30 August 2008

Zum Menschenbild radikaler Rechtslibertärer

Radikale Rechtslibertäre haben ein anderes Menschenbild als die Neoliberalen, vor allem, wenn es um sie selbst geht. Man lese kurz mal Ayn Rand quer und - schwupps - schon steht er da, der Neue Mensch, an dessen Existenz geglaubt wird, wie an einen katholischen Katechismus.

Der ideale rechtslibertäre Mensch wird als "Leistungsträger" verstanden, der ganz besonders für seinen schrankenlosen Egoismus gefeiert wird, aber auch (unbewiesen) für seine Hilfsbereitschaft und seine soziale Ader (sobald der hässliche Sozialstaat endlich weg ist, versteht sich).

Geht es hingegen um "Sozialschmarotzer" oder um "die Linken", dann gibt es dafür einen anderen Maßstab - und auch ein anderes Bild vom Menschen. Diese (quasi: die falschen Menschen) dürfen durchaus mit Anreizen gezielt gedrillt werden, damit diese sich dann am Ende bitteschön so verhalten, wie man es sich wünscht. Schuld an vielen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen sei der sogenannte Gutmensch, der im rechts"liberalen" Menschenbild in etwa den Stellenwert einnimmt, den anderswo pädophile Gewalttäter genießen.

Das rechtslibertäre Menschenbild ist schizophren.

Neoliberale sind im Vergleich dazu in ihrem Menschenbild diffuser und weniger festgelegt. Sie stimmen aber darin überein, dass z.B. "linke Gutmenschen" ein massives Problem darstellen, und darin, dass man "Minderleister" und "Leistungsverweigerer" auf besondere Weise zu behandeln hätte, und dass man "Sozialschmarotzer" (gemeint ist z.B. nicht Ackermann et al) bekämpfen müsse, auch mit Anreiz-Methoden, um die Leistungsträger zu schützen. Auch gilt es als eine fiese Zumutung, wenn "Leistungsträger" zu Steuerzahlungen (besonders schlimm: falls progressiv) gezwungen werden.

Neoliberale leiden zwar i.d.R. nicht unter der schiziphrenen Ayn-Randisierung ihres Menschenbildes, aber dafür können sie sich im Vergleich zu linientreunen Vertretern des rechtslibertären Kollektivs eher Zwangsmaßnahmen (z.B. in der Sozialverwaltung) vorstellen, um der Plage von Sozialschmarotzern und Minderleistern Herr zu werden.

Amen.

Labels:

24 August 2008

McCain möchte gerne 50 Milliarden US-Dollar für die US-Automobilwirtschaft

Während die sog. Qualitätspresse den deutschen Lesern McCain zu einen Kandidaten der wirtschaftlichen Vernunft erklärt hat, warum auch immer, womöglich in Vorfreude auf den kalten Krieg, den McCain anstrebt und die damit verbundenen Folgen für die Weltwirtschaft - möchte McCain den US-Autokonzernen 50 Milliarden US-Dollar geben, damit diese wieder wettbewerbsfähig werden spritsparende Autos bauen. Die amerikanischen Autohersteller betteln gerade beim amerikanischen Staat, vor dem Hintergrund zweitstelliger Milliarden-Quartals-Verluste, nach einer Geldspritze in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar - und McCain unterstützt dies:
Unsere Automobilhersteller sind gewillt, die nächste Generation amerikanischer Autobile herzustellen, aber dies ist schwierig in der heutigen Zeit, weil es schwierig ist, für diese Anstrengungen und Technologien Kredite zu erhalten, um damit die nächsten Zukunftschritte zu unternehmen. (...) Wir sollten das finanzieren und Maßnahmen dafür ergreifen, welche Detroit und seinen Zulieferern es ermöglichen, und ihnen damit helfen, die Umstellungsprozesse in diesen schwierigen Zeiten zu bewältigen.
Mit anderen Worten, McCain ist ein durchgeknallter, kriegs- und rüstungsgeiler weißhaariger Zausel, der von Wirtschaft nichts versteht.

Es ist nicht so, dass die deutsche Presse diesen Sachverhalt ihren Lesern mitteilt - auch jenen nicht, welche sich für den US-Wahlkampf und die Kandidaten interessieren. Der deutsche Leser von sog. Qualitätspresse hat leider nur die Wahl zwischen dürrer Agentur-Fertigkost oder sogenannten "Alpha-Journalisten", welche trotz ihrer Wirrköpfigkeit die Richtung vorgeben.

Diese Subventionen in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar, und das damit verbundene Eingeständnis eines völligen Missverstehens ökonomischer Zusammenhänge seitens von McCain, sind zugleich eine gute Gelegenheit, die Bedeutung und dem Einfluss von meinungsstarken wie inkompetenten, hysterischen "Alpha-Journalisten" und "Edelfedern" in Deutschland zu hinterfragen - eine gute Gelegenheit, blinde Chefredakteure wie Malzahn, Markwort oder Weimer zu kritisieren, und eine noch bessere Gelegenheit, die einheitlich konservativ-neoliberal, schwarz-gelb bellenden "Alpha-Journalisten", wie Broder, Diekmann, Jörges, Joffe, Schirrmacher und Steingart lächerlich zu machen.

Deshalb, weil sie inkompetent sind, deshalb, weil diese von relevanten Zusammenhängen kaum etwas wissen wollen. Publikumsverblödung a la carte, im Zeichen der schwarzgelben Agenda der "bürgerlichen" Kampagnen-Presse. Und weil es nicht oft genug wiederholt werden kann:

McCain ist ein durchgeknallter, kriegs- und rüstungsgeiler weißhaariger Zausel, der von Wirtschaft nichts versteht.

Labels: ,

21 August 2008

Die verlogene Sprache des Wolfram Weimer - eine Erledigung

Selten besuche ich aus freien Stücken die Webseite von Cicero - in diesem Politmagazin finden sich auch bessere Texte, meist aber solche, die mich langweilen. Diesmal war ich auf der Suche nach einem Interview mit Leander Hausmann. Eine Vorabveröffentlichung von drei Halbsätzen im SPON hatte mich neugierig gemacht. Das war nichts, denn es fand sich nicht. Dafür stolperte ich über eine politischen Grundsatzschrift des Cicero-Chefredakteurs Wolfram Weimer (Link anonymisiert).

Zunächst stolperte ich über das Bild, mit dem er sich seinen Lesern präsentierte - es brüllt den Betrachter an: "Schau her, ich bin so selbstbewusst, so überzeugt - ich könnte dein Chef sein". Gut, denke ich mir, das muss ein Irrtum meinerseits sein, ein Ausdruck meiner Vorurteile - aber ein etwas nachdenklicheres Foto von sich selbst hätte ihm trotzdem gut getan. Nachdenklichkeit täte einem Chefredakteur gut, der sich der politischen Analyse verschrieben hat.

Verschrieben hat er sich in seinem Text nun wirklich. Unserem Land stehen schlechte Zeiten bevor, wenn solche Artikel ein Ausdruck der Urteilsfähigkeit unserer politischen Eliten wären. Worüber schreibt Dr. Wolfram Weimer?
"Grünsprech"
Es geht aber nicht um die Wirrungen und Irrungen grüner Sprache - dazu ließe sich manches sagen, sondern am Ende nur um seine hässliche und hassende Sprache, sobald bei ihm von Grünen die Rede ist.
In meiner Schulklasse gab es einen stoppelbärtigen Startbahngegner.
Was für ein Start für einen Grundsatztext. Dr. Weimer, Jahrgang 1964, traf als junger Mann in seiner Schulklasse auf einen stoppelbärtigen Startbahngegner. Ich nehme an, dass sich diese Begegnung in etwa im Jahr 1981 ereignet hat, also viele Jahre vor dem Zeitpunkt, wo sich Teile der zuvor friedlichen Startbahnbewegung radikalisierten. Ungewöhnlich ist, dass es in seiner Frankfurter Schulklasse nur einen Startbahngegner gegeben haben soll. Stoppelhaarig. Nunja.
Am Wochenende fuhr er mit der S-Bahn zum Frankfurter Flughafen und suchte Randale an der Großbaustelle. Er rauchte selbst gedrehte Zigaretten, trug ein Palästinensertuch, war laut und nannte sich – zu unserer Verblüffung – einen „Grünen“. Grün an ihm war freilich gar nichts, am wenigsten seine Liebe zur Natur, die er mied, wo er nur konnte.
W. Weimer schreibt über einen naturfeindlichen Polit-Hooligan und Klassenkameraden. Und warum ist das nun relevant?
Grün, unausgereift schien uns das Verhältnis zu seinem Vater. Den hasste er nämlich, und sein grüner Startbahnkampf war in unsren Augen reiner Vatermord. Am Flughafen spielte er Emanzipation.
Wenn es so war, dann hatte der sonderbare Klassenkamerad von W. Weimer tatsächlich nur sehr wenig mit der Umweltbewegung der frühen 80er Jahre zu tun. Dieser Umweltbewegung war das ersatzlose Abholzen größerer Waldflächen für einen Großflughafen, mit lautem und die Allgemeinheit störenden Flugbetrieb, verhasst. Es dürfte nur in den seltensten Fällen um Vatermord gegangen sein, durchaus sehr im Unterschied zur 68er-Bewegung.

W. Weimer will seinen Lesern aber nahe legen, und das ist entweder verblendet oder perfide, dass die emanzipatorischen (richtiger Begriff!) Strömungen bei den Grünen typisch der Ausdruck vatermörderischer Bestrebungen von Polit-Hooligans seien. Zugleich denunziert W. Weimer, eher assoziativ - aber gewiss nicht unabsichtlich, eine weit überwiegend friedliche Umweltbewegung gegen die Startbahn West als Ausdruck von Gewalttätigkeit und Naturfeindlichkeit. Er stellt das seinen Lesern so dar, als ob Gewaltlust der typische Ausdruck grüner Bestrebungen sei - und verdeutlicht dies an seinem stoppelbärtigen ehemaligen Klassenkameraden.
Später an der Uni lernte ich im germanistischen Seminar einen linken Sponti kennen. Er trug abgewetzte Lederjacken, schlurfte mager umher und war ideologisch ziemlich angeschlagen, weil sich sein Sozialismus als unsympathisch, gewalttätig und ärmlich entpuppte.
An diesen beiden Sätzen ist praktisch alles falsch und verlogen. Spontis in der Mitte der 80er Jahre, zumal grüne Spontis, waren jene, welche mit Kommunismus und realsozialistischen Bestrebungen reinweg nichts am Hut hatten. W. Weimer belügt seine Leser.
Aber er verabscheute die Marktwirtschaft und wollte sein Feindbild ungern verlieren. Also entdeckte er die „ökologische Zerstörungsmacht des Kapitalismus“.
Diejenigen, die bei den Grünen sich für Ökologie und Umweltschutz interessierten, hatten in den Debatten der 80er Jahre tatsächlich starke Punkte gemacht, wenn sie auf das häufige Marktversagen bei Umweltangelegenheiten hinwiesen. Das bereitet Herrn Weimer bis heute Unbehagen.
Er wurde grün, weil der Kapitalismus sich offensichtlich nicht selbst zerlegte, um in der Diktatur des Proletariats zu enden. Der ausbleibende Klassenkampf wurde daher durch das Waldsterben ersetzt. Er hoffte, über den grünen Umweg doch noch recht zu behalten. Im Asta schwadronierte er über die grüne Revolution, tatsächlich probte er die ideologische Sublimation.
Es mag ja sein, dass es in den Asten einige schlimme politische Wirrköpfe gegeben hat, auch in den Studentenjahren des W. Weimer. Die Abqualifikation der Umweltbewegung der 80er Jahre und der Grünen als Ausdruck einer "ideologischen Sublimation" kommunistischer Ideen ist jedoch ein allzu verdrehter Gedanke, um darin einen echten Kern der Grünen zu erblicken. W. Weimer tut es trotzdem.
In meinem ersten Job als Börsenreporter lernte ich – es wurden immer mehr – wieder einen Grünen kennen. Der trug Nadelstreifen-Anzüge ohne Krawatte, fuhr mit dem Fahrrad ins Büro und verkaufte ethische Anlagefonds. „Gutes Geld mit gutem Gewissen“ war sein Motto. Auch er war – wie die beiden Grünen zuvor – ein Stadtkind ohne jeden Bezug zur Natur.
Viele Grüne scheint W. Weimer nicht kennen gelernt zu haben. Jedes Mal präsentiert er seine Sonderlingsfunde den Lesern des Cicero als besonders typische Fälle, um damit "die" Grünen zu beschreiben: eine einzige Ansammlung naturfeindlicher Stadtkinder. Mit der gleichen Methode könnte man auch Konservative, Christen oder auch Autofahrer beurteilen. Man greife sich einige wenige, besonders extreme Fälle heraus, und lasse diese für die Allgemeinheit sprechen. Selig sind die geistig Armen?
Aber er glaubte an seine grüne Mission. Und die war apokalyptisch aufgeladen. Ob Tschernobyl, Seveso oder Bhopal – er hatte es immer schon gewusst und sah überall die nächste Katastrophe über die Menschheit kommen. Sein Großvater war Großnazi, seine Familie darum traumatisiert, er wollte nie wieder nichts gewusst und nichts getan haben. Also lebte er wie ein wandelndes Frühwarnsystem, ahnte, warnte, mahnte. Sein Grünsein war Kompensation.
Gegenüber dem Alarmismus der frühen Umweltschutzbewegung mag man mit guten Gründen skeptisch sein, gegen die dort vorhandenen Endzeitvisionen zumal, aber eine allgemeine Umdeutung als kompensiertes (?) "Frühwarnsystem" gegenüber großväterischen Großnazis ist nicht sehr überzeugend. W. Weimer instrumentalisiert damit den Antisemitismus bzw. den Kampf dagegen: für fremde politische Zwecke.

Die Argumentationsfigur des W. Weimer ist ein Ausdruck einer postmodernen Beliebigkeit, die ins Konservative gewendet wurde, bei der jeder ernsthafte Maßstab verloren gegangen ist. Der Cicero-Leser darf indes von W. Weimer lernen, dass "die" Grünen Naturfeinde seien, die es in drei Ausprägungen gäbe, allesamt Psycho-Wracks:
  1. als vatermörderische Gewalttäter
  2. als ideologisch sublimierende Kommunisten
  3. als kompensatorische Anti-Antisemiten
So sieht ein politischer Grundsatztext eines sich als Intellektuellen verstehenden Polit-Chefredakteurs aus, dessen Hauptwunsch die "Erzwingung einer kulturellen Renaissance des Abendlandes" ist (Quelle). Unangenehmer Weise wütet der mit differenzierendem Denken überforderte W. Weimer weiter:
Neulich traf ich einen modernen Grünen. Er arbeitet bei einem Stromkonzern, fährt eine Bluemotion-Limousine und findet Kernenergie vertretbar. Vor allem dem Klima zuliebe. Natürlich. Er sprach nicht von Gewinnen und Interessen, sondern von der Rettung der Welt vor dem Kohlendioxid.
Schon wieder präsentiert W. Weimer einen sonderlingshaften "Grünen" aus seiner Privatschatulle. Die "Bluemotion-Limousine" kann übrigens ein winziger Kleinwagen sein. Den Kampf gegen den Klimawandel findet er offenkundig lächerlich, dafür sprechen auch die wenigen Link-Kameraden des W. Weimer auf seinem privaten Blog. Da finden sich bevorzugt politische Müllverbreiter wie achgut.de, Henryk Broder, Hans-Ulrich Jörges und Oswald Metzger.
Geht es nicht ein bisschen kleiner, fragte ich. Nein, geht es nicht.
Schwer zu glauben, dass W. Weimer ausgerechnet politische Übertreibungen kritisiert. Seine Link-Empfehlungen (hier, anonymisiert) zielen bevorzugt auf brüllend laute Großkotze und Weimers politische "Ästhetik", so sagt er es selbst, besteht v.a. im Wunsch nach "Gedankenglut" und "großen Worten", und weniger darin, das diffizile Kleinklein des politischen Alltags differenziert zu durchdringen.
Man bedenke doch den Meeresspiegel, die Verwüstung, die Gletscher. Alles, alles ganz allein nur wegen des CO2. Dieses Kohlendioxid mochte er in etwa so wie mein erster Grüner die Startbahn West. Nur dass er besser verdiente, also die Marktwirtschaft mochte, und weder Vater noch Großvater problematisierte. Kurzum: Er war grün aus Aspiration.
Das also wäre gemäß den Vorstellungen von W. Weimer, nach seinen vorherigen drei Psycho-Wracks, der vierte Typus eines "Grünen": Erneut ist es jemand, dem - angeblich - jede ernste umweltpolitische Motivation fehlt, und diesmal ist es einer, der aus einem Streben nach "Aspiration" heraus grün sei. Also jemand, der sich nur grün anmalt, ein Kommerzling, der als grün gelten will - aber tatsächlich ein Naturfeind sei. W. Weimer sinniert:
Wahrscheinlich hatte ich einfach nur Pech, immer an die falschen Grünen zu geraten.
W. Weimer heuchelt an dieser Stelle eine Nachdenklichkeit, die seinem postmodern konstruierten Text doch vollständig abgeht. Er nimmt Extrembeispiele als besonders typisch, und räumt kurze Zeit später ein, als argumentativer Trick seines hetzenden und hassenden Grundsatztextes über "die" Grünen, dass seine wenigen persönlichen Erfahrungen einfach "Pech" gewesen sein könnten.

Wie verlogen ist das! Seinen nur wenig Ernst gemeinten Schein-Einwand räumt er sogleich weg:
Doch insgeheim werde ich den Verdacht nicht los, dass meine Erfahrungen in einem Punkt ganz typisch sind: im unechten Reden.
Offensichtlich: In unechten, genauer gesagt unwahrhaftigen, Schreiben ist er als deutscher Polit-Chefredakteur ganz typisch.
Kaum ein Thema ist derart mit geistigen Drittmitteln und inhaltlichen Tarnkappen beladen wie Öko-Debatten. Die einen kochen ihr ideologisches, andere ihr psychologisches, dritte ihr kommerzielles Grün-Süppchen. Die erste Variante freilich schwindet, denn die politische Funktion der Grünen-Partei als Methadonprogramm für Links­ideologen hat sich bestens bewährt.
Die geistige Tarnkappe des W. Weimer besteht vor allem darin, dass er seinen politischen Gegnern entweder schwere psychologische Probleme, verlogenen Kommerz, kompensierten Anti-Antisemitismus oder die ideologische Verblendung von postmarxistisch-ökologischen Klassenkämpfern vorwirft. Er geht bei seinen politischen Gegnern, wie den Grünen, so gut wie nie von einem ernsthaften Anliegen aus. Das ist billig und geistig arm. Bestenfalls ist es ein billiges Nachäffen von bestimmten amerikanischen Politdiskursen, deren Kern im Gegnerbashing besteht. Wenn man so will, ist diese Form des Kulturverfalls das Methadonprogramm für die politische Rechte.
Die Szene ist verbürgerlicht, Schwarz-Grün kann kommen, und wer unbedingt noch links sein will, der hat Gysi und braucht zum Klassenkampf-Revival die Natur nicht mehr.
Unzutreffend.
Die zweite Variante (...)
W. Weimer kann nicht zählen.
(...) ist ebenfalls entschärft, und zwar durch Kollektivierung: Im Merkeldeutschland sind wir schließlich alle irgendwie gewissensgrün geworden.
Unzutreffend. Schwarz-grüne Koalitionen sind noch der Ausnahmefall. Kein Mensch weiß, ob die schwarz-grüne Koalition in Hamburg bis zum Ende hält und ihre Vorhaben tatsächlich verwirklicht. In jedem Fall gibt es bei den Christdemokraten genügend innerparteiliche Spannungen in Umweltfragen und Spannungen im Umgang mit den Grünen - und W. Weimers Text mit seinem üppigen Grünenhass lässt sich als ein Beleg dafür verstehen. Die Behauptung einer allgemeinen und alle politischen Lager betreffenden Kollektivierung (?) einer "gewissensgrünen" Haltung ist ein Fehlurteil.
Das „Greening“ gehört zum Lifestyle wie Smoothies und Loungemusik. Und also können wir über Umweltfragen – wenn es nicht um Atomenergie geht, wo gerade ein Epilog theatralischer Alt-Debatten abläuft – inzwischen entspannt reden wie über den Mallorca-Urlaub oder Bundesligaspiele.
Abgesehen von der ausgesprochen unentspannten Haltung von W. Weimer gegenüber Grünen - es hat sicher schon intelligentere Anklagen gegen Greenwashing und die Lifestylisierung grüner Positionen gegeben. Was bitteschön aber sind "Smoothies"??
Die dritte Variante (...)
W. Weimer kann immer noch nicht zählen. Er hat in seinem leider eher dümmlich geratenen Essay vier verschiedene Varianten von "Grünen" aufgezählt (siehe oben), nun widmet er sich der Werbesprache:
(...) aber des unechten Grünsprechs blüht erst richtig auf. Die kommerziell getarnte. Es gibt keinen Kaffee, keine Bankbilanz und keine Fußcreme mehr, die nicht nachhaltig-natursanft-biologisch daherkämen.
Alarmistischer Blödsinn - da hat er wohl zu lange die Texte der Politsektierer von "achgut" gelesen. Die meisten Kaffees, die meisten Bankbilanzen und Fußcremes kommen nicht "nachhaltig-natursanft-biologisch" daher. Wir wissen nicht, welche Fußcreme W. Weimer benutzt, und ob er diese z.B. als Kaffeeweißer einsetzt (das wäre falsch). Für ihn mögen umweltbewusste Wahlmöglichkeiten lächerlich und lässlich sein, aber ich bin als Konsument froh, wenn ich Wahlmöglichkeiten habe.
Da sich die Industrie mit Wucht ökologisiert, verliert das Grüne zwar endlich seinen miesepetrigen, modernisierungsfeindlichen Charakter. Doch das rhetorische Greenwashing scheint der Preis dafür zu werden.
Kurzum: Herr Weimer mag nicht ertragen, dass die Konsumenten heute zunehmend ökologisch orientierte Wahlmöglichkeiten haben. Wenn alltägliche Umweltpolitik heute nicht modernisierungsfeindlich ist, dann ist ihm das ein zu hoher "Preis". Zudem sei ja alles in diesem Sektor lediglich "rhetorisch", wofür der Grünenhasser W. Weimer jedoch nicht einen einzigen Nachweis tätigt. Dennoch ist es ihm offenkundig lieber, wenn es diese grünen und ökologischen Produkte nicht gäbe.
Wie einst meine Sponti-Kommilitonen vergrünschleiert heute die Industrie ihre wahren Interessen.
Genauso ist es z.B. möglich, dass ein zutiefst konservativer und unchristlicher Menschenhasser seine wahren Interessen verschleiert. Möglich ist vieles. Imerhin hat sich der am Anfang seines Textes aufgeführte einzelne Sponti-Kommilitone zum Textende hin vermehrt.
Darum (...)
Warum nochmal? Wegen der von ihm entlarvten "wahren Interessen"? Oder wegen dem "Preis" des Greenwashing?
(...) habe ich eine Bitte an die vielen neuen grünen Nachhaltigkeits-Manager: Erzählt uns nichts von grüner Ethik am Bankschalter, vom Klimaretten mit Kernkraftwerken, von „green revolutions“ im Autohaus und vom Regenwaldretten beim Bierkauf.
W. Weimer möchte keine betont ökologisch orientierte Produkte am Markt.
Macht einfach saubere Geschäfte mit umweltfreundlichen Produkten.
Jetzt möchte er sie doch.

Ich bin mir nicht sicher, ob die von ihm "entlarvte" Industrie nach dem vollständigen Lesen seines wild konstruierten postmodernen Essays noch weiß, was dieser konservative Chefredakteur genau von ihr will.
Das ist gut genug.
W. Weimer war dumm genug, um einen derartigen Text zu verfassen.

Er ist mit seiner politischen Attitüde und seiner Argumentationsmethode ein Vorzeichen von Jahrzehnten der von Konvervativen betriebenen kulturellen Regression, der Infantilisierung und der Geschichtslosigkeit, die noch kommen werden.

Mit dieser ahistorischen Charakterisierung von "Grünen" (und zudem einer Entlarvung "der wahren Interessen der Industrie" - lol) zeigt sich der konservative
Kulturpessimismus und Relativismus in seiner aktuellen Gestalt.

Ich sehe hier ein geistiges Tarnkappenbombertum, eine Gleichzeitigkeit von Unwahrhaftigkeit und
Werte-Indifferenz. Er betreibt im Namen lediglich behaupteter christlicher "Werte" (andernorts...) ein gewissenloses Gegnerbashing und bedient sich dabei der postmodernen Methoden des Medienzeitalters. Begriffliche Ungenauigkeit und schlampige, nur auf ihre Effektwirkung zielende Argumentationen werden hier verwendet, zusammen mit dem "conservative semantic turn" der Nullerjahre, um die Aufklärung und ihre modernen politischen Erscheinungen zurückzudrängen.

Der bis hier tapfer mitlesende Blog-Konsument mag jetzt fragen Wo bleibt das Gute? Hier ist es!

(Ich bin gerne bereit, für eine zweite Renate Künast zwei bis drei Dutzend Chefredakteure vom Format eines Dr. Wolfram Weimer einzutauschen. Jederzeit!)

+++ Update +++
Noch eine Erledigung - von Bettina Röhl (anonymisiert, weil in der WELT)

Labels: ,

17 August 2008

Günter Gaus interviewt Hannah Arendt. Großartige Sonntagslektüre.

15 August 2008

Merkel als Kriegstrampel

Die geistig starre und auf eine unangemessen einseitige "pro"-amerikanische Linie festgelegte Angela Merkel hat mit ihrer Reise bewiesen, dass sie Krisensituationen nicht managen kann. Sie fuhr nach Sotchi, um Porzellan zu zerschmeissen. Was für ein Trampel! Nichts hat sie erreicht. Ich sehe aber jetzt schon, wie die größten Teile der deutschen Publizistik dies darstellen werden: "Merkel fand deutliche Worte".

Haste Worte.

Ergänzung

Eine generell (!) gute Berichterstattung zu diesem Konflikt leistet die FAZ - auch die Abrechnung mit Glucksman/Lévy ist sehr gelungen. Die FAZ zeigt, dass Merkel bei ihrem Besuch weder ein Interesse daran hatte, die russische Sichtweise kennenzulernen, noch hatte sie Interesse (diesen Punkt verbat sie sich trotz des dringlichen Wunsches von Medwedew) die Gräueltaten der georgischen Armee in Südossetien dargestellt zu erhalten. Es dürfte aber deutlch verfrüht sein, sich unzugänglich zu zeigen und einseitig über die Russen zu schimpfen. Denn der Konflikt ist noch nicht vorbei, es gibt reichlich Gesprächsbedarf, zum Beispiel:
Bevor Bundeskanzlerin Merkel am Freitag in Sotschi gegenüber Russlands Präsident Medwedjew das russische Vorgehen in Georgien als „nicht verhältnismäßig“ kritisierte, hat der von Moskau unterstützte südossetische Präsident Kokojty angekündigt, Georgier nicht zurück nach Südossetien zu lassen. Ihre Dörfer seien eingeebnet.
Lesenswert, auch für Hintergründe zum Konflikt, ist der Beitrag von Christian Esch in der Berliner Zeitung vom 16.8.2008.

Labels: ,

09 August 2008

Anmerkungen zum Georgisch-Südossetischen Krieg

1. Die "terretoriale Integrität" von Georgien ist ein schlechter Witz. Die rund 250.000 Südosseten und Abchasier wollen sich nicht von georgischen Nationalisten regieren lassen, sondern sie rechnen sich Russland zu. Grundsätzlich: Das ist das Recht dieser Völker.

2. Es ist aberwitzig, wenn das notwendige Eingreifen des russischen Militärs im Konflikt von sogenannten Nachrichtenmagazinen als "Aggression" bezeichnet wird. Mitten in der Nacht hat das georgische Militär die südossetische Stadt Chreba (ehemals 35.000 Einwohner, georgischer Name: Zchinwali) im Laufe des 8. August u.a. mit NATO-Waffen (155-mm-Artillerie und Raketenwerfer) schwer unter Beschuss genommmen. Anschließend wurde den Bewohnern vom georgischen Militär eine dreistündige Gefechtspause angekündigt, damit die ossetische Bevölkerung bitteschön endgültig und in Richtung Russland verschwinden möge. Weitere Hintergründe schildert Reinhard Veser.

Saakaschwili ist ein demokratieferner georgischer Nationalist - und alles andere als ein Schmuck für "den Westen". Seit diesem 8.8.2008 ist er zudem ein Kriegsverbrecher, dessen Armee drei Stunden nach einer verkündeten "einseitigen Waffenpause" Zivilisten massiv beschießen und bombardieren lässt. Es wurden dabei nach ersten Schätzungen über 1000 Zivilisten ermordet. Der Kooperationspartner der NATO und "des Westens" ist eine ethnische Säuberungen veranlassende Drecksau.

Verglichen mit Saakaschwili ist Putin ein lupenreiner Demokrat. Ergänzung: Nunja - bedenkt man den brutalen ersten Tschetschenienkrieg, dann könnte man auch zu einer anderen Einschätzung kommen. Wie auch immer, einen derart wüsten Wahrheitsverbieger wie comical SaakaSchwili hat die Welt lange nicht mehr erlebt. Die Autokraten Putin/Medwedew sind im Vergleich zum Pseudodemokraten SaakaSchwili zur Zeit vertrauenswürdiger.

3. Die (allerdings: bislang unzureichend erwiesene) russische Bombardierung georgischer Hafenstädte und Pipelines ist unakzeptabel und belegt, dass Russland in diesem Konflikt auch wirtschaftliche Ziele verfolgt.

4. Das südossetische Regime ist keineswegs demokratischer Natur, sondern ein Satelit von Russland. Es wird umfassend gefoltert, die georgische Minderheit wird diskrimininiert, die politischen Freiheiten sind reduziert. Gleichwohl erfährt die südossetische Diktatur Unterstützung seitens der iranischsprachigen ossetischen Bevölkerungsmehrheit.

5. Barack Obama ist in Fragen der Außenpolitik diesmal ein beinahe genauso verblödetes Arschloch wie der kalte Krieger John McCain. Beide Präsidenschaftskandidaten rufen ausgerechnet Russland zur Beendigung der Aggression auf. Das ist absurd, denn es war Georgien, das sich im Weltsicherheitsrat (mit Rückendeckung der USA und Großbritanniens) einer Einstellung der Kampfhandlungen am 8.8. widersetzte. Hätte Russland zulassen sollen, dass die Südosseten von der georgischen Armee aus ihrer Heimat vertrieben werden? Wobei - im Unterschied zu McCain - Obama immerhin beide Seiten zur Einstellung der militärischen Operationen aufgerufen hat, während der außenpolitisch naive McCain den Konflikt vor allem zur Feindbildpflege nutzt.

6. Die Berichterstattung des führenden Nachrichtenmagazins SPIEGEL ist war ist erneut übel und verzerrend. Die Handschrift des "prowestlichen" Politredaktionschefs Claus Christian Malzahn ist nach wie vor die unbeholfene Krakelschrift eines trotzigen Kindes. Der Kommentator Neef fordert gar die Deportation aller Osseten aus Georgien, "wenn man denn ehrlich ist". Jörg Himmelreich, ein PR-Spezialist einer Propaganda-Organisation, möchte mit seiner "Südossetien-Analyse" den SPIEGEL-Lesern einen russischen Bären aufbinden.

[Ich möchte gerne mal wissen, was der SPIEGEL z.B. mit Kurt Beck angestellt hätte, wenn dieser einen derartigen Blödsinn verbreitet hätte.]

08 August 2008

Völkermord-Olympiade 2008

Georgien und Russland steuern gerade auf einen Krieg zu, während China sein Dikatursportfest feiert. Das passt. Die olympische Idee ist heutzutage exakt so viel wert wie ein ein Ehrenwort von Jacques Rogge. VW und Adidas sponsern diese Scheiße, und vielleicht sollte Nike zum Ausgleich den georgisch-russischen Krieg sponsern. Coca Cola könnte dann die Produktion von waffenfähigen Milzbrandsporen in der Biowaffenfabrik in Fort Detrick unterstützen. Warum auch nicht?

Ist doch für den guten Zweck.

+++ Update +++

Nach Angaben von "Russland aktuell" hat die russische Luftwaffe die georgische Stadt Gori bombardiert. Tausende von Freiwilligen sind von russischer Seite aus unterwegs, um als Freischärler gegen Georgien zu kämpfen. Das vom Westen unterstützte Georgien erklärt im Sicherheitsrat, ein Verzicht auf Gewaltanwendung sei nicht akzeptabel. Putin/Medwedew rufen zu Kriegshandlungen auf. Die Provinz Abschasien tritt in den Krieg ein.

07 August 2008

Goldenphoenix111 - Baustein zum Anthrax-Skandal

Wenn das kein übler Fall von Paranoia ist, dann weiß ich ja auch nicht:
Wildswan, you are quite right about what you said about KKG. If people look hard enough, have friends, relatives, perhaps financial resources, etc., then they can pretty much find out about whatever GLO they want. Kappas are noted for being lovely, highly intelligent campus leaders. Unfortunately, they labeled me as an enemy decades ago, and i can only abide by their "Fatwah" on me. I like individual Kappas enormously, and love being around them. I never choose an enemy, but they've been after me since the 1960s, and REALLY after me since the late 1970s. At one time in my live, I knew more about KKG than any non-Kappa that had ever lived. Unfortunately I've forgotten a lot . I've read the history of KKG that was written several decades ago about its fouding.*
Erläuterung. Solche Sachen schrieb der Anthrax-Attentäter. Das ist eine Ergänzung zu diesem Beitrag von mir und eine Antwort auf (nur eine von vielen) Fragen des Spiegelfechters, der noch daran zweifelt, dass Bruce Ivens der bzw. einer der Anthrax-Attentäter war. Bemerkenswert sind diesem Zusammenhang u.a. einige der Wikipedia-Aktivitäten des Attentäters Bruce Ivins (Quelle), besonders das hier. Nach meinen Recherchen kann man aber auch schnell daneben liegen (ich dachte in den ersten zehn Minuten, dass er das sein könnte und schätzte die Wahrscheinlichkeit auf 5-10% - von wegen).

Im Moment will ich noch nicht glauben, dass Bruce Ivins ein Einzeltäter ist. Zuviele Fragen sind noch offen. Es wäre schon reichlich bizarr, nicht nur, dass diese Art von Bioterrorismus nur einen Einzeltäter benötigt (der in einem Biowaffenlabor arbeitet), sondern auch, dass der Krieg gegen den Irak dann zu einen beachtlichen Teil auf einen merkwürdigen, kranken Einzeltäter zurückzuführen ist. Dann wird Weltpolitik, jedenfalls hier, zum zufälligen Ergebnis der Handlungen eines einzelnen Besessenen. Meine Lehre daraus, vorerst, ist erneut: Militär hilft nicht gegen Terror. Eher gilt das Gegenteil:

Militär macht krank.

* Quelle: FBI-Material zu Amerithrax, 07-524-M-01 search warrant affidavit

+++ Update 7.8.2008 +++

Nach Durchsicht des FBI-Materials wachsen meine Zweifel: Bruce Ivins könnte auch unschuldig sein. Er war zwar ein schräger Vogel und überdies psychisch krank, aber die Summe der Indizien weist nicht unbedingt auf ihn. Die Spuren weisen äußerst stark zum Biowaffenlabor von Fort Detrick, auch gibt es starke Belastungsargumente gegen ihn (u.a. sein Auskundschaften längerer geheimer Autofahrten), aber es ist nach meinem Dafürhalten ist das Belastungsmaterial leider nicht eindeutig. Den oben formulierten Schluss ("Militär macht krank") halte ich immer noch für richtig, sowohl in Bezug auf Bruce Ivins, als auch in Hinblick auf das Gesamtgeschehen.

Fort Detrick als Herd - aber nicht als einzig möglicher Ausgangspunkt

Offenbar - so lese ich das Material - ist es lediglich notwendig, über Kenntnisse in der Mikrobiologie zu verfügen, über den Zugang zu bestimmten waffenfähigen (!) Milzbrandsporen von Fort Detrick, sowie über ein recht simples Standard-Labor-Instrumentarium. Die in Frage kommenden Bakterienstämme konnten sehr einfach aus Fort Detrick herausgeschmuggelt werden - es gab z.B. keine Videoüberwachung. Zu allem Überfluss wurden die Sporen in Fort Detrick offenbar in einem waffenfähigen Zustand gelagert.

Das heißt, es gibt - wenn die (m.E. speziellen klein gezüchteten) Sporen herausgeschmuggelt wurden - nicht nur rund ein Dutzend Verdächtige in Fort Detrick, wie das FBI meint. Unter Umständen könnte es auch Verdächtige außerhalb von Fort Detrick geben. Sehr unwahrscheinlich ist das nicht. Es gab z.B. eine Reihe externer Firmen (u.a. zur Impfstoffentwicklung), mit denen Fort Detrick intensiv (!) kooperierte. Personen von dort könnten waffenfähige Sporen erhalten haben - zusätzlich denkbar ist meiner Meinung sogar die Möglichkeit, dass die fraglichen Sporen außerhalb des Biowaffenlabors von Fort Detrick vermehrt wurden. Sobald die speziellen, waffenfähigen Sporen einmal im Umlauf sind, ist es - gemäß der FBI-Materialien - nicht sehr schwierig, diese zu vermehren, das gewonnene Sporenmaterial zu trocken und dann (als Träger) mit einem feinen Staub zu mischen.

Es mag dennoch sein, dass Bruce Ivins der Täter war. Das Problem ist aber nicht ein einzelner verrückter Biowaffenforscher, sondern die umfangreiche - und damit unkontrollierbare amerikanische Biowaffenforschung.

05 August 2008

Umbauarbeiten: Meine Linklisten habe ich ein wenig ausgemistet.

(ich hätte ja nicht gedacht, dass das Blogsterben so schnell ist)

Ich bitte meine Leser, mir Vorschläge zu machen!

(Struktur, gute/ausgezeichnete Politblogs, Anordnung und sowas)

03 August 2008

Anthrax-Terror: Sie haben ihn! Der Attentäter war ein US-Militär-Wissenschaftler.

Rückblende: Wenige Tage nach dem Terrorangriff auf das World Trade Center wurden die Bürger der Stadt New York mit Anthrax-Briefen in Atem gehalten. In den USA werden "Terrorwarnstufen" eingeführt (Schäuble wünschte sich das auch), man fürchtete sich vor den Biowaffen von Osama bin Ladin und Saddam Hussein, und kurze Zeit später zogen die USA rächend in den Krieg, und bewirkten in der Folge (inkl. Pfusch beim Nation Building): den Tod von einigen hunderttausend Irakern.

Wer hat die Anthrax-Briefe verschickt? Wer steckte dahinter?

=> Sie haben ihn!

Offenbar hat ein Soziopath und Militärwissenschaftler namens Bruce Ivins (Bild) mit diesen Terror-Briefen für den Ausbau der Anthrax-Militärforschung sorgen wollen. Das ist ihm gründlich gelungen. Am 27.7.2008 nahm er sich das Leben.

+++ 1. Update 04.08. +++
Markus Günther schreibt: "Amerikanischen Medienberichten zufolge hatte das FBI zuletzt erdrückende Beweise gegen Ivins gesammelt. Vor allem könne nun mit neuen Methoden nachgewiesen werden, dass der Milzbranderreger, der im September und Oktober 2001 zum Tod von fünf Menschen (und der Erkrankung von 16 weiteren) geführt hat, nur aus dem Labor von Ivins stammen kann. (...) [Er] habe eine lange Vorgeschichte psychischer Erkrankungen und (...) habe neue Morddrohungen ausgestoßen und mit Stolz auf seine "biologischen Waffen im Labor" verwiesen.
Einen deutlichen Fortschritt erzielten die Ermittler mit der Analyse der genetischen Eigenheiten des Anthrax-Pulvers. (...) Kurz nachdem Steven J. Hatfill aus dem Kreis der Verdächtigen ausgeschlossen wurde, begann Bruce Ivins jedoch, Zeichen äußerster Anspannung zu zeigen. Schließlich begab er sich nach Angaben der "Los Angeles Times" wegen schwerer Depressionen in psychiatrische Behandlung."
"Das FBI begann Ende 2007, Arbeitskollegen über Ivins zu befragen, und ließ die Befragten darüber eine Schweigeverpflichtung unterschreiben. Das FBI nahm auch Kontakt zu Ivins' älterem Bruder auf. Der bestätigte nicht nur eine depressive Veranlagung Ivins', sondern auch einen Hang zu Allmachtsfantasien."
"Facing the prospect of murder charges, he had bought a bulletproof vest and a gun as he contemplated killing his co-workers at the nearby Army research laboratory. (...) a social worker who led the sessions, Jean Duley, said that Dr. Ivins’s psychiatrist had “called him homicidal, sociopathic with clear intentions. (...) “When he feels that he has been slighted, and especially towards women, he plots and actually tries to carry out revenge killings.” (...) Ms. Duley said that Dr. Ivins had a history of making homicidal threats that dated to his college days."
"Investigators were so certain about the connection that they had scheduled a meeting for last Tuesday with Ivins's attorneys to discuss a plea bargain that would have sent the scientist to prison for life but spared him a death sentence, according to sources briefed on the government's case. But barely two hours before the meeting was to occur, Ivins died of an overdose of Tylenol that he had ingested over the weekend, the sources added."
Sehr beindruckend ist es, wie qualitätsjournalistisch gründlich die Mehrheit der deutschen Medien das Thema verschlafen. Wohl daher nennen sie sich auch "Gate Keeper"... Echt peinlich. Umso mehr ist der gute Artikel von Markus Günther zu loben - und ausnahmsweise auch einmal die WELT. Weitere, hochbrisante und in der deutschen Presse bislang unausgewertete Informationen über den Ivins-Fall findet man => hier. Ivins ging es offenbar auch um das ganz große Geld. Ebenfalls lesenswert ist es, wenn der Glenn Greenwald nachzeichnet, wie das US-Militär den Irak mit dem Anthrax-Terror in Verbindung brachte und gezielt (!) - sogar unter Beteiligung von Ivins von Fort Detrick aus - Falschinformationen an die US-Presse gab. Es sind noch einige Fragen offen. Sehr viele Fragen. Ich frage mich z.B., warum die intensive Kamera-Überwachung im Biowaffenlabor wirkungslos bleiben konnte. Hatte Ivins Helfer? Und was besagt das über das Thema Kameraüberwachung überhaupt, wenn diese sogar in Hochsicherheitsbereichen wirkungslos ist? Oh, ich sehe grad, Glenn Greenwald setzt nach. Der Skandal wird immer größer. David Hauslaib erklärt es etwas kompakter. Eine Frage dabei ist unter anderen: War es am Ende nur ein verrückter Militär-Biologe, der Amerika in den Krieg gegen den Irak zog?

+++ 2. Update 4.8.2008 +++

Im Ivins-Skandal tauchen nach Angaben der Frederick News Post und der JTA besondere Briefe des Attentäters auf, die nahe legen, dass der Militär-Biologe ein extremistischer, neokonservativer Evangelikale war und Muslime verachtete. Er könnte für seine Terroranschläge politische Motive gehabt haben.

Zugleich häufen sich die Fragen, ob der Terrorist Bruce Ivins tatsächlich ein Einzeltäter war. Im Rahmen der Anschlagserie ist eine neuartige Träger-Technologie zur Preparierung der Milzbrand-Sporen zum Einsatz gekommen, und es erscheint sehr fraglich, ob er diese ohne fremde Mithilfe entwickelte.

Wer waren die Helfer von Bruce Ivins?

Die amerikanische Blogosphäre zeigt sich unverändert interessiert am Ivins-Skandal.Technorati Bruce Ivins Chart

+++ 3. Update (6.8.2008) +++

Die weiterhin munter schlafenden deutschen Medien interessieren sich für den Anthrax-Skandal weiterhin nicht die Bohne. Inzwischen ist vom FBI umfangreich veröffentlicht worden, aus welchen forensischen Gründen Bruce Ivins in den Kreis der Hauptverdächtigen rückte. Die Washington Post schreibt:
[He] (..) came under suspicion in part because he allegedly tried to mislead investigators by giving the FBI false samples of anthrax from his laboratory. (...) [Ivins] "was the custodian of a large flask of highly purified anthrax spores that possess certain genetic mutations identical to the anthrax used in the attacks" and that he had been unable to give investigators an adequate explanation for his late-night laboratory work around the time the anthrax was mailed.
Oha. Bweisfälschung. Verdächtige Nachtarbeit. Und noch mehr - wenige Tage vor den Anthrax-Briefen soll Ivins sich per E-Mail für eine private Firma eingesetzt haben, welche einen öffentlichen Auftrag zur Produktion eines Anthrax-Impfstoffes erhalten wollte. Das war eine sehr spezielle Email:
The e-mail warned that Osama bin Laden's terrorists "for sure have anthrax and sarin gas" and had "just decreed death to all Jews and all Americans." The affidavit said the language in the e-mail was similar to warnings in the anthrax letters, such as: "WE HAVE THIS ANTHRAX. . . . DEATH TO AMERICA . DEATH TO ISRAEL."
Klar scheint jetzt zu sein, dass die Vorwürfe von Frau Duley, Ivins würde zu Hause Waffen horten, zutrafen:
During a July 12 search of Ivins's home, authorities also seized four loaded bullet magazines and other ammunition of various calibers, gunpowder, a ballistic vest, one spent bullet and "homemade yellow with silver duct tape body armor," according to the court filings. (...) More than 280 rounds of ammunition were seized (...) ranging from packed 9mm magazines to a baggie filled with 45 .22-caliber bullets on top of a bunk bed, (...) one box holding 17 .40-caliber hollow-point bullets.
Das lässt sich als Beleg für den Charakter von Bruce Ivins lesen, zudem als Bestätigung der Glaubwürdigkeit von Frau Duley, womit also die Vorstellung einer Soziopathie von Bruce Ivens gleich doppelt gestützt wird - für das eigentliche Tatgeschehen beim Anthrax-Briefterror gibt das nicht viel her. Die Motive von Ivins sind meiner Meinung nach recht unklar, so heißt es:
Asked about Ivins's motive for the attacks, Taylor said the scientist suffered from mental health problems and was concerned that an anthrax vaccination program, which had been blamed for illnesses among U.S. soldiers during the Persian Gulf war, was coming to an end despite his conviction that al-Qaeda possessed anthrax and planned to use it in biological attacks against the United States.
Der auch für seine politischen Aktivitäten bekannte Bruce Ivins hatte also ein massives Interesse an der Erzeugung einer bestimmten politischen Situation. Unabhängig von den damit verfolgten kommerziellen Interessen (ein klassischer Fall von "militärisch-politischer Komplex" übrigens), wirft das allerdings sehr viele Fragen auf, nicht nur hinsichtlich von Bruce Ivins. Beispielsweise müsste dann es dann bereits vor dem 18. September 2001 (dem Absendedatum von einigen Anthrax-Briefen) ein sehr massives US-Programm unter Bezug auf und gegen Al Kaida gegeben haben.

Huch?!
Ivins began working longer hours in mid-August 2001, logging lengthy evening shifts from Sept. 14, 2001, through Sept. 16, 2001, with another spike in late hours in early October 2001.
Das bedeutet, dass Ivins bereits vor (!) dem 11. September 2001 mit den Vorbereitungen seines Terroranschlags begann, um diesen dann unmittelbar nach dem 11. September zu verwirklichen. Das ist fast so, also ob ein "Einzeltäter" Ivins also vor dem 11.9. von einem kommenden Terroranschlag von Al Kaida wusste.

?!?
"The investigation isn't over"

Labels: , ,