Ich bin verstört über den Kriegstaumel, in dem sich das kleine Land Israel befindet, und ich bin entsetzt über das Hurra-Gebelfer z.B. deutscher und amerikanischer Neocons, welche die massiven militärischen Handlungen Israels vorbehaltlos bejubeln, völlig unabhängig oder sogar noch angefeuert von den durchaus umfangreichen zivilen Schäden, die damit einhergehen.
Die außenpolitischen Falken freuen (!) sich über die militärische Eskalation, und äußern überwiegend Worte der Genugtuung, was man durchaus als tendenziell
antisemitisch auffassen kann, jedenfalls zumindest als
Kriegs- und Militärbegeisterung auf Kosten jüdischer Menschen.
Wer eine differenziertere Sicht auf diese Ereignisse lesen möchte, direkt aus Israel, dem empfehle ich dieser Tage die
Letters from Rungholt. Lila bietet interessante Links und auch denen Stoff zum Nachdenken, welche wie ich wenig erfreut sind über den aktuellen Waffengang.
Meine persönliche Position:
Ich halte es für kaum möglich, den Terror der Hisbollah mit massiven militärischen Mitteln dauerhaft zu besiegen. Man muss keine Kraftwerke im Libanon bombardieren.
Stattdessen sollte Israel, sofern es überhaupt militärisch vorgeht, gezielter vorgehen, und sogar möglichst in Beratung und Abstimmung mit der libanesischen Regierung. Das wäre möglich gewesen. Die gute Nachricht lautet: Es ist sogar jetzt noch möglich.
Die schlechte Nachricht lautet: Was wir gerade an Eskalation erleben, ist auch ein Ausdruck eines fast schon autistische Züge aufweisenden militärischen Chauvinismus. Der Angriff auf israelische Soldaten, die aktuelle Entführung, wird in Israel sehr empfindlich aufgenommen, sogar empfindlicher als Angriffe auf Zivilisten. Das israelische Militär hat vor diesem Hintergrund die Gelegenheit zur Eskalation behende ergriffen. Zudem erleben wir
im Moment ein erneutes Versagen amerikanischer Außenpolitik.
Ich halte es aber für sehr gut denkbar, dass das diplomatische Geschick von Frau Rice noch zum Tragen kommen wird, und dass sich die Lage schon bald entspannen wird. Thomas Kleine Brockhoff führt
in der Zeit einige Gründe an, auch dafür, dass Krisen-Vermittlung selten kurzfristig funktioniert. Lesenswert ist auch der Kommentar in der internationalen Ausgabe der Haaretz zum Libanonkrieg, in dem ein "
Time out in the fighting" gefordert wird.
Obwohl ich grundsätzlich eine Position teile, welche Shulamit Aloni nahe ist, habe ich die Hoffnung, dass sich die Kriegshandlungen in wenigen Wochen, vielleicht schon in wenigen Tagen beruhigen werden! Israel legt keinen Wert auf die Besetzung des Südlibanon, sondern will der Hisbollah eine Abreibung verpassen - wir werden keinen neuen Nahostkrieg erleben.
Einfacher ist ein künftiger Nahostfrieden dadurch jedoch nicht geworden, auch deshalb, weil die Extremisten in allen Lagern verstärkten Zulauf erhalten werden.
Oh, wie unselig und verheerend wirkt die Macht der Gewalt!
P.S. Meinen Lesern und Leserinnen ist sicherlich eine Randbemerkung beim Besuch von Bush aufgefallen, nämlich, dass er seiner Freundin Merkel zuliebe in Bezug auf den Iran weiterhin auf Diplomatie setzt. Das ist einerseits beruhigend; und es ist andererseits in doppelter Hinsicht beunruhigend: Erstens, ähem, weil ich Merkel hier loben muss, zweitens, weil dies Bushs generelle Nähe zu militärischen Optionen indirekt bestätigt, und vielleicht sogar auch, wie nahe ein Krieg der USA mit dem Iran bereits war.