Ziemlich catchy ist dieser Titel, finde ich:
Schwarze Fürsten rütteln am Reform-SkelettDer Begriff
schwarze Fürsten ist garnicht übel, oder? Man sieht es geradezu vor den Augen, wie diese schwarzen Fürsten an einem Skelett rütteln, am Skelett der Gesundheitsreform. Denn die Gesundheits"reform" soll aktuell durch die Ministerpräsidenten der unionsgeführten Länder boykottiert werden. (via
Stern)
Auch nicht übel ist die Sache mit den
Mietdemonstranten der kassenärztlichen Vereinigung. Lobbyisten heuern Demonstranten an, wie auch der
SPIEGEL mit ergänzenden Informationen berichtet. Rent a Demonstrant - 30 Euro pro Person ist eine bequeme, sehr wirtschaftslibertäre und preiswerte Lösung für den inzenierten Protest. Man könnte auch von
lügnerischer PR-Arbeit der kassenärztlichen Vereinigung sprechen.
Kleine private Geschichte (fast schon eine Reportage) zur Gesundheitsreform:Ein Medikament, das ich benötige, hatte meine zweitliebste Apotheke vor ein paar Tagen nicht da. Jedenfalls nicht von Ratiopharm, wie es der Arzt aufgeschrieben hatte, sondern nur von beta pharm. Im Ergebnis sank der Preis für das Medikament von 17,90 € auf 16,90 €. Ja, und das wiederum bewirkte, dass meine Zuzahlung in Höhe von 5 €
vollständig entfiel. Ja, super!
Die Apothekerin murmelte etwas von "
Freigrenzen". Dann sah ich, dass diese Apotheke mich Kunden "
zur Gesundheitsreform" informieren wollte. Tja, da fragte ich sie halt, worüber sie mich denn nun informieren wollte. Aha: Die abverlangten Einsparungen in Höhe von 500 Mio Euro, die seien für die Apotheken "
untragbar".
Das also war der Kern, der eigentliche Inhalt der Reformkritik. Die Reform ist uns Apothekern egal, aber bloß nicht auf unsere Kosten.
Ich fragte die Apothekerin, wie sie denn meint, wie diese 500 Millionen eingespart werden könnten. "
Nein", sagte sie, das ginge nunmal nicht. Außerdem kommt es ihr persönlich sowieso nur darauf an, dass sie pro Medikament ihre "
sechseurozehn" verdiene. Sie habe keine Möglichkeiten für Einsparungen.
"
Sechseurozehn?" fragte ich. "
Ja", sagte sie, es sind "
achteurozehn". Pro Verschreibung, pro Medikament. Davon erhalten die Krankenkassen "
zwei Euro", und ihr bleibt der Rest. "
Dass das ja nicht geändert wird!", meinte sie. Sie müsse schon so ziemlich knapsen, und sie möchte doch so gerne ihre "
Beratungsleistungen" unverändert an die Kundschaft bringen. Ich sparte mir eine Frage zu ihren Beratungsleistungen, denn tatsächlich hat sie mich bei Gesundheitsfragen noch nie beraten, wenn man mal vom Gespräch zur Gesundheitsreform absieht, das sie selbst gewünscht hat und mit Reklametafeln (!) vor dem Geschäft anpries.
"
Also, Ihnen bleiben bei jedem verschriebenen Medikament sechseurozehn", fragte ich sie. "
Genau!" Damit käme sie gerade so hin. Ich fragte mich, wovon wohl Bäcker oder andere Einzelhändler lebten, welche pro Verkaufsvorgang im Schnitt deutlich weniger als "
sechseurozehn"verdienten. Hmm, hmm. Frau Apothekerin fischt fix die Medikamente aus ihren Regalen raus, und verdient damit mit einem Schlag "
sechseurozehn", egal, welches Medikament sie sich da angelt. Dazu bietet bietet meine zweitliebste Apothekerin gleichermaßen theoretische wie unnötige "
Beratungsleistungen". Unnötig, denn mich berät mein Arzt.
"
Sagen Sie", fragte ich sie, "d
ie Konkurrenz ist aber auch hart in Ihrer Branche?". "
Ja!", seufzte sie aus dem tiefen Grund ihres Körpers. "
Könnte es sein, dass sich das Apothekengeschäft vielleicht doch lohnt?", fragte ich weiter. "
Wie meinen Sie das?", fragte sie zurück. "I
ch meine, wenn z.B. in der xyz-Einkaufstraße gleich fünf Apotheken zu finden sind, auf 150 Meter Strecke, dann ist das doch ein bisschen viel, oder?". "
Nein! Wieso denn?", kam es leicht ungehalten von ihr zurück, "
Das ist doch sehr schön für die Kunden, wenn diese so viel Auswahl haben!".
"
Diese Gesundheitsreform ist aber auch eine verfluchte Sache!", entgegnete ich ihr in freundlicher Absicht, während ich mir ausmalte, welche Schrecken die Kunden wohl erleben würden, wenn es in der xyz-Einkaufstraße nur noch vier Apotheken gäbe. "
Was meinen Sie", befragte ich sie weiter, "
diese Gesundheitspolitiker haben Sie in Ihrer Eigenschaft als Kaufmann doch stark amputiert, nicht wahr?".
"
Da haben Sie recht!", kam dann von Frau Apothekerin, sowie ein ganzes Knäuel von Klagen über staatliche Regulationen.
Ich so: "F
ür Sie kommt es als Kaufmann doch nur noch darauf an, dass sie Ihre sechseurozehn verdienen, von besseren Einkaufskonditionen, wenn sie mal eine gute Quelle finden, profitieren sie als Kaufmann nicht, das ist doch unfair!".
"
Genau!", bekräftigte Frau Apothekerin, bei der man an dieser Stelle vielleicht anmerken sollte, dass sie ein schönes Haus hat, einen sehr großen Wagen, sowie einen gut entwickelten Sinn für lokale Kultur, der dazu beitrug, dass sie meine zweitliebste Apothekerin wurde. Die Szenerie von ambitionierten Hobby- und Bürgertheatern kennt sie z.B. sehr gut, und so gibt es mit ihr immer wieder schöne Gespräche z.B. über gelungene und misslungene Inszenierungen. Ihren Vermieter hat sie einigermaßen unter Kontrolle, obwohl der auch schon herausgefunden hat, dass sie gute Geschäfte macht und seine Mietforderungen entsprechend großzügig gestaltet. Wenn man es recht bedenkt, profitiert von diesem sechseurozehn-System eigentlich fast jeder. Die Apothekenverbände haben gute Arbeit geleistet, die Zahl der Apotheken
bleibt ziemlich
stabil bzw. steigt seit 2005 wieder an.
"
Wussten Sie", fragte ich sie dann, "
dass der Wirkstoff des Medikaments, das sie mir gerade verkauft haben, als pharmazeutische Reinzubstanz im internationalen Handel z.Zt. pro Kilo etwa 4,30 Dollar kostet?". "A
ch? Woher wissen Sie das?". Dean antwortete, "
Als [hier finden sich vertrauliche Ausführungen zu meinem Beruf], sowie durch meine früheren Praktika bei Pharma-Maklern, kenne ich die Preise für pharmazeutische Substanzen gut." Dann fragte ich die Apothekersfrau, ob sie denn eine Idee habe, warum wir in Deutschland die höchsten Medikamentenpreise in Europa haben, oder gar eine Idee, was man dagegen tun könne.
Vielleicht war es ein Versehen, oder sie war des ungewohnt unkulturellen Gesprächs überdrüssig, jedenfalls antwortete sie: "
Nein, mir ist nur wichtig, dass mir meine sechseurozehn bleiben".
Im Übrigen fand sie, dass ein System einer
permissiven Positivliste wohl sinnvoll sei, sofern sie als Apothekerin von der Zuzahlungsbürokratie befreit wird und als Kaufmann wieder frei agieren könne. Zudem meinte sie, dass eine Verteilung 70:30 Ihrer Meinung nach den Verschreibungsnotwendigkeiten besser genügen würde als 80:20.
P.S.
Statistische Daten zum deutschen Gesundheitssystem findet man hier und hier. Und bei den OECD-Statistikern.