21 September 2005

Ausgewogenheit nützt

Vorab ein Lob

C.C.M. hat gute Talente, z.B. dort, wo er Personen beschreibt und erklärt, wie diese ticken. Er kann das umso besser, desto weniger er die gezeichneten Menschen dazu verwendet, um damit bestimmte Thesen zu illustrieren. An sich ist C.C.M. ein guter Kritiker - dort, wo er sich um Ausgewogenheit bemüht. Er findet schnell originelle Formulierungen. Dort, wo sich diese häufen, dort ist dies ein Warnzeichen. Als Journalist und Meinungsmacher gewinnt er ungemein, wenn er sich zurückhält, wenn er abwägt und sich bremst. Nicht jeder Mensch gewinnt durch Demut. Es sind die geistig interessanteren Menschen, mit Demut gewinnen.

Ich finde, dass im Gegensatz zu ihm die meisten deutschen Journalisten von sich aus gebremst wirken, und sie würden gewinnen, wenn sie ihrer Arbeit etwas Subjektivität und Offenheit angedeihen lassen. Beim sehr hartnäckigen, pedantischen und zähen C.C.M. ist dies anders, denn er steht in der Gefahr von Überkonsequenz, dort, wo es um seinen Feldzug gegen ideologische Verkrustungen geht, und besonders dort, wo er sich selbst schon eine neue Ideologie zurecht gelegt hat, eine neue, im Kern abwehrende Ideologie, die sich doch eigentlich nur gegen linke Ekelbratzen richtet, die jeden vernünftigen Menschen gequält hätten. Ungesunde Verschwendung.

Inzwischen denke ich, dass er außerdem ein ganz guter Taktiker ist. Er spürt die Schwingungen seines Stuhles und reagiert rechtzeitig, versucht, Unwuchten auszugleichen. Nachdem er sich von seinem Wahlschock erholt hat, womit ich C.C.M.s wirren und von Desorientierung geprägten Anarchie-Kommentar (hier) erkläre, hat er sich wieder besser sortiert. Schön.

Noch eine Kleinigkeit: Die gelungene Reifeprüfung von Herbert Prantl (hier), etwas zu schwunglos, hätte C.C.M. besser hinbekommen. Im Übrigen müssen derartige Reifeprüfungen im Journalismus ständig abgehalten werden, will man sich nicht den Vorwurf gefallen lassen, obsolete Tendenzpresse zu veranstalten. Es ist kein Kunststück, an einer Meinung festzuhalten. Der an herausgehobener Stellung tätige politische Journalist ist eine Art Richter, ob er das nun will oder nicht, und er muss seine Befähigung zum Richteramt immer neu beweisen.

Dann die Kritik

Nun lobt C.C.M. den Politiker Fischer und zeichnet ihn in den Zügen eines Staatsmanns (hier). Es ist ein Text mit einem kräftigen roten Faden, das ist schön, aber C.C.M. übersieht großzügig den Demagogen und Bluffer, übersieht seine Grobheiten, übersieht auch sein unangenehmes Talent zum rednerischen Pathos, mit dem er fast jede Versammlung an sich zu reißen versteht. C.C.M. tritt nicht nach, wo andere nachtreten, C.C.M entschuldigt, C.C.M. verzichtet auf tadelnde Worte. Das muss nicht falsch sein, besonders dort nicht, wo es eben doch um ein Nachruf geht, um eine neue Lebensphase im Leben des Ex-Außenministers.

Fast könnte man meinen, C.C.M. und Fischer hätten im gleichen Sandkasten gespielt.