27 Oktober 2005

Marktlibertäre Liberalität

Reicht es zu sagen: Amerikanische Konservative und amerikanische Liberale sind am ehesten darin chrakterisiert, dass sie die Kräfte des Privateigentums und der Märkte für ausgesprochen segensreich halten. Genügt das zur Definition?

Nein.

Eine gewisse Dosis gesellschaftliche Illiberalität gehört halt für Konservative doch dazu, erst recht für "strong republicans", die in unserem Land, sofort als Faschisten eingestuft würden, wenn diese sich mit ihren klassischen Positionen bei uns an öffentlichen Debatten beteiligen würden.

Man kann einen "typischen" amerikansichen Konservativen nicht allein an seiner Marktliebe fassen. Das reicht nicht; dafür muss nicht einmal an Rush Limbaugh gedacht werden. Dazu kommt eine christlich-evangelikale Komponente, also um "konservative Werte" - heute mehr denn je.

Dennoch kann man schon sagen, dass Marktnähe in Amerika viel zählt:

Amerikanische Konservative haben einen deutlich ausgeprägten marktlibertär- und oft auch moderat liberalen Schlag und "Aäingchiie" teilt - im Gegensatz zu klassischen deutschen Konservativen - diese Staatsskepsis in besonderen Maß und darüber hinaus auch viele amerikanische Ideen zur Wirtschafts- und Sozialverfassung der Gesellschaft. Sie ist auch auch nicht so ausgeprägt obrigkeitstaatlich, wie es deutsche Konervative von jeher sind, z.B. auf dem Gebiet der Innenpolitik.

Dazu kommt gerade bei Frau Merkel eine viele hundert bittere Pillen weit überschreitende große Extradosis Sozialstaatsfeindlichkeit, bei der sie in ihrer Partei in dieser Konsequenz nicht nur Gegenliebe findet.

Richtig schreibt AlaPos:

"Solange der ökonomische Liberalismus auf Rechnung der Freiheit Geschäfte mit Unfreiheit, Diktatur und Korruption macht, werden die Bürger sich unter dem Stichwort "Liberalismus" genasführt und ausgebeutet fühlen."

Nun ja: Wirtschaftsliberalismus benötigt halt nicht zwingend gesellschaftlichen Liberalismus.

S`isso.

Es geht zur Not auch ganz gut ohne gesellschaftlichen Liberalismus, denn solange Eigentum und Einkommen nicht in Gefahr geraten bzw. sogar gefördert werden, zum Beispiel durch die Gewährung staatlicher Lizenzen, Aufträge oder Monopole (besonders umfassende wirtschaftliche Schutzrechte beispielsweise) kann es für wirtschaftsliberale Unternehmer sogar angenehm sein, von den Zumutungen der Zivilgesellschaft (z.B. Arbeitnehmerrechten, Ökoauflagen, Bürgerbeteiligung) eher verschont zu werden.

Wie in Russland.

Es gibt aber noch etwas Zweites, wo sich das Gefühl des Genasführtwerdens bei vielen Bürgern einstellt:

Menschen scheinen ganz nämlich allgemein, und sogar weltweit das Gefühl zu haben, dass sie in sozialer Hinsicht nicht schutzlos sein möchten.

Woher sie diese in "liberalen" Kreisen als unverschämt empfundenen Auffassungen haben, kann ich im Moment nicht genauer eroieren, diese sogenannte "Freiheitsskepsis", diese "natürliche Angst der Versager vor dem Glanz der Freiheit", dieser "Hass auf den Markt" usw. usf.

Nun, solange Liberalismus meint, im Wesentlichen qua unsichtbarer Hand würde "die Freiheit" automatisch zu sozial vernünftigen Ergebnissen gelangen, solange haben nicht wenige Menschen den Eindruck, dass sich die liberalen Eliten über die Anliegen von Durchschnittsmenschen ignorant lustig machen, statt eine belastbare Version liberaler Sozialstaatlichkeit anzubieten.

Der Punkt ist: Wo "liberales Denken" sich v.a. als sozialstaatsfeindlich begreift, mit seinem politischen Stoßschwerpunkt Entstaatlichung und Sozialstaatsabbau, und nicht einmal in groben Skizzen in der Lage und willens ist, ein umfassendes, effizientes wie liberales Sozialstaatsmodell zu präsentieren, und zwar über die Kuschelecke für die Bildung hinaus, solange erscheint politischer Liberalismus in den Augen sehr vieler Menschen nur als eine Eliten systematisch begünstigende Angelegenheit.

Natürlich irren sie. Oder?

Der Eindruck kommt auf: Den Liberalen von heute geht es nicht um menschliche Freiheiten, sondern schwerpunktmäßig nur um die Freiheiten von Wohlhabenden.

2 Comments:

At 28 Oktober, 2005 00:32, Anonymous Anonym said...

Welch weiter Schwenk - von "amerikanischen Konservativen" zu "heutigen Liberalen".

Es ist wohl das zwangsläufige Schicksal der gedanklich Etikettierten, sich gegen das ihnen aufgepresste Etikett nicht wehren zu können. Ob deine Unterstellungen zutreffen, müsstest du zunächst belegen. Ich bezweifle, dass es dir gelingt.

Selbst die FDP, als wahrhaft kritikwürdiges Residuum liberalen Denkens in Deutschland, hat das im Repertoire, was du mit großer Geste einforderst.

Aber dass eine Mehrheit der Menschen lieber darauf setzt, dass der Rest für sie sorgt statt sie für sich selbst, das kann mich nun wirklich nicht verwundern. Nicht, so lange es Politiker gibt, die genau diese Gedanken fördern.

Das unterirdische Niveau, das in deiner als Ich-Botschaft verkauften Unterstellung zum Ausdruck kommt, solltest du dir übrigens nicht antun. Von der Sorte hätte ich auch Einiges im Angebot, aber das wäre wirklich zu billig.

 
At 28 Oktober, 2005 01:10, Blogger John Dean said...

Tja - Konservative und Liberale amerikanischen Zuschnitts bieten m.E. nun einmal - auch hierzulande - wesentliche Impulse der gesellschaftlichen Entwicklung und zur politischen Debatte.

Die Linken? Sind doch so gut wie scheintot, von dort kommen nur Rückzugsgefechte? Ideologisch ist da nur noch Wüste, das erklärt m.E. auch ein wenig, warum Leute wie FDOG oder teils Bahamas sich im liberalen und libertären Lager tummeln.

Die Kommunisten? Bitte, wer?

An welcher Richtung soll man sich reiben, welche Ideen durchdenken, wenn man sich nur fragt, von wo die wesentlichen Inputs für das Führungspersonal dieser unseren Republik kommt?

Kommunitaristen?

Wo ist man den deutschen Debatten voraus, und was ist interessant zu verfolgen?

Genau dort.

Und ehrlich, die nachhaltig und umfassend formulierte FDP-Sozialstaatlichkeit, die habe ich hierzulande noch nicht entdecken können, auch nicht im Gespräch mit Mandatsträgern, Parteimitgliedern oder Leuten aus der Naumannstiftung.

Nirgends.

Da gibt es nur eine Melodie, die zu hören war: Staat raus! Privatisieren! Weg mit dem Sozialstaat! Natürlich in nettere, und nicht völlig unplausible Worte verpackt.

DAS ist der Impact. DAS ist die Stoßrichtung. Wenn mal etwas anderes kommt (z.B. "Bürgergeld"), dann ist das m.E. hoffnungslos undurchdacht. Die FDP-Konzeption zum Bürgergeld hat mehr Mängel als mein Blog Einträge zulässt - nur mit dem noch größeren Problem verbunden, dass diese Mängel in der FDP noch nicht erörtert wurden.

Die meinen das nicht ernst.

Ich habe noch von keinem deutschen FDP-Vorschlag zur Lösung vorhandener sozialer Probleme in den letzten Jahren gehört. Wir haben Probleme genug - und kreative Lösungen sind mehr als notwendig. Dafür habe ich genügend FDP-Leute in Jugendausschüssen, Wirtschaftsgremien und dergleichen erlebt.

Immer nur das Gerede von "Schmarotzern" und "faulen Beamten".

Nee, sorry: *Diese* Leute waren bislang allesamt blind. Die leben in ihrer eigenen Welt und wollen mit dem Rest, bitteschön, nicht zu tun haben. Die lachen z.B. über Sachen wie Live8.

Grundsätzlich. Die sehen nicht, dass sowas auch eine Form von Zivilgesellschaft ist. Die lachen bloß.

Falls du mir ein sozial sehendes Exemplar aus der FDP vorstellen kannst, einen Menschen, der nur geringfügig mehr will als Kosten zu senken, wäre ich sehr ernsthaft dankbar.

Bislang habe ich sogar Probleme in der deutschen FDP irgendwelche Leute zu finden, die eine Idee haben, warum es nicht die Aufgabe des Staates sein kann, den Transrapid mit 10 Mrd Euro schweren Subventionen zur ökonomischen Lebensfähigkeit zu verhelfen.

Aber einen dutzendfachen Haufen, sorry, auf diesem Feld muss man es sagen, strunzdummer Rechtsanwälte, die kann dir problemlos angeben.

Das Etikett "Marktlibertäre Liberalitält" finde ich insofern nicht dumm. Fast schon treffend, obwohl ich mit diesem Begriff noch nicht genügend zufrieden bin. Ich suche noch etwas Treffenderes.

Vorschläge sind willkommen.

 

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