Analyse: Negativpunkte von Barack Obama
Ich bin beim Spiegelfechter gebeten worden, die politischen Vorstellungen von Barack Obama detailierter darzustellen und zu analysieren, und ich beginne mit vier Mängeln (davon drei zentrale Talking Points der Clintonkampagne). Es gibt sicher noch mehr Mängel, aber loben möchte ich vorab die Transparenz der Obamakampagne. Man findet auf der zentralen Obamawebseite z.B. gute und offene Stellungnahmen zur Kritik an Obama, sowie überraschend konkrete und umfassende Ideen zur Gestaltung von "change" für Amerika. Trotzdem möchte ich mit den Mängeln beginnen. Mein nächster Beitrag wird die Ideen zur Gesundheitsreform des Clinton- und Obamalagers vergleichen.
(Vorsicht! Längerer Artikel!)
Obamas Mängel
1. Zustimmung zur Verlängerung des Patriot Act im März 2006.
Obama sagte zwar schon im März 2006, dass der damals ausgehandelte Kompromiss „far from perfect“ sei, aber es ist in meinen Augen ziemlich erschreckend, dass er die damals mit der Bush-Administration ausgehandelten Verbesserungen für bedeutsam hält. Im Kongress haben 2/3 aller demokratischen Abgeordneten dagegen gestimmt, im Senat die Hälfte. Obama stand auf der falschen Seite, was vielleicht auch damit zu tun hat, dass er im Vorfeld an den Kompromissverhandlungen beteiligt war.
Diese „far from perfect“-Formel ist in meinen Augen im Wesentlichen eine rhetorische Formal, aber sie gibt Aufschluss über das typische Verhalten von Barack Obama. Wenn aufgrund der Mehrheitsverhältnisse etwas anderes als ein Kompromiss nicht zu erreichen ist, dann schluckt er auch Kröten. Und, immerhin, er nennt die Kröte dann immer noch Kröte.
Trotzdem war es ein Fehler, und die hier sichtbare Kompromissbereitschaft sieht zudem auch inkonsistent aus, weil er 2001, zu einem Zeitpunkt, wo Bush eine nahezu uneingeschränkte Zustimmung auch von den Demokraten erhielt, mutig genug war, um sich auch deutlich gegen den Patriot Act auszusprechen.
2. Nachträgliche Billigung des Irakeinmarsches
Die Clintonkampagne behauptet, Obama hätte den Irakeinmarsch im Nachhinein befürwortet, indem er für seine Finanzierung gestimmt hätte. Ich kann das zur Zeit noch nicht ganz nachvollziehen. Barack Obama verfolgt eigentlich eine konsistente, moderat-antimilitaristische Linie und setzt auf den Rückzug aus dem Irak, allerdings gibt es hier jedoch mit eine Ausnahme: Die Finanzierung des Irakkriegs.
Leider steige ich im Moment durch die diversen Abstimmungen und Verhandlungen im Zusammenhang mit den Gesetzen zur Finanzierung des Irakkriegs nicht ganz durch. Sicher ist, dass Obama kontinuierlich den Abzug der Truppen gefordert hat. Einige Gesetze zur Irakkriegsfinanzierung hatten Kompromisscharakter und boten auf anderen Politikfeldern deutliche Vorteile. Ich kann es im Moment aber nicht genau sagen, wann er wie und warum zugestimmt hat. Es ist mir zu undurchsichtig, aber ich bleibe am Thema dran. Sicher jedenfalls ist, dass Clinton deutich eher der Liebling der Militärindustrie sein muss, da sie einen wachsenden Militäretat und eine eher konfrontative Außenpolitik ankündigt, während Obama Diplomatie, Nichtverbreitung von Atomwaffen und Abrüstung in den Vordergrund rückt. Nur ist im Moment unklar, wie konkret das jeweils ist, wie sich die Positionen entwickelt haben und was davon nur Worte sind.
3. Sehr großes bis blindes Vertrauen auf Marktprozesse
Ich persönlich halte seine ziemlich ordoliberale Marktorientierung von Obama für einen Pluspunkt, aber für viele seiner Unterstützer ist folgende Haltung (wo es m.E. gut herauskommt), ziemlich schwer zu schlucken:
„To deal directly with climate change, something we failed to do in the last energy bill, we should use a market-based strategy that gradually reduces harmful emissions in the most economical way.”
4. Zustimmung zu Cheneys Energiegesetz – Haltung zu Lobbyismus
Das Energiegesetz von Cheney ist ein großes Desaster. Es verschafft ausgerechnet den gewinnstarken Öl- und Nuklearkonzernen massive Steuererleichterungen. Barack Obama hat hier zugestimmt, und sich gleichzeitig darum bemüht, diese Steuererleichterungen mit ergänzenden Gesetzesmaßnahmen zu kassieren.
Man kann das naiv nennen, und naiv nenne ich die Rechtfertigung von Obama:
„This bill should be the first step, not the last, in our journey towards energy independence.”
Ein unzulängliches Argument zur Rechtfertigung des „energy policy act“, wie ich finde. Hier kann man vermuten, dass die Zustimmung von Obama mit seiner Beteiligung an Kompromissverhandlungen zusammenhängt, besonders mit dem Teil, wo für „E-85“ (einem Ethanol-Gas-Gemisch) Steuervorteile eingeräumt werden. Nun muss man dazu allerdings anmerken, dass auch dieser Teil des Gesetzes problematisch war. Mit 92 Ja-Stimmen bei 4 Nein-Stimmen war es vermutlich keine Stimmung im Senat, wo ein Widerspruch leicht fällt. Nun, McCain (der einzige republikanische Neinsager) war das Gesetz viel zu lobbyistenfreundlich.
Schärfer formuliert: Wenn in einem Gesetzespaket nur ein Hauch von Kompromiss oder seine eigene Handschrift enthalten ist, dann macht Barack Obama jeden Mist mit. Danach hat Obama wohl gesehen, dass er einen Fehler gemacht hat und hat sich seit 2005 immer wieder und sehr kontinuierlich darum bemüht, dass den Öl- und Nuklearfirmen ihre Steuergeschenke (etwa 7 Milliarden US-Dollar) wieder genommen werden, zumal er darüber verärgert war, dass Präsident Bush den Kongress und den Senat mit dem Energy Bill ausgetrickst hat, indem er vorwiegend die Teile ins Gesetz übernahm, welche seinen Freunden in der Öl- und Nuklearindustrie nützen.
Die Macht des amerikanischen Präsidenten, Gesetze nach seinen Geschmack zu deformieren, wurde unterschätzt. Nun – so kann man Barack Obama erneut naiv nennen. Andererseits: Vielleicht steckt in dieser Geschichte auch ein Teil der Erklärung dafür, warum Barack Obama die Präsidentschaft mit aller Macht anstrebt. Obama nennt seine Ziele im Zusammenhang auch mit dem energy bill und der Lobbyisten-Übermacht: „to clean Washington“ und „to clean the oval office“. Er will aufräumen.
Darüber hinaus kann man und muss kritisieren, dass hier vor allem mit dem Mittel von Steuersubventionen gearbeitet wird. Das ist leider eine Attitüde, die nicht nur insgesamt typisch ist für die amerikanische Politik bzw. für die Bush-Administration, sondern ganz typisch für ihn. Barack Obamas Reden „gegen den Einfluss von Lobbyisten“ machen recht wenig Sinn, wenn er bei derart zentralen Fragen so leicht einknickt.
Andererseits kann man auch konstatieren, im Gegensatz zu Hillary Clinton, dass Obama seine Position im Vorfeld seiner Kandidatur geschärft hat. Man kann das Lernprozess nennen. Was er hier auf seiner Kampagnenseite schreibt, das kann man m.E. jederzeit unterschreiben:
"If lobbyists for well-heeled interests in Washington are setting the agenda on the farm bill, in the energy bill, on health-care legislation, and if we can't overcome the power of those lobbyists, then we're not going to get serious reform in any of those areas," he said. "That doesn't mean they don't have a seat at the table. We just don't want them buying every chair."
Mr. Obama has taken money from lobbyists registered in his home state of Illinois, some of whom have federal interests. When lobbyists registered in Washington have given money to his campaign, he has returned it. Mr. Obama said he accepts that lobbyists have a legitimate role in Washington, but he said they now hold too much power.
"When they've come to so dominate the debate that ordinary citizens' interests and viewpoints and concerns are drowned out, then I think we've got a problem," Mr. Obama said
Für mich klingt das glaubwürdig.
Einige der verwendeten Quellen: Hier, hier, hier und hier. Trotz meiner Kritik, die ich noch deutlich erweitern werde: Obama ist besser als Kennedy. Und weitaus besser als Hillary Clinton.Labels: USA
8 Comments:
Nachvollziehbar.
Die deutsche Jounaille will trotzdem lieber Hillary. Die kennt man.
-> http://feynsinn.org/?p=696
Climate change is still very controversial in the US.
Americans will not elect a president who advocates radical policies regarding climate change, and they will be wary of those who suggest incremental changes. (Perhaps Al Gore could have won the nomination of his party, but I don't think he'd win the national election.)
Speaking in terms of market-driven solutions and energy independence is the only way a liberal can get widespread support for making changes in this area.
Ich war mit der Obamakampagne in New Hampshire und bin jetzt "Field Organizer" in Maine. Wir haben es leider nicht geschafft in New Hampshire, aber ich bin troztdem optimitisch. Es ist erstaunlich, wieviele juengere Waehler, Unabhaengige, und Leute die bisher nie gewaehlt haben, wegen Obama jetzt zum ersten Mal an dem demokratischen Prozess teilnehmen.
Barack Obama ist ein "Tansformational Leader", der eine neue Idee von Amerika verkoerpert.
Natuerlich ist Obama nicht perfekt, und ich finde Deine Analyse fair und objektiv.
Krugman kritisierte vor 2 Tagen oder so in der NYTimes, dass Obamas Reaktion auf die nun drohende Rezession weitgehend in einem länger angekündigten Steuer-Senkungsprogramm besteht. Vor allem, da schon von Bush Steuersenkungsprogramme - die weitgehend den Reichen zugute kamen - ex-post als Anti-Rezessions-Maßnahme verkauft wurden.
(http://tinyurl.com/yrwkb8)
Find das ist schon ein Punkt. Bin zwar kein Experte in amerikanischer Steuerpolitik, aber irgendwie gewann man schon den Eindruck, dass sich das in den letzten Jahren schon ziemlich zugunsten der Besserverdienenden verschob. Bin zwar kein Sozialist, aber da zumindest in G8 Staaten Reichere eher von der Globalisierung profitieren als Ärmere, würd ich von einem demokratischen Präsidentschaftskandidaten etwas anderes erwarten. Weiss jemand, wie diese Steuersenkungsprogramme ungefähr aussehen?
@lemmy caution
Ja, Obamas Programm ist an diesem Punkt sehr einfach. Die "tax cuts" der Bush-Zeit werden aufgehoben, und dafür die Steuersenkungen verwirklicht, welche jedem (!) arbeitenden Amerikaner den exakt gleichen Betrag gibt. Obama spricht von 250 Dollar pro Person, im Fall einer 4-Kopf-Familie von 1000 Dollar pro Jahr.
Ich persönlich bin hinsichtlich der Ideen von Krugmann skeptisch. Ich bin allerdings auch skeptisch, ob die Steuersenkungen von Obama eine schnelle und bedeutende konjunkturelle Wirkung haben.
Aber immerhin, sie heben die Stimmung (das ist viel wert), sie wirken sich überproportional positiv auf diejenigen aus, welche in der sich entwickelnden Rezession besondere Probleme bekommen. Dazu kommt, dass sie stärker (weil: vom Durchscnittsamerikaner und nicht vom reichsten Prozent) auf den Konsum bzw. die Warenproduktion wirken.
Das heißt, sie wirken - stärker als die Steuernachlässe von Bush - rezessionsdämpfend, allerdings würde ich den Effekt nicht überbewerten. Die Immobilienkrise kann damit nicht bekämpft werden, hier will Barack Obama (auf wie ich finde recht vernünftige Weise) einen Fond mit 10 Milliarden Dollar Umfang aufstellen, der Zwangsversteigerungen bzw. Wohnungslosigkeit verhindern soll. Die Maßnahmen von Hillary Clinton umfassen 30 Milliarden Dollar - und ich lehne erheblich Teile dieses Programms ab. Ich halte ihr Programm in wesentlichen Teilen für Mittelvergeudung und wegen seiner Staatsverschuldung erhöhenden Wirkung sogar auf lange Sicht für tendenziell wirtschaftshemmend.
Die Steuernachlässe müssen überhaupt keine Wirkung haben. Man sollte bedenken, dass Steuern nicht nur auf Bundesebene erhoben werden, sondern dass die Bundesstaaten und die Kommunen ihre eigenen Steuern erheben können. Ob nun für jeden Amerikaner eine Ersparnis von 1000 $ pro Jahr dabei herauskommt, wird sich zeigen. Vermutlich nicht.
Im übrigen gehört der Senat zum Kongress.
Korrektur: 250 $ pro Jahr natürlich.
5. Minuspunkt aus Deiner Sicht: Ich bin FÜR Obama! :-)
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