07 September 2008

Malzahn als Kommentargigant - so spiegelt er Steinmeier

Kaum ist das Ziel des bürgerlichen Kampagnenjournalismus erreicht, und Beck hat Parteivorsitz und seine Ambitionen abgegeben, rückt nun Steinmeier ins Visier. Galt Steinmeier in den bürgerlichen Medien zuvor als eine Art weißer Ritter, zumal im Vergleich zu Beck, so werden ihm jetzt Dunkeltöne abgewonnen. Der Chefredakteur der politischen Abteilung des SPIEGEL schreibt:
Die Nominierung des einstigen Kanzleramtschefs von Gerhard Schröder wird Erleichterung hervorrufen - Begeisterung freilich nicht. Steinmeier ist ein effizienter Politiker, dessen außenpolitische Vorstellungen im Wesentlichen auf die Architektur der Entspannungspolitik der achtziger Jahre gründen.
Ein Mann, der einmal für Entspannungspolitik gestanden hat, ist für Spiegels Malzahn schon mal grundsätzlich nicht begeisternd. Der Leser lernt: Frieden ist ein Manko.
Hier liegen die Ursachen für den politischen Dissens zu Angela Merkel, die eben jene Entspannungspolitik auf der anderen Seite in der DDR erlebt hat.
Aha: Merkel hätte sich "auf der anderen Seite" an Stelle von Entspannung wenigstens einen kernigen kalten Krieg gewünscht. Ja, nee: Iss klar! Ich warte noch darauf, dass Claus Christian Malzahn seinen Lesern zu berichten weiß, dass z. B. die Reiseerleichterungen und Verwandtenbesuche in der DDR generell verhasst waren. Es ist doch immer wieder unfassbar schön, wenn ein leitender Redakteur des SPIEGEL den Ursachen auf die Spur kommt.
Die Konkurrenz zwischen Kanzlerin und Vizekanzler wird das letzte Jahr der Großen Koalition dominieren - soviel steht heute fest.
Zwei konkurriernde Kanzlerkandidaten könnten im Vorfeld einer Wahl: konkurrieren. Danke, Claus Christian, SPIEGEL-Leser wissen mehr!
Steinmeier ist kein Charismatiker, seine Karriere und die Umstände seiner Ernennung zum Kanzlerkandidaten erinnern auf den ersten Blick gar an den eiligen Aufstieg Klaus Kinkels in der FDP (...)
Oder an den Dalai Lama? An Helmut Kohl? An Adenauer? An den Aufstieg von Helmut Schmidt? Völlig egal. Dass Herr Malzahn bei seiner politischen Erinnerungstätigkeit an Personen aus der FDP denkt, das darf man bei ihm getrost für normal halten. Malzahn legt nach der Entspannungspolitik den Finger in eine zweite Wunde: Das Charisma. Es fehlt. Durchgefallen.
(...) weil sonst niemand da war, dem man den Job zutraute.
Tja. Niemand da. Niemand traut Steinmeier den Job zu. Und - schwupps - schon ist er Kandidat. So sind die Sozen.
Auch Kinkel kam aus dem Apparat (...)
Naja. Steinmeier war bereits 33 Jahre lang Parteimitglied, im Gegensatz zu Kinkel, der 1993 den FDP-Parteivorsitz nach 2 Jahren Parteimitgliedschaft erhielt.
Schönen Dank an Jens vom Pottblog, der mich auf ´nen Fehler hinwies!

Steinmeier war u. a. 1993/94 Büroleiter von Schröder, dann Ressortkoordinator, ab 1996 als SPD-Mann Staatssekretär und Leiter der niedersächsischen Staatskanzlei, und ab 2002 war er in der Bundespolitik aktiv. Egal. Immerhin lernt der Leser den dritten Makel von Steinmeier kennen (nach: 1. Entspannungspolitik, 2. Null Charisma): Steinmeier ist ein seelenloser Aparatschik.

(das könnte sogar stimmen...)
(...) so wie Steinmeier nun Schröders Erbe verwalten wird.
Ja isses denn die Möglichkeit! Malzahn kennt die Zukunft wie seine Westentasche. Er trifft einfach die dümmstmögliche Prognose. Toll. Ein Sonderlob dafür!
Dennoch gibt es, trotz der Personalnot, in der sich die Sozialdemokratie befindet, gewaltige Unterschiede.
Aah! Jetzt wird es spannend. Der Autor will trotz Personalnot differenzieren - ich als Leser habe mir derweil die drei Makel von Steinmeier gemerkt (1. Politik der Entpannung, 2. Null Charisma, 3. Apparatschik) sowie Malzahns Zukunftsprognose.
Steinmeier aber tritt nicht als Repräsentant einer Zwischenphase an, er repräsentiert vielmehr den "Last Man Standing" der SPD vor dem historischen Abgrund.
Es geht endgültig zuende mit der Sozialdemokratie. Ich glaube, das ist zugleich die Quintessenz der Parteiberichterstattung im SPIEGEL. Vielleicht sollte der SPIEGEL eine feste Rubrik in seiner Zeitschrift einrichten, mit dem Titel: "Immer nur abwärts mit der SPD".
Es gab glücklichere Vorsitzende der SPD, aber ob Beck nun der historische Tiefpunkt war, wie von uns gern behauptet wird, muss sich erst noch erweisen.
Ja, stimmt, das muss ich noch erweisen, ob Kampagnenjournalismus noch zu historisch höherer Hochform findet. Die SPD-Vorsitzenden hangeln sich von Tiefpunkt zu Tiefpunkt. Man könnte ja gleich damit anfangen, z. B. mit "Problembär Steinmeier". Achnee, das ist nix. Ein Schnellschuss. Wie wäre es mit "Steinmeier, der Stümper" oder "Stinktier Steinmeier"?
Auch Steinmeier wird nicht allmächtig sein, das Drama von Wiesbaden nimmt wohl weiter seinen Lauf.
Ohne Allmacht nimmt das Drama von Wiesbaden weiter seinen Lauf.
Steinmeier (...) wird (...) zum politischen Kugelfang - eine Rolle, die bisher Beck vorbehalten war.
Man darf das getrost als Absichtserklärung der politischen Abteilung des SPIEGEL lesen.
Die Wahrheit ist: Das Auftauchen einer postkommunistischen, linkspopulistischen Partei in Deutschland ist so wenig rückgängig zu machen, wie man Zahnpasta zurück in die Tube pressen kann.
Und ich weiß jetzt endlich, was Claus Christian Malzahn in seiner Freizeit macht.

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20 Comments:

At 07 September, 2008 18:56, Blogger Christian Soeder said...

Diesen sogenannten "Journalisten" zu widerlegen, dafür ist mir meine Zeit zu schade. Da drehe ich lieber Däumchen.

Trotzdem danke für die Mühe, ab und zu musste ich doch lachen. ;)

 
At 07 September, 2008 19:16, Anonymous Anonym said...

Von Malzahn kann nicht mal richtig abschreiben: Klick.

 
At 07 September, 2008 19:53, Anonymous Anonym said...

Schlimmstes Geschwafel, Maltzahn, das Sturmgeschütz der Idiotie

 
At 07 September, 2008 20:33, Anonymous Anonym said...

Hehe. Wenn er sich selbst nicht leiden könnte, würde ihm diese Metapher sogar gefallen.

 
At 07 September, 2008 22:50, Anonymous Anonym said...

Die Spiegel-Online-Foren sind ziemlich witzig: Nach jedem Steinmeier-Münte-Agenda-Jubelartikel machen sie extra ein neues Steinmeier-Forum auf und erwarten die ersten Steinmeierfan-Postings. Diese halten sich jedoch stets sehr in Grenzen, stattdessen bricht jedesmal eine Flut von wütenden bis zynisch-desillousionierten Anti-Steinmeier-Postings herein. Daraufhin fahren sie im nächsten Jubelartikel verzweifelt noch pathetischere Steinmeierfotos auf, und lassen ihn noch tollere Dinge versprechen, und wieder folgt nur eine Flut von enttäuschten Postings. Da ist wohl was aus dem Ruder gelaufen.

 
At 07 September, 2008 23:53, Anonymous Anonym said...

Danke für den Artikel - mir juckte es auch schon in den Fingern, aber ich habe mich dann auf anderes konzentriert.
Ich hätte da noch folgendes beizufügen:
"aber ob Beck nun der historische Tiefpunkt war, wie gern behauptet wird"
Da fehlt dann allerdings das "von uns (behauptet wird)". Es ist nicht auszuhalten, wie sich ein miserabler Kampagnenjournalist selbst verleugnet und einen auf neutralen Beobachter macht. An dieser Stelle bitte eine vulgäre Schmähung einfügen, mit der ich dieses schöne Blog nicht verunzieren möchte.

 
At 08 September, 2008 00:14, Anonymous Anonym said...

Übrigens, kann mir das jemand erklären? Wiederholt las ich bei Spon, dass Müntefering die Partei begeisterte. Als Beleg wurde im TV wiederholt ein Sample eingespielt: Müntefering hält eine Rede und sagt "Heisses Herz und klare Kante". Aber was bedeutet das denn? Ist das ein Schlachtplatten-Gericht aus Westfalen? Oder sowas wie ein Herrengedeck? Zitiert M. den Titel eines Konsalik-Schmökers? Oder von Rosamunde Pilcher? Warum wird das so bejubelt? Das ist doch total beliebig und inhaltsleer. "Ich finde es unfair, wenn wir an Wahlversprechen gemessen werden" hatte ja wenigstens noch was, diese Grandezza der Dreistigkeit, aber das?

 
At 08 September, 2008 00:24, Blogger John Dean said...

@ Christian

Och, es hat mir sogar Spaß gemacht. Mit Malzahns Schreibe ist es eine ziemlich lockere Übung. Der Mann argumentiert - prinzipiell - so unsauber und unlogisch, dass ich gewisse Schwierigkeiten habe, seine Stellung im SPIEGEL zu verstehen.

@ niels

Ja, danke! Dein Malzahn-Artikel ist merkwürdiger Weise immer noch aktuell.

@ Avantgarde

Nicht schlecht! Er hat ja auch große Angst vor Entspannungspolitik - dann passt auch: "oberster Sturmschütze"

@ anonym

Spiegel-Foren: Sind die nicht etwas anstrengend? Mich wundert doch ein wenig, dass die SPIEGEL-Zielgruppe so deutlich links von Steinmeier steht. Also positiv: SpOn gelingt es nicht, die eigenen Leser zu verblöden.

@ flatter

Toller Kommentar! Diesen Teil:

------ schnippp ------
Ich hätte da noch folgendes beizufügen: "aber ob Beck nun der historische Tiefpunkt war, wie gern behauptet wird" Da fehlt dann allerdings das "von uns (behauptet wird)". Es ist nicht auszuhalten, wie sich ein miserabler Kampagnenjournalist selbst verleugnet und einen auf neutralen Beobachter macht.
------ schnappp ------

Das hätte ich gerne irgendwie bei mir untergebracht - es trifft für mich wunderbar den Punkt. Im Augenblick habe ich nur Dein "von uns" genommen. Ich überleg noch, ob ich es noch anders einbauen kann.

Was die Fundamentalschmähung von CCM betrifft: Mir fehlt das Wort. Der Vorschlag von Avantgarde ist aber schon ziemlich gut.

 
At 08 September, 2008 00:25, Blogger John Dean said...

------ schnipp -------
"Heisses Herz und klare Kante". Aber was bedeutet das denn? Ist das ein Schlachtplatten-Gericht aus Westfalen?
------ schnapp -------

*gnihihi*

 
At 08 September, 2008 00:26, Anonymous Anonym said...

Eigentlich muss das ehemalige Nachrichtenmagazin die SPD gar nicht nach unten schreiben, dass machen die Seeheimer auch so schon prima.

Schauen wir uns die Sache doch mal an, gibt es international überhaupt Beispiele für gut funktionierende sozialdemokratische Regierungen? Ich denke, die gibt es, nämlich in Skandinavien. Ansonsten aber weitgehend Fehlanzeige.

Nun zur nächsten Frage: Wie lange bräuchte die SPD wohl mindestens, um sich zu einer sozialdemokratischen Partei skandinavischen Typs zu wandeln? Die Annahme, dass dies überhaupt geschieht, ist schon enorm optimistisch, nebenbei gesagt. Egal, gehen wir davon aus, dass es klappt. Wie lange würde es dauern, um nach diesem Wandel wieder mit einer handlungsfähigen Koalition ohne CDU und FDP an die Macht zu gelangen? Mit Mehrheit im Bundesrat, wohlgemerkt, sonst sind ca. 60% aller Gesetze automatisch blockiert.

Ich würde mal sagen, dass 15 Jahre für so ein Szenario ein äußerst freundlich angesetzter Wert sind. Mit einer Riesenchance, dass es niemals eintritt. In diesen 15 Jahren geht es aber Jahr für Jahr abwärts, und wir kriegen zum Teil höllische Probleme mit so Dingen wie Renten, Pensionen, Demographie, Bildung, Brain Drain und gesellschaftlicher Spaltung.

Ehrlich gesagt, Dean, wenn du nicht zufälligerweise einen äußerst soliden finanziellen Background hast (bombensicherer Job oder langfristige Aussicht auf Erbschaft eines guten Hauses z.B.), dann wird es ganz dringend Zeit, dieses Land zu verlassen.

Gruß
Ben

 
At 08 September, 2008 09:44, Anonymous Anonym said...

In der SPD betont besonders der rechte Flügel immer seine Verbundenheit mit christlichen Werten, geht demonstrativ in (protestantische) Kirchen.
In der CDU betont besonders der linke Flügel sein soziales Engagement, setzt sich für Arbeitnehmer ein.
In der Mitte entsprechen sich Personen und Inhalte.

Daher: Fusion jetzt!

Die Fusion von SPD und CDU ist überfällig. Die vertretene Politik, das Menschenbild, das Engagement für die Wirtschaft zeigt kaum noch Unterschiede.
Beide Parteien wenden sich ausdrücklich an die Mitte, mit der selben Politik. Wirtschaft stärken, Kosten senken, alles sozial ausgeglichen.
Die große Koalition hat großes geleistet, das Arbeitsklima war gut.

Durch die Querelen in den Wahlkämpfen, durch Taktiererei, durch die doppelte Wahlkampfkostenrückerstattung wird Geld der Steuerzahler verschleudert.
Synergien könnten hier entscheidendes verbessern. Erhebliche Einsparungen sind möglich. Statt zwei Parteizentralen, zwei Vorständen, doppelter Bestückung mit Dienstwagen, Personal, Referenten reicht: die Hälfte!

Kostenersparnis für den Steuerbürger: Auf dreistelligem Millioneniveau. Mindestens.

Daher: Fusion jetzt! CDSP! Die neue Partei für die Mitte. Geleitet von Merkel und Steinmeier.

 
At 08 September, 2008 11:31, Anonymous Anonym said...

Als Kinkel 1993 den Parteivorsitz erhielt, war er bereits mehrere Jahre Minister, eine bekannte öffentliche Figur und war zudem auf Parteiebene der FDP über viele Jahrzehnte aktiv gewesen.

Sicher? Der ist doch erst kurz vor seiner Ministertätigkeit eingetreten?

 
At 08 September, 2008 14:10, Blogger John Dean said...

@ Jens

Schöner Einwand!! Du hast völlig Recht. Habs gerade nachgegoogelt:

Klaus Kinkel wurde rund zwei Jahre nach seinem Parteieintritt (1991) Parteivorsitzender und quasi Spitzenkandidat bei der Wahl 1994.

Franz-Walter Steinmeier wurde 33 Jahre nach seinem Parteieintritt (1975) Spitzenkandidat für die Wahl 2009.

Da habe ich ich mich gründlich geirrt - aber Malzahns Artikel wird davon m.E. nicht sinnvoller.

Wo besteht denn dann das parteifremde Gemeinsame beim innerparteilichen Aufstieg zwischen Steinmeier und Kinkel?

 
At 08 September, 2008 17:43, Anonymous Anonym said...

zusammenhang zwischen s. und k.? sie sind jetzt spitzenkandidaten, ist doch klar! Ach ja und Männer, leben beide in Deutschland und machen was mit Politik!

(das wer-nicht-arbeitet-soll-nicht-essen-münte noch nicht verhungert ist in seiner abwesenheit von berlin ist also doch kein biologisches wunder...)

 
At 08 September, 2008 19:55, Blogger John Dean said...

Okay, man vielleicht nehme ich den Teil mit der Parteikarriere zu wichtig und man könnte sagen, dass der Ex-BND-Chef Kinkel in seinem politischen Aufstieg doch Ähnlichkeiten zu Steinmeier hat.

Ich versuchs mal:

Fall Kinkel

Ausbildung Kinkel, erste Berufsjahre:
- Jurist, danach 6 Jahre Verwaltung

Weitere Karriere:
- 4 Jahre Referent von Genscher, dann 5 Jahre Ausw. Amt, dann 3 Jahre BND-Präsident, dann 8 Jahre Staatssekretär Justiz

1991 Justizminister 2 Jahre und 1993 Parteichef FDP.

Steinmeiers Weg

Ausbildung, erste Berufsjahre:
- Jurist und Politologe
- 4 Jahre (?) Wissenschaftl. Mitarbeiter
- 1991 den Dr. Jura gemacht

Weitere Karriere:
- 2 Jahre Referent Medienrecht N-Sachsen, - 3 Jahre Schröders Büro u.ä., - 2 Jahre Chef Staatskanzlei N-Sachsen, - 1 Jahr Staatssekretär Bundeskanzleramt

6 Jahre Chef Bundeskanzleramt, außerdem ist er Geheimdienstbeauftrager, dazu Erstellung wichtiger Parteipapiere für die SPD (u.a. Agenda 2010)
- 2005 Außenminister
- 2009 K-Kandidat

Beide sind Juristen, beide hatten mit Geheimdiensten und dem Auswärtigen Amt zu tun. Die Karrieren von beiden lassen sich als Gefolge mächtiger Chefs verstehen, einmal Genscher, andererseits Schröder.

Malzahns entscheidender Punkt war aber, dass Kinkel bis 1991 ein reiner "Aparatschik" war, einer, der innerhalb der Partei bis dahin nicht in Erscheinung getreten ist, um dann nach nur 2 Jahren der Parteichef zu sein.

Steinmeier war praktisch schon immer in der SPD, er war auch parteipolitisch aktiv (im Ggsatz zu Kinkel), und spätestens seit 2002 (immerhin 7 Jahre vor seiner Nominierung als K-Kandidat) war Steinmeier in der Bundespolitik der SPD ein bedeutender Faktor.

Kinkel kam damals, aus Parteisicht, praktisch aus "dem Nichts" - während Steinmeier nun wirklich schon einige Jahre in der Öffentlichkeit als SPD-Mann stand.

Es ist nicht so besonders ungewöhnlich für den Weg von Spitzenpolitikern, anders als es Malzahn nahe legt, dass ein Politiker zunächst als Staatssekretär und damit verwaltungsnah seine politische Karriere beginnt, um dann später Spitzenämter zu bekleiden.

Man könnte das vom Typus her "Ministerialkarriere" nennen im Gegensatz zu einer "Parlamentskarriere" bzw. einer bundespolitischen Karriere bei vorherigen Führen einer Landesregierung.

Nur finde ich (vielleicht liege ich da falsch?) den Typus einer "Ministerialkarriere" alles andere als ungewöhnlich, um den Karriereweg von Kinkel und Steinmeier allzu frappierend ähnlich zu finden.

Im Fall von Steinmeier liegen da ja vor seinem Spitzenamt immerhin noch 7 öffentliche Jahre in der Bundespolitik als Parteipolitiker.

Anders als Kinkel ist Steinmeier in parteipolitischen Angelegenheiten auch nicht völlig unbeholfen (da wirken sich vermutlich 33 Jahre Parteimitgliedschaft aus).

Ich sehe eher Unterschiede, auch im Karriereweg, im Vergleich zu Kinkel.

Ähnlich wie Kinkel arbeitet Steinmeier vorwiegend moderierend, und vermeidet es, wo es geht, früh eine klare politische Position zu beziehen. Doch genau das weist nach meiner Wahrnehmung auf einen großen Unterschied zu Kinkel hin:

Steinmeier ist enorme begabt, wenn es darum geht, unterschiedliche Positionen auszugleichen, er ist ein geradezu reinrassiger "Politmakler". Ich denke, so kann man Steinmeiers politischen Stil gut beschreiben - und ich sehe nicht, dass das bei Kinkel an dieser m.E. entscheidenden Stelle genauso war.

Steinmeier galt schon 2005 als eines der großen "Talente" der SPD, dem man auch Größeres zutraut. Kinkels Parteikarriere war im Vergleich dann doch deutlich überraschender.

Für mich überwiegen die Unterschiede. Und die Assoziation zu "Apparatschik" und Technokrat, die Malzahn nahe legt, finde ich eigentlich für beide Politiker unpassend.

(Mann, und all den Kram schreibe ich, obwohl ich Steinmeier gegenüber - noch - ziemlich skeptisch bin)

 
At 10 September, 2008 08:07, Anonymous Anonym said...

>
> (Mann, und all den Kram schreibe
> ich, obwohl ich Steinmeier
> gegenüber - noch - ziemlich
> skeptisch bin)

"Noch" skeptisch. Aha. Der Name Murat Kurnaz sagt dir noch was?

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Zitat Wikipedia:
Im Bericht[9] des CIA-Sonderausschusses des Europäischen Parlaments wird festgestellt, die deutsche Bundesregierung habe 2002 ein Angebot der Vereinigten Staaten, Kurnaz freizulassen, ausgeschlagen. Dies sei geschehen, obwohl die Nachrichtendienste beider Staaten von seiner Unschuld überzeugt waren. Die politische Verantwortung für den Fall soll nach Presseberichten[10] der damalige Chef des Bundeskanzleramtes und Beauftragter für die Nachrichtendienste Frank-Walter Steinmeier tragen. Steinmeier bestreitet diese Vorwürfe: Es habe kein offizielles belastbares Angebot der Vereinigten Staaten gegeben und es bestehe kein Zusammenhang zwischen der Entscheidung, Kurnaz wegen Terrorismusverdachts nicht in die Bundesrepublik einreisen zu lassen und seiner langen Haft in Guantánamo.[11]
----

Im Fall Kurnaz haben die damaligen Verantwortlichen mehrfach gelogen. Später dann wurde von dort noch gehetzt, er sei mit militärischer Kleidung aufgegriffen worden (wieder eine Lüge, es waren Outdoor-Hosen) und im übrigen bestritten, dass die Bundeswehr überhaupt zu der Zeit vor Ort war, zu der Kurnaz von Misshandlungen durch entsprechende Soldaten spricht. (Das war auch das, was bis dato die Öffentlichkeit wusste. Dann kam raus, dass die Bundeswehr sehr wohl schon vor Ort war, Kurnaz also vermutlich die Wahrheit gesagt hat.)

Ein Unschuldiger, der in Deutschland aufgewachsen ist, und der 2002 schon freigekommen wäre. Alle Beteiligten, sogar die US-Behörden, von seiner Unschuld überzeugt, aber aus politischen Gründen muss er vier Jahre weitere Haft und Misshandlungen ertragen.

Niemand, der dafür mitverantwortlich ist, ist auch nur ansatzweise wählbar.

Gruß
Ben

 
At 10 September, 2008 13:19, Blogger John Dean said...

@ Ben

Wie dich (vielleicht) die Suchfunktion in diesem Blog überzeugen wird, sind in diesem Blog Steinmeier und seine "Menschenrechts"politik keine Unbekannten.

Ich schließe aber nicht aus, grundsätzlich nicht, dass ein Mensch aus seinen Fehlern lernt.

Und vielleicht war es so, dass Steinmeier sich damals in einer aus seiner Sicht üblen Zwangslage sah.

(wobei ich echt nicht weiß, wie diese Zwangslage - für Steinmeier - ausgesehen haben soll)

Die Rückkehr von Kurnaz (unter den Bedingungen der Amerikaner) hätte in der Folge das "transatlantische Verhältnis" belastet.

Oder was auch immer.

Nein, ich finde, dass Steinmeier sich bei Kurnaz wie ein Drecksack verhalten hat, und ich finde, dass seine Rolle beim Rücktritt von Beck, vorsichtig formuliert, etwas dubios ist (Grüße an Herrn Plöchinger!).

Ich hoffe (mit sehr erheblichen Zweifeln) darauf, dass Steinmeier den Beck-Kurs inhaltlich weiter trägt - an Stelle der Sackarsch-Politik des in der SPD herrschenden Seeheimer Kreises.

Das ist die Quintessenz meines "noch" - oder anders gesagt, in spätestens vier Wochen wird sich zeigen, ob Steinmeier nicht nur ein passabler Außenpolitiker und K-Kandidat-Darsteller ist, sondern auch inhaltliche Akzente setzt.

(z.B. Senkung der Körperschaftssteuern von gegenwärtig 15 Prozent auf 5 Prozent, bei gleichzeitiger Halbierung von HartzIV)

Ich rechne mit dem Schlimmsten, aber hoffe - noch- darauf, dass ich enttäuscht werden könnte.

Die spitzen Jubelschreie aus den Reihen der FDP lassen auch eher Böses erwarten.

 
At 10 September, 2008 19:46, Anonymous Anonym said...

Der Spiegel hat dmals den Anschluss nicht verkraftet.

Nach der nationalen Besoffenheit folgte der antisemitische Kater (Gysi-Hetze). Revisionistische Geschichtsschreibung wird kritiklos übernommen, ja angehimmelt fernab aller Fakten (Jörg Friedrich, Götz Aly) und Martin Walser wird behandelt wie ein Schriftsteller, nicht wie ein antisemitischer Geisterfahrer, der er ist.

Da pesst es nur in diesen Rahmen, dass Merkels DDR-Vergangenheit keine Rolle spielt, während die SPD quasi als politischer Zombie, als wandelnder Toter präsentiert wird.

Proletarierverarschung pur.

 
At 11 September, 2008 14:37, Anonymous Anonym said...

Ich stelle mir immer die Frage, wie man das macht, sich im richtigen Augenblick selber aus einem Hut zu ziehen, wie der Müntefering. Der war doch gar nicht da, oder?

 
At 12 September, 2008 15:30, Anonymous Anonym said...

Ich haette zur SPD noch ein schoenes Zitat von Tucholsky:

"Aufgabe mit imaginaeren Groessen:

Die sozialdemokratische Partei hat in 8 Jahren 0 Erfolge. In wievielen Jahren merkt sie, dass ihre Taktik verfehlt ist?"

Zu finden in Sag mal, verehrtes Publikum: bist du wirklich zo dumm?
Tucholsky zum Vergnuegen

Viele Gruesse

 

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