28 März 2006

Kleiner Pressespiegel zu TI-D und ihr gestörtes Verhältnis zur Meinungsfreiheit

In der TAZ schreibt David Fischer-Kerli:
Firmen gehen immer häufiger gegen kritische Blog-Einträge vor. Sogar Transparency International macht mit (...) In der Praxis häufen sich derzeit Abmahnungen wegen "geschäftsschädigenden Verhaltens" gegen Blogger, die es wagen, negative Erfahrungsberichte über Produkte oder Dienstleistungen zu veröffentlichen.
In diesem Fall war es der Vorwurf "Schmähkritik". Die Frage ist, ab welchem Punkt dies oder "geschäftsschädigende" Meinungsäußerung von Privatpersonen abmahnbar ist. Nicht alles, was schmäht, spottet oder missachtet, ist zugleich auch wirkliche Schmähkritik. Denn dafür müss te eine ausgesprochen unsachliche und insgesamt (!) diffamierende wie unfaire Behandlung der Firma erfolgen. Blogger in Deutschland sind hier noch viel zu vorsichtig.

Der Tagesspiegel bzw. Frau Elisabeth Binder haben bislang nichts mitbekommen und zitieren aktuell Peter Eigen:
„Europa hat eine riesige Verantwortung, denn es hat viel mit zu der Armut und der daraus resultierenden Gewalt beigetragen“, mahnt Peter Eigen, Chef von Transparency International. Gerade große westliche Unternehmen auf der Jagd nach Rohstoffen hätten durch systematische Korruption viel dazu beigetragen.
Jaja. Das ganz große Betroffenheitskino. Das gibt es immer zum Nulltarif. Echte Zivilgesellschaft ist hingegen teurer und würde u.a. im Fall von TI-D voraussetzen, dass man die verkündeten Maßstäbe auch innerhalb der eigenen vier Wände verfolgt. Sonst ist es nämlich nur Blabla.

Das Interview von Ben Schwan mit Moni liest man u.a. in der Netzzeitung, auf N24, in Golem und im PC Magazin:
Netzeitung: Was wirft Ihnen Transparency International vor?

Moni: Im ersten Brief warf man mir eine nicht weiter ausgeführte Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Organisation vor sowie rechtswidrige Schmähkritik. Im zweiten Schreiben orientierte sich der Justitiar und Ethikbeauftragte in eine etwas andere Richtung und warf mir neben ebenfalls nicht weiter erläuterten, rechtswidrigen unwahren Behauptungen auch eine Verletzung seines Urheberrechtes vor.

Tja, nur das man leider sagen muss, dass sämtliche vorgebrachten Vorwürfe haltlos waren und zudem rechtswidrig kurze Fristen gewählt wurden, sodass sich TI-D für das Verhalten ihres "Ethikbeauftragten" schämen sollte. Für den Anwalt kann es ggf. standesrechtlich bedeutend werden, dass sein Schreiben, mit dem er der Bloggerin (trotz nicht gegebener Rechtsgrundlage) erhebliche finanzielle Nachteile angedroht hat, formal betrachtet keine Abmahnung war, sondern womöglich ein rechtswidriger anwaltlicher Droh- und Erpressungsbrief.

Gelungen ist der Artikel von Thomas Wiegold im Focus. Zudem ist der Artikel ein gutes Beispiel dafür, wie über derartige Themen adäquat berichtet werden kann. Für die Focus-Leser handelt es sich dabei klar um eine Top10-Story:
Transparency International reagierte. Mit Nervosität. Auf Anfrage von FOCUS Online lehnte Geschäftsführerin Dagmar Schröder noch am Montagnachmittag jede inhaltliche Stellungnahme ab: Da es sich um Personalangelegenheiten handele, sei sie zur Verschwiegenheit verpflichtet und könne noch nicht mal mitteilen, welche Aussagen im ersten Blog-Posting unwahre Behauptungen gewesen seien.

Die Verschwiegenheitspflicht hielt nur wenige Stunden. Noch am Montagabend veröffentlichte die Organisation eine Pressemitteilung, in der die angeblich so schützenswerten Personalangelegenheiten detailliert ausgebreitet wurden: Dass die einstige TI-Mitarbeiterin, deren Arbeitsverhältnis nach der Probezeit endete, bei 20 Wochenstunden eine Vergütung von 1000 Euro brutto monatlich erhielt, dazu detailliert ihre weitere Gehaltsforderung.

All diese Einzelheiten hätte TI nach Eigenverständnis gar nicht veröffentlichen dürfen – auch Justiziar Marten hatte zuvor gegenüber FOCUS Online auf die verschiedenen Persönlichkeitsrechte verwiesen.
Das sind keine guten Methoden.

+++ Update 29/03 - 11:46 Uhr +++

- Nicola Holzapfel berichtet für die Sueddeutsche. Dort verteidigt sich TI-D mit den Worten "Uns hat gestört, dass mit den Fakten nicht richtig umgegangen wurde." Nun, diese Behauptung erweist sich zunehmend als Lüge. Die eigenen Fehler, z.B. das rechtswidrige Vorgehen des eigenen Justiziars zuzugeben: Dazu fehlt es den Protagonisten bei TI-D an Größe. Jetzt will man sich nur noch wegducken.

- Inzwischen wird seitens der Tagesschau der tendenziöse und schlampig recherchierte Bericht von Fiete Stegers wiederholt überarbeitet. Stegers gefällt sich dabei in der Verbreitung von Spin, unterschlägt Tatsachen und selbstredend fällt ihm kaum auf, dass das Vorgehen des Justiziars von TI-D unverschämt, rechtswidrig und gegen die die Wahrnehmung einer grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit gerichtet war.

Immerhin, und das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Beitrag, wird der Standpunkt der Konfliktgegner nun sorgfältiger dargestellt. Übel bleibt indes der Mangel an Urteilsvermögen, so schreibt Stegers hier z.B.:
"Denn auch wenn rechtlich noch nicht klar definiert ist, wo bei Weblogs die Grenzen zwischen Meinungsfreiheit und Schmähkritik, Rechten und Pflichten privater Betreiber verlaufen (...)"
Irrtum, die Rechtsnormen sind eindeutig. Es hat sich an den Normen in Bezug auf "Schmähkritik" nichts geändert dadurch, dass es diesmal um Meinungsäußerungen in Blogs geht.

+++ Update 30.03 +++
Fiete Stegers kanns nicht lassen und möchte unbedingt am Eindruck festhalten, dass die Blogs über die Stränge geschlagen haben. So zieht er, dabei Medienrauschen zitierend, folgendes Fazit aus dem skandalösen Vorgehen von TI-D:
"In Zusammenhang mit der sichtlichen Freude der Blogosphäre an Enthüllungen und Skandalen entwickelt so mancher Blogeintrag schnell eine unkontrollierbare Eigendynamik", schreibt Jörg-Olaf Schäfers im Blog "Medienrauschen". Er mahnt Weblogs zu mehr Differenzierung - sonst seien sie "nicht die besseren/demokratischeren Medien, sondern allenfalls die lauteren".

Unschwer zu erkennen: Herr Stegers hat bis zum heutigen Tag nicht begriffen, was da eigentlich los war, oder er sammelt allzu eifrig TI-D-Karmapunkte. Das muss sehr schön für ihn sein.

6 Comments:

At 29 März, 2006 00:37, Anonymous Anonym said...

Das sind m.E. StaSi-Methoden.

Tiefer hängen.

 
At 29 März, 2006 01:14, Blogger John Dean said...

Hast recht.

 
At 29 März, 2006 10:52, Anonymous Anonym said...

In der Mangel der Blogger
sueddeutsche.de - vor 1 Stunde gefunden
Die Organisation Transparency International hat ein Problem. Sie hat den Unmut der Blogger auf sich gezogen. Das Internet-Drama ...

In der Mangel der Blogger
jetzt.de - vor 57 Minuten gefunden
Die Organisation Transparency International hat ein Problem. Sie hat den Unmut der Blogger auf sich gezogen. Das Internet-Drama ...

Interview: Transparency hat ein Blog-Problem
Golem.de - vor 17 Stunden gefunden
Eine Bloggerin beschrieb die Leidensgeschichte einer Freundin, die von der Organisation Transparency International entlassen worden war. ...

Transparency International im Clinch mit Weblogs
tagesschau.de - vor 18 Stunden gefunden
Ausgerechnet die unermüdlichen Anti-Korruptionskämpfer von Transparency International stehen auf Seite einmal auf der Buhmänner - zumindest im Internet. ...

Transparency International hat ein Blog-Problem
Netzeitung - vor 19 Stunden gefunden
Eine Bloggerin beschrieb die Leidensgeschichte einer Freundin, die von der Organisation Transparency International entlassen worden war. ...

Der selbstgemachte PR-GAU
Focus Online - vor 22 Stunden gefunden
Transparency International Deutschland (TI-D) macht eigentlich gerne von sich reden. Seit dem Wochenende hat es die deutsche Sektion ...

Interview: Transparency hat ein Blog-Problem
PC Magazin - vor 17 Stunden gefunden
Eine Bloggerin beschrieb die Leidensgeschichte einer Freundin, die von der Organisation Transparency International entlassen worden war. ...

Transparency International hat ein Blog-Problem
N24 - vor 19 Stunden gefunden
Von Ben Schwan. Bloggerin "Moni" hat Ärger mit dem Anwalt - weil sie sich in ihrem Weblog negativ über die Entlassung einer Freundin geäußert hat. ...

Die besten Gewinnspiele des Internets - täglich aktuell auf einen ...
tomorrow - vor 22 Stunden gefunden
Transparency International Deutschland (TI-D) macht eigentlich gerne von sich reden. Seit dem Wochenende hat es die deutsche Sektion ...


http://news.google.de/nwshp?hl=de&tab=wn&ncl=http://www.netzeitung.de/internet/389465.html&filter=0

 
At 29 März, 2006 11:11, Blogger la deutsche vita said...

Jaja, der Tagesspiegel.Wie immer oszilliert er zwischen staatstragendem blabla und provinziellem Lokaltratsch. Schön, dass du ihn in die Presseschau mit aufgenommen hast.

 
At 29 März, 2006 11:41, Blogger John Dean said...

Nunja, ich steh dem Begriff "Zivilgesellschaft" extrem skeptisch gegenüber.

Täuschungsmanöver bürgerlicher Eliten

Elitäre Kreise, satte Sonntagsredner bzw. Vereinigungen, wo dieser Begriff besonders kursiert (Bertelsmannstiftung & Co), verwenden diese Begrifflichkeit i.d.R. auch in der unterschwellig vorgetragenen Hoffnung, mit verlogener "corporate civilship" sowie zivilem Engagement der bürgerlichen Kreise ließen sich gesellschaftliche Probleme auf eine relevante Weise angehen.

Nun, bestenfalls (also: real übel) kommt dabei eine vollüberflüssige Elbphilharmonie heraus, bei der diese bürgerlichen Kreise also - zu Lasten der Allgemeinheit - nur ihre eigenen, hochspezifischen Interessen bedienen. Das Beispiel mit dem Dresdner Kirchenbebäude kann man wegen seiner Singularität getrost weglassen. Überwiegend gibt sich diese "Zivilgesellschaft" staatstragend und übersieht, z.B. wie die deutsche Bank (die sich als Teil der Zivilgesellschaft betrachtet) in ihrem perversen Umgang mit den beiden Boulevardtheatern am Kudamm, - sie alle übersehen, dass der auf großartigen Versammlungen vorgetragene Begriff "Zivilgesellschaft" vor allem eines ist, sofern es eine Selbstverpflichtung betrifft: nicht ernst gemeint.

Aber zugleich 100 Prozent "von oben" herab. Nie kämen diese selbst ernannten Vertreter von "Zivilgesellschaft" auf die Idee, das Engagement von Betriebsräten (übrigens: diese sind trotz geringerer Mittel bislang weitaus effizienter) auch zu einem Teil der Zivilgesellschaft zu erklären oder sogar den Kampf gegen schikanöse Behandlung von Asylbewerbern aktiv aufzunehmen.

Somit wäre dieser Begriff von Zivilgesellschaft in Wahrheit sogar anti-zivil.

Der Begriff ist feige, elitär, demokratieabwehrend und auf eine selbstzufriedene wie verlogene Weise hochbürgerlich, ja sogar geradezu definitorisch schmarotzerhaft, weil hinter dem Begriff "Zivilgesellschaft" oftmals die wahnhafte Idee steht, dass man mit Gemeinwohl und Engagement nennenswert etwas zu tun hätte - und dies im Gegensatz zur übrigen Gesellschaft.

Die gegenteilige Annahme wäre richtiger.

Um es konkret zu machen: Hinter "Zivilgesellschaft" verbirgt sich also z.B. das lächerliche Kunst-Engagagement der Deutschen Bank (=schöner Wohnen für Vorstandsmitglieder), was diese Institution nicht einmal davon abhält, sich z.B. im Fall der Boulevardtheater am Kudamm zugleich gemeinschädlich, schäbig und untreu aufzuführen.

Andererseits verbirgt sich dahinter eine Abwehrstrategie!

Man möchte mit dem hochbürgerlichen Verständnis von Zivilgesellschaft den Gedanken propagieren, dass sich sozialstaatliche Erfordernisse quasi "von allein", und zwar infolge zivilgesellschaftlicher Engagements regeln ließen - quasi die unsichtbare Hand der Zivilgesellschaft.

Es steckt also ein Gedanke in viktorianischem Geist darin, dessen Dürre deutlich wird, wenn man man das soziale Engagement derjenigen einmal genauer betrachtet, welche den Begriff "Zivilgesellschaft" besonders eifrig promoten. Denn, wenn da überhaupt (!) etwas zu finden ist, dann ist es i.d.R. höchst ineffizient und sicherlich in keiner Weise ein Ersatz für Sozialstaatlichkeit!

Unterschiede

Ich unterscheide zwischen einer verlogenen "Zivilgesellschaft von oben" und "Zivilgesellschaft von unten" - wobei auch Letztere durchaus auch die Blogosphäre umfasst. Ich unterschiede also zwischen "Bürgersinn von oben" und "Bürgersinn von unten", wobei ich allerdings auch im letzeren Fall keine übertriebenen Hoffnungen hege.

Aber immerhin, die Blogosphäre wächst sich inzwischen sogar zu einem zunehmend spürbaren Korrektiv aus, vereinzielt auch gegenüber von Machtmissbrauch von Firmen.

Sie entwickeln Respekt.

Und zurück zu TI-D

Ich war teils geneigt, den Konflikt zwischen TI-D und der Blogosphäre teils auch als Ausdruck eines Konflikts einer "Zivilgesellschaft von unten" vs "Zivilgesellschaft von oben" zu sehen.

Graduell mag das sogar stimmen, aber es übersieht z.B., dass TI-D keine reine "von oben"-Veranstaltung ist. Sie haben rege Regionalgruppen, sowie rührige und aktive Mitglieder, die sich tatsächlich für das Allgemeinwohl einsetzen - und nicht nur für etwas, was ich "Klasseninteressen" nennen würde.

TI-D ist also mehr als nur ein Pöstchenversorgungsinstitut zur Bedienung und Selbstinszenierung satter Honoratioren. Wobei: Dies ist TI-D m.E. auch.

Ggf. deuten die recht starken internen Spannungen von TI-D an, von welcher Unterschiedlichkeit die dort vertretenen Interessen sind. Neben ordensbehängten Demokratiedarstellern finden sich dort auch jede Menge redliche Leute.

Umso bedauerlicher, wie dieser m.E. in vielerlei Hinsicht extrem schräge Rechtsanwalt den Ruf von TI-D beeinrächtigt. Er selbst meint wohl, er müsse sein Baby schützen.

Dass er mit seinen fragwürdigen Methoden das genaue Gegenteil tut, dies zu erkennen, dafür fehlt ihm die geistige Frische.

 
At 30 März, 2006 15:47, Anonymous Anonym said...

Super dass du wieder voll dabei bist und dieses wichtige Thema aufgreifst.

Viel Gesundheit!

 

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