, dass sie zwar auf einer erstklassigen Theorie aufbauen, aber weder erkennen, wo Grenzen dieser Theorie liegen, noch erkennen, wo sich normatives Werturteil und Wissenschaft vermengen.

Ihre Theorie handelt von Gleichgewichtszuständen und den dort hin führenden Mechanismen - sie schauen zu wenig nach Ungleichgewichten und schütteln sich sogar vor Entsetzen vor dem Begriff "Marktversagen". Dabei wird es doch hier erst interessant. Wie Priester, nicht wie Wissenschaftler, formen sie nicht nur die Agenda ihrer Themen, sondern sie zeigen sich auf geradezu konstitutive Weise empiriefeindlich. Hat jemals ein Neoliberaler wirklich untersucht, warum das Wirtschaftswachstum in Neuseeland während seiner langen Jahre der neoliberalen Periode unterdurchschnittlich ausfiel?

Kam jemals ein Neoliberaler auf die Idee, dass es schädlich für eine Ökonomie sein kann, wenn die Bürger eines Landes durch immer neue Angriffe auf den Sozialstaat in Angst versetzt werden? Angstsparen und Konsumzurückhaltung sind keine guten Wachstumsmotoren.

Wenn typische Neoliberale einen Markt betrachten, dann schauen sie nicht wirklich hin. Zunächst schlagen sie sich nämlich eine Seite des Marktprozesses - und der tatsächliche Prozess scheint ihnen egal zu sein, wichtiger ist ihnen hingegegen, all das Wehklagen und Bedauern einer einzelnen Marktseite sich zu eigen zu machen. Hat man jemals von einer Untersuchung eines Neoliberalen gehört, beim beliebten Thema "Arbeitsmarkt", wo z.B. die Diskrepanz aus beworbener bzw. versprochener Arbeitsstelle und Stellenrealität zum Thema gemacht wurde, z.B. in Hinblick auf die Effizienz von Märkten?

Klügere Neoliberale wissen, dass der Staat viele überaus wichtige Funktionen im Marktprozess hat. So beruhen sogenannte "freie" Märkte darauf, dass der Staat sehr umfassend und äußerst regulativ Fairness auf Märkten sicher stellt.

Doch dort, wo Märkte offenkundig nicht gut funktionieren, z.B., weil es zu große Machtungleichheiten der Vertragspartner gibt und überdies große Defizite bei der Markttransparenz - dort, wo also zusätzliche staatliche Regulation erforderlich ist - hat man je gesehen, dass ein Neoliberaler nach Regulationen rief?

Ein Beispiel wäre der "Markt" für Wohnungsverwaltung. Geht man empirisch an die Sache, so stellt man schnell fest, dass es für diesen Markt geradezu typisch ist, dass die Mieter betrogen, übervorteilt und getäuscht werden, dass die Preisfindungsmechanismen recht gründlich versagen. Hat jemals ein Neoliberaler darüber geklagt?

Untersuchen Neoliberale Prozesse von Marktversagen, z.B. dort, wo Schädigungswettbewerb oder Blendungswettbewerb an Stelle von Leistungswettbewerb stattfindet?

Diese Schweinepriester. Nein! Neoliberale stehen nicht fürs Gemeinwohl, sondern für Partikularinteressen.

Bedenklicherweise haben solche einäugigen Wissenschaftler (Leute wie z.B. der stets sinnfreie Herr Sinn) fast schon eine Monopolstellung in der Politikberatung.

21 September 2005

Ausgewogenheit nützt

Vorab ein Lob

C.C.M. hat gute Talente, z.B. dort, wo er Personen beschreibt und erklärt, wie diese ticken. Er kann das umso besser, desto weniger er die gezeichneten Menschen dazu verwendet, um damit bestimmte Thesen zu illustrieren. An sich ist C.C.M. ein guter Kritiker - dort, wo er sich um Ausgewogenheit bemüht. Er findet schnell originelle Formulierungen. Dort, wo sich diese häufen, dort ist dies ein Warnzeichen. Als Journalist und Meinungsmacher gewinnt er ungemein, wenn er sich zurückhält, wenn er abwägt und sich bremst. Nicht jeder Mensch gewinnt durch Demut. Es sind die geistig interessanteren Menschen, mit Demut gewinnen.

Ich finde, dass im Gegensatz zu ihm die meisten deutschen Journalisten von sich aus gebremst wirken, und sie würden gewinnen, wenn sie ihrer Arbeit etwas Subjektivität und Offenheit angedeihen lassen. Beim sehr hartnäckigen, pedantischen und zähen C.C.M. ist dies anders, denn er steht in der Gefahr von Überkonsequenz, dort, wo es um seinen Feldzug gegen ideologische Verkrustungen geht, und besonders dort, wo er sich selbst schon eine neue Ideologie zurecht gelegt hat, eine neue, im Kern abwehrende Ideologie, die sich doch eigentlich nur gegen linke Ekelbratzen richtet, die jeden vernünftigen Menschen gequält hätten. Ungesunde Verschwendung.

Inzwischen denke ich, dass er außerdem ein ganz guter Taktiker ist. Er spürt die Schwingungen seines Stuhles und reagiert rechtzeitig, versucht, Unwuchten auszugleichen. Nachdem er sich von seinem Wahlschock erholt hat, womit ich C.C.M.s wirren und von Desorientierung geprägten Anarchie-Kommentar (hier) erkläre, hat er sich wieder besser sortiert. Schön.

Noch eine Kleinigkeit: Die gelungene Reifeprüfung von Herbert Prantl (hier), etwas zu schwunglos, hätte C.C.M. besser hinbekommen. Im Übrigen müssen derartige Reifeprüfungen im Journalismus ständig abgehalten werden, will man sich nicht den Vorwurf gefallen lassen, obsolete Tendenzpresse zu veranstalten. Es ist kein Kunststück, an einer Meinung festzuhalten. Der an herausgehobener Stellung tätige politische Journalist ist eine Art Richter, ob er das nun will oder nicht, und er muss seine Befähigung zum Richteramt immer neu beweisen.

Dann die Kritik

Nun lobt C.C.M. den Politiker Fischer und zeichnet ihn in den Zügen eines Staatsmanns (hier). Es ist ein Text mit einem kräftigen roten Faden, das ist schön, aber C.C.M. übersieht großzügig den Demagogen und Bluffer, übersieht seine Grobheiten, übersieht auch sein unangenehmes Talent zum rednerischen Pathos, mit dem er fast jede Versammlung an sich zu reißen versteht. C.C.M. tritt nicht nach, wo andere nachtreten, C.C.M entschuldigt, C.C.M. verzichtet auf tadelnde Worte. Das muss nicht falsch sein, besonders dort nicht, wo es eben doch um ein Nachruf geht, um eine neue Lebensphase im Leben des Ex-Außenministers.

Fast könnte man meinen, C.C.M. und Fischer hätten im gleichen Sandkasten gespielt.

20 September 2005

Cäsarenwahn

Es sind schon erstaunliche Zeiten. So gibt es inzwischen schon Fälle von Cäsarenwahn, obwohl die Betreffenden nicht einmal in die Nähe Roms gelangen. Aktueller Fall: CDU und FDP sind gerade dabei, einen Koalitionsvertrag auszuarbeiten, mit der erklärten Hoffnung, dass sich eine weitere parlamentarische Gruppe finden könnte, die sich diesem Werk der Wünsche anschließt.

Die neoliberale Wende ist missglückt und also torkelt die unerwartetet machtlos dastehende rechte politische Elite irritiert durch die politische Landschaft, und hat noch nicht begriffen, dass die Mehrheit (im Parlament wie in der Bevölkerung) links von der CDU steht.

Vielleicht hoffen sie darauf, dass ihre "Koalitionsvereinbarung" so viel Charme hat, dass am Ende Oskar und Gysi erscheinen, und mit forschem "Wir machens!" den Traum von einer schwarz/gelben Minderheitsregierung Wirklichkeit werden lassen. Oder man hofft auf Künast oder gar Müntefering.

Unglaublich.

Cäsarenwahn ad Merkelinum. Mag sie sich in einer Kraftanstrengung noch als Fraktionschefin bestätigen lassen - sie bringt zu wenig auf die Waage, ihre Tage sind gezählt.

15 September 2005

Sozial gerechte Besteuerung - ist das begründbar?

Ich finde es gelegentlich anregend, mit denen zu diskutieren, die man nicht versteht.


Ich verstehe z.B. die "patriotischen" "prowestlichen"Blogger nicht, welche den Staat hassen, "weniger Staat!" fordern, während sie massiv steigende Rüstungslasten für ein gesellschaftliches Ideal halten. Diese deutschen Neocon-Imitatoren treffen sich inzwischen in 70 Mann starken Rudeln. Scheinbar handelt es sich dabei um den Ausdruck einer ganzen Bewegung, die in vergleichbarer Ausprägung sogar einen merklichen Anteil des Parteinachwuchses der bürgerlichen Parteien stellt.

Parallel zu einer kaum vorgelebten, dafür aber umso heftiger für sich in Anspruch genommenen Werteorientierung arbeiten diese Leute massiert mit Feindbildern (sehr beliebt dort: "Gutmenschen", "Sozis", "asoziale Faulenzer", "Muslime" bzw. die gewisslich kommende "Umma", ach ja, und "Kameltreiber") , sodass man sich fragt, was neben diesen Ressentiments denn sonst noch für "westliche Werte" und "Freiheiten" von dort aus verteidigt werden. Okay, sie mögen auch möglichst unregulierte Märkte, lieben private Monopole (= "Tüchtigkeit") und hassen jede Idee sozialer Gerechtigkeit, ganz besonders in Fragen der Besteuerung.

Da sind wir direkt am Thema.

Ich meine, wer finanziell sehr deutlich besser gestellt ist als der Durchschnitt, der muss der Gesellschaft auch besonders dankbar sein. Wer mehr als z.B. das Doppelte des Durchschnittseinkommens verdient, dem tut es nicht sonderlich weh, wenn er ab dieser Grenze 40% Steuern zahlt - sein Schmerz ist jedenfalls geringer als die Pein eines sozialen Verlierers, wenn er/sie die Praxisgebühr auftreiben muss.

Einer der intelligenter antwortenden neoconistischen Blogg-Kommentatoren anwortete auf die Ausgangsthese, dass jede Idee von sozialer Gerechtigkeit im Bereich der Besteuerung doch willkürlich und sinnlos sei. So richtig hat er es nicht begriffen, worauf sich die Forderung nach einer höheren Besteuerung der Bessergestellten gründet, wie man hier lesen kann:

“Gerechtigkeit” ist eine sehr subjektive Kategorie und ich sehe keine objektive Begründung für die Behandlung unterschiedlicher Einkommen mit unterschiedlichen Steuersätzen. Ist es so, dass jeder Großverdiener überproportional von staatlichen Leistungen profitiert?”

Nein, es geht nicht um “staatliche Leistungen”. Wie kommen diese Unterstützer einer möglichst niedrig besteuerten Einkommenselite eigentlich dazu, im erkennbar plärrenden Ton gleich nach "staatlichen Leistungen" zu fragen?

Ist das nicht seltsam? Es ist doch so:

Derjenige, der weit überdurchschnittlich verdient, der ist zumeist ein fleißiger, achtenswerter Mensch, der sich u.a. dadurch auszeichnet, dass er eben nicht von staatlichen Leistungen profitiert (Ausnahmen bestätigen die Regel). Der springende Punkt aber ist, dass es genau diese hervorragenden, fleißigen, einkommensmäßig durchaus privilegierten Menschen sind, die den größten Nutzen aus der Veranstaltung namens Gesellschaft ziehen.

Dieser Gedanke scheint so neuartig zu sein, dass er von wirklich niemanden auf Seiten der Hayek-Fans und Neocon-Imitatoren verstanden wird, ja, sogar verblüffend heftige Reaktionen nach sich zieht.

Ein bildhaftes Gleichnis

Nehmen wir einmal an, es gäbe da irgendwo in der Karibik zwei identische, bislang unbesiedelte Inseln, die klimatisch so beschaffen sind, dass man von dort aus nicht mit einem Boot oder Floß (u.ä) verschwinden könnte. Die Bedingungen dieser Inseln sind so, dass dort jeweils vielleicht 100 Menschen relativ mühelos leben können, denn Kokosnüsse und Bananen, dazu genügend Wasser, Wild u.a. stehen ausreichend zur Verfügung.

Nun besiedeln wir diese Inseln mit zwei Gruppen von Menschen.

Einmal nehmen wir 10 Leistungsträger, gleichzeitig so richtige Besserverdiener, wie sie im Buche stehen. Einen herausragenden Arzt, einen unschlagbaren Juristen, den besten aller Politiker und dazu noch 7 weitere, äußerst befähigte, tüchtige und erfolgreiche Menschen, die am Arbeitsmarkt jederzeit und mit hohen Gagen vermittelbar wären.

Auf die andere Insel verfrachten wir 10 soziale Verlierer. Ein paar, die zu alt und uninteressant sind, um am Markt noch Arbeit zu finden. Ein paar Ausländer, einen Kranke und dazu ein paar Jugendliche, die sich bislang auf die soziale Hängematte gelegt haben. Zum Schluss noch einen gescheiterten Ex-Darsteller aus dem Unterschichten-Fernsehen.

Wir überlassen diese Menschen eine ganze Legislaturperiode lang sich selbst, also vier Jahre lang und schauen dann mal, was geworden ist. Tja, und was werden wir wohl finden?

Richtig!

Niemand, aber auch wirklich niemand von den ehemals Gutsituierten hat auch nur entfernt ein Wohlstandsniveau erreicht, das er zuvor in unserer Zivilisation hatte. Wir lernen daraus: Fürs soziale Gelingen eines tüchtigen Menschen bedarf er durchaus auch der menschlichen Gesellschaft. Ist dieser Mensch dort ganz besonders erfolgreich - so darf er dieser Gesellschaft ganz besonders dankbar sein.

Dankbarkeit - dieses Wort scheint für Eliten, bzw. für diejenigen, die sich mehr oder minder leichtfertig künftig dort einordnen (möchten), absolut fremdartig zu sein.

Warum eigentlich?

09 September 2005

Eliten & Dynastien

Ja, ich weiß.

Es gilt heutzutage nicht als liberal, wenn man darauf hinweist, dass die deutsche Wirtschaft zunehmend feudale Züge ausprägt. Die deutschen "Eliten" bzw. Managementzirkel schmoren immer stärker im eigenen familiären Saft, was sie übrigens ganz und garnicht nicht hindert, sich zunehmend üppigere Anteile an den Unternehmensgewinnen zu verschaffen. Jede Wette: Heutzutage stammen weit über 90% der Spitzenmanager aus Familien, die entsprechend vorgeprägt sind. An Stelle von Spitzenleistung tritt somit (rein empirisch betrachtet zu ca. 90%) die familiäre Herkunft.

Falls jetzt gerade ein Hayek-Fan mitlesen sollte, eine gänzlich unheikle Frage an ihn: Was sagen uns derartige Entwicklungen z.B. über Funktionalität und Intensität des Wettbewerbsmechanismus - in dieser unseren deutschen Wirtschaft? Ist alles gut, weil es so ist, wie es ist? Sind am Ende vielleicht sogar absolutistisch Züge tragende Strukturen, mit denen gesellschaftlichen Eliten ihre Stellung absichern, das wahre Optimum einer auf menschliche Freiheit zielenden Gesellschaftsentwicklung?

"Schon vor Jahrzehnten hatte sich die Gründerdynastie Zentis dank geschickter Vermählungspolitik um zwei Familienstämme erweitert. Außer den Zentis' (35 Prozent) halten auch die Familien Goerdt (15 Prozent) und Döring (50 Prozent) Anteile."

Quelle: http://www.manager-magazin.de/koepfe/unternehmerarchiv/0,2828,365810-2,00.html

Nebenbei: Der augenzwinkernd verpackte und von mir hervor gehobene Begriff "Vermählungspolitik" spiegelt reale Gegebenheiten, und zwar deutlich über einzelne deutsche Unternehmer-/Manager- Familien hinaus.

Also: Wie kommen wir in der deutschen Gesellschaft dazu, dass sich der Aufenthalt in der ökonomischen Elite unseres Landes weniger über Herkunft und wieder stärker über Leistung erklären lässt?

OK - diese Fragestellung ist alles andere als zeitgemäß. Der mustergültige "Liberale" von heute stellt solche Fragen nicht, nein, er schüttelt sich befremdet und angewidert. Er redet gern über "Eliten" - er möchte aber über solche Fragen dann doch besser nicht reden. Aber nun, mein Blog heißt: Der Morgen.

Guten Tag auch.

Es geht aufwärts!

Unstreitig. Erfreulich. Überraschend.

Während die Tierärztin schon vor Wochen auf "einschläfern" plädierte, und mein Frettchen seitdem auch wirklich fast alles tat, um diese Empfehlung fachkundig aussehen zu lassen, ist endlich doch eine Tendwende eingetreten.

Doch der Reihe nach: Das Frettchen ist schon über 6 Jahre alt, hat bestimmt viel gelitten, bevor es über-4-jährig zu mir kam (obwohl: das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen), tja und vor ein paar Wochen (das war etwa zu dem Zeitpunkt, wo der Name Kirchhof fiel), da fing es schrecklich zu husten und zu keuchen an. Kaum war das Keuchen unbekannter Natur nebst triefender Nase nach ein paar Tagen verschwunden, verlegte sich mein Frettchen aufs Müderwerden, und dies derart gründlich, dass es kaum noch aus dem Käfig heraus zu locken war, und wenn, dann nur um sich auf meine Matraze zum Schlafen zu legen.

Was sonst süß wirkte, war hier nur leider ein neuartiger Dauerzustand: Ganztägiges Schlafen. Auf meiner Matraze. Der Tod schien seine Schwingen über meinem Frettchen auszubreiten und weder die leckersten Vitamin-/Leckereien-Cocktails, noch extremst animierende Spielangebote wiedererweckten seinen Lebensgeist. Das arme Tier war zum Schlaf-Frettchen mutiert, magerte ab, wurde knochig, als ob es sein karges Leben in einem Lager für renitente Staatskohle-Bezieher zu fristen hätte.

Doch heute!

Nicht nur, dass es wieder eifrig anfing, mir hinterher zu laufen, darauf hoffend, dass ich es bei allen Gelegenheiten hoch nehme, es fing auch gierig zu fressen an, und spielte ein wenig - leider noch nicht so ausgiebig wie zuvor. Hat es die neuen Umfrage-Ergebnisse gehört? War das Ganze nur eine nunmehr überstandene depressive Episode?

Wir werden sehen, was morgen los ist.

P.S.
Die Empfehlungen meiner Tierärztin eignen sich trotz aller inne wohnenden Möglichkeiten zur Anwendung von "Zukunftstechnologien" und trotz aller Kosten-Spar-Potentiale nicht als Modellvorschlag für die nächste Gesundheitsreform.

01 September 2005

Die Leidenschaften des C.C.M.

Was war denn das für ein Mist?

Die USA sind ein reicher Staat - wohlhabender pro Kopf als wir. Die können sich in jeder Hinsicht selber helfen. Und auch in logistischer Hinsicht macht deutsche Hilfe hier nicht gerade viel Sinn - denn die haben alles vor Ort. Es gibt auch kein Hilfeersuchen der USA. Klar, und selbstverständlich haben wir mit den Opfern von Katrina volles Mitgefühl.

Wenn verdrehte Neokons und Vorkämpfer der Schwachgeistigkeit in Spiegelonline zynische wie falsche Kommentare verbreiten, so soll dies unbedarfte Leser wohl dazu bringen, gesunden Menschenverstand gleich völlig wegwerfen, gell? So schreibt Carl Christian Malzahn:

- schnipp -

Merkwürdig: Dieselben Leute, die sonst immer die neue Armut, die Ghettos und die Slums in den USA beweinen, wenn sie die Vereinigten Staaten als gnadenlosen Monsterkapitalistenstaat beschreiben, sind jetzt, wo Hilfe wirklich gefragt ist, ganz still.

- schnapp -

Ein Satz, in dem das kaputt-zynische Weltbild des C.C. Malzahn wie ein überspannter Eiterbeutel aufplatzt - um sich über ahnungslose Leser zu ergießen.

Was für ein merkwürdiger Konvertit ist dieser Malzahn? Er behauptet, in völliger Verdrehung der Realität, dass "jetzt die Hilfe wirklich gefragt ist". Also sagt dieser sich diesmal als Kommentator Gebärdende (an prominenter Stelle!), dass die finanzielle Hilfe im Tsunami-Fall (worauf sonst spielt er an?) nicht so richtig sinnvoll gewesen sei. Aha.

Außerdem sagt er, dass die Menschen im Süden der USA "besonders" arm bzw. hilfebedürftig seien, sodass wir - im Gegensatz zur Tsunami-Hilfe uns hier doch bitteschön wirklich zur Hilfe verpflichtet fühlen sollten, zumal unsere Eltern Care-Pakete erhalten haben.

Bitte? Was soll das für eine Form von "Armut sein", wenn das Pro-Kopf-BSP in den betroffenen Bundesstaaten sogar deutlich größer ist als in den alten deutschen Bundesländern? Hat C.C. Malzahn bereits vergessen, dass beim asiatischen Tsunami mehrere hunderttausend Menschen zu Tode kamen, während es die Zahl der Opfer von Katrina gleich um mehrere Dimensionen geringer ist?

Nun, sollen wir jetzt deutsche Care-Pakete gen USA schicken, damit der größte Hunger dort mit deutscher Hilfe überwunden werden kann?

Bei dieser Gelegenheit ereifert sich C.C. M. über Kritiker an verfehlten Entwicklungen in der Wirtschaft, denen er den Begriff des "Monsterkapitalismus" unterjubelt. Wohl eine Herzenssache, aber Herr Malzahn! Wenn die Ökonomie der USA in ihrer Funktionsweise wirklich wahrnehmbar besser ist (und daher nicht kritisiert werden sollte) als unsere, warum vertrauen Sie nicht im Fall von Katrina nicht einfach den "heilenden Kräften des Marktes"?

lol

Malzahn besingt ja auch sonst die Segnungen eines ökonomischen Systems, das allein das Primat des Privatbesitzes kennt - und zwar überaus eifrig. Halt ein Konvertit.

Er ereifert sich in verdrehter Art über das Mitgefühl mit den Verlierern des amerikanischen ökonomischen Systems (Arme, Ghetto/Slum-Bewohner), ein Mitgefühl, das ihm recht deutlich (!!!) abgeht - während er wiederum von denen, deren Haltung er nicht akzeptiert, Mitgefühl "mit den Armen" in den USA einfordert. Schließt er von sich auf andere, wenn er meint, dass diese kein Mitgefühl hätten?

Dann behauptet der Leiter des Ressorts Politik des SPIEGELs, dass die Kritiker verfehlter Wirtschaftsentwicklungen im Fall von Katrina ganz besonders verpflichtet seien, sich zu äußern und wirft ihnen ("die selben Leute") vor, dass sie diesmal "ganz still" seien - während er doch wenige Sätze zuvor diesen Leuten vorwarf, im Fall von Katrina die falschen Äußerungen zu machen. Ja, was denn nun?

Gleichgültig, wie er herumbrodert, C.C.M. ist nicht nicht sonderlich schlau.

Wer ist dieser C.C.Malzahn?

Nun, er ist in erster Linie jemand, welcher aus bremer TAZ-Umfeld stammt und über viele Jahre beständig mit linken Spinnertum konfrontiert war. Er hat seinen Ekel über die vielen Linksbornierten bis heute nicht überwunden - und eifert seitdem im Stil eines (zuvor in der RCDS aktiven) MLDP-Konvertiten über alles Feindliche. Im Fall von C.C.M. über alles, was ihm "links", "antikapitalistisch" oder "politisch korrekt" vorkommt. Es ist überdies geradezu Ehrensache für C.C.M., den Standpunkt seiner politischen Gegner zu verdrehen und unkenntlich zu machen.

Mein Mitgefühl hat Carl Christian, ja wirklich.

Die Erfahrungen, die er mit den Linksbornierten gemacht hat, die waren bestimmt nicht schön. Okay, aber die Art und Weise, wie C.C.M. diese Erfahrungen bewältigt, die deutet auf eine reichlich inadäquate Form der Verarbeitung hin. Statt im Laufe seiner Jahre und Entfernung zu diesen Erlebnissen geistige Distanz und Ausgewogenheit zu entwickeln, entwickelt er sogar eine sich ständig intensivierende Nähe, ausgedrückt in emotionalen Polemiken und selbstzufriedenen Provokationsversuchen, die sich letztlich sogar oft (!) an das ihm verhasste Milieu richten.

C.C.Malzahn empfindet nicht nur auf idiotische Weise, er schreibt auch so.

Im Fall der unsäglichen (inzwischen längst korrigierten) Aussagen von Schönbohm fiel C.C.M. nichts Besseres ein als "politisch inkorrekt - aber notwendig". Die Kapitalismus-Kritik von Müntefering (die lediglich eine, allerdings sprachlich stärker verunglückte, Kritik an Fehlentwicklungen war), die geißelte C.C.M. in Form einer unsachlichen Kleinkampagne. Schön für C.C.M., dass er dafür die Möglichkeiten besitzt. In einen Denker mit tatsächlicher Gedankenschärfe wird ihn das nicht verwandeln, aber es gibt ihm bis zur Sätte Gelegenheit,

- "vor der Verharmlosung der DDR" zu warnen, sich dabei Birthler bedienend,

- gegen den Islam zu hetzen und passende Bedrohungsvisionen zu erdenken,

- Kritik an Fehlentwicklungen "Demokratie-Skepsis" zu nennen, und Kritik an totalitären Erscheinungen im modernen Kapitalismus "Versagensangst" zu nennen,

- den Vatikan wegen angeblicher Israel-Feindlichkeit zu geißeln,

- Arbeitslose zu verspotten,

- den Irak-Krieg in jeder Hinsicht begrüßenswert zu finden,

- Friedensbewegte zu Idioten zu erklären,

- Schröder tatsächlich für einen Feind von Demokratie und Bürgerrechten zu halten,

- sich eine "forschere Bundeswehr" zu wünschen bis hin zu Luftangriffen gegen "Feinde" unter gefühlskalter Inkaufnahme von "Kolletaralschäden". Für Mahlzahn rechtfertigt sich Krieg aus sich selbst. Das mag ein "Denken" sein, das C.C.M. gefällt.

Ich will diese Liste der journalistischen Errungenschaften des C.C.M. nicht unnötig verlängern - es ist nur zu deutlich, dass C.C.M. ein Konvertitenproblem hat - aber leider nicht den Verstand, um damit klar zu kommen.

Und so jemand ist beim Spiegel Ressortleiter? Wie konnte das denn passieren?

Fragen Sie: mailto:clauschristian_malzahn@spiegel.de

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Bin ich schon drin?

OK, das war jetzt erstens nicht besonders schwierig und zweitens nicht besonders originell. Aber: Ich bin drin! Wird sich jetzt die Umdrehungsrichtung der Erde ändern? Werden sich die Klimagrenzen verschieben? Wird es ewigen Frieden im Nahen Osten geben?

Mal sehen!

Und nun in medias res:

Worüber wird sich Der Morgen Gedanken machen?

1. Über die Welt im Allgemeinen und Politik/Wirtschaftspolitik im Besonderen. Sollte die ganze Welt - oder wenigstens der eine oder andere Leser auf einen (schöner wäre: mehrere) sozial-liberalen Anhänger des Ordoliberalismus gewartet haben, so soll dies hier seine Stimme verkünden.

2. Über meine kleine Welt, insbesonders meine persönliche Fortentwicklung (wäre ja schön) und berufliche Entwicklung (man darf doch hoffen, oder?).

3. Zur diesseiten Welt sollen hier ab und an auch ein paar Gedanken zum Jenseits kommen - soweit sie nützlich erscheinen. Hmm - sind Gedanken über das Jenseits nicht immer auch ein Krisenzeichen?