Von der demokratiefeindlichen Kurzlebigkeit der Medien
Mein Eindruck ist dieser: Die Geschwindigkeit im Nachrichtenwesen ist kontinuierlich angestiegen, und das Internet hat diesen Prozess nochmals beschleunigt. Informationen werden schneller produziert und gelangen schneller zu Lesern, Hörern und Guckern. Eigentlich ist das nicht schlecht, sollte man denken, jedenfalls dann, wenn man von einer gewachsenen Oberflächlichkeit bei der Nachrichtenproduktion absieht.
Es sind vor allem der Neuigkeiten- und Sensationswert, der die Nachricht macht. Vermutlich auch die Eignung zur Emotionalisierung. Das Dumme daran ist, dass damit kein adäquates Bild der Welt geliefert wird. Sobald ein Thema nicht mehr "neu" genug ist (z.B. die Nichtveröffentlichung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten), wird es fallen gelassen, so, als ob innerhalb der Medienbetriebe vielen wichtigen Themen gegenüber Gleichgültigkeit herrscht. Hauptsache, jeden Tag bzw. jede Woche kommt etwas anderes Neues.
Es gibt nun geschickte Einflussgruppen (z.B. die INSM) oder ideologisch geprägte Journalisten (z.B. der Islamphobiker Broder), welche ihre Themen immer wieder zu platzieren verstehen. Aber dann, wenn es bei einem Thema keine Stütze durch Lobbies, Parteien oder Ideologen gibt, dann erweist sich der politische Meinungsjournalismus in Deutschland als, hmm, ich sag mal: hühnerhaft. Von richtungsloser, tagesaktueller Beliebigkeit geprägt.
Hauptsache, es wird gegackert. Wenn sich eine politische A- oder B-Prominenz oder ein abgehalfteter Wirtschaftswissenschaftler finden, die irgend ein schwachsinniges, dafür aber möglichst drastisches Statement von sich gegeben haben, dann wird das sofort nachgegackert. Das ist so mühelos und fix. He said she said. Und wichtige Themen, wie z.B. die teils unsägliche Situation "illegaler" Migranten in unserem Land finden in unseren Medien einfach nicht statt.
Ich denke aber, dass unsere Demokratie und die Bürger ein Recht darauf haben, vernünftig unterrichtet zu werden.
Wir sollten es nicht dulden, wenn uns stattdessen bequeme Verlautbarungen, Fertigkost der Lobbyisten, unkritisches "embeddet reporting", ungefiltertes "Think Tank"-Gerülpse, Kampagnendreck, verdrehte Darstellungen und sogar unveränderte PR-Kacke entgegengeschmiert werden.
1 Comments:
Als Journalist ekelt mich dieses Verhalten genau so an. Leider ist es aber so, dass ganz triviale wirtschaftliche Zwänge dieses Verhalten stützen beziehungsweise geradezu erzwingen. Denn auch das Leserinteresse ist leider sehr kurzlebig geworden (selbst bei lebensbedrohlichen Themen wie BSE). Themen erregen nur für sehr kurze Zeit hohe Aufmerksamkeit (bedeutet: Medien, die darüber berichten werden gelesen/gekauft = wrtschaftlicher Erfolg). Berichtet ein Medium weiter über das Thema, während die Aufmerksamkeit der Leser nachläßt, kaufen/schauen weniger Leser dieses Medium (= wirtschaftlicher Mißerfolg für das Medium). Die Konsequenz ist klar: Kein Geld keine Zeitung. Keine Zeitung, kein Arbeitsplatz für den Journalisten. Also macht man, was die breite, dumme Masse der Leser/Mediennutzer will: Immer neuen Schwachsinn ausgraben, nur um gekauft zu werden. Mit unabhängigem Journalismus hat das in weiten Bereichen schon lange nichts mehr zu tun. Der Versuch aber, dem auszukommen, würde Pleite, Konkurs, Rausschmiß bedeuten. So viel Idealismus legt heutzutage leider kaum ein Journalist geschweige denn einer der Medienkonzerne mehr an den Tag. Traurig, aber mir fällt dazu auch kein realitätsnaher Vorschlag für einen Ausweg ein. Das freie Spiel der Kräfte in einer Marktwirtschaft paßt manchmal nicht so recht mit Demokratie zusammen. Trotzdem, um Aristoteles zu zitieren, ist die Demokratie noch die beste aller in Frage kommenden Staatsformen.
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