26 Januar 2008

Der Internetfeldzug gegen Scientology und der schwarze Block


V
on Medienwissenschaftlern wird mitunter gefragt, was die Entsprechung zur politischen Demonstration im Internetzeitalter ist. Ich denke, das hier ist es. Mit den Mitteln von Youtube, Blogs, Wikis, Foren usw. mobilisiert sich eine junge, kämpferische Öffentlichkeit.

Auf geradezu klassische Weise politisch ist die Motivation: Es geht um nichts weniger als den Kampf gegen einen destruktiven, desinformierenden Kult - und für Meinungsfreiheit. Man könnte die langfristige Wirksamkeit von derartigen Bemühungen anzweifeln, aber das unterscheidet sich auch nicht vom Fall herkömmlicher Demonstrationen. Und ich glaube nicht, dass es völlig wirkungslos ist.

Es hat gesellschaftliche Relevanz, es ist modern - und es ist als eine Form der anonymen Kriegsführung durchaus problematisch. Die gewählten illegalen Methoden können sehr schnell zum Missbrauch werden, aber sind in diesem Fall tatsächlich weniger problematisch als das legale öffentliche Wirken des Scientology-Verharmlosers Frank Schirrmacher. So sehe ich das.

Die von den zumeist jungen Internetbürgern zum Ausdruck gebrachte Wut auf Scientology wird m.E. in vielen Fällen angefeuert durch die Erfahrungen mit Verlogenheit in Öffentlichkeiten überhaupt, sowie einem als zunehmend als repressiv empfundenen gesellschaftlichen Umfeld. Die Internetbürger wehren sich. Das kann mob-artige Erscheinungen zur Folge haben und die Grenze ziviler Umgangsformen überschreiten...- ...ja, eigentlich ganz genauso, wie dies bei herkömmlichen politischen Demonstrationen der Fall ist. Die beteiligten Hacker sind der schwarze Block der Generation Internet.

Labels:

4 Comments:

At 27 Januar, 2008 17:55, Anonymous Anonym said...

Am weitesten ist Joffe gegangen:
http://www.zeit.de/2007/28/Spitze28

 
At 27 Januar, 2008 18:55, Blogger John Dean said...

Joffe nehme ich schon lange nicht mehr ernst.

Seine nachtwächterstaatliche Liberalismusidee ist so primitiv, wie der ganze Mann.

Wenn Joffe argumentiert, eine totalitäre Sekte müsse dem Staat komplett egal sein, dann ist das gerade für jemanden, der sich für "liberal" hält, ein intellektuelles Armutszeugnis.

Eine andere Frage ist, ob man einen Film boykottieren sollte, weil die Wahl des Hauptdarstellers ziemlich unglücklich war. Ich finde, das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Die Rede, welche Tom Cruise als Erwiderung auf Schirrmacher bei der Bambi-Preisverleihung gab, war übrigens - mit Ausnahme der letzten Worte - eine sehr gute Rede (!), mit der er, das Gefasel von Schirrmacher so gründlich wie höflich auseinandernahm.

Cruise hat eindeutig auch bessere Momente.

Und vielleicht trifft es die tatsächlichen Umstände besser, wenn man Cruise als Sektemitglied und damit auch als Opfer ansieht, und nicht unbedingt als jemanden, der eine totalitäre Gesinnung trägt.

Seine Rede jedenfalls: Die war in ihren Werten und Argumenten zirka um den Faktor 100 liberaler als es Joffe in seiner Borniertheit jemals sein kann.

Schirrmacher ist deutlich eher ernst zu nehmen - manches, was Schirrmacher sagt bzw. formuliert ist klug und verständig, anderes dafür - wie im Fall Cruise - einfach nur übertrieben wie blöd.

(Ziemlich belustigend war übrigens der Moment nach der Preisverleihung, wo Schirrmacher nach der Rede von Cruise ebendiesem hinterher hechelte, vergeblich, während Cruise vor seinem "Förderer" geradezu wegrannte.)

 
At 27 Januar, 2008 19:15, Anonymous Anonym said...

finde nur hier ist der entscheidende Punkt: der Herausgeber der ZEIT liberalisiert (!) die Sekte, Schirrmacher äußert sich immerhin gar nicht, sehe da also keine verharmlosung sondern sozusagen ein NICHTs, und reduziert den Mut auf den Mut im Sinne Hemingways, unter Druck gut aussehen,also letztlich ästhetisch . Politisch instrumentalisierbar und deshalb gefährlich ist Joffe.Er sagt Liberalität für Scientology ist Liberalität für Cruise. Awful!Ist der liberal zu nennen, ist das nicht Etikettenschwindel?

 
At 27 Januar, 2008 19:53, Blogger John Dean said...

Joffe hält Sozialdarwinismus für liberal. Das ist seine "Liberalismus"idee - weiter kommt er nicht, und deshalb schreibt er:

"Scientology krallt sich die Schwachen, die Unglücklichen, um sie zu unterwerfen. Aber ist es des Staates Aufgabe, die Leute vor ihrer eigenen Blödheit zu bewahren?"

So wie ich es sehe, ist es Teil der Zivilisation, Schwache und Unglückliche vor bösen Ausbeutern ihrer "Blödheit" zu schützen.

Ich halte es auch nicht für sonderlich liberal, labile Sektenopfer "blöd" zu nennen. Denkt man wie ein Sozialdarwinist, könnte man z.B. einem Vergewaltigungsopfer ebenfalls vorwerfen, ihrer "eigenen Blödheit" erlegen zu sein.

Sofern man mindestens so "liberal" wie Joffe ist.

Sozialdarwinism at its worst.

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home