02 Oktober 2008

Das "neue" Rettungspaket für den Finanzmarkt ist übler. Die Amis haben einen Knall.

Es gibt hierzulande den Reflex, bei schwer verständlichen Nachrichten aus den USA zunächst zu denken: "Die Amis haben einen Knall.". Das ist meiner Meinung nach, trotz bedauerlicher Reflexhaftigkeit, kein Antiamerikanismus, sondern leidvolle Erfahrung. Ein neues Beispiel für die Gültigkeit des Knall-Theorems bietet die aktuelle Finanzmarktkrise.

Aus einem dümmlich-stereotypen Antistaatsreflex heraus sperrten sich US-Republikaner (aber auch: Teile der Demokraten) im Repräsentatenhaus gegenüber dem deutlich klügeren Dodd-Plan, der die Banken massiv zu Gegenleistungen verpflichtet hätte und für die Steuerzahler erheblich günstiger gekommen wäre. Sie sperrten sich aber auch gegen den von der Bush-Administration erarbeiteten Paulson-Bernanke-Plan (ein Totalbailout für den Kreditjunk privater Geschäftsbanken).

Denn das alles sei - aus typisch amerikanischer Perspektive betrachtet - "Sozialismus". Man könnte auch, wie Peter Mühlbauer es sagt, von "Corporate Welfare" sprechen. Staatsknete für Zocker. Mühlbauer schreibt dazu treffend:
Während der Bezug von staatlichen Hilfen für Kranke, Behinderte und Arme streng reguliert ist, findet sich im 700-Milliarden-Dollar "Rettungspaket" abgesehen von unverbindlich formulierten Kleinigkeiten weder etwas zu einer Gegenleistung der zu rettenden Banken, noch zu Regulierungen, die so etwas in der Zukunft verhindern könnte.
Heute nun wird der Paulson-Bernanke-Plan vom Repräsentantenhaus durchgewunken werden, aufgrund einiger Änderungen. Was für Änderungen?

Hier kommt nun das Knall-Theorem zum Einsatz: Es handelt sich hierbei nämlich nahezu unverändert um den alten Paulson-Bernanke-Plan eines totalen und gegenleistungsarmen Bailouts, allerdings ergänzt um ein Steuersenkungsprogramm (!) für Unternehmen (!), womit die Staatsverschuldung noch weiter nach oben getrieben wird. Total irre. Noch mehr Corporate Welfare.

Das ist eigentlich ziemlich ironisch, auch deshalb, weil die verantwortungslosen Steuersenkungen der Regierung Bush für die Wohlhabenden zu den bedeutenden Krisenursachen zu rechnen sind, neben dem Deregulierungswahn und dem Rüstungskeynesianismus der Regierung Bush. Und wie ein Drogenabhängiger, der immer mehr vom giftigen Stoff will, möchten die US-Republikaner nun von dieser Droge mehr bekommen.

Sie wollen noch mehr Sozialismus, noch mehr Staatsverschuldung, noch mehr Verantwortungslosigkeit: Für die Reichen, für die Wohlhabenden und die Konzerne. Die Demokraten im Repräsentatenhaus werden bei diesem Schrott heute mitmachen, auch deshalb, damit sie nicht mitten im Gipfelpunkt des Wahlkampfes als Neinsager und Verhinderer des "Rettungs"paketes angeschwärzt werden wollen.

Kurzum: Die Amis haben einen Knall.

P.S.

Die Ablehnung von Dodds Plan wurde öffentlich von den Republikanern anders begründet:
Kevin Smith, a spokesman for House Republican Leader John Boehner, said the speed with which Dodd's plan was put together was designed ``to deny Senator McCain a role in trying to craft a bipartisan solution.'' (Quelle)
Ich hoffe, die Hintergründe werden damit klarer. Für uns in Europa ist ein schlechter und fehlerhafter "Rettungsplan" keine gute Nachricht, zumal Sarkozy und die EU sich gerade anschicken, diesen Dreck zu kopieren.

(Das wäre die transatlantische Seite des europäischen Anti-Amerikanismus: Wir können in einem Atemzug sagen: "Die Amis haben einen Knall", und kopieren anschließend von den Amerikanern genau das, was wir ablehnen.)

+++ Update +++

Mehr Hintergrundinformationen! Die von den Republikanern angestrebte Erweiterung des Bailout-Planes sieht folgendermaßen aus - um folgende absurde Erweiterungen geht es konkret:

Neue Steuersenkungen:

für Film- und Fernseh-Produktionen (Section 502)
für Holzpfeile zur Verwendung durch Kinder (Sec. 503)
für die prozessführenden Parteien im 89er Exxon-Valdez-Unfall in Alaska (Sec. 504)

Verlängerungen bisheriger Steuersenkungen:

für Rum aus den Virgin Islands und Puerto Rico (Sec. 308)

(Finanzkrise: Rum wird für Krisenbetroffene dringend benötigt.)

für American Samoa (Sec. 309)
für Minenrettungsfirmen (Sec. 310)
für Minensicherheitsausrüstungen (Sec. 311)
für die einheimische Produktion in Puerto Rico (Sec. 312)
für indianische Stämme (Sec. 314, 315)

(Das dürfte u.a. das Glücksspiel betreffen - und insofern passt dies zur Finanzkrise und den Ursachen.)

für Eisenbahnstrecken (Sec. 316)
für Rennstrecken für Autorennen (Sec. 317)
für den wohlhabenden Regierungsbezirk Washington DC (Sec. 322)
für die Woll-Forschung bzw. die hier tätige Agrarindustrie (Sec. 325)

(Quelle - es wirkt wie Satire)

Das Kalkül der Republikaner lautet dabei, dass die Demokraten diese Kröten fressen müssen, wenn sie ihren Präsidentschaftskandidaten nicht beschädigen wollen:
It would be a disaster for Democrats for this not to pass (...) Democrats have to deliver. I don’t know how you could let this fail — you can’t.

Labels:

2 Comments:

At 02 Oktober, 2008 11:15, Blogger Esther said...

Sehe ich genauso! Leider haben wir in der Schweiz Erfahrung mit staatlichen Rettungspaketen für bankrotte Privatunternehmen, die "to big to fail" sind (Swissair). Damals wurde auch vom Steuerzahler aus der Patsche geholfen, ohne dass der Staat finanziell von den Früchten der Rettung / dem Neustart profitieren konnte.

 
At 02 Oktober, 2008 15:11, Blogger John Dean said...

@ esther brunner

Hey, das finde ich ja schön: Du lebst ja noch bzw. Du kommentierst ja noch!

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home