30 November 2005

Schön, dass ihr da seid!

Ich mache mir gerade Gedanken über das Bloggen an und für sich. Ich bin jetzt seit knapp drei Monaten dabei und irgendwie gefällt es mir - und andersherum finde ich ein paar Dinge auch nervig. Ein Aspekt davon ist die Streitkultur.

Es beschäftigt einen jedenfalls manchmal mehr, als es sollte. Die spezielle Streitkultur des Bloggens hat auch Einfluss auf die nicht-virtuelle Welt. Neulich ertappte ich mich, wie ich im Supermarkt auf eine Frage überpointiert geantwortet habe - und bei meinem Gegenüber damit einen gewissen Schreck auslöste.

Woher dieses Real-world-Verhalten herrührte, war hier klar: Es war in der Art und Weise ein Abbild davon, wie ich in der Blogosphäre stritt. Das Streiten und Diskutieren in der Blogosphäre kann Spaß machen, es unterhält und kann den eigenen Horizont erweitern. Schön schön, aber warum in aller Welt, gibt es so viel persönliche Herabsetzung darin, so viel Kampf und Haarspalterei?

Und wenn ich mir nun - aus schierer Neugier und Lust auf gute Texte - anschaue, wie andere Blogger (die ich wegen intelligent-ausgewogener Texte sehr schätze) im Blogosphären-Biotop streiten, mit wem auch immer, frage ich mich:
Was ist da los? Was geschieht mit uns?
Ich stelle diese Frage ganz undramatisch. Ein kleiner Teil der Erklärung könnte sein, dass der Druck, den viele spüren, am Arbeitsplatz oder auch am fehlenden Arbeitsplatz, sich schlicht sich in der Anonymität des Internets entlädt. Aus Reibungen in der Gesellschaft entwickeln sich atmosphärische Aufladungen, welche sich ihren Weg bahnen.

Es werden Blitze geschleudert, Brandreden verfasst, ja, es gibt sogar reine Hass-Blogs. Die Häme und die Übertreibungen in vielen Blogger-Postings, all das ist mehr als ein bloßes Abbild "der dummen Masse", es betrifft ja sogar intelligente und mitfühlende Menschennaturen. Ich ertappe mich jedenfalls selbst häufig genug.

Nun will ich kein Heiliger sein, das wär mir zu anstrengend, auch zu langweilig. Aus einem verkniffenen Arsch kommt sowieso kein fröhlicher Furz. Wenn aber zuviel herumgefurzt wird, dann riecht es unschön. Und ich finde, dass es in der Blogosphäre an überraschend vielen Stellen müffelt.

Wie kommen wir zu einem besseren Streiten mit mehr menschlichen Respekt?

Ich meine, es zählt nicht zuletzt auch Kultur (!) dazu. Und wie alle Kultur benötigt es Zeit und Vorbild, bis sich diese entwickelt, sowie günstige Rahmenbedingungen. Und falls es einem gelingen sollte, gelegentlich ein gutes Beispiel für ein sinnvolles Diskutieren zu geben - oder guten Beispielen zu folgen, so nützt dies - nicht zuletzt der eigenen Entwicklung.

So - und schaue ich mir die Kommentare in meinem Blog an, so freut mich das, was ich dann finde! Lauter intelligente und höfliche Menschen, die Konstruktives beitragen, ohne dabei langweilig zu sein. In diesem Sinne:

Schön, dass ihr da seid!

1 Comments:

At 02 Dezember, 2005 02:00, Blogger John Dean said...

@Robin
Warum ich bewusst auf "gegnerischen Blogs" kommentiere?

Eine gute Frage!

Das
(a) ist meiner Diskussionslust geschuldet, aber noch mehr, weitaus mehr,
(b) entspricht meiner Auffassung, dass man mit dem "Gegner" im Gespräch bleiben sollte.

Das ist für beide Seiten besser.

Ich komme auf diesem Weg z.B. mit Themen in Berührung, die ich sonst nicht weiter beachten würde. Mag ich z.B. Dalrymples Weltsicht und Schlussfolgerungen für ziemlich fragwürdig halten - seine Beobachtungen und Fragen sind dann doch oft interessant. Und man kann - bei teils sehr ähnlichen Beobachtungen, durchaus zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen.

Ich wäre aber zu diesen Punkt ohne einen Anstoß nicht von alleine gelangt.

Das ist gewissermaßen eine Rendite der Freiheit. So, und über diesen Schlenker komme ich auf einen dritten Grund, nämlich
(c) eine, sorry, wissenschaftstheoretische Begründung: Ich bin im Bereich der Sozialwissenschaften davon überzeugt, dass es hier keine aboluten Wahrheiten gibt. Sogar der Keynesianismus, den ich zutiefst verachte, ermöglicht "von seinem Hügel" aus Ansichten der Wirklichkeit, die sich von nur einem einzigen Standpunkt aus eben nicht erschließen würden.

Bin ich zusätzlich in der Lage, über meinen linksliberal-ordoliberalen Mount Everest (*g*) auch das Mittelgebirge neoliberalistischer Sichtweise zu erklimmen, zumindestens bis zu einer gewissen Höhe, so ermöglicht mir dies weitere Einsichten, die ich ansonsten nicht gehabt hätte.

Ich halte den Pluralismus von Ideen für eine große Chance.

Aber ich kann diese Chance nur nutzen, wenn ich in den Dialog trete. Durchaus streitbar in der Sache - und mit menschlichem Respekt. Und ich sollte das auch der Sache nach - zumindest für mich im Inneren - in einer gewissen Demut tun.

Wenn ich z.B. hier einen Finanzwissenschaftler ein klein wenig alt aussehen lassen kann, ändert das garnichts daran, dass auch er, der sonst kein Dummkopf ist, mir Sichtweisen voraus hat, von denen ich profitieren kann.

Ich hoffe, Ihre Frage damit halbwegs beantwortet zu haben.

 

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