16 Februar 2007

Erzählung: Herr Schluffi

- Baustelle - Erzählung wird noch aus- und umgebaut - erster Entwurf - Baustelle -

Wenn Sie sich an Herrn Schluffi zurückerinnern, werden Sie vor allem an einen seiner Aussprüche denken (sehr gedehnt): "Wiiir haaaben aaaalle seehr viiiel zu tuuuun!", was er enthemmt langsam mit tiefer Stimme (obwohl er eher eine Tenortonlage hat) zum Ausdruck bringt. In diesem Satz steckt sehr vieles von ihm, unendlich vieles, vielleicht sogar der ganze Herr Schluffi.

Herr Schluffi? Er ist vor allem sehr viel "Herr", mit entsprechend herrenhaften Auftreten, doch bitte stellen Sie sich eher die Kleinausgabe eines Herren vor, ein Möchtegern von einem Herrn. Und er ist sehr viel "Schluffi", was zu erklären eine ganze Erzählung braucht, aber gut: Wir sind ja hier; Sie als Leser und ich als Erzähler.

Das Revier von Herrn Schluffi liegt undefinierbar irgendwo im Süden Deutschlands, dort, wo man etwas gemütlicher und herzhafter ist, nicht so überdreht wie in Berlin, und auch nicht eben nordisch-kühl. Er arbeitet in einer privaten Verwaltung, und, zu seinem Glück in einer Außenstelle, wo ihm niemand auf die Finger guckt. Denn es ist unklar, und das sogar ziemlich, was Herr Schluffi eigentlich tut.

Vorab: Ein jeder Mensch ist einmalig, ein jeder Mensch, auch Sie, lieber Leser, hat seine ganz besonderen Fähigkeiten und Talente, mögen diese auch unausgebildet in ihm schlummern. Jeder Mensch hat zudem Talente, die sich erst in Zusammenhang mit anderen Menschen voll entwickeln. Und so ist es auch mit Herrn Schluffi.

Würde Herr Schluffi eines fernen Tages am Himmelstor anklopfen (und ich denke, man wird sich in seinem Fall viel Zeit lassen...), so wird man so manches Positives an ihm finden, sogar vieles wahrscheinlich, aber ganz bestimmt wird man nicht von ihm sagen, dass das Arbeiten seine große Stärke gewesen war.

Genau darum "arbeitet" Herr Schluffi ja auch in einer Außenstelle einer Verwaltung. Kein Stress! Immer schön langsam! (wenn überhaupt) Da hat er schon einen besonderen Stil, den er in Auftritt und Habitus geradezu formvollendet zum Ausdruck bringt. Niemals läuft er schneller als 3 Stundenkilometer, und eine ganze Stunde hintereinander läuft er schon mal garnicht.

Gestern haben wir Herrn Schluffi wieder einmal bei uns gesehen. Beim Einparken in der Außenstelle hat er, leider, gleich zwei Fahrzeuge einer benachbarten Firma beschädigt. Vor drei Wochen. Kein Problem, wir haben Herrn Schluffi ja auch versichert. Nun muss er im Unfallbericht einige Angaben machen.

"Ja, mach ich!"

Das sagt Herr Schluffi zwar, aber er meint es nicht so. Es dauert also sehr lange, um auch nur den immer noch leeren (!) Unfallbericht von Herrn Schluffi anzufordern, denn das Ausfüllen, das bereitete ihm so große Probleme, dass er kein einziges Feld (nicht einmal seinen Namen) ausfüllte. Zum Ausgleich rief er öfters an, um uns zu verdeutlichen, welch schwierige Aufgabe es ist, vor die wir ihn gestellt haben.

Dann bricht Intelligenz aus ihm hervor, und was völlig ermattet schien, wird wieder lebendig. Seine dünnen blonden Haare beginnen vor Energie geradezu zu leuchten: Zielsicher findet er das einzige mühselige Feld, wo er also zuvor woanders nachfragen müsste, bevor er hier etwas eintragen kann, nämlich die Aktennummer bei der Polizei. Da müsste man mal einmal anrufen. Besser noch, die Polizei hat bereits bei ihm angerufen, und hat ihm Post geschickt. Und das gewünschte Aktenzeichen kennt Herr Schluffi. Er sollte das jedenfalls. Leider aber hat er den Brief der Polizei verlegt. Er ist halt nicht so ordentlich.

"Ja, mach ich!"

Diese Aussage ist bei Herrn Schluffi keine Ankündigung, sondern eher eine Art Drohung, nämlich dahingehend, dass er keineswegs vor hat, irgendetwas zu machen, oder auch den Termin mitzuteilen, bis zu dem er nichts zu machen gedenkt.

Einige Anrufe später, wo nach dem ausbleibenden Fragebogen freundlich gehakt wird, platzt ihm, dem armen Herrn Schluffi, ob der vielen Rückfragen der zuständigen deutschtürkischen Kollegin, wo denn nun der Fragebogen bleibe, der Kragen, und mit unendlich langsamen Schritten läuft er durch unser Hauptquartier, zunächst in die Zimmer der Vorgesetzten, denen er dann, wie immer sehr gedehnt, und überaus gründlich erklärt, warum er nicht dafür zuständig sein kann, einen Unfallbericht auszufüllen. Und schon garnicht dieses fragliche Feld mit der Aktennummer.

Sodann (wir reden von einer Zeitdifferenz von etwa einer Stunde), läuft er, schreitet er in unser Büro, triumphierend (denn er hat die für ihn wichtige "ich-muss-nichts-tun"-Regelung erwirkt, der er bekam, damit ihn unsere Vorgesetzten wieder los werden konnten), und sagt, dass er den Fragebogen nicht ausfüllen müsse. Unser aller Chefin hätte ihm das nämlich versichert.

Er wird aber, zu seinem anfänglichen Schrecken, erneut gebeten, den Unfallbericht selbst auszufüllen. Sollte all die Arbeit von Herrn Schluffi vergebens gewesen sein? Nein! Das weiß er. Niemand ist in dieser Disziplin besser als er. Er ist ein Arbeitsvermeidungsvollprofi. Den Einwand, dass die Kollegin extrem überlastet und allemal zu überlastet ist, um extra für ihn bei der Polizei nachzufragen, lässt er nicht gelten:

"Wiiir haaaben aaaalle seehr viiiel zu tuuuun!"

Er ergänzt, in fast schon autoritären Ton: "Es ist ja eigentlich egal, wer bei der Polizei anruft." Wir sind perplex. Vielleicht hatten wir Mitleid damit, dass er zur Vermeidung eines einzelnen Anrufs (!) zuvor stundenlang im Hauptquartier herrumschlurfte, und Mitleid für sein klägliches Ansinnen, mit dem er zuvor die halbe Geschäftsführung bearbeitet hat. Sowas muss doch belohnt werden!

Statt ihm also zu sagen, dass genau darum er selbst den einen Anruf tätigen könne, damit wir dann die Aktennummer der Polizei in den Unfallbericht eintragen können, fühlen wir uns irgendwie wie ferngesteuert. Tatsächlich bekommen wir, nach Wochen seiner eifrigen Untätigkeit, einen völlig unausgefüllten Unfallbericht von ihm zurück und auf den Schreibtisch gelegt. Langsam schlurft Herr Schluffi aus der Tür - und wir schauen ihm fassungslos hinterhier.

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