12 Februar 2008

Qualitätsmängel in Blogistan

Wenn Don an der Blogbar schreibt, dass in der deutschen Blogosphäre Qualität fehlt, dann stimmt das. Und dort, wo es in gute Qualität gibt, dort liegt sie allzu verstreut. Insofern ist sie schwer zu finden. Andererseits: Nimmt man Blogs einfach nur als Teilbereich des Internets, als einen besonders autorenzentrierten Bereich, und rechnet man Foren, Wikis, soziale Netze (Facebook, StudiVZ, Kaioo usw.) und andere nutzergenerierte Internetangebote hinzu, dann bildet sich ein anderer Anblick.

Erstens.

In Bereichen, wo Fachkenntnis eine große Rolle spielt, haben nutzergenerierte Internetangebote entweder die Nase klar vorn, und dies zumeist auch im Vergleich z.B. zu Fachzeitschriften - oder sie liefern einen wirklich wichtigen Ergänzungsbeitrag. Das ist ziemlich erstaunlich, und liegt auch fernab hochgehypter Trends.

Zweitens.

Im Bereich des Nachrichtengewerbes haben die nutzergenerierten Angebote eher eine auswählende und kommentierende Rolle. Sie liegen, trotz mancher vergangener Träume vom Bürgerjounalismus, in ihrer Bedeutung ziemlich weit hinter ernsthaften Informationsangeboten - und doch spielen sie auch hier eine wichtige Rolle, besonders bei der Meinungsbildung. Es zeigt sich dabei, sichtbar auch anhand der zur Zeit provinziellen und arrogant-hämischen Reaktionen des Feulletons (Graff u.a) und der klassischen Medien, dass diese meinungsbildende Funktion bevorzugt mit Vorsicht und Kritik bedacht wird. Was man als Reaktion, trotz einigen guten Argumenten, auch für eine Form des Futterneid halten kann - bzw. als Versuch deuten könnte, altangestammte und nunmehr bedrohte Privilegien zu verteidigen. Welchen Standpunkt man dabei auch immer wählen mag, ich denke, dass der professionelle Journalismus von dieser Konkurrenzsituation profitiert, besonders in qualitativer Hinsicht, deshalb, weil er um Leser, und ganz besonders um junge Leser, stärker kämpfen muss.

Und er könnte dabei ins Hintertreffen gelangen. In den USA informieren sich junge Menschen über politische Vorgänge inzwischen sogar deutlich eher im Internet, als z.B. über Tageszeitungen. Die "Freunde" in Facebook tragen dort eher zur Meinungsbildung bei als z.B. Informationsangebote wie MSNBC oder die New York Times.

Drittens.

Der professionelle Journalismus ist oft nur ein wiederkäuender Journalismus von der Gnade der Presseagenturen, oder aber - garnicht so selten - von minderer Qualität. Ich könnte beispielsweise den aktuellen Steingarttext durchdeklinieren. Wenn sowas "professionell" ist, nein, sogar beinahe die Spitze journalistischer Professionalität darstellt, was soll die Blogospäre noch fürchten?

Viertens.

Die deutschsprachige Blogosphäre muss sich noch weiter entwickeln. Das Wachstum wird nicht rasant verlaufen, aber kontinuierlich voran gehen - und meiner Meinung nach werden wir beim nächsten Bundestagswahlkampf einen neuen Boom erleben. Blogs sind nicht tot. Falls es aber der Traum war, wie er z.B. in Berliner Slacker-Kreisen geträumt wird, mit null Risiko und wenig Arbeit mit Blogs "zum Erfolg" zu gelangen, dann wird dieser Traum immer wieder aufs Neue scheitern. Erfolg setzt, kaum anders als im richtigen Leben, neben Glück zumeist auch beständige und sehr sorgfältige Arbeit voraus.

Andererseits besteht der Charme von Blogs durchaus auch darin, dass hier "just for fun" und außerhalb von Verwertungzwängen publiziert und veröffentlicht wird. Da künftig nicht damit zu rechnen ist, dass Goldmarie durch Blogistan spazieren wird, wird dies auch so bleiben. Blogs sind auf absehbare Zukunft, zumal in Deutschland, ein Freizeitbereich; Spitzensport darf man hier eigentlich nicht erwarten. Vergleicht man Blogs zum Beispiel mit professioneller politischer Berichterstattung, so schlagen sie sich eigentlich bereits ziemlich gut. Diskussionen und Meinungsaustausch auf Blog-Ebene haben oft ein erstaunlich hohes Niveau, auch, wenn man hier den Vergleich zu Profis vornimmt. Und dass im Internetmeer von Banausen, Freaks und Freizeitautoren ziemlich viel Treibgut und Müll schwimmt, das ist halt so. Das wird aber kaum jemanden davon abhalten, sich genau für den Teil zu interessieren, der eine gute und teils sogar hervorragende Qualität aufweist.