Nachrichten von der ägyptischen sozialen demokratischen Revolution
Die Bürger Ägyptens eifern den Tunesiern nach und wollen wie dort eine durchgreifende Demokratisierung der Gesellschaft erreichen. Führend bei diesen Protesten sind nicht die Muslimbrüderschaften, sondern gut vernetzte junge Ägypter und die Ägypter aus der Mitte der Gesellschaft. Sah es gestern noch so aus, als ob Mubarak den Aufstand überleben könne, so ist es der Stand der Stunde, dass in den Großstädten fast alle Parteizentralen (der Partei Mubaraks) niedergebrannt sind - ohne, dass das Militär hier eingriff. Die Mubarak-treuen Polizeibehörden sind teils ebenfalls niedergebrannt, die staatlichen Schläger werden gejagt und sollen sich zur Stunde, gemeinsam mit der ägyptischen Polizei, fast vollständig zurück gezogen haben - vielleicht, um zum Abend hin zum Gegenschlag auszuholen. Doch das ist reine Spekulation, teils soll es so sein, dass sich Polizeistationen auflösen bzw. die Mannschaften ausbüxen. Auch macht das Militär nicht die geringsten Anstalten, den Staatsbefehl einer allgemeinen Ausgangssperre durchzusetzen. Völlig anders. als es politische Analysten voraus gesagt haben, schlägt sich das ägyptische Militär von Stunde zu Stunde stärker auf die Seite der Demonstranten. Der Ruf "Down with Mubarak" wird ganz offen von der Mehrzahl der Panzerbesatzungen angestimmt! Gerüchtehalber sollen sich bereits Teile der Generalität von Mubarak losgesagt haben.
Die Zeit von Mubarak läuft ab.
Und ganz anders, als es islamophobe oder "prowestliche Experten" voraus gesagt haben, geht die Reise in den nordafrikanischen Staaten nicht in Richtung Islamismus - die viel beschworenen "wütenden, jungen Männer" in den arabischen Staaten fordern Demokratie, Korruptionsbekämpfung und Sozialstaat. Während sich die europäischen Staaten noch mehrheitlich um die "Stabilität" der Autokratien der arabischen Staaten sorgen (also: den Machterhalt der Diktaturen wünschen), während Israel keinen dringenderen Wunsch hat, als den Erhalt der Herrschaft von Mubarak (was im Fall Israels durchaus verständlich ist, wenngleich kurzsichtig), während Obama still auf ein schnelles Ende des Aufstands hofft, während das politische Europa weit überwiegend mit den protestierenden Bürgern der arabischen Staaten fremdelt (verwiesen sei hier u.a. auf die feigen Anmerkungen von Westerwelle), machen sich die Bürger Arabiens auf den Weg, um sich - so könnte man es sagen - zu europäisieren.
In Ägypten steht mit El Baradei ein hervorragender Politiker zur Verfügung, mit dem der Wandel hin zu einer sozialen Demokratie glücken könnte.
P.S.
Aus pseudoliberaler/wirtchaftsliberaler Sicht ist die Unzufriedenheit der Ägypter schwer erklärlich, seien diese doch in den letzten Jahren mit starken Zuwächsen des Sozialprodukts "verwöhnt" worden. Aber es kommt eben doch sehr darauf an, ob wirtschaftlicher Wohlstand nur den Eliten zugute kommt (FDP-Konzept) - oder der Breite der Bevölkerung.
Zu den Lehren, die aus den ägyptischen Entwicklungen zu ziehen sind, rechne ich: Wohlstand, der die Mehrzahl der Bevölkerung nicht erreicht, wirkt wie Sprengstoff.
Labels: Außenpolitik
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Ergänzung:
16:15 Uhr Bundesaußenminister Guido Westerwelle droht der ägyptischen Führung die Kürzung von Hilfen an, wenn sie keine demokratischen Reformen zulässt. "Für uns ist völlig klar, dass die demokratische Entwicklung eines Landes immer ein Kriterium der Gemeinsamkeit und der Zusammenarbeit ist", sagte Westerwelle am Samstag in Köln.
Westerwelle scheint den Pfad der Feigheit nunmehr zu verlassen. Finde ich gut.
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