29 Juli 2007

Fischterror

In meinem Aquarium habe ich u.a. zwei friedliche Goldschmerlen. Neuerdings bekämpfen sich bei mir eine Goldschmerle und ein Schwertträger-Männchen. Es muss damit angefangen haben, dass eine Goldschmerle das schlafende Schwertträger-Weibchen überfallen und getötet hat. Ein Terrorist. Jedenfalls ist das Schwertträger-Männchen dieser Meinung. Seitdem sein Weibchen weg ist, greift es regelmäßig die Goldschmerle an.

M
an könnte das "Gegenterror" nennen. Das Problem dabei ist: Seitdem die Goldschmerle vom Schwertträger-Männchen angegriffen wurde, greift sie wiederum selbst den Schwertträger an. Ist die Goldschmerle der Angreifer, geht das Gefecht immer zuungunsten des Schwertträgers aus, d.h. die Goldschmerle saugt sich an die Seite des Schwertträger-Männchens - und raspelt und beißt dann für einige lange Sekunden den Schwertträger, der dann verzweifelt versucht, den Angreifer loszuwerden. Allerdings wird nur der Schwertträger angegriffen und es ist auch nur eine von beiden Goldschmerlen aggressiv.

Der Schwertträger scheint die beiden Goldschmerlen auch auseinander halten zu können, was eigentlich ein Wunder ist, weil beide Goldschmerlen gleich groß sind und exakt gleich aussehen. Die aggressive Goldschmerle (siehe Bild links) greift er nämlich deutlich häufiger, aus größerer Entfernung und aggressiver an. Allerdings sind seine Angriffe, so sehr sie als Verteidigung gegen den Goldschmerlen-Terror gemeint sind, eigentlich Blödsinn.

Zwar ist es so, dass diese Angriffe des Schwertträgers sehr geschickt vorgetragen werden, und etwa vier von fünf Angriffen sind erfolgreich - enden also mit einem Biss in die Goldschmerle und der Vertreibung des Aggressors. Einer von fünf Angriffen geht allerdings schief, sei es, dass die Goldschmerle als erste beißt, einen erfolgreichen Gegenangriff unternimmt, was für den Schwerträger deutlich unangenehmer ist - und mit Hautverletzungen einher gehen kann. Oder - das Schwertträger-Männchen verausgabt sich bei seinen Angriffen so sehr, dass es dann nicht mehr flink genug ist, den Gegenangriffen der Goldschmerle zu entkommen.

Zudem ist es auch stragegisch gesehen Quatsch: Zwar verschafft sich der Schwerttäger durch seine Terrorbekämpfung ein wenig Ruhe - jedenfalls unmittelbar nach einer Strafaktion, aber die aggressive Goldschmerle wird dadurch noch aggressiver. Heimtückischer. Wenn sie nämlich eine Unaufmerksamkeit des Schwertträgers entdeckt, greift sie ihn an. Auf Dauer gesehen nahm die Zahl ihrer terroristischen Angriffe auf den Schwertträger deutlich zu. Aus einem Angriff pro Tag, der leicht abgeschüttelt werden konnte, sind jetzt 2-3 Angriffe pro Stunde geworden. Man kann richtiggehend beobachten, wie sich eine Fischfeindschaft ausgebildet hat. Beide Fische beäugen sich - und versuchen jeweils, den anderen Fisch zu überfallen.

Diese merwürdige Fischfeindschaft hat nun, da sie schon seit zu langer Zeit besteht, einige Nebenwirkungen. Der Schwerträger glaubt nämlich inzwischen, dass er alle Fische mit gelber Zeichnung für sein Leid verantwortlich machen kann - und jagt diese. Er greift nicht nur die aggressive Saugschmerle an, sondern auch die friedliche wowie einen gelben Zwerbuntbarsch. Umgekehrt gibt die aggressive Saugschmerle seit Neuesten jedem Fisch mit roter Zeichnung die Schuld am Elend der Welt - und jagt z.B. auch meine Kap-Lopez-Killifische, obwohl diese ja nun wirklich die friedlichsten Fischer der Welt sind. Vermutlich ist die Saugschmerle der Meinung, dass die roten Killifische bekämpfenswerte Unterstützer des Schwerträgers seien.

Alles in allem gibt es jetzt in meinem Becken eine Feindschaft "rot" gegen "gelb". Und, da mag man mir jetzt glauben oder nicht: Das eigentliche Problem in dieser Situation ist die proaktive Terrorbekämpfung des Schwertträger-Männchens. Es macht auf seiner regelmäßigen Antiterror-Streife zunehmend und generell Jagd auf "gelb". Natürlich wird der eigentliche Übeltäter, nämlich die aggressive Goldschmerle, häufiger zum Zielpunkt der Terrorbekämpfung gemacht. Indes, die Situation im Becken ist nicht besser geworden. Es begann mit einer üblen Beschädigung und es endete mit hystischen, unnützen Aktionismus - man muss sich das Schwertträger-Männchen wohl als eine Art "Wolfgang Schäuble mit Flossen" vorstellen.

3 Comments:

At 29 Juli, 2007 19:32, Anonymous Anonym said...

Rettet Nemo!

Naja, warum sollten die Fische auch schlauer sein als die Schäubles dieser Welt? Man sollte das Schwerträgermännchen von seinen Ämtern entbinden und in einem Goldfischglas kaltstellen? Auch eine 80%ige Trefferquote schafft keine innere Sicherheit im Aquarium. Die verbliebenen 20 % "Restrisiko" schaffen gute Gründe der Feldzug gegen die Gelben fortzuführen.

 
At 29 Juli, 2007 20:03, Anonymous Anonym said...

Meine Grundgesetzexemplare sind auch schon da, eine hübsche Widmung rein, Textstelen anmarkern und ab nach Berlin damit. Eigentlich sollte man sich für das unterhaltsame Sommertheater bedanken und eine künftige Karriere im Panoptikum oder bei RTL2 anregen?

 
At 30 Juli, 2007 02:10, Anonymous Anonym said...

Das hat mir gut gefallen, und mich auch noch an die uga-uga-affenhorden in 2001 erinnert. das war ja eigentlich auch die essenz des peacezeichen- und happeningpazifismus der sixties: dass gewalt und krieg an sich keine lösung ist, niemals (gewaltspirale, vergeltung), sondern primitives lächerliches testosteronbefeurtes affenverhalten, wie auch schon das sich-aufgeilen an uniformen, waffen und strassbesetzten führungsfiguren. leider gelten solche ansichten heute als naiv und altmodisch.

 

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