26 März 2008

Irak: Was das Weiße Haus sehen möchte - und was nicht

"Das ist genau das, was wir sehen wollen!"
Die Reaktion aus dem Weißen Haus fallen überschwänglich aus. Worüber sind sie begeistert? Iraks Marionettenministerpräsident Maliki stellt den Al-Sadr-Milizen in Basra ein Ultimatum und binnen 72 Stunden sollen sie sich ergeben. Anderenfalls drohten "schwere Strafen".

Ich bin kein Irak-Experte, aber ich bezweifle, dass es hier Grund zur Freude gibt. Nach Augenzeugenberichten haben die Al-Sadr-Milizen die Kontrolle über Basra errungen und insofern zum Zeitpunkt des Ultimatums wenig Anlass, sich zu ergeben. Die US-Administration nimmt offenbar an, dass Malikis Ultimatum gute Erfolgschancen hat, und nicht, wie andere glauben, Ausdruck von Verzweiflung ist. Das Ultimatum entspricht der Vorstellungswelt der Bush-Administration und zeugt m.E. auch von Malikis folgsamen Verhältnis zur US-Botschaft im Irak. Einige Fragen dazu:
  1. Al-Sadr hat selbst große Probleme mit der Disziplin seiner Milizen. Warum sollten diese binnen 72 Stunden ausgerechnet auf Maliki hören?

  2. Da die Terroristen und Kämpfer der Al-Sadr-Milizen erst nach Ablauf des Ultimatums mit Strafen zu rechnen haben, waren sie dann vorher also straffrei? Und mit Ablauf des Ultimatums setzt Maliki schlagartig die Rechtsordnung seines - dank US-Hilfe - innerlich verfallenen Staates in Kraft?

  3. Verfügt Maliki über eine neue Wunderwaffe zur Terrorbekämpfung, die er beim Ablauf des Ultimatums zum Einsatz bringt? Ist es nicht kindisch zu glauben, dass Terroristen, die aus dem Verborgenen heraus operieren, ein derartiges Ultimatum ernst nehmen?

  4. Wenn es angeblich aussichtsreich ist, Terroristen ein Ultimatum zu stellen, warum haben andere Staaten in der Vergangenheit so wenig Gebrauch davon gemacht? Hätte man z.B. den RAF-Terror mit einem Ultimatum binnen 72 Stunden stoppen können? Oder den Terror in Irland?

  5. Wie geistesgestört sind die Irak-Spezialisten im Weißen Haus?
Sicherlich führt kaum ein Weg daran vorbei, dass die irakische Regierung selber für Ordnung im Land sorgen muss. Erleichtern würde dies u.a. ein beginnender Abzug der US-Truppen - und zwar nach einer Volksabstimmung der Iraker. Man könnte Malikis Ansage also dahingehend werten, dass nunmehr (nach wievielen Jahren?) ein ernster Wille zur Terrorbekämpfung besteht.

Allerdings wird ein derartig martialisches Auftreten, dem die eigenen Machtmittel fehlen, eher eine neue Provokation des Milizenterrors bewirken, ja, sogar eine Anfeuerung der Terroristen. Ich erwarte für die nächsten Tage im Irak ein weiteres Anschwellen der Terrorwelle. "Surge" - aber anders.

*** Update 04.04.2008 ***
Inzwischen ist das Ultimatum folgenlos verstrichen, wenn man mal davon absieht, dass sich Maliki und Al-Sadr wieder lieb haben und künftig wieder vereint gegen Sunniten im Irak kämpfen werden. Die Truppen von Maliki weigerten sich zumeist ohnehin, auf Milizen von Al-Sadr zu schießen. Und - das mag die USA sehr bekümmern - der Ausgleich zwischen Maliki und Al-Sadr wurde vom Iran vermittelt. Die Kompetenz der Irak-Spezialisten im Weißen Haus war kaum fühlbar als sie geistesentrückt jubelten und verlautbarten: "Das ist genau das, was wir sehen wollen."

Ich glaube nicht, dass ihnen diese aktuellen Entwicklungen gefallen, welche die regionale Macht des Iran gestärkt haben. Die USA stehen im Irak auf verlorenen Posten. Der Irak wird sich mutmaßlich stabilisieren, aber das wird am Ende kein Sieg für die USA sein, sondern eine Stärkung des Iran. Vielleicht wäre es für die Militärplaner im Weißen Haus ratsam, sich schon jetzt auf die Realitäten in dieser Region einzustellen - und den Rückzug zu planen.

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