15 September 2008

Latent antisemitisch: Corporate Cannibal von Grace Jones

Mancher Blogger, der ansonsten vor Bildung kaum noch laufen kann, feiert in seiner Gedankenlosigkeit einen latent antisemitischen Song von Grace Jones - und zwar so, als ob dieser Käse die Inkarnation gelungener Kapitalismuskritik sei. Erstaunlich; auch kluge Menschen fallen auf sowas rein. Vielleicht ist es auch so: Ausgeprägte Weltanschauungen erzeugen selektive Blindheit bzw. wirken als "brain eating machine". Diskussion bei NUB.

Ich muss allerdings zugeben, erstens, dass ich "Corporate Cannibal" trotz seiner grobschlächtigen Emotionalität ästhetisch interessant finde. Zweitens, dass man nicht von jedem verlangen kann, dass er sich mal den Songtext anschaut. Da steht halt die Vokabel "masonical" als Chiffre für die Juden. Drittens, dass dieser Song (youtube) ohne sein Freimaurergebrabbel eine künstlerisch ansprechende Form von Kapitalismuskritik gewesen wäre. Viertens, dass ausufernde Konzernmacht im Kapitalismus kritisierenswert ist - und auch aufgrund ihres Kannibalencharakters.

Besitzen die Mächtigen Übermacht, gestalten sie das System nach ihren eigenen Regeln, so ruinieren sie damit das eigene System - nicht nur Finanzmärkte (aktuell: Bankrott von LBH). Schlimmer noch, sie deformieren das System in vielen Bereichen zur man eating machine. Wo Geld zum Götzen wird, zählen Menschen zuwenig - bestenfalls als "Humankapital". Insofern kann man sagen:

Wenn man den Mächtigen nicht die Hände bindet, schlagen sie dich damit tot.

Labels: , ,

18 Comments:

At 16 September, 2008 10:47, Anonymous Anonym said...

Auf der Suche nach den - bislang quasi unauffindbaren - Original-Lyrics zu "Corporate Cannibal" stolperte ich über diesen Blog und bin jetzt etwas irritiert.

Denn
a) wurde der Text nach Gehör von einem nicht Muttersprachler abgeschriebenen, darum wundert es mich
b) in weiterer Folge nicht, dass es "masonical" gar nicht gibt.

Ich lasse mich aber gerne eines besseren belehren.

Abgesehen davon finde ich es etwas hastig "Freimaurertum" mit "Judentum" gleichzusetzen.

 
At 16 September, 2008 11:59, Blogger John Dean said...

@ herr rabies
Hmm, interessante Anmerkungen. Ich meine zwar, dass ich "masonical" im Song mehrmals deutlich gehört habe - aber ich werde deinen Hinweisen nachgehen.

 
At 16 September, 2008 12:58, Anonymous Anonym said...

Da hat noch jemand masonical verstanden: http://coilhouse.net/2008/07/09/the-triumphantly-warped-return-of-grace-jones/

Es ist aber wirklich schwer, dazu schon was Offizielles zu erhalten.

 
At 16 September, 2008 14:18, Blogger John Dean said...

@ herr rabies | NUB

Hört euch den Song mal ab Stelle 2:21 genauer an. Eindeutiger geht es kaum - da benötigt man keinen ausgebufften Muttersprachler, um es zu entdecken.

Dementsprechend hörten auch die folgenden Blogger das Gleiche:
hier, hier, hier, und hier.

[Außerdem findet man - falls es interessiert - eine Diskussion rund um den Song und die Postmoderne. Aber das ist ein anderes Thema]

Die Art und Weise, wie hier "freimaurerisches Blut" in typischer Weltverschwörer-Ideologie eingeführt wird, ist eindeutig antisemitisch: Hinter dem Kapital stehen nach Aussage des Songs also Leute, in denen das Blut von "Freimaurern" fließt.

Ich kenne niemanden, der eine derartige Aussage tätigt, der kein Antisemit ist.

Dazu passt - leider - auch die Songzeile "your meat is sweet to me", was ebenfalls nur in einem antisemitischen Kontext Sinn macht. Ein auf Blut und Menschenfleisch sinnenender "Freimaurer" ist sehr eindeutig ein typisches antisemitisches Klischee bzw. eine Chiffre für das "Finanzjudentum".

 
At 16 September, 2008 14:26, Anonymous Anonym said...

@ john dean und neueseundbekanntes

Auch ich höre "masonical". Alleine, das www spuckt dazu nichts aus. Auch leo.org scheitert.

Ausserdem fand ich im englischsprachigen Feulleton keinerlei hinweise auf einen (latent) antisemitischen kontext. Vielleicht weil Freimaurertum und Judentum nicht zwingend zusammenhängen?

 
At 16 September, 2008 17:22, Blogger Christian Soeder said...

Ein auf Blut und Menschenfleisch sinnenender "Freimaurer" ist sehr eindeutig ein typisches antisemitisches Klischee bzw. eine Chiffre für das "Finanzjudentum".
Davon habe ich noch nie etwas gehört. Und auch nicht davon, dass Kritik am Freimaurertum versteckter Antisemetismus ist.

Im englischen Wikipedia-Artikel taucht "jew" nur einmal auf: "Some Muslim anti-Masons argue that Freemasonry promotes the interests of the Jews around the world and that one of its aims is to rebuild the Temple of Solomon in Jerusalem after destroying the Al-Aqsa Mosque."

Meiner Meinung nach wird hier krass überinterpretiert. Ich kenne Grace Jones' Gesamtwerk nicht, kann es also nicht beurteilen; aber wenn sie nicht schon früher einmal durch Antisemetismus aufgefallen sein sollte, finde ich den Vorwurf völlig übertrieben und haltlos. Dafür braucht man schon bessere Belege.

 
At 16 September, 2008 17:22, Blogger Christian Soeder said...

Link zum Wikipedia-Artikel vergessen:
http://en.wikipedia.org/wiki/Freemasonry

 
At 16 September, 2008 23:24, Blogger John Dean said...

@ christian soeder

----- schnipp -----
Davon habe ich noch nie etwas gehört. Und auch nicht davon, dass Kritik am Freimaurertum versteckter Antisemetismus ist.
----- schnapp -----

So generell natürlich nicht, wobei ich "Kritik am Freimaurertum" schon ziemlich seltsam finde.

Nur - es hängt von der Form ab. Wenn "die Freimaurer" als Strippenzieher hinter dem Kapitalismus angesprochen werden, dann handelt es sich dabei enorm oft um die Verschwörungsideologie von Rechtsextremisten und Antisemiten: Hier wird "freimaurerisch" zur Chiffe. Was soll zum Beispiel "freimaurerisches Blut" bedeuten?

Wessen Blut genau?

Google dich doch mal ein wenig: hier durch.

Wer mit den Querfront-Grüppchen der extremen Rechten (z.B. antisemitischen Freigeld-Sektierern) bislang nichts zu tun hat, für den ist es vermutlich nicht sehr naheliegend, dass mit "Freimaurerisches Blut" am Ende Juden gemeint sind.

Aber nehmen wir mal an, die Songaussage wäre nicht als antisemitische Chiffre gedacht gewesen:

1. Sind Freimaurer eine Rasse, die ihr "Blut" von Generation zu Generation weitervererben?

2. Ist es eine gute Kapitalismuskritik, wenn man meint, dass "Freimaurer" hinter dem Kapitalismus stehen und die Welt lenken?

Ich bin mir da ziemlich sicher; beides trifft nicht zu.

 
At 16 September, 2008 23:49, Blogger Christian Soeder said...

Ist es eine gute Kapitalismuskritik, wenn man meint, dass "Freimaurer" hinter dem Kapitalismus stehen und die Welt lenken?
Nein. Aber das habe ich ja auch nicht gesagt. Ich fand nur den Vorwurf Antisemetismus so haarsträubend, dass ich ausschließlich darauf eingegangen bin.

Die Feststellung, Kritik an der weltweiten Wirtschaftsordnung ist zu billig, wenn sie sich hinter unhaltbaren Verschwörungstheorien verschanzt, trifft natürlich zu. Ohne Frage. Ich halte nichts von Verschwörungstheorien im Allgemeinen und von so weltumspannenden Theorien wie einer allmächtigen Freimaurerloge die alles lenkt noch viel weniger.

Aber lässt man den einen Begriff "masonical" mal weg, finde ich das Werk durchaus gelungen. Sogar sehr.

 
At 29 September, 2008 23:45, Anonymous Anonym said...

Mit Interesse verfolge ich die Diskussion um das neue Jones-Lied, welches ich, das sei mir an dieser Stelle gestattet zu verkünden, ganz grossartig finde - lyrisch als auch musikalisch halte ich es für einen ganz grossen Wurf und die lang erwartete frische Brise in der grottenschnarchigen, selbstgefälligen Popwelt.

Zunächst würde ich gerne anmerken, dass Grace Jones bisher noch NIEMALS aufgrund antisemitischer Äusserungen oder Textzeilen oder ähnlichem aufgefallen ist. Aus welchem Grund sollte sie es denn jetzt? Das macht keinen Sinn, betrachtet man die Musik und auch zahlreiche Interviews mit der Frau genauer. Für Antisemitismus oder Rassismus jeglicher Art ist Frau Jones schlicht viel zu intelligent.

Inwieweit die Kapitalismuskritik des Liedes zu platt oder billig geraten ist, darüber kann man sich streiten. Ich persönlich halte sie für weder platt noch billig, sondern für durchaus gelungen, oder eher: pointiert. Wollen wir eines nicht vergessen: der Text ist eingebettet in eine Musik, die der Popmusik zugehörig ist. Wie bitte schön sollte man nun einen kapitalismuskritischen Text innerhalb dieses Sujets denn gestallten, dass er auch einer intellektuellen Elite zugänglich erscheint, ohne gleich als billig abgetan zu werden? Wie gesagt: es darf gestritten werden.

Darüber hinaus habe ich mich durch die zahlreichen Links in den Postings gearbeitet und musste doch feststellen, dass der Begriff "Freimaurer" weit interpretierbar ist und im Sinne des Textes von Grace Jones, meiner Meinung nach, wohl am ehesten als "(hermetische oder bisweilen gar unsichtbare) Gemeinschaft mit einem gemeinsamen, ausgesprochenen Ziel" zu deuten ist. Eben dem Ziel, die gierige, menschenfressende Maschine namens "Kapitalismus" weiter voranzutreiben, am Leben zu erhalten. Ich halte es für geradezu wahnwitzig in diesem Zusammenhang mit Begriffen wie "Antisemitismus" rumzufuchteln. "Your meat is sweet to me"... ist eindeutig antisemitisch? Hm. Verzeihung, aber heisst das Lied nicht einerseits "Corporate Cannibal" und ist andererseits diese Metapher des "Sich selbst auffressens" eine spektakuläre neue, so dass man gleich auf Antisemitismus schliessen könnte, da ja Kapitalismus noch nie nie nie zuvor mit Kannibalismus gleichgesetzt wurde? Das halte ich für doch sehr an den Haaren herbei gezerrt und ein wenig paranoid.

Wie wahnwitzig diese Interpretation ist, das dürfte auch durch die Tatsache belegt werden, dass, wäre der Text tatsächlich antisemitisch, die Plattenfirma der Veröffentlichung sofort einen Riegel vorgeschoben hätte. Und davon abgesehen: Warum sollte eine Frau, die drei Jahrzehnte lang dem Bild der passiven, schwarzen Frau solch einen intelligenten und kraftvollen Gegenentwurf gegenüberstellte nun hinter dem Kapitalismus eine jüdische Verschwörung erkennen und besingen? Äh... wie bitte???

Weder ist es von dem Autor dieses Blogs irgendwie präzise oder auch nur ansatzweise glaubhaft belegbat worden, noch ist es auch nur im allergeringsten mit dem Gesamtkunstwerk von Grace Jones zu vereinbaren.

 
At 30 September, 2008 10:24, Anonymous Anonym said...

...noch etwas: Könnte man dem Video in Verbindung mit dem Text nicht auch ganz lässig Rassismus vorwerfen? Jones singt von sich, dass sie eine "man-eating-machine" ist. Und, oh je, sie ist schwarz. Könnte man aus diesem Sachverhalt nicht auch ableiten, dass alle dunkel-pigmentierten Menschen "man-eating-machines" sind??? Man hätte die Frau in dem Video ja auch weiss einfärben und vor eine schwarze Wand stellen können. Ist diese Darstellung nicht "latent" rassistisch? Ich finde, wenn schon angestrengt in den Krümmeln gesucht wird, dann aber richtig...

 
At 30 September, 2008 11:05, Anonymous Anonym said...

“Latent antisemitische Scheiße” nennt es Herr Dean. Mit Verlaub und ohne dem Herrn zu nahe zu treten… Die Abhandlung sagt nichts, rein gar nichts, über Song und Video von Grace Jones aus. Allerdings eine Menge über Herrn Dean. Zunächst werden hier Pop-Song und wissenschaftliche Abhandlung zum Kapitalismus miteinander verwechselt. Die Erwartung, der Songe müsse eine wissenschaftliche Analyse des kapitalistischen Systems darstellen, ist lächerlich, ja, geradezu ignorant.

Song und Video sind eine wütende Abrechnung mit dem Kapitalismus. Sie schockieren (sofern das heute überhaupt noch möglich ist)polarisieren, provozieren und allein diese Tatsache spricht meines Erachtens schon für ihre Qualität. Wo findet man eben genau das, was Jones uns hier bietet, in der gegenwärtigen Landschaft der populären Musik sonst?

Desweiteren lässt sich der Vorwurf des vermeintlich “latenten (?) Antisemitismus” mich nur einer einzigen Liedzeile entkräften: “EVERY man, woman and child is my target”. Oha: EVERY. Die “Opfer” bzw. Zielscheiben sind somit JEDER Mann, jede Frau, jedes Kind. Meine monatelange Recherche hat nun ergeben, dass “EVERY” alles und jeden beinhaltet. Was bedeutet: auch Christen, Muslime und, oha, JUDEN. Ach weh. Und nun? Vielleicht liesse sich ja aus der Schuhgröße von Frau Jones ein wenigstens halbwegs adäquater Vorwurf ableiten. Oder aber, was vielleicht auch ginge, man wirft Grace Jones vor, alle antikapitalistischen Satanisten zu diskriminieren und zu diskreditieren, schliesslich taucht ja das Wort “satanical” in den Lyrics auf.

Es ist ein wenig ärgerlich, wie Herr Dean wortgewandt das Antisemitismus-Fass aufmacht, dieses aber nicht im geringsten zu belegen weiss, sondern sich lediglich auf eigene (Fehl-)Deutungen und irrwitzige Interpretationen beruft. Nicht minder ärgerlich ist der vermessene Anspruch, ein Pop-Song müsse, wenn er sich mit Kapitalismus auseinandersetzt und diesen auch wagt anzuklagen, das Ausmass und die Dimension einer wissenschaftlichen Abhandlung aufweisen. Hier hat offensichtlich jemand die Begriffe “Pop-Musik” und “Pop-Kultur” nicht so ganz verstanden

 
At 10 Oktober, 2008 11:09, Anonymous Anonym said...

entschuldigung bitte:
pathologische hyperwehleidigkeit gepaart mit einem psyeudoreflektierten beißreflex machen menschen nicht unbedingt sympathischer ...

 
At 12 November, 2008 11:06, Anonymous Anonym said...

..und wenn's so wäre, wie Herr Dean sagt...was wäre dann zu tun...?

Zensur ? *lach* Zensur ist ja höchstes Niveau +kreisch*

Ob sie das mit 'masonical' wirklich die Jay's meint, ist Ihre Sache.

Meinungsfreiheit !

 
At 12 November, 2008 11:08, Anonymous Anonym said...

...oder muss sich Frau Jones als farbige Frau dann auch bei ''der Gemeinde'' entschuldigen ...

the finance industry strikes back

 
At 24 November, 2008 23:06, Anonymous Anonym said...

Ich finde es wunderbar, wie Frau Jones es noch immer schafft die Massen zu spalten, zur Diskussion aufruft etc....
Ich wünsche Frau Jones viel Spaß bei ihren weiteren Extravaganzen

 
At 08 Dezember, 2008 11:25, Anonymous Anonym said...

Wie schon einige Male zuvor gesagt: Der Antisemitismus-Vorwurf wirkt mehr als bemüht. Entsprechend unglaubwürdig ist auch schliesslich der Versuch geraten, eben jenen Vorwurf zu belegen. Hier wurde schlampig recherchiert und eigene Interpretationen als Tatsachen deklariert. Nee, das geht ja nun mal gar nicht.

 
At 13 April, 2009 23:57, Anonymous Anonym said...

Dein Versuch, Grace Jones' Kapitalismuskritik durch die Gleichsetzung von freimaurerisch mit antisemitisch als antisemitisch zu diffamieren, ist nicht der Diskussion wert. Höchstens erstaunlich, daß es so viele Menschen gibt, die es für möglich halten, daß da etwas dran sein könnte. Fragt sich nur, welches Interesse du haben könntest, eine Kritik an Freumaurerei (und anderen verdeckt politisch tätigen Geheimgesellschaften) mit solch verachtenswerten Methoden zu unterdrücken.

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home