11 Dezember 2005

Zitationsbrüderschaften

Wir finden derartige Erscheinungen einerseits recht stark in den Sozialwissenschaften, wo sich jeweils irrelevante Autoren gegenseitig stützen, anderseits aber auch in der sog. Blogosphäre, eine Art Fanatikerblogging 2.0.

Das Erstaunliche daran: Es funktioniert!

Der relative Erfolg hochressimenter und teils sogar vollidiotischer rechtsdrehender Autoren und Blogs in der deutschen Blogosphäre geht darauf zurück. Nicht nur, dass die schrägen Stimmen ohnehin oft als aufregender und interessanter gelten; die gegenseitige und überaus typische Vernetzung der Fanatiker führt zu Clusterbildung (Nebenwirkung: Pageranking steigt an) und insgesamt gegenüber ausgewogenen Meinungen zu einem angehobenen Diskussionsgewicht.

Dieses Diskussionsgewicht dieser Erscheinungen wird künstlich angehoben, und reicht am Ende sogar so weit, dass z.B. echte Konservative (mangels bedeutender Alternativen in der Blogosphäre) diesen extremistischen Schwachsinn verlinken.

Denn dort findet sich "Leben" und eine gewisse Blogosphärenrelevanz.

Mit gezieltem Schwarmbildungsverhalten werden jene begünstigt, welche sich die Eigenschaften und Schwächen der vernetzten Welt gezielt zu Nutze machen, in einem Wechselspiel aus Profilierung und Selbstreferenzierung.

Gleichzeitig - dies lässt sich mit den Umfeld der Nockherberger oder den damit teilvernetzten deutschen Anarchokapitalisten zeigen - kochen die Protagonisten weitgehend im eigenen Saft, was jedoch nichts an ihrem relativen Erfolg ändert, an ihrer übergewichtigen Relevanz.

Gegenstrategien? Weiß nicht, vielleicht dies:

(A) Man sollte es sich zur Übung machen, in der Blogosphäre all das zu verlinken, was man vernünftig oder geistreich findet - und jenes zu meiden, das extremistisch ist
(B) Die Taktik der Zitationsbrüderschaft könnte übernommen werden. Das hätte aber einen faden Beigeschmack
(C) Lobende Erwähnung der Lieblingskommentatoren - wie im Spreeblick vorgemacht
(D) Verwendung des "rel=nofollow"-Tags bei der Verlinkung von Extremistenblogs

5 Comments:

At 11 Dezember, 2005 18:12, Anonymous Anonym said...

In letzter Zeit gewinne ich den Eindruck, daß Du Dich auf einer Mission, einem Kreuzzug, wähnst gegen das von Dir nicht nur als schlecht erkannte, sondern zunehmend verteufelte Neoliberale / Konservative / Anorchokapitalistische. Sorry auch wenn Deine Einträge meist interessant sind und ich dem ein oder anderem auch zustimme, so scheinst Du nicht gefeit vor dem zu sein, was Du "Extremistenblogs" vorwirfst.

 
At 11 Dezember, 2005 19:56, Blogger John Dean said...

Nur die Ruhe! Meine Themenwahl mag ja kritisierbar sein, aber immerhin bin ich lernfähig. Und mein Interesse an den Anarchokapitalisten wird bald auch wieder abnehmen.

Das ist nur im Augenblick interessant. Richtig interessant sind doch eher die großen Themen.

 
At 12 Dezember, 2005 16:02, Blogger John Dean said...

@Boche
Es ist bemerkenswert, dass du den Gegenstand der Kritik nicht begriffen hast.

Tatsächlich: Ich hätte dir mehr zugetraut. Es dürfte dir klar sein, dass ich explizit nicht das Verbreiten von Meinungen gemeint habe, sondern auf Manipulationspraktiken gezielt habe.

Aber bleiben wir ruhig einmal systematisch, Boche:
1. Wo in meiner Diagnose habe ich mich vertan?
2. Welches der vorgeschlagenen Mittel zur Abhilfe (unter selbst gegebenen Prämisse: noch nicht durchdacht) lehnst du ab?
3. Inwieweit siehst du in den vorgeschlagenen Mitteln eine "Gegenstrategie zur Verbreitung anderer Meinungen"?

Im Augenblick bin ich geneigt, deinen Einwand überhaupt nicht nachvollziehen zu können. Aber wir werden ja sehen, wie du die Punkte 1-3 beantwortest.

Und für die Zukunft: Egal, mit wem du hier in der Kommentarrolle diskutierst, ich sehe es nicht gern, wenn du irgendeinen Kommentator bzw. dessen Standpunkt z.B. "lächerlich" nennst. Ich halte das für dialogfeindlich. Sei mir nicht böse, aber ich hoffe, dieser Punkt ist für dich nachvollziehbar.

Okay?

 
At 12 Dezember, 2005 22:57, Blogger John Dean said...

@Boche
Zitationen sind nichts Illegales - aber derartige Praktiken gelten z.B. in der Wissenschaft aus gutem Grund nicht nur als unfein, sondern eben als Verfälschung, wenn sie aus strategischen Interesse heraus vorgenommen werden.

M.E. ist sowas (im Bereich der Wissenschaft) ein Manipulationsversuch in Bezug auf das Bewertungssystem der Wissenschaft.

Eigentlich sollen ja nur diejenigen Dinge zitiert werden, die von essentieller Natur für die eigene Arbeit sind.

Strategisches Zitieren gehört i.d.R. nicht dazu.

Im Bereich der Blogosphäre geht es nicht nicht so sehr um "Wahrheit" - aber auch hier finde ich, dass es eine Art Manipulationsstrategie darstellt - zumal wenn es so systematisch wie von den Nockherbergern betrieben wird.

Boche, unter Ordo-Gesichtspunkten ist es interessant, wenn die Spielregeln manipuliert werden. Denn je nach Umfang/Ausmaß und Erfolg dieser Manipulation (und in beiden Fällen kann von "Erfolg" gesprochen werden) wird damit durchaus auch der Charakter des Spiels beeinflusst - und am Ende womöglich entwertet.

Man könnte aus derartigen Strategien, wenn man wollte, die Notwendigkeit als Ordoliberaler ableiten,
(A) Spielregeln möglichst unmanipulierbar zu gestalten
(B) Kein allzu naives Vertrauen auf die Einhaltung von Spielregeln bzw. Ordo-Mitteln zu setzen (also: damit zu sparen! Dieser Gesichtspunkt müsste ja für Boche begrünßenswert sein)
(C) Auf Manipulationen zu achten
(D) Ggf. Gegenstrategien auszudenken

Bei Punkt (D) ist man aus ordoliberaler Betrachtung heraus an einem spannenden Punkt: Wenn (vergleichbar ggf. mit Effekten in Besteurungssystemen) die Setzung und Kontrolle vs. ihrer Umgehung einen Wettlauf starten, kann das am Ende in Bürokratismus übelster Form enden.

Oder im Fall des Steuersystems kann der Versuch (nach ordoliberaler Ansicht eigentlich lobenswert) zu Gerechtigkeit und Gleichbehandlung am Ende auf ein System herauslaufen, das Hochinformierte und Trickser "gerecht" begünstigt, und als System selbst eine Last darstellt, welche die angestrebten positiven Absichten weit übersteigt.

Ich finde das hochspannend.

Kannst du mir folgen, Boche?

Was das "Nicht-Verlinken" angeht, sorry Boche, hier hatte ich ausdrücklich von Extremistenblogs gesprochen, z.B. dem inzwischen erfolgreich gekillten Hassblog "Iblis".

Nicht, wie du mir völlig aus der Luft gegriffen unterstellst, der Boykott "nicht genehmer Autoren".

Das ist weder meine Haltung noch mein Handeln - und das weißt du. Ich verlinke auch dorthin, wo meine Auffassungen Kritik finden.

Boche, es müsste dir aber auffallen, dass unter den Nochherbergern jede Menge Verlinkung zu Extremistenblogs stattfindet.

Oder nicht?

Das ist also mitnichten ein "Popanz", sondern real.

 
At 15 Dezember, 2005 02:19, Blogger John Dean said...

Wo nicht?

 

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