31 März 2006

Hamburger Verfassungsgericht verhöhnt das Volk

Entgegen der aktuellen Berichterstattung in den Medien (z.B. hier, hier, hier oder hier) hat das Hamburger Verfassungsgericht den Angriff der Hamburger Regierungsparteien auf die Souveränität des Volkes im Wesentlichen bestätigt.

Demnach darf eine Regierung - auf dem Gesetzwege - der Bevölkerung das Sammeln von Unterschriften für Volksabstimmungen in der Öffentlichkeit verbieten! Für das reaktionäre - und m.E. verfassungsfeindliche - Hamburger Verfassungsgericht ist nicht etwa das Volk der Souverän, dem dann auch das Recht zusteht, für seine Belange die Straßen zu nutzen.

Wer regt sich bei solche Verhältnissen noch ernsthaft über Weißrussland oder Nordvietnam auf, wo wir doch vor der eigenen Tür genug zu tun haben?

28 März 2006

Kleiner Pressespiegel zu TI-D und ihr gestörtes Verhältnis zur Meinungsfreiheit

In der TAZ schreibt David Fischer-Kerli:
Firmen gehen immer häufiger gegen kritische Blog-Einträge vor. Sogar Transparency International macht mit (...) In der Praxis häufen sich derzeit Abmahnungen wegen "geschäftsschädigenden Verhaltens" gegen Blogger, die es wagen, negative Erfahrungsberichte über Produkte oder Dienstleistungen zu veröffentlichen.
In diesem Fall war es der Vorwurf "Schmähkritik". Die Frage ist, ab welchem Punkt dies oder "geschäftsschädigende" Meinungsäußerung von Privatpersonen abmahnbar ist. Nicht alles, was schmäht, spottet oder missachtet, ist zugleich auch wirkliche Schmähkritik. Denn dafür müss te eine ausgesprochen unsachliche und insgesamt (!) diffamierende wie unfaire Behandlung der Firma erfolgen. Blogger in Deutschland sind hier noch viel zu vorsichtig.

Der Tagesspiegel bzw. Frau Elisabeth Binder haben bislang nichts mitbekommen und zitieren aktuell Peter Eigen:
„Europa hat eine riesige Verantwortung, denn es hat viel mit zu der Armut und der daraus resultierenden Gewalt beigetragen“, mahnt Peter Eigen, Chef von Transparency International. Gerade große westliche Unternehmen auf der Jagd nach Rohstoffen hätten durch systematische Korruption viel dazu beigetragen.
Jaja. Das ganz große Betroffenheitskino. Das gibt es immer zum Nulltarif. Echte Zivilgesellschaft ist hingegen teurer und würde u.a. im Fall von TI-D voraussetzen, dass man die verkündeten Maßstäbe auch innerhalb der eigenen vier Wände verfolgt. Sonst ist es nämlich nur Blabla.

Das Interview von Ben Schwan mit Moni liest man u.a. in der Netzzeitung, auf N24, in Golem und im PC Magazin:
Netzeitung: Was wirft Ihnen Transparency International vor?

Moni: Im ersten Brief warf man mir eine nicht weiter ausgeführte Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Organisation vor sowie rechtswidrige Schmähkritik. Im zweiten Schreiben orientierte sich der Justitiar und Ethikbeauftragte in eine etwas andere Richtung und warf mir neben ebenfalls nicht weiter erläuterten, rechtswidrigen unwahren Behauptungen auch eine Verletzung seines Urheberrechtes vor.

Tja, nur das man leider sagen muss, dass sämtliche vorgebrachten Vorwürfe haltlos waren und zudem rechtswidrig kurze Fristen gewählt wurden, sodass sich TI-D für das Verhalten ihres "Ethikbeauftragten" schämen sollte. Für den Anwalt kann es ggf. standesrechtlich bedeutend werden, dass sein Schreiben, mit dem er der Bloggerin (trotz nicht gegebener Rechtsgrundlage) erhebliche finanzielle Nachteile angedroht hat, formal betrachtet keine Abmahnung war, sondern womöglich ein rechtswidriger anwaltlicher Droh- und Erpressungsbrief.

Gelungen ist der Artikel von Thomas Wiegold im Focus. Zudem ist der Artikel ein gutes Beispiel dafür, wie über derartige Themen adäquat berichtet werden kann. Für die Focus-Leser handelt es sich dabei klar um eine Top10-Story:
Transparency International reagierte. Mit Nervosität. Auf Anfrage von FOCUS Online lehnte Geschäftsführerin Dagmar Schröder noch am Montagnachmittag jede inhaltliche Stellungnahme ab: Da es sich um Personalangelegenheiten handele, sei sie zur Verschwiegenheit verpflichtet und könne noch nicht mal mitteilen, welche Aussagen im ersten Blog-Posting unwahre Behauptungen gewesen seien.

Die Verschwiegenheitspflicht hielt nur wenige Stunden. Noch am Montagabend veröffentlichte die Organisation eine Pressemitteilung, in der die angeblich so schützenswerten Personalangelegenheiten detailliert ausgebreitet wurden: Dass die einstige TI-Mitarbeiterin, deren Arbeitsverhältnis nach der Probezeit endete, bei 20 Wochenstunden eine Vergütung von 1000 Euro brutto monatlich erhielt, dazu detailliert ihre weitere Gehaltsforderung.

All diese Einzelheiten hätte TI nach Eigenverständnis gar nicht veröffentlichen dürfen – auch Justiziar Marten hatte zuvor gegenüber FOCUS Online auf die verschiedenen Persönlichkeitsrechte verwiesen.
Das sind keine guten Methoden.

+++ Update 29/03 - 11:46 Uhr +++

- Nicola Holzapfel berichtet für die Sueddeutsche. Dort verteidigt sich TI-D mit den Worten "Uns hat gestört, dass mit den Fakten nicht richtig umgegangen wurde." Nun, diese Behauptung erweist sich zunehmend als Lüge. Die eigenen Fehler, z.B. das rechtswidrige Vorgehen des eigenen Justiziars zuzugeben: Dazu fehlt es den Protagonisten bei TI-D an Größe. Jetzt will man sich nur noch wegducken.

- Inzwischen wird seitens der Tagesschau der tendenziöse und schlampig recherchierte Bericht von Fiete Stegers wiederholt überarbeitet. Stegers gefällt sich dabei in der Verbreitung von Spin, unterschlägt Tatsachen und selbstredend fällt ihm kaum auf, dass das Vorgehen des Justiziars von TI-D unverschämt, rechtswidrig und gegen die die Wahrnehmung einer grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit gerichtet war.

Immerhin, und das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Beitrag, wird der Standpunkt der Konfliktgegner nun sorgfältiger dargestellt. Übel bleibt indes der Mangel an Urteilsvermögen, so schreibt Stegers hier z.B.:
"Denn auch wenn rechtlich noch nicht klar definiert ist, wo bei Weblogs die Grenzen zwischen Meinungsfreiheit und Schmähkritik, Rechten und Pflichten privater Betreiber verlaufen (...)"
Irrtum, die Rechtsnormen sind eindeutig. Es hat sich an den Normen in Bezug auf "Schmähkritik" nichts geändert dadurch, dass es diesmal um Meinungsäußerungen in Blogs geht.

+++ Update 30.03 +++
Fiete Stegers kanns nicht lassen und möchte unbedingt am Eindruck festhalten, dass die Blogs über die Stränge geschlagen haben. So zieht er, dabei Medienrauschen zitierend, folgendes Fazit aus dem skandalösen Vorgehen von TI-D:
"In Zusammenhang mit der sichtlichen Freude der Blogosphäre an Enthüllungen und Skandalen entwickelt so mancher Blogeintrag schnell eine unkontrollierbare Eigendynamik", schreibt Jörg-Olaf Schäfers im Blog "Medienrauschen". Er mahnt Weblogs zu mehr Differenzierung - sonst seien sie "nicht die besseren/demokratischeren Medien, sondern allenfalls die lauteren".

Unschwer zu erkennen: Herr Stegers hat bis zum heutigen Tag nicht begriffen, was da eigentlich los war, oder er sammelt allzu eifrig TI-D-Karmapunkte. Das muss sehr schön für ihn sein.

27 März 2006

TI-D und ihr verzweifelter Kampf gegen Transparenz


Mit der Ruhe der pupsatten Pöstchen-Bekleider von "Transparency Deutschland" und den dortigen selbst ernannten Pseudo-Repräsentanten einer angeblichen "Zivilgesellschaft" ist es wohl vorbei, auch dank eines sich ausgesprochen fragwürdig benehmenden Anwalts (s.o.).

Die Vorgänge (z.B. bei Moni) sind von derart überragenden allgemeinen Interesse, dass ich hiermit eines der Anwaltsschreiben öffentlich mache, auch deshalb, damit andere Blogger erfahren, was auf sie zukommen könnte, wenn sie über diese Vorgänge berichten.

Über den Tag hinaus stellt sich für mich die Frage: Drohungen mit Abmahnungen und UEs als Transparenz-Unterdrückungsmittel bzw. zur Unterdrückung zulässiger Meinungsäußerung -> waren diese Rechtsmittel dafür gedacht, quasi als Mittel zur Machtpflege?

P.S.
Ein die Zitation ausschließender Urheberrechtsschutz für das abgebildete Schreiben entfällt, einmal, weil das Schreiben die notwendige Schöpfungshöhe nicht erreicht, andererseits, weil der abgebildete Ausschnitt nach §§ 50 ff UrhG eine ohnehin zulässige Zitation darstellt.

Der Anwalt als Organ der Rechtspflege

Anwaltspflichten in seiner privilegierten Stellung als Organ der Rechtspflege:

1. Zunächst hat er durch seine Unabhängigkeit (z.B. gegenüber Behörden, Richtern, Staatsanwaltschaft, Vorgesetzten) und Zielsetzung (als Sachwalter der Interessen des Mandanten) dazu beizutragen, dass seinen Mandanten Recht wiederfährt. Er darf und soll dabei Partei nehmen und ist hier nicht zu Objektivität verpflichtet. Er muss dabei jedoch gegenüber allen Beteiligten lauter auftreten.

2. Es ist ein Irrtum zu meinen, dass ein Anwalt ausschließlich seinem Mandanten verpflichtet sei. Eine einseitige Abhängigkeit allein von Mandanteninteressen ist für den Anwalt inakzeptabel, da der Anwalt in erster Linie dem rechtshygienischen Ziel dient, Recht und Gerechtigkeit zu fördern. Er darf und soll insoweit parteiisch sein, dass damit zugleich diesem höheren Ziel gedient wird.

Was sind die besonderen ethischen Verpflichtungen eines Anwalts im Rahmen seiner privilegierten Stellung als "Organ der Rechtspflege" gegenüber Nicht-Mandanten?

3. Ein gesetz- und standeswidriges Verhalten ist für den Anwalt unakzeptabel, z.B. die Vorspiegelung nicht gegebener Rechtsgrundlagen zur Durchsetzung der Interessen seiner Mandanten. Er muss überdies so auftreten, dass er mit seinem Verhalten zum Finden einer sachgerechten Entscheidung und zum fairen Interessenausgleich streitender Parteien beiträgt. Er dient dem Rechtsfrieden und nicht, anders als es schlechte Anwälte mitunter meinen, dem maximalen Vorteil der von ihm vertretenen Partei. Er darf mit seinem Verhalten einer Einigung mit der Gegenpartei und/oder der fairen Würdigung ihres Standpunktes nicht im Wege stehen.

4. Als Organ der Rechtspflege ist die Arbeit des Anwalts darüber hinaus von Integrität, Sorgfältigkeit und Zuverlässigkeit gekennzeichnet. Zudem ist er zur Wahrnehmung sozialer Verantwortung angehalten, dadurch, dass er wirtschaftlich bedürftige Mitbürger zu geringeren Gebührensätzen dient.

5. Ein standesgemäß auftretender Anwalt muss vermeiden, dass sich durch sein Verhalten de facto ein Rechtsverlust für die von ihm nicht vertretetene Gegenpartei ergibt. Dies betrifft u.a. den Umgang mit gegnerischen Parteien, die z.B. wegen ihrer wirtschaftlichen Schwäche keinen anwaltlichen Schutz genießen. Anwaltliches Handeln dient nicht dazu, einen maximalen ökonomischen Schaden der Gegenseite zu erreichen oder dazu, die Meinungsfreiheit der Gegenseite einzuschränken.

Der Anwalt ist kein Organ der Machtpflege, sondern der Rechtspflege.

26 März 2006

Krise der parlamentarischen Demokratie

Wenn - wie aktuell in Sachsen-Anhalt - die Wahlbeteiligung bei einer Landtagswahl auf 43% fällt oder im Fall von Baden-Württemberg auf nahe 50%, dann ist das eine schwere Krise.

Man mag darüber lamentieren, dass derartige Wahlstreiks einen Mangel an politischer Bildung und ein Übermaß von Hoffnungslosigkeit dokumentieren, sie zeigen m.E. auch, dass die Verlagerung von Kompetenzen nach Brüssel ein Irrweg ist.

Eine Regierung, wo der überwiegende Teil der Entscheidungen in Brüssel fällt (unter gütiger Hilfe industrienaher Lobbyisten und sogenannter Thinktanks) kann demokratisch nicht über Wahlen gerechtfertigt werden. Eine derartige Landesregierung ist - überwiegend - ein behördenartiger Organismus, der den Mangel an Gestaltungskompetenz z.B. mit hohler Personalityshow überspielen muss.

So betrachtet, waren die Wähler klug. Wozu wählen, wenn faktisch woanders regiert wird?

Der Ethikbeauftragte

Der Ethikbeauftragte

In meinen Verein bin ich eingetreten
weil mich ein alter Freund darum gebeten,
ich war allein.
Jetzt bin ich Mitglied, Genosse, Kollege -
das kleine Band, das ich ins Knopfloch lege,
ist der Verein.

Wir haben einen Vorstandspräsidenten,
Beiratsvorsitzenden und viele Referenten
und obendrein
den lästigen Krach der oppositionellen
Minorität, hach, die wird doch glatt zerschellen
in mein´ Verein

Ich bin Ethikbeauftragter seit drei Wochen
Ich will ja nicht auf meine Würde pochen -
ich bild mir gar nichts ein...
Und doch ist das Gefühl so schön zu wissen:
sie können mich ja gar nicht missen
in mein´ Verein

Da draußen bin ich nur ein armes Fritten
Hier bin ich - und Mann und wohlgelitten
in vollen Reihn
Hoch über uns da schweben die Statuten
Die Abendstunden schwinden wie Minuten
in mein´ Verein

In mein´ Verein werde ich erst richtig munter
Auf die, welche nicht drin sind, seh ich hinunter
was kann mit denen sein?
Stolz klappern die Abzeichen der Beiratsmitglieder,
Kuratoren, Förderkreisler usw. - immer wieder!
dort schwadronieren wir von Demokratie und Rechten
und Transparenz (wobei wir nicht an uns selber dächten)
in mein´ Verein

Für Freiheit, Ordnung und Selbstverpflichtung
Ach wie toll ist doch die unsre Richtung!
nur Kritik könn´ wir nicht verzeihn
Zu schwer wiegt die Fahne, die wir mutig tragen
Nun, zur mir da könnse ruhig "Trottel" sagen
da werd ich mich sicher garnicht erst verteidigen
Doch wenn sie unsren Laden gleich so grob beleidigen...!
Nee, das geht nicht, in mein´ Verein

Da steigt mein urdeutscher Anwaltsstolz!
Ich mahn Sie ab! Unsre Freiheit! Gut Holz!
Hier leb ich.
Und will auch einst begraben sein
in mein´ Verein.

gez. Lothar Lammfromm

P.S.
Ich werde ab wohl jetzt den Gedichtesonntag einführen. Das hier war Teil 1.

24 März 2006

Megafusion Schering und Bayer Pharma


Was für Trottel!

Wenn die aktuelle Managergeneration von angeblich dringend erforderlicher "Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit" spricht, dann meint sie vor allem den Ausschluss von Wettbewerb - indem man sich auf auf dem Wege der Fusion lästiger Konkurrenz entledigt und die eigene Marktmacht stärkt.

Wenn die aktuelle Managergeneration von "ökonomischen Fortschritt" spricht, dann meint sie nicht die Erschließung neuer Märkte oder die Entwicklung besserer Produkte, sondern die Gelegenheit zur Entlassung* von 6.000 Mitarbeitern zu Lasten der Gesellschaft.

Es ist nicht so, dass ich gegen Effizienzgewinne bin (die man im Fall fähiger Manager oft auch auf dem Weg von Kooperation erreichen könnte), aber diese unglaubliche Naivität, mit der man Effizienzgewinne prognostiziert, ist eine Beleidigung für jeden vernunftgeleiteten Menschen.

Der Bayer-Chef Werner Wenning verkauft die Öffentlichkeit für dumm oder meint tatsächlich, dass er nach dem Zukauf von rund 24.000 Schering-Mitarbeitern, davon rund 7023 deutsche MA, problemlos (d.h. ohne Leistungseinbußen) auf 6.000 vorwiegend deutsche Mitarbeiter "erfahrungsgemäß" verzichten könne, angeblich vor allem im Bereich "IT und Einkauf".

Man kauft auf dem Weg der Fusion also 7.000 deutsche Mitarbeiter dazu, und kann anschließend auf 6.000 vorwiegend deutsche Mitarbeiter "erfahrungsgemäß", und zwar schwerpunktmäßig im Bereich "IT und Einkauf" verzichten?

Für diese irre Chimäre (die im Fall der Verwirklichung bestenfalls 200 Mio Euro Personalkosten/Jahr einsparen wird) möchten er und sein verblödetes Vorstandsteam weit über 15 Milliarden (!) Euro aufwenden, statt diese umfangreichen Mittel in die Erschließung neuer Märkte zu investieren.

Was für Versager!

* bzw. Abfindung, Frühverrentung, Verzicht auf notwendige Stellenbesetzungen, Arbeitsverdichtung usw.
Nebenbei: Die Verwendung der Grafik aus dem Schering-Geschäftsbericht verstößt ganz eindeutig gegen das Urheberrecht und zusätzlich gegen Leisungsschutzrechte. Nun: Ich scheiß drauf! Auch deshalb, weil ich die freie Berichterstattung (auch in Blogs) für deutlich wertvoller halte als Rechte auf sogenanntes "geistiges Eigentum" .

23 März 2006

Geschäftsgebahren Euroweb - Fragen zu Wikipedia und Ordnungspolitik

Via Eudemonia bzw. Jens Scholz sind eine Reihe interessanter Fragen aufgeworfen worden, bei denen ich teils unentschieden bin. Was ich aber sicher meine:

Ich persönlich würde niemals (!) mit der Firma Euroweb einen Vertrag abzuschließen, jedenfalls nicht, bevor ich mindestens fünf alternative Angebote eingehend geprüft habe.

Das ist selbstverständlich.

Interessanter ist die Frage, wie das ausgesprochen umstrittene Geschäftsgebahren in Wikipedia angesprochen werden sollte. Dazu ein Zitat (aus Wikipedia):
"Immer wieder wird im Internet Kritik laut, die die Leistungen der Euroweb Internet GmbH als technisch mangelhaft und überteuert bezeichnet und die Vertriebsmethoden bemängelt. Diese Kritik wird regelmäßig seitens der Euroweb Internet GmbH als unwahr und beleidigend bezeichnet und es wird auf juristischem Wege zur Löschung der Diskussionen aufgefordert.
Als Reaktion auf die im gulli:board geäußerte Kritik wurde im Februar 2006 der Betreiber des Forums erst zur Löschung der gesamten Diskussion aufgefordert und - nachdem diesen Forderungen nur teilweise entsprochen wurde - mit einer einstweiliger Verfügung zur weitestgehenden Löschung gezwungen. Infolge dieser Vorgänge kam es in der Blog-Szene zur weiteren Kritik an den Dienstleistungen der Firma, denen die Anwälte der Euroweb mit weiteren Löschungsaufforderungen begegneten. Bei der Blog-Suchmaschine Technorati war Euroweb zwischenzeitlich der häufigst eingegebene Suchbegriff und es ergab sich in zahlreichen Blogs und Foren eine Diskussion über die Grenzen der Meinungsfreiheit im Internet."
Ich meine, dass sich an diesem Beispiel gut verdeutlichen lässt, warum der entsprechende Eintrag der Wikipedia nicht gelöscht werden sollte. Mein zentrales Argument zur laufenden Löschdiskussion lautet: Das Relevanzkriterium ist erfüllt, wenn die Behauptung von Marcel Bartels (s.u.) stimmt, dass es so aussieht, als ob diese Firma über 8.000 Kunden hätte. Das ist groß genug. Überdies sind die Praktiken und Leistungen dieser Firma derart umstritten, dass eine Aufklärung über einen Lexikoneintrag bei Wikipedia dringend erforderlich ist!

Dazu kommt eine Fragestellung aus ordnungspolitischer Sichtweise heraus: Wie ist es ordnungspolitisch überhaupt möglich, dass eine Firma, bei der Leistungen und Gegenleistungen augenscheinlich so stark auseinander klaffen, sich überhaupt am Markt halten kann? Worin besteht der komparative Vorteil dieser Firma, der es dieser Firma ermöglicht, kontinuierlich Kunden zu halten oder zu gewinnen?

Jemand eine Idee?

Zweite Ordofrage: Wie löst man das ordnungspolitische Rätsel namens "Euroweb" optimal? Sollte der Staat tätig werden? Gilt hier bei den abgeschlossenen Verträgen noch die sogenannte Vertragsfreiheit oder greift in Anbetracht des Verhältnisses von Leistungen und Gegenleistungen bereits der Wucherparagraf?

Dritte Ordofrage: Ist es nicht vielleicht sogar so, rein ordnungspolitisch gefragt, dass die Schließung derartiger Firmen umgehend und staatlicherseits erfolgen sollte (also: ein extrem massiver ordnungspolitischer Eingriff), oder trifft das Gegenteil zu, weil diese Firma ihren eigentlichen Wert für die Volkswirtschaft hat: als Exempel und lebendige Warnung?

Vierte ordnungspolitische Frage: Wohin entwickelt sich eine Volkswirtschaft, wenn dort Firmen mit außerordentlich schlechten Preis-Leistungs-Verhältnis einen wachsenden Marktanteil erobern?

Hinweis: Zur Klärung dieser Fragen dürften die von Marcel Bartels zusammen getragenen Informationen hilfreich sein.

Homers Speere

An meine lieben Leser:

Ich habe noch nicht einmal ein Bruchteil aller Emails/Replies gelesen (sorry!), bin aber wirklich gerührt wegen dem vielen Zuspruch, und überaus erstaunt wegen dem anhaltenden Interesse. Danke! Über 70 Leser gestern - und das, obwohl ich seit über vier Wochen keine einzige Silbe gepostet habe.

Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. *Wow*

Zu meiner gesundheitlichen Situation

Kurzversion
Ich leb´ noch, bin leider zwischenzeitlich (und leider fortdauernd) schwer erkrankt, hab aber wieder gute Hoffnung. Ich werde in Zukunft generell kleinere Brötchen backen müssen - aber gehöre aber wieder zu den Bäckersleuten.

Langversion
Wer die Ilias von Homer gelesen hat (hoffentlich die Prosaverson von Gerhard Scheibner!), der erinnert bestimmt sich noch an die vielen fliegenden Speere, oder? Im Großen und Ganzen schauten die Helden direkt zu den drohenden Speeren bzw. ihren Werfern mutig ins Auge, um sich wegzuducken, für eine gezielte Flucht oder einen Gegenangriff. Getroffen, vernichtet, durchspeert wurde immer wieder derjenige, der blind weglief. Derjenige, der die Gefahr nicht im Auge behielt, wer sich in Panik oder ignorant abwand und daher sozusagen blind von den Speeren erwischt wurde, heimtückisch in den Rücken.

So in etwa erging es mir - mit meiner Gesundheit.

Viele Jahre lang verdrängte ich die Gefahr, von der ich eigentlich wusste, dass sie mich eines Tages einholen wird. Ich wollte nichts davon wissen, und meinte, dass ich ja eigentlich prima klar käme. Von wegen. Die vielen drohenden Vorzeichen, die leicht zu deuten gewesen wären (hätte ich der Gefahr doch nur ins Auge geschaut), die ignorierte ich.

Tja, bis dann plötzlich meine Beine aufzuschwellen begannen, der Blutdruck und mein Körpergewicht geradezu explodierte (Wasser bzw. Ödeme), während ich mich immer schwächer und elender fühlte. Ich, der früher mal so richtig toll sportlich war, konnte mich teils nicht mal mehr selbst versorgen - mein Herz wollte nicht mehr so recht. Ein elendes Gefühl von Krankheit, ja, und sogar ein Hauch von Lebensende begann sich in mir auszubreiten, das Gefühl von Hilflosigkeit. Unmöglich schien es, die die Probleme in den Griff zu bekommen. Nicht nur die Beine schwollen an (ich konnte z.B. 2 cm dicke Dellen in Unter- und Oberschenkel reindrücken), auch der übrige Körper.

Zunächst half nichts und es sah so aus, als ob ich kurz vor der Krankenhauseinlieferung stände, zumal ich mich immer dämmeriger fühlte. Nach einigem medikamentösen Rumprobieren, einer erfolgreichen Diagnose und einer gewaltigen Umstellung geht es seit einigen Tagen wieder aufwärts - und ich bekomme meine Füße sogar wieder ohne Gewalt in meine Schuhe rein.

Hat jemand von euch schon mal vor Freude geweint, weil er seine Schuhe wieder anziehen konnte? Vielleicht hat jemand für mich gebetet - für mich ist es wie ein Wunder.

Es geht jedenfalls deutlich aufwärts, zur Zeit sogar in Riesenschrittten. Ich weiß jetzt recht genau, was los ist (das wusste ich einige Wochen lang nicht), und ich weiß endlich auch, was ich zu tun habe, und wie ich dem Leben hoffentlich sogar noch mehrere Dutzend Jahre abtrotzen kann. Es wird kein einfacher Weg für mich werden, aber hey: Ich bin wieder da!
Ich habe mir geschworen, dem Leben künftig jede Minute abzuringen und auszukosten und dass ich der Welt noch etwas hinterlassen möchte - außerdem habe ich mir geschworen, nicht mehr vor Homers Speeren fortzulaufen. Ich werde daher meine Schritte viel besser planen als in der Vergangenheit; das bedeutet für mich unter anderem eine totale Umstellung von Ernährung und Lebensführung. Im Talmud fand ich zudem ein schönes Motto:

"Auch das ist zum Guten".

Ich bin wieder da.