Klaus Schroeder und sein krummes Weltbild
Es ist offenbar verdienstvoll, mehr noch, verdienstbringend, wenn sich ein Soziologe kritiklos in den Dienst der Eliten stellt - und für diese Ideologiereproduktion betreibt. So ein Fall ist Klaus Schroeder, der bei SpOn & Co mit seinen sogenannten Forschungen kritiklos abgefeiert wird. Wie denkt dieser Mann, nach welcher Ideologie richtet er sich?
Ich kommentiere hier nachfolgend einige seiner Sätze aus einem Interview mit Klaus Schroeder aus der ZEIT.
Ich trete für eine gewisse Ungleichheit der Gesellschaft ein. Durch sie entsteht Dynamik. Zu starke Gleichheit wiederum zerstört die Leistungsbereitschaft.Aus seinem "Eintreten für Ungleichheit" klingt heraus, dass ihm die in unserer Gesellschaft herrschende Ungleichheit zu gering ausfällt. Als Soziologe sollte er jedoch wissen, dass sowohl die eine schlechte wirtschaftliche Lage der unteren Bevölkerungsschichten, als auch deren Hinderung an gesellschaftlichen Aufstieg "Leistungsbereitschaft" zerstören. Bezogen also auf die tatsächliche Lage in unserem Land ist seine Forderung nach mehr Ungleichheit unlogisch, jedenfalls dann, wenn es darum geht, die Leistungsbereitschaft insgesamt zu stärken. Tatsächlich weiß man aus der Einstellungsforschung, aber auch durch andere empirische Befunde, dass die weitere Absenkung der Lebenschancen und des Wohlstandes der unteren Bevökerungsschichten - also ein Plus an gesellschaftlicher Ungleichheit - in vielfältiger Hinsicht leistungshemmend wirken. Umgekehrt bringen Zusatzeinkommen für Wohlstandsschichten i.d.R. keine neue Leistungsbereitschaft hervor.
Entweder also kennt Herr Schroeder die Lage in unserer Gesellschaft nicht, oder sie ist ihm egal.
Gleichheit ist aber nicht gerecht. Warum ist nicht Ungleichheit ebenso ein Wert wie Gleichheit? Das verstehe ich nicht.Wenn er bereits an so einfachen Fragen scheitert, dann sollte er sich statt Soziologie vielleicht besser eine andere wissenschaftliche Disziplin suchen. Im Übrigen stimmt sein impliziter Befund nicht, dass "Ungleichheit" grundsätzlich in unserer Gesellschaft abgelehnt wird. Fast überall, im Kulturleben, in der Wirtschaft, im Berufsleben, in der Sportberichterstattung: Fast überall wird Ungleichheit in Gestalt von Spitzenleistungen in unserer Gesellschaft sehr geschätzt. Man muss schon sehr blind sein, wenn man dies rundweg bestreitet.
In Westdeutschland sind alle Indikatoren, mit denen Forscher die Ungleichheit in diesem Land messen, seit den 50er, 60er Jahren, relativ gleich geblieben.Das ist kontrafaktisch. Die Entwicklung der letzten 15 bis 20 Jahre ist eindeutig: Die oberen Einkommenschichten haben dazugewonnen (rund 10 Prozent - immerhin) und die unteren Einkommenschichten haben verloren (ebenfalls rund 10 Prozent - was in schlechter Einkommenslage besonders weh tut), gleichzeitig brechen die Mittelschichten weg.
Es sind aber genau solche
Was wir stattdessen erleben, ist, dass 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung am unteren Rand der Gesellschaft abgekoppelt werden. Das geschieht offenbar dauerhaft. Während für weite Teile der Bevölkerung der Wohlstand ansteigt, wächst die Kluft zu diesen Menschen.Mit welchen argumentativen Verrenkungen er mit dieser Aussage eine folglich wachsende Ungleichheit bestreitet, ist reichlich unklar. Ein Geheimnis wird wohl sein: Er hört er sich selbst nicht zu. Im Übrigen, wenn man die beispielsweise die untere Mittelschicht betrachet, kann von "wachsenden Wohlstand" kaum die Rede sein. Herr K. Schroeder ist kein präzis arbeitender Wissenschaftler der Soziologie, sondern ein Fantast.
Die Menschen überschätzen, was an der Spitze der Gesellschaft verdient wird.Das oberste Prozent der Bevölkerung verdient rund 25 Prozent aller Einkommen. Also das rund 30-fache vom Rest der Bevölkerung. Und das soll überschätzt werden?
Daran, dass die Vermögensverteilung in Deutschland derart auseinanderdriftet, tragen die Gewerkschaften eine Mitschuld.Vielleicht so: Sie tragen durch ihre zu geringe Streikbereitschaft evtl. eine Verantwortung daran, dass sich die Reallöhne schlecht entwickelt haben, während die Unternehmensgewinne nach oben schossen. Herr Schroeder allerdings meint, dass die Gewerkschaften daran schuld sind, wenn sich Arbeitgeber weigern, den Arbeitnehmern bedeutende Teile des Produktivvermögens zu überlassen.
Schauen sie nur nach Asien: Dort brennen ganze Völker vor Bildungshunger – und die Haushaltseinkommen sind weitaus geringer als in Deutschland.Mit diesem "Argument" wischt dieser Forscher übereinstimmende Befunde der Bildungsforschung weg - und bestreitet, dass es in unserem Bildungssystem, auch einkommensbedingt, starke Probleme mit der Chancengleichheit gibt. Man wartet fast darauf, dass dieser an realen Verhältnissen eher uninteressierte "Forscher" Studiengebühren als wirksamen Beitrag für mehr Chancengleichheit zeichnet.
(...) wenn wir völlige Chancengleichheit herstellen wollten, müssten wir die Menschen entmündigen.Also ist auch jegliche Verbesserung von Chancengleichheit abzulehnen, weil damit "Menschen entmündigt" werden? Wer das Erhöhen von Chancengleicheit sogleich als Versuch diffamiert, eine "völlige Chancengleichheit" herzustellen, der verbreitet Propaganda an Stelle von Wissenscshaft.
Die andere Form der sozialen Mobilität ist der Aufstieg einer jeden Person innerhalb eines Lebens – man nennt das auch Karrieremobilität. Die ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Industriestaaten bemerkenswert gering. Schuld sind die strikten Kündigungsregeln, (...)Wegen "strikter" Kündigungsregeln (wir erinnern uns: die typische gesetzliche Kündigungsfrist beträgt 4 Wochen zum Monatsende - und nach 5 Jahren Beschäftigung beträgt die Frist 2 Monate) gibt es in Deutschland keine Karrieremobilität. Das ist zumindestens eine originelle Behauptung. Begründet wird sie indes nicht.
Wenn man keine Armut will, warum zahlt man den Menschen dann so geringe Hartz IV-Regelsätze?Das fragt dieser "Soziologe" nicht, wie man zunächst denken könnte, in der Hoffnung auf höhere Hartz IV-Sätze, sondern nur darum, damit er über den Umweg einer rhetorischen Frage behaupten kann, dass Menschen mit Hartz IV nicht im Armut leben würden. Der Mann könnte als Vertreter seines Faches ein rechter Trottel sein, jedenfalls gehört wirklich nicht viel dazu, um zu erkennen, dass Familien, die über lange Jahre auf Hartz IV angewiesen sind, oft in echter Armut leben. Herrn Schroeder, weil er es ohne viel Aufwand besser wissen könnte, argumentiert tendenziös, unverantwortlich und verhöhnt diejenigen, die in Deutschland arm sind.
Die derzeitige Umverteilungspolitik führt dazu, dass das Streben nach Erfolg und Aufstieg in den unteren Etagen der Gesellschaft gebremst wird. (...) Nur wer die Chance sieht, dass sich der Aufstieg lohnt, wird sich auch für ihn einsetzen.Da dieser Forscher mit diesen Worten auf den untersten Rand der Gesellschaft zielt, und mit "Umverteilungspolitik" hier nur Hartz IV meinen kann, heißt das mit anderen Worten: Wären die Sätze für Hartz IV deutlich geringer, und die Menschen würden endlich flächendeckend hungern, dann würde das "Streben nach Erfolg und Aufstieg" deutlich ansteigen. Eine derartige Argumentation ist im Kern menschenverachtend.
Herr Professor Klaus Schroeder ist ein schlechter Mensch.
P.S.
Manche Argumente, die er im Interview gab, sind einige Beachtung wert, dann jedenfalls, wenn man ihnen mit Vorsicht und Abwägung begegnet. Es stimmt, dass sich recht viele Studierende nicht als arm empfinden, obwohl sie dies nach Ansicht der Armutsforscher sind. Aber, und hier kommt man sogleich zum Schlüsselproblem des Herrn Klaus Schroeder: Er differenziert nicht. Er fragt nicht. Er untersucht nicht des Erkenntnisgewinns halber, sondern sucht nur genau so lange, bis er ein Argument gefunden hat, welches seiner ausgeprägten neo"liberalen" Ideologie dienlich ist. Ansonsten müsste ihm fix auffallen, dass ein Teil der Studenten eben doch arm ist, sogar sehr arm - und nicht einfach aus der Armutsstatistik exkludiert werden kann. Das mag ein Detail sein, aber als Detail verdeutlicht dies seine einer Ideologie dienende typisch tendenziöse Arbeits- und Argumentationsweise.
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