10 Dezember 2005

Erfolg, Gleichheit und ein Gleichnis

Ist der Mensch eine Insel? Ich glaube, das das individuelle Dasein eines Menschen sich immer aus einem Spannungsfeld zwischen Gesellschaft und Person ergibt. Man kann zwischen "verdientem" und "unverdientem" individuellem Erfolg nicht präzis trennen, nach ordoliberaler Anschauung gehört beides zusammen, das Gesellschaftliche und das Individuelle.

Führt man sich die Extrempunkte individuellen Erfolges vor Augen, den "Versager" und wiederum den "Erfolgsmenschen", dann wird damit neben
1. schierem Zufall und
2. kaum bestreitbaren individuellen Faktoren zugleich auch deutlich, dass es in beiden Fällen
3. eine starke gesellschaftliche Komponente gibt.

Ein bildhaftes Gleichnis

Nehmen wir einmal an, es gäbe da irgendwo in der Karibik zwei identische, bislang unbesiedelte Inseln, die klimatisch so beschaffen sind, dass man von dort aus nicht mit einem Boot oder Floß (u.ä) verschwinden könnte. Die Bedingungen dieser Inseln sind so, dass dort jeweils vielleicht 100 Menschen relativ mühelos leben können, denn Kokosnüsse und Bananen, dazu genügend Wasser, Wild u.a. stehen ausreichend zur Verfügung.

Nun besiedeln wir diese Inseln mit zwei Gruppen von Menschen.

Einmal nehmen wir einmal 10 "Erfolgsmenschen", sogenannte Leistungsträger, gleichzeitig so richtige Besserverdiener, wie sie im Buche stehen. Einen herausragenden Arzt, einen unschlagbaren Juristen, den besten aller Politiker und dazu noch 7 weitere, äußerst befähigte, tüchtige und erfolgreiche Menschen, die am Arbeitsmarkt jederzeit und mit hohen Gagen vermittelbar wären.

Auf die andere Insel verfrachten wir 10 soziale Verlierer, sogenannte defizitäre Randexistenzen, Menschen, die im "real life" keine gute Figur machen. Ein paar, die zu alt und uninteressant sind, um am Markt noch Arbeit zu finden. Ein paar Ausländer, einen Kranken und dazu ein paar Jugendliche, die sich bislang auf die soziale Hängematte gelegt haben. Eine Depressive und zum Schluss noch einen gescheiterten Ex-Darsteller aus dem Unterschichten-Fernsehen.

Wir überlassen diese Menschen eine ganze Legislaturperiode lang sich selbst, also vier Jahre lang und schauen dann mal, was geworden ist. Tja, und was werden wir wohl finden?

Richtig!

Niemand, aber auch wirklich niemand von den ehemals Gutsituierten hat auch nur entfernt ein Wohlstandsniveau erreicht, das er zuvor in unserer Zivilisation hatte. Wir lernen daraus: Fürs soziale Gelingen eines tüchtigen Menschen bedarf er durchaus auch der menschlichen Gesellschaft. Ist dieser Mensch dort ganz besonders erfolgreich - so darf er dieser Gesellschaft ganz besonders dankbar sein.

Dankbarkeit - dieses Wort scheint für Eliten, bzw. für diejenigen, die sich mehr oder minder leichtfertig künftig dort einordnen (möchten), absolut fremdartig zu sein.

Warum eigentlich?

14 Comments:

At 10 Dezember, 2005 06:36, Anonymous Anonym said...

Diese Dankbarkeit könnte sich ja zum Beispiel auch darin zeigen, dass man seine Steuern bezahlt ohne betrügen und hinterziehen zu wollen, dass man sich für Mitmenschen interessiert, denen es z.B. nicht so gut geht, weil sie nicht so gute Startbedingungen hatten etc. pp. All dies sind Dinge, die den heutigen Eliten - häufig reine Erb-Eliten - nicht mehr abgehen. Der aktuelle Trend ist also, sich abzugrenzen und jegliche Empathie auf die gesellschaftliche Mülldeponie zu verfrachten. Schöne neue Welt...

 
At 10 Dezember, 2005 09:43, Anonymous Anonym said...

Wären wir alle so ehrgeizig, wie es gewünscht wird, dann wäre die Meschheit meiner Meinung nach schon längst wegen tödlicher Ellenbogen-Checks ausgestorben.

Häuptlinge brauchen eben auch Indianer.

 
At 10 Dezember, 2005 20:43, Anonymous Anonym said...

Das "Gleichnis" ist natürlich schief und hält historischen Vorbildern nicht stand. Natürlich kommt einem "Erfolgreichen" in westlichen Industrienationen eine jahrzehntealte Ersparnis zu Gute, wie aber allerdings a priori auch den "nicht Erfolgreichen".

Auch auf den beiden Inseln wird es zu deutlichen Wohlstandsunterschieden aufgrund natürlicher Begabung, intelligenteren Vorgehens, höheren Einsatzes oder einfach nur Glück kommen. Sollten also die, denen dieses gelingt, den anderen dafür dankbar sein?

 
At 10 Dezember, 2005 21:11, Blogger John Dean said...

@Rayson
Man merkt, dass dieses Gleichnis dich stört. Warum eigentlich?

Steht hier in diesem Zusammenhang irgend etwas über "Entwicklungsländer"?

Nein, das Gleichnis zielt darauf, unter welchen Bedingungen sich die Begabungen eines Menschen entfalten, und meine dir ggf. missfallende Ausgangsthese ist, dass es auch gesellschaftliche Bedingungen sind -> bei den sog. "Erfolgsmenschen" sogar ganz besonders.

Niemand - und das lasse ruhig auf deinen Gedankenvorrat einwirken - ist hier in der Lage, das Niveau der Zivilisation zu erreichen, und die Differenz der "Erfolgsmenschen" fällt hierbei sogar besonders gravierend aus.

Verstehst du, was das bedeutet?

Es ist übrigens auch nicht ausgemacht, welche Gruppe und welcher Mensch sich unter den neuen Bedingungen gut behaupten wird.

Oder?

Ich könnte diese These noch verschärfen, aber mir geht es darum zu zeigen, und ich finde erfolgreich, dass "Erfolg" sich in einem Spannungsfeld zwischen Individualität und Gesellschaft befindet.

Ich stelle die Grundlagen eines den Individualismus vergötzenden Liberalismus in Frage.

Darf man das?

Man muss das sogar - und zugespitzt formuliert - du wirst die Bezüge kennen: Der Übermensch ist ohne Sozialität nicht denkbar.

Tja - und der Erfolgsmensch auch nicht. Ein Liberalismus, welcher das Gesellschaftliche schnell als Hemmung des Individuums begreift bzw. diese Dimension des Menschseins zu ignorieren geneigt ist, geht am Doppelwesen unserer Natur vorbei. Der Mensch ist kein reines Individualwesen.

Das ist ein Irrtum.

Übrigens: Der gleiche Vorwurf trifft z.B. auch die Sozialisten und Kommunisten. Auch diese gehen am Wesen des Menschen vorbei, sie deformieren den Menschen zum reinen Kollektivwesen.

Auch das ist ein Irrtum.

Eigentlich, Rayson, hätte ich mir von deiner Seite (als Ordoliberaler) mehr Begeisterung für dieses Beispiel erhofft. Und ich sehe bislang nicht einen einzigen überzeugenden Punkt, der dieses Gleichnis entkräftet.

Der Mensch ist in senem Dasein individuell und sozial bedingt.

Tja, und je erfolgreicher ein Mensch ist, umso stärker wiegt dieser soziale Aspekt.

Rayson, kannst du diese Aussage bestreiten, und wenn ja - wie?

 
At 11 Dezember, 2005 03:04, Anonymous Anonym said...

Man kann das auch kürzer sagen wie in Las Vegas:

"Las Vegas was not built by winners but by losers."

"Reichtum" und "Erfolg" definiert sich immer über andere, über diejenigen, die sich den Rolls, die Cartier, das Model als Zweitfrau, den Urlaub auf den Seychellen nicht leisten können.

Auf der Insel würden andere Gesetze herrschen und bei zehn Leuten wäre das im Prinzip Sozialismus. Wenn alles da ist, was man braucht, aber nichts von dem nötig ist, was in unserer Gesellschaft zu Status führt, dann sind die Spielregeln andere. Es bringt nichts, Bananenkapitalist zu werden, wenn das Zeugs an jedem Strauch hängt. Oder Kokosnüsse.

Wenn da allerdings eine hübsche Studentin dabei ist... dann wirds wieder interessant :-)

 
At 11 Dezember, 2005 15:19, Anonymous Anonym said...

Rayson, kannst du diese Aussage bestreiten, und wenn ja - wie?

Welche denn jetzt? Dass der Mensch auch ein soziales Wesen ist, das Gemeinschaft sucht und von ihr profitiert? Oder dass er, sofern er Erfolg hat, über die in freiwilligen Verträgen gewährte gegenseitige Kompensation hinaus seiner Umwelt zu besonderem Dank verpflichtet sei? Für Letzteres sehe ich keinen Grund.

Nein, das Gleichnis "stört" mich nicht. Ich halte es nur für verfehlt. Die Ursachen des Wohlstands, den wir kennen, sind ein umfangreicher Kapitalstock (inkl. Humankapital), ausgeprägte Arbeitsteilung, internationaler Handel und ein freies Wirtschaftssystem. Davon profitieren nicht nur die besonders Erfolgreichen, sondern auch alle anderen.

Ein "Gleichnis", das mir zeigen will, dass eine Welt ohne Kapitalstock und Handel, die praktisch auf die Möglichkeiten einer reinen Subsistenzwirtschaft eingeschränkt ist, insgesamt ärmer dran ist, erklärt mir Triviales. Es sagt aber überhaupt nichts Neues aus zum Verhältnis Individuum-Gesellschaft.

Dass sich unter den Bedingungen dieser neuen, stark eingeschränkten Umgebung andere Talente als wichtiger erweisen als in unserer ausdifferenzierten High-Tech-Welt, erklärt auch nur, warum Adel keine so besonders gute Idee ist.

Natürlich bedarf der Mensch der Kooperation und des Miteinander - nichts Anderes ist z.B. ein Markt.

Und "Dankbarkeit"?

Der "Erfolgreiche" kann vielleicht dem Schicksal (mal neutral formuliert) dankbar sein, das ihn in diesem Zeit-Raum-Kontext hat zur Welt kommen lassen und nicht im Mittelalter oder irgendwo in Schwarzafrika. Vielleicht auch einigen bestimmten Personen, die ihn besonders gefördert haben. Alles andere hielte ich aber für konstruiert.

Auf der anderen Seite sehe über persönliche Betroffenheit hinaus auch wenig Grund, warum der Rest der Welt den "Erfolgreichen" besonders dankbar sein sollte (zumindest so lange Erfolg materiell gemessen wird). Vielleicht Linus Torvalds oder Jörg Schirottke, aber nicht Bill Gates (höchstens für dessen Afrika-Spenden, aber das ist eine andere Sache).

Die Idee, der "Erfolgreiche" sei zusätzlich zur Kompensation seiner Vertragspartner Anderen oder gar dem Staat gegenüber noch zu irgendetwas Besonderem verpflichtet, speist sich vermutlich zum Einen aus dem in solchen Diskussionen unvermeidlich auftauchenden Verständnis von Wirtschaften als dem Verteilen eines Kuchens (was der "Erfolgreiche" hat, muss er den Anderen ungerechtfertigt weggenommen haben) oder dem immer latent mitgedachten Verdacht, er profitiere von etwas als Trittbrettfahrer, das anderen in diesem Maß nicht zur Verfügung steht. Aber selbst wenn letztere Bedingung zuträfe, wäre die Schlussfolgerung daraus nicht sofort griffbereit, sondern hinge vom Einzelfall ab.

 
At 12 Dezember, 2005 22:30, Anonymous Anonym said...

Mit Verlaub, Rayson, ich glaube nicht, dass du auch nur ansatzweise auf die Programmatik zu sprechen kommst.

Schön wie sehr du deine auswendig gelernte Propaganda runtertrellern kannst, aber du redest dran vorbei.

"Oder dass er, sofern er Erfolg hat, über die in freiwilligen Verträgen gewährte gegenseitige Kompensation hinaus seiner Umwelt zu besonderem Dank verpflichtet sei? Für Letzteres sehe ich keinen Grund. "
Hui. Bei der Aussage musste ich erstmal kräftig schlucken.
Ich frage mich, was dir deine Mitmenschen angetan haben müssen, um so ein menschenfeindliches Bild zu bekommen.

Natürlich ist man Dankbar, genauso wie du deiner Mannschaft dankbar wärest, wenn du als Topstürmer ein Tor schießt. Du kannst nicht ohne Mannschaft soweit kommen und trotzdem erntest du als Torjäger den Ruhm.
(Der Vergleich hinkt, aber ich bin schrecklich unkreativ)
Du profitierst und deine Mannschaft tut es, wenn du dich nun allerdings vor der Mannschaft als was besseres darstellst, wäre für mich eine logische Konsequenz dich aus der Mannschaft auszuschließen.
Nur leider ist der Trainer korrupt und deine Eltern stinkreich.

 
At 13 Dezember, 2005 19:45, Anonymous Anonym said...

Werte/r Anonyme/r, du warst offensichtlich so sehr beschäftigt, in deinem Standardrepertoire an herabsetzenden Floskeln zu kramen, dass der Inhalt meines Kommentars tatsächlich zur Hälfte nicht bei dir ankam.

Im direkten persönlichen Kontakt kann es viele Gründe für Dankbarkeit geben. Dazu bedarf es aber in der Regel konkreter Anlässe und identifzierbarer gegenseitiger Beziehungen. Alles andere wäre wohl eine ziemlich wertlose, abstrakte und m.E. nicht zu begründende Art der Dankbarkeit.

 
At 17 Dezember, 2005 09:47, Blogger John Dean said...

Die Heiligung des Marktes im Namen angeblicher "Freiheit" verkennt, dass

(a) Marktergebnisse nicht unbedingt gerecht, sozial wünschbar sind auch nur ein Abbild erbrachter Leistungen sind - oft sind sie nur Ausdruck von Zufälligkeiten, oder Resultate ungleich verteilter Macht. Das bedeutet zwar nicht, dass man den Koordinationmechanismus des Marktes ablehnen müsse - aber es bedeutet, dass Markterfordernissee und politische Erfordernisse oftmals auseinander fallen.

(b)Marktliche Koordination eretzt mitnichten die Verwirklichung gesellschaftlicher Erfordernisse.

(c) Die Idee, dass der finanziell "Erfolgreiche" der Gesellschaft etwas schulde, mag Anhängern anarchokapitalistischer Idiologie ein Ärgernis bedeuten, ist aber eben kaum abzustreiten.

Es geht am Wesen des Menschen vorbei, wenn man annähme, der "Erfolg" eines Menschen sei ein lediglich individuell deutbar.

Das wäre extremistisch.

Genauso gründlich in die Irre gehen auch Ideen, welche den Menschen ideell kollektivieren. Eine Gesellschaft, welche den Erfolg eines Individuums komplett oder überwiegend enteignet, wäre genauso absurd wie eine Gesellschaft, die unter verlogenen Bezug auf "Freiheit" der Macht des Stärkeren ungebremste Entfaltung verschafft.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass eine konsequente anarchokapitalistische Idiologie letzten Endes in Sozialdarwinismus enden muss - und gerade wir Deutschen sollten hier gewarnt sein.

 
At 19 Dezember, 2005 14:54, Anonymous Anonym said...

Du profitierst und deine Mannschaft tut es, wenn du dich nun allerdings vor der Mannschaft als was besseres darstellst, wäre für mich eine logische Konsequenz dich aus der Mannschaft auszuschließen.
Nur leider ist der Trainer korrupt und deine Eltern stinkreich.


Da hätte ich jetzt zwei Fragen.

1) Warum kickt der Torjäger nun die Bälle rein und die anderen eben nicht? hat er seine Schuhe mit dem Geld seiner stinkreichen Eltern ausgestopft und hat deswegen einen härteren Tritt als die anderen?

2) Wäre es für das Team vorteilhafter den selbstdarstellerischen Torjäger aus der Mannschaft auszuschließen und ab sofort mit dem guten Gefühl das alle die gleiche Aufmerksamkeit des Publikums geniesen ... nur das sie ab sofort keine Tore mehr schiessen und alle Spiele verlieren, zu leben?

 
At 22 Dezember, 2005 11:20, Blogger John Dean said...

@Don
Tja, dann ist es halt ein Mannschaftssport: Da muss jeder Mannschaftsteil Rücksicht nehmen.

Der Torjäger darf nicht allen Verdienst sich selbst zurechen, egal, wieviel Tore er schießt. Und die Mannschaft darf sich nicht weigern, dem Torjäger Pässe zu spielen.

Zwischen egomanischen Individualismus bzw. egalitären Kollektivismus gibt es jede Menge Zwischenstufen.

Wie ich schon sagte: Erfolg ist teils gesellschaftlicher Natur (und zwar umso mehr, je größer der Erfolg ausfällt), und teils individueller Natur.

 
At 24 Dezember, 2005 00:30, Blogger John Dean said...

Weil es so schön passt:

Micoud: Mit dem Begriff Star kann ich nichts anfangen, ehrlich. Für mich ist der Teamgeist auf dem Feld viel wichtiger. Ohne diese besondere Mentalität, diesen Zusammenhalt auf dem Platz, würde uns nichts gelingen

 
At 25 Dezember, 2005 17:25, Anonymous Anonym said...

Erfolg ist natürlich teilweise gesellschaftlicher Natur. Aber je größer der Erfolg ausfällt, um so mehr ist er individueller Natur: im Sport, in der Wissenschaft, in der Kunst ...

 
At 28 Dezember, 2005 00:50, Blogger John Dean said...

@Stefanolix
Auf einer Insel, selbst mit 9 weiteren Insulanern, würde der Supererfolgreiche stärker abfallen als ein nur Erfolgreicher.

Aus dem Gleichnis ergibt sich demnach das komplette Gegenteil deiner Ansicht.

Oder?

Der Befund wäre auch wenig überraschend: Je erfolgreicher jemand ist, umso mehr dankt er dies in irgendeiner Form der Gesellschaft.

Um präzis zu bleiben: Beim Supererfolgreichen ist die individuelle Komponente ebenfalls (!) stärker ausgeprägt. Das heißt, sowohl der individuelle Faktor, als auch der gesellschaftliche Faktor wachsen an.

Werden wir ruhig einmal konkret, damit dieser Gedanke seine Anwendbarkeit belegen kann:

Wenn wir uns unseren Supererfolgreichen z.B. als den führenden Lungentumor-Spezialisten denken, dann wird dieser doppelte Zusammenhang klar: Erstens ist der individuelle Faktor stärker ausgeprägt - im Vergleich zu einem nur erfolgreichen Lungentumorspezialisten. Gleichzeitig wächst auch das Gesellschaftliche, denn sein relativer und z.B. in Wohlstand mündender Erfolgsunterschied ist in geradezu jeglicher Hinsicht, sowohl auf der Herkunfts-Seite des Wohlstands, also auch auf der Verwendungssseite des Wohlstands in sehr hohen Maß gesellschaftlich determiniert.

Auf der Insel wäre unsere supererfolgreicher Tumorspezialist nicht viel.

Diese Abhängigkeit von der umgegebenen Sozialität ist in vielerlei Hinsicht interessant.

1. Denken wir ihn uns mit seinen Charaktereigenschaften, denken wir ihn uns als belesenen, hochinteligenten Forschergeist mit feinmeschanischem Geschick und enormer Sturheit, so hätte er es z.B. in einer arabischen Gesellschaft nur zum Töpfer gebracht. Denn ohne passenden Familienclan läuft da kaum etwaa.

2. Denken wir ihn uns als typischen deutschen Arzt. Auch hier werden wir einen großen Einfluss der Familie finden. Dazu jede Menge Zufälle in seiner Lebenslaufbahn.

3. Und denken wir unseren Tumorspezialisten wieder auf die Insel. Es könnte gut sein, dass er den übrigen 9 Insulanern nur auf die Nerven fällt und ein Außenseiter wäre.

Und da sind wir wieder bei der Behauptung von Stefanolix:

--- schnipp ---
Aber je größer der Erfolg ausfällt, um so mehr ist er individueller Natur: im Sport, in der Wissenschaft, in der Kunst ...
--- schnapp ---

Ist das wirklich so? Oder unterliegen wir mit dieser Schlussfolgerung (woraus eigentlich?) nicht einer überbetont individualistischen Weltanschauung?

Wie auch immer: Ordoliberale neigen zum Personalismus. Das heißt, sie sehen den Menschen in einem Feld aus Gesellschaftlichen und Individuellen.

Für Ordoliberale geht es am Wesen des Menschen vorbei, den Menschen einseitig individuell oder einseitig gesellschaftlich zu verstehen.

Ich behaupte:

Das Menschenbild der Ordoliberalen ist mit weitem Abstand realistischer als das Menschenbild der Anarchokapitalisten und Libertären.

 

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