Lange Randnotiz, bezugnehmend auf dieses Interview mit Osten-Sacken in der WELT (via):
Herr Osten-Sacken und sein widersinniges Pseudoexpertentum
Kaum fällt sein Name in einem meiner Lieblingsblogs, als Beispiel für die Geschichtsvergessenheit, Verbohrtheit und Verhobenheit der Antideutschen, schon bekommt Herr Osten-Sacken von der WELT ein umfangreiches Interview. Vielleicht sogar ohne Vergütung? Jedenfalls, es beginnt mit einem nur wenig verrätselten – und wirklich aufschlussreichen – Schlüsselsatz über sich selbst:
Ich bin Publizist und Geschäftsführer einer Organisation. Ich halte es mit dem guten alten Spruch: Man kann auf Identität eher verzichten als aufs Frühstücksei.
Anschließend stellt er im Interview seine eigenen Positionen in Abrede, um sich damit als guter Kumpel der Kurden und „der Araber“ zu präsentieren, deren Gastfreundschaft er so schätzt. Zum Thema Nahost fällt ihm, neben einer möglichen Zivilisierung der Bevölkerung durch deutsche Gynmnasien, in denen man lerne, „frei zu denken und zu sprechen“ noch ein, dass die Nahost-Thematik mit „Unfreiheit und Gewalt“ zu tun haben könnte. Anschließend greift er noch tiefer in die Weisheit seines Expertentums, lobt Bush, dessen Militärdoktrin, den nunmehr freien Irak und warnt vor Obama:
Zu verdanken haben die Menschen diese Befreiung unter anderem auch der Bush-Doktrin, die erkannte, dass man autoritäre Regime nicht länger stabilisieren könne. Leider geht gerade wieder Präsident Obama diesen Irrweg: Mit dem Iran reden, welcher Irrsinn. (…) [Obamas] Nahostpolitik hat keine Vision oder Idee.
Ja, reden kann Irrsinn sein – diese Meinung teile ich in Einzelfällen. Das ins Heilige erhobene Nichtreden mit ganzen Staaten halte ich hingegen für kompletten Blödsinn. Aber ein Nichtreden mit v.d.O.S.? Das ist i.d.R. eine gute Idee, die Wahn und dessen Ausprägungen meiden hilft. Jedenfalls, anschließend lobt v.d.O.S. im Interview die zivilisierende Kraft seines kleinen WADI-Radioprojektes, dessen Umfang weder den Mittelzufluss zu ihm und WADI, noch den Mittelabfluss vollständig zu erklären vermag:
Meine Mitarbeiterinnen haben heute Facebook und Internet, organisieren Treffen und Demonstrationen, während ihre Großmütter Ende der 70er vielleicht das erste Auto zu Gesicht bekamen und noch Analphabetinnen waren.
Danach warnt er, während seine kurdischen WADI-Mitarbeitereinnen im Internet surfen, vor dem Koran:
Die Unterdrückung ist zementiert. Schon im Koran festgelegt und über Jahrhunderte verschliffen.
Allein schon die Sprachschönheit seines Ausdrucks, sowie der aufklärische Beitrag, den v.d.O.S. am Leser leistet, machen klar, warum dieser Mann Publizist werden musste. Nicht zuletzt sein Kampf gegen den kurdischen Brauch der Klitorisbeschneidung lässt erahnen, worum es diesem Mann geht, und wo seine Erfolge liegen:
Jetzt wird offen darüber geredet. In Irakisch-Kurdistan war das bis 2004 ein totales Tabu. Wen immer Sie gefragt hätten, er hätte geantwortet: Das gibt es doch nur in Afrika!(…) Die Durchschnittsquote im Falle der Klitorisverstümmelung ist 72 Prozent. Drei Viertel der Frauen sind also betroffen.
Ob diese Zahlen für den kurdischen Teil des Iraks wohl stimmen? Und was genau ist eine "Durchschnittsquote"? Das ist der Durchschnitt aller Quoten vielleicht. Egal, wer will sowas schon wissen? Als Sexualwissenschaftler wiederum weiß v.d.O.S. pikante Zusammenhänge rund um die Klitoris zu verdeutlichen:
Dieses Stückchen Körperfleisch, das es bei Männern wie Frauen überall auf der Welt gibt, dient lediglich der Lust. Eine Gesellschaft, der man derart sinnbildlich die Libido nimmt, kann nicht funktionieren. Wenn ganze Gesellschaften nicht mit dem Eros umgehen können, betrifft das natürlich auch die Männer.
Zum Schluss bekräftigt v.d.O.S. nochmals seine Dankbarkeit gegenüber dem Irakkrieg, und macht klar, warum und dass die „militärische Intervention“ so lohnenswert war.
Ja. Saddam Hussein musste von außen gestürzt werden. Von innen hätte das nicht funktioniert. Die irakische Gesellschaft musste befreit werden. Die Intervention kam zu spät, man hätte schon 1991 handeln können. Gerade aber aus deutscher Perspektive muss man verstehen, dass manchmal nur die US Army oder eine andere Armee diesen Weg beschreiten kann. (…) Jetzt aber haben die meisten Iraker begriffen, dass sie ihre Probleme nicht mit Gewalt lösen können, und Organisationen wie al-Qaida sind sowohl militärisch geschwächt als auch völlig delegitimiert.
Ja, ist es nicht unendlich schön, das, was im Irak über viele Jahre hinweg geleistet wurde? Al-Kaida wurde im Irak militärisch geschwächt! Endlich! Das bestätigt dieser Experte für Kurdistan- und Nahostfragen in einer Form, die jegliches Nachdenken unnötig macht – jedenfalls, sofern jemand darüber nachdenken wollte, ob man Herrn Osten-Sacken als Experte für Nahostfragen gut gebrauchen könnte. Bush gut, Obama schlecht:
Aber Obama interessiert sich nicht für den Irak oder was eine Demokratisierung des Landes bedeutet.
Ja, ganz anders war da doch der große Demokratisierer George Walker Bush! Mindestens 2,5 Millionen Iraker sind auf dem Wege seiner „Interventionen“ nunmehr erfolgreich demokratisiert (sofern sie vorher nicht verhungert waren oder zwischenzeitlich militärisch zu Tode interveniert wuren), konkret dergestalt, dass sie die (mehr oder weniger gut funtionierenden) Demokratien des Auslands als Flüchtlinge nachhaltig kennenlernen. Das sind immerhin 10 Prozent der Bevölkerung – somit ein Riesenerfolg für die Demokratie! Wo große Erfolge zu feiern sind, lauern selbstredend auch große Gefahren. Vor allem Präsident Obama jagt v.d.O.S. Angst und Schrecken ein, denn dieser verkenne vollkommen, worum es geht:
Im Irak ging und geht es ja durchaus, und das kann man ruhig so pathetisch sagen, um einen Kampf um die Freiheit gegen ihre erklärten Feinde.
Als Historiker und Nahostexperte ersten Ranges weiß er auch zu werten, was der Parlamentarismus in Irak und Afghanistan zu bedeuten hat:
Das ergibt kurzfristig Chaos, langfristig aber Stabilität. Eine völlig neue Situation in den letzten 4000 Jahren für den Nahen Osten.
Nach 4000 langen Jahren bricht sich endlich die Zivilisation Bahn! Und exakt wegen diesem verdienstvollen Parlamentarismus (dessen afghanischen Wahlergebnisse erst mit massiver Wahlfälschungshilfe der Interventionskräfte zustande kamen), dürften die Deutschen, „das schwächste Glied“ des Militärinterventionismus, sich keine Gedanken über einen Truppenabzug und Militärabzug machen (meine Meinung: Es war auch der Abzug von US-Truppen, der im Irak zur Beruhigung der Lage beigetragen hat)
Herr Osten-Sacken jedenfalls, der sich je nach Bedarf auch Entwicklungshelfer nennt, freut sich über das umfangreich herbeigebombte „Fundament“, über ausgelöschte Dörfer und Hochzeitsgesellschaften, über den Krieg gegen ganze Städte, das vieldutzendfache Abschießen von Sanitätern aus Black Hawks, über private Söldnerarmeen und deren Praktiken – und was sonst noch so alles dazu gehört. Es hat ja alles einen Sinn!:
Jetzt bemerkt man das langfristig im Irak gelegte Fundament. Und genau das braucht es auch in Afghanistan. Auf keinen Fall darf man jetzt abziehen. Noch ist es nicht zu spät.
Für ein Mehr an Militärintervention ist es v.d.O.S. nie zu spät. Wenn es irgendwie möglich wäre, und er dies ungestraft öffentlich äußern dürfte, so wünschte er sich sofort Sara Palin an die Macht, an Stelle von Obama. Nach den dann folgenden, weitere Fundamente aufbauenden, Militärinterventionen gibt es vielleicht auch wieder mehr Geld für kleine Radioprojekte – sowie die vielen anderen Aktivitäten von v.d.O.S.!
P.S.
Nachdem ich das geschrieben habe, wundere ich mich noch mehr, erstens, warum Herr Osten-Sacken als „Geschäftsführer“ so viel Geld von der Bundesregierung bzw. den von ihr beeinflussten Organisationen erhält, zweitens, warum dieser hirnlose Schwätzer und Kriegstreiber bei Antideutschen als Respektsperson gilt (*).
P.P.S.
Meine kleine Artikelserie kommt!
Labels: Außenpolitik, Militarismus