22 Oktober 2007

Das polnische Elend - Anmerkungen zur Wahl

Der gewählte Donald Tusk wird in unseren Medien mit großer Sympathie beschrieben und mitunter sogar gefeiert. Das mag an seinen höchst merkwürdigen Vorgängern liegen, an einer gewissen Unkenntnis, aber vielleicht auch an der strikt wirtschaftsliberalen und proeuropäischen Grundhaltung von Donald Tusk und seiner PO. Dabei wird allerdings die polnische Vorgeschichte übersehen - und auch die Problematik, die mit einer Tusk-Regierung verbunden sein wird. Wenig bekannt scheint zu sein, dass sich Tusk ausgesprochen positiv auf Pinochet und Franco bezieht und sich z.B. einen Kapitalismus ohne Demokratie gut vorstellen kann. Es wird vergessen, dass Donald Tusk eine Vorgeschichte hat - und auch ein spezielles persönliches politisches Netzwerk, welches u.a. mit Auslandsgeldern rechtsgerichteter Think Tanks aufgebaut wurde.

Es war Leszek Balcerowicz, und sein radikal neoliberaler, sozial unausgewogener "Balcerowicz-Plan", welcher mit den daraus resultierenden gesellschaftlichen Verwerfungen die instabile politische Lage in Polen und das Aufblühen von eines populistischen wie extremen Rechtskonservatismus und Nationalismus begünstigt hat. Balcerowicz hat zudem die zuvor linksliberale UW in eine Partei der Neoliberalisierung verwandelt, und sie damit zugleich politisch vernichtet. Zum Dank für seine Leistungen wurde er u.a. Kurator der sozialreaktionären Hayek-Stiftung und bekam Auszeichnungen in einer Menge, die jeden Operettengeneral vor Neid erblassen lassen.

Donald Tusk wird recht präzis die gleichen Fehler machen wie sein Duzfreund Balcerowicz, den er seit den 80er Jahren kennt, z.B. im Gefolge seiner Arbeit für die Zeitschrift Przegląd Politiczny, welche die radikalen sozialökonomischen Ideen von Hayek, Mises und Aron in den polnischen Sprachkreis einführte - und in den neoliberalen Schockwellen des "Balcerowicz-Plans" mündeten. Die Pläne von Donald Tusk werden dieses Programm fortsetzen bzw. den sogenannten "Balcerowicz-II-Plan" in Angriff nehmen, der u.a. die Privatisierung der Krankenversicherungen anstrebt.

Schon in ca. zwei bis drei Jahren wird Polen vor Revolten und sogar einem sozialökonomischen Scherbenhaufen stehen - im übelsten Fall werden wir als Folge einen aufblühenden polnischen Faschismus sehen, der die Macht nach Tusk übernimmt. Die Wahl von Donald Tusk war kein guter Tag für Polen.

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3 Comments:

At 24 Oktober, 2007 00:19, Anonymous Anonym said...

Also wäre eine Wiederwahl Kaczynskis besser gewesen? Och nöö...

 
At 24 Oktober, 2007 16:27, Blogger John Dean said...

Kaczynski mag in unseren Medien als Karrikatur, als eine Art polnischer Mussolini gezeichnet worden sein, aber ganz so grauslig ist er nun wieder auch nicht.

Die Wiederwahl des - in der Tat - reichlich skurrilen Kaczynskis hätte ich für kein Unglück gehalten, aber meine Vorstellung wäre eher eher eine Konstellation gewesen, wo PO (Tusk) und PiS (Kaczynski) sich in eine gemeinsame Koalition begeben hätten.

Das hätte zu einer m.E. sehr sinnvollen Mäßigung geführt - auf beiden Seiten.

Die Popularität von Kaczynski und seiner Partei hat ja durchaus einen realen Grund, und der besteht nicht in seinem Nationalismus und Populismus, sondern darin, dass die PO von der polnischen Bevölkerung - zurecht - mit den neoliberalen Raubzügen und sozialen Verwerfungen in Verbindung gebracht wurde, unter denen Polen bis heute stark leidet.

Die Regierungsbilanz von Kaczynski, war im Übrigen auch nicht so übel. Tatsächlich hat seine Partei dafür gesorgt, dass das starke polnische Wirtschaftswachstum tatsächlich in der Breite der Bevölkerung ankommt, statt - wie es in der Vergangenheit tatsächlich der Fall war - eine Verarmung breiter Bevölkerungskreise sogar noch zu akzelerieren.

In Hinblick auf die Formulierung außenpolitischer polnischer Interessen nehmen sich Tusk und Kaczynski auch nicht so viel, wenn man mal von der theatralischen Inszenierung absieht.

 
At 28 Oktober, 2007 12:28, Anonymous Anonym said...

Ich bezweifle, dass in Polen irgendetwas bei der "Breite der Bevölkerung" ankommt, ausser dem Gefühl Verlierer des Systemwechsels zu sein.

 

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