03 September 2008

Freiheitsquellen, Freiheitshindernisse, positive und negative Freiheiten - Grundlagen des Linksliberalismus (4)

Wäre ich ein Philosoph, würde ich vermutlich nur ca. alle drei Monate ein Wort finden. Jedenfalls: Nach vielen Monaten des Nachdenkens ist mir endlich ein Wort eingefallen. Das Wort lautet: Freiheitshindernisse.

Warum finde ich es bemerkenswert?

In der (nun seit zirka 3 Jahren andauernden) Diskussion mit Blogliberalen, Blog"liberalen" und Rechtslibertären habe ich mich an dem dort modischen Freiheitsbegriff gestoßen. Dort wird gerne zwischen "positiven" (Freiheit zu) und "negativen" (Freiheit von) Freiheiten unterschieden - und mit dieser, scheinbar klaren, Fundamentalunterscheidung konstruiert man dort einem ganz besonders "liberalen" Freiheitsbegriff. Und die politische Bemühung soll - nach Ansicht der Rechtslibertären und Rechtsliberalen - einzig (bzw. vorwiegend) dem Erhalt der "negativen Freiheit" gewidmet werden, der Freiheit von Zwang.

Irgendwann fand ich dann (das dauerte nur rund 18 Monate), dass der Begriff "Freiheitsquellen" deutlich flexibler ist, verglichen mit dem rechtsliberalen Konzept, weniger reduziert ist und mehr Potential bietet: Nämlich, den Begriff "Freiheit" mit Leben zu füllen.

Tja, und heute Abend (beim Lesen eines uralten Lexikons zum Stickwort Freyheit) fiel mir auf, wie dumm, wie unvollständig diese Idee von mir war, denn es fehlte zumindest ein Wort, das ich heute Abend fand: Freiheitshindernis.

Wofür soll das Wort gut sein?

Der Witz ist, meiner Meinung nach, dass das Konzept von "positiver Freiheit" vs. "negativer Freiheit" doch sehr eingeschränkt ist. Wie bringt man dort z.B. die "innere Freiheit" unter? Darum: Freiheitsquelle. Wie bringt man Unfähigkeit unter, wie eine fehlende Entwicklungsvoraussetzung oder wie eine hinderliche, aber eigentlich freiwillige Unterwerfung unter einem Dienstverhältnis? Darum: Freiheitshindernis.

Die Kategorisierung von "positiven" vs. "negativen" Freiheiten ist im Vergleich trennschärfer. Zwischen den beiden Kategorien Freiheitsquelle und Freiheitshindernis kann (m.E. leichter) ein fließender Übergang bestehen - und es kann vorkommen, dass der gleiche politische, soziale oder persönliche Sachverhalt beiden Kategorien angehört. Der Vorteil ist, dass man mit "meinen" Kategorien (ich glaube ja nicht, dass ich der erste bin, der diese Unterscheidung vorgenommen hat) mehr Fleisch erhält, mehr Inhalt, und vor allem mehr von dem, was Freiheit ausmacht. Man kann mit diesen Kategorien leichter fragen: Mehr Freiheit wodurch? Weniger Freiheit wodurch? Man kann sich m.E. dann auch leichter mit institutionellen Fragestellungen beschäftigen.

Die Unterscheidung von "Freiheitsquelle" vs "Freiheitshindernis" entfernt zugleich auch von einem aktuellen und verbreiteten politischen Elitendiskurs, wo man Politik gerne auf das Beseitigen von Zwängen beschränken möchte (hier gerne genommen: Steuerbelastungen, "Sozialstaat" als Lastenquelle und bürokratische Hemmnisse). Ich glaube, dass "meine" beiden Kategorien nützlicher sind, nützlicher für die analytische Arbeit (auch, weil vollständigere Ergebnisse möglich sind) und auch nützlicher für die politische Arbeit.

Ein weiterer Aspekt: Demokratie wird in "meiner" Fundamentalunterscheidung zur positiven Freiheitsquelle, während diejenigen, welche den Unterscheidungen von Isaiah Berlin folgen, Demokratie auch mal gerne als eine Form von "Zwang" umdeklarieren, bei der eine Mehrheit die Minderheit (i.d.R. als Leistungsträger verstanden) unterwirft. Isaiah Berlin hat sich in seinen berühmten "Four Essays on Liberty" (der Link bietet den vollständigen Text) zu stark von seinem anti-marxistischen Reflex leiten lassen - und dabei, meiner Meinung nach, viel philosophisches Porzellan zerschlagen.

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3 Comments:

At 03 September, 2008 17:42, Anonymous Anonym said...

Apropos Marxismus:

Vom Freiheitsbegriff der SED waren manche der marxistischen Vordenker relativ weit entfernt.

Während von liberaler Seite da stets der "Kollektivismus" betont, und sofort als künstlicher Gegensatz zu einer irgendwie gearteten "Freiheit" aufgebaut wird, waren ja gerade die frühen utopischen Sozialisten wie Fourier, und in ihrer Nachfolge dann z.b. westliche Marxisten (etwa um 68 in Paris) an einer Freiheit von, als Zwang empfundenen, Verwertungszwängen orientiert, und standen damit eher den Anarchisten nahe als der SED, den K-Gruppen - oder der damaligen, stalinistischen, KPF, die die "Provokateure" eifersüchtig bekämpfte, an der Seite de Gaulles. Sehr spannendes Thema.

Die Welt ist soviel bunter als die "liberalen" Holzschnittoppositionen suggerieren möchten.

Und zur "Freiheit" der Supermarktkassiererin, des Hartz4-Empfängers, des kleinen Angestellten, mal in Relation zum Grad der Freiheit, den der wohlhabende Jetset auf der Elite-Gewinnerseite sich kaufen kann, fällt ihnen ja auch nicht mehr ein als ein verkniffenes "Vertragsfreiheit". Dabei pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass mehr Geld freier macht. Also nicht alle gleich frei sind. Obwohl sie es sein sollten. Mehr Freiheit? Klar, gerne. Aber für wen diesmal?

 
At 03 September, 2008 20:25, Blogger John Dean said...

Nunja, der "Freiheits-Grenzwert" (so nenn ich das mal) des Geldes nimmt ja deutlich ab.

(was übrigens auch ein ziemlich gutes Argument für Umverteilung darstellt)

Jedenfalls ist der 5-Milliarden-Milliardär nicht nennenwert freier als der 3-Milliarden-Milliardär.

(ich vermute eher das Gegenteil)

------- schnipp --------
Die Welt ist soviel bunter als die "liberalen" Holzschnittoppositionen suggerieren möchten. Zur Freiheit [der kleinen Leute] fällt ihnen ja auch nicht mehr ein als ein verkniffenes "Vertragsfreiheit".
------- schnapp --------

Schön formuliert, finde ich gut.

Trotzdem finde ich (hier als advocatus diaboli gegen mich selbst), dass der rechtslibertäre Modetrend einer Eigentümer-Freiheit und die daraus folgende Entwertung des Freiheitsbegriffes auch ein paar starke Punkte macht, sobald man sich den realen Staat dabei vorstellt.

Wenn z.B. Subventionen von links nach rechts geschaufelt werden (unter kostspieliger Aufblähung des Staates), wenn Mittelschichten gleichermaßen Sozialleistungsempfänger wie Lastenträger sind, wenn der Staat zunehmend korporatistisch verkrustet und zugleich in immer mehr Lebensbereiche der Bürger eingreift (durchaus: zu deren Missbehagen), dann liegt die Vorstellung nahe, sich einen weniger "postiven" Staat zu wünschen, einen Staat, der insgesamt weniger tut und die Bürger stärker in Ruhe lässt.

Und wenn - reden wir mal über rechtslibertäre Blogger - der Betreffende ein Selbstständiger ist (z.B. Steuerprüfer oder Programmierer), dann ist aus seiner Perspektive verständlich, jedenfalls teilweise, dass er einen auf "positive Freiheiten" gerichteten Staat eher verflucht als schätzt.

Die simple Gleichung ("positive Freiheit" durch den Staat => Gängelung) ist zwar falsch (und übersieht u.a. diverse Menschenrechte), aber trifft eben den Geschmack und die tatsächlichen politischen Problemstellungen dieser Gruppe.

Dazu kommt, dass der Teil der Gesellschaft, der sich bei uns als "deutlich zu hoch belastet" empfindet doch sehr groß ist. Die Glaubwürdigkeit des Staatsganzen ("was tut der Staat eigentlich für mich?") hat abgenommen, während das allgemeine Gefühl von Belastung deutlich zugenommen hat.

Was träfe in dieser Lage den Geist der Zeit besser als eine politische Ideologie, die eine einfache Abhilfe gegene diese Malaise verspricht?

Schlechte Zeiten für die Freiheit.

 
At 04 September, 2008 12:20, Anonymous Anonym said...

Auch um die "Freiburger Thesen" der Liberalen aus den siebziger Jahren wieder in Erinnerung zu rufen, möchte ich die dort gemachte Unterscheidung von "formaler Freiheit" und "materialer Freiheit" aufgreifen.

Freilich wird die formale Freiheit ziemlich inhaltsleer, wenn sie nicht auch materiell ausgestattet wird. Das wußten die Liberalen damals aber noch und auch, daß der Staat dabei eine wichtige politische Aufgabe zu erfüllen hat.

 

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