Musikpädagogik gegen Gewalt an Schulen!
Zu den kosteneffizientesten Maßnahmen, mit denen an Schulen gleichermaßen soziale Integration gefördert und Gewalt bekämpft werden kann gehört: Musikpädagogik!
Schulsherrifs, Verbote und Videoüberwachung passen besser zum neoliberalen Zeitgeist, aber sie funktionieren als Gewaltprävention weitaus schlechter als Musikpädagogik.
Warum ist das so? Nun, mit einer modernen Musikpädagogik lernen Kinder soziale Interaktionen, beispielsweise, aufeinander zu hören. Noch wichtiger dürfte sein, dass es ihr Selbstbewusstsein stärkt, zum Beispiel dadurch, dass sie ein Instrument erlernen und in einer Band einbringen können. Und sie haben Spaß.
Wichtig ist zudem, ihre Eltern einzubinden, auch in die Musikproduktion, was nach den vorliegenden Praxiserfahrungen bei Migrantenfamilien sogar sehr gut funktioniert. Man passe sich dabei an den Geschmack der Kinder an (also: auch Pop-/Rockmusik), bringt ihnen das Spielen von Instrumenten bei und bringt ihnen zusammen mit ihren Eltern Hausmusik bei. Dazu noch eine Prise Kulturgut-Pflege (z.B. altes und modernes Liedgut).
Das Ergebnis ist wie ein Wunder. Sagt: Dr. Dean.
5 Comments:
Ich durfte mal zu Musikprojekten im Jugendknast recherchieren, und das war schon außerordentlich beeindruckend. Insbesondere jene Sätze der Delinquenten, daß sie im Kontext dieser Projekte das erste Mal in ihrem Leben so etwas wie Anerkennung im positiven Sinne bekamen und das Gefühl, etwas Konstruktives zu können.
Ich glaube nicht, daß man den Neoliberalen die Verbote oder die Videoüberwachung rüberschieben kann, das entspricht nicht deren Logik und ist allenfalls nicht-intendierte Handlungsfolge.
Daß aber der totalisierte Selektionsprozeß in einer profitorientierten Leistungsgesellschaft de facto Anerkennung nur sehr wenigen zukommen läßt, das kann man denen schon ankreiden, daß genau das sie fordern und fördern ...
Es ist ja nicht so, dass B. nicht kreative Ausdrucksmittel zur Hand gehabt hätte. Keine Musik, die hat er offenbar nur konsumiert - aber er hat z.B. geschrieben - (siehe den "wirren" Abschiedsbrief) und selber Videos hergestellt. Vor allem bei den Videos wird aber deutlich, dass sie nur noch vollkommen düster, destruktiv und hoffnungslos wirken. Der Gemobbte phantasierte sich nur noch in Macht- und Gewaltposen, die man auch aus "Natural Born Killers" und ähnlichen Filmen kennt. Sein Outfit auf dem überall abgedruckten, martialischen Foto im Wald, gleicht dem von Spezialeinheiten wie dem KSK, die also offenbar auch ästhetisch als Vorbild für ihn dienten.
Vgl. dazu
http://media.de.indymedia.org/images/
2006/11/162813.jpg
Schwäche, Sensibilität, Feinheit - alles tabu. Er wollte ja kein "Verlierer" mehr sein, sich keine Blöße mehr geben, er wollte nur noch Angst machen. Woher hatte er die Idee, dass es für Typen wie ihn nur einen solchen Ausweg gibt? Dass Probleme am effektivsten gewaltsam gelöst würden? Aus den "Killerspielen" oder aus der Tagesschau? Wie war das noch, wo wird "Deutschland" derzeit, und auf welche Weise, verteidigt, nach gängiger Ansicht eines ehemaligen SPD-Verteidigungsministers? Wo war doch gleich in den letzten Jahren immer wieder die Meinung zu hören, dass Pazifisten die wahren Kriegstreiber seien, dass Gewalt und Kriege legitim sein, wenn sie nur für die richtigen Ziele genutzt würden? Wie war das mit den "Gutmenschen" noch einmal? War das nicht zum Schimpfwort geworden? Genauso wie das Wort "Opfer"? Hatten Stammtisch und Mainstreammedien nicht beschlossen, dass wir von den 68ern und ihrer Hippiescheisse nichts mehr wissen wollten? Wollten wir nicht stattdessen mehr "Elitenförderung"? Die Gesellschaft lebte ihm vor, dass es heute immer und nur darum geht, besser und stärker zu sein als Andere, also ein "Gewinner". Wer ein Loser ist, hat sich nur nicht genügend angestrengt und angepasst. Das genau schreibt er auch in seinem Brief (siehe Telepolis, Mein Parteibuch).
Er versuchte wohl am Ende auf perverse Art, nach seinen eigenen schon völlig verdrehten Maßstäben, doch noch irgendwie zu "gewinnen", indem er zum absoluten Horror für Andere wurde. Er verehrte scheinbar die Columbine-Attentäter, die wie er ganz unten in der Schulhierarchie standen. Und es gab scheinbar niemanden, der ihm erklären konnte, wo er mit seiner Kritik richtig lag, und wo komplett falsch. Er wollte kein "Scheiss-Nazi" sein, aber benahm sich am Ende genau so. Er wollte noch mieser sein, als Andere ihm gegenüber waren. Noch brutaler, noch unbarmherziger. Wie passt das alles zusammen?
Ich weiss nicht, ob es hier mit mehr "Musikunterricht" allein schon getan wäre - eine Idee aber, die auch Schily scheinbar gerade hatte. Natürlich ist vorstellbar, dass er in einer Deathmetal-band gespielt, und dabei Anerkennung, Erfolg, Gleichgesinnte gefunden hätte. Aber dass er Bachstücke klimpert und dann vergnügt über den Dingen steht? Ich weiß nicht. Vielleicht sollte man zunächst mal über diese derzeitige Gesellschaft, ihre Ziele, ihre Werte, und ihr aktuelles Menschenbild reden, aber genau das passiert natürlich nicht. Stattdessen werden seine Äußerungen aus dem Netz entfernt, wie um ihm nachträglich noch Recht zu geben, denn genau das erwartete er in seinem Brief.
@anonym: Die Musikprojekte sind nur ein Teil des Ganzen, kein Patentrezept, und im Falle Bastian B. wären sie vielleicht gar nicht angebracht gewesen. Aber generell, gegen das fatale Gefühl, Totalversager zu sein, von niemanden beachtet zu werden, keine Anerkennung zu bekommen, ist es m. E. sehr wirksam.
Der Abschiedsbrief ist nur in der verstümmelten BILD/RTL-Fassung "wirr". Aber das brauche ich hier wohl niemandem erzählen.
Aus einem bestimmten Grund, den ich auf meinem Blog dargelegt habe, kann ich mich bis zu einem gewissen Grad in Bastian einfühlen.
"Schwäche, Sensibilität, Feinheit - alles tabu". Ja, so ähnlich habe ich das in dem Alter auch erlebt. (und es ist gut 25 Jahre her - 25 Jahre bergab in dieser Hinsicht). Wobei das rein subjektiv von mir so erlebt wurde, tatsächlich war mein Umfeld eher günstig, schon für damalige Verhältnisse. "Kaputt" waren z. B. meine Eltern, soziale Absteiger, und sie vermittelten mir ungewollt ihre "kaputte" Weltsicht. (Es hat schon seine Gründe, warum ich meine "Amokpläne" nie in die Tat umgesetzte. Die äußeren Bedingungen waren andere.) Wer ein Loser ist, hat sich nur nicht genügend angestrengt und angepasst - das glaubte ich wirklich. Ich glaubte es auch später noch.
Der harte Karrieretyp, der Ranklotzer, der Ellenbogenmensch, all das mit einer "weltgewandten" Fassade verkleidet, der war schon damals en vogue. Es sei denn, man war hypermoralischer "Berufpazifist", Gutmensch" - was damals noch keinen hämischen Unterton hatte. Diese Alternative habe ich ausprobiert und als anstrengende "Heuchelei", "einen auf Pazifist machen" empfunden. Heute hätte ich es nicht einmal ausprobiert, denn Pazifisten gelten heutzutage als "Weicheier". (Das war zur Zeiten, als es echt schwer war, den Kriegsdienst zu verweigern, und als es Massendemos mit Sitzblockaden gegen Militäreinrichtungen gab, anders.)
Seine "Vorbilder" hat sich Bastian überall zusammengesucht. Counterstrike ist nur eine, bestimmt nicht die wichtigste, Zutat. Die Tagesschau trug wohl zum Ohnmachtsgefühl bei.
Er hat mitbekommen, dass matialischer Auftritt Eindruck schindet, Stärke vortäuscht - dumm war er ja nicht.
Woher hatte er die Idee, dass es für Typen wie ihn nur einen solchen Ausweg gibt? - Aus seine "Lebenserfahrung", vermutlich. Nur wenn man auftrumpft, wird man ernst genommen. Er war aber kein Brutalo, der "einfach" ein kriminelle Karriere gestarte hat - das hätte auch eine Konsequenz sein können. Er hatte, im Gegensatz zu mir, keine realen "Rebellen", die er indalisieren konnten. (Und mich zum Glück ins Gebet nahm: "Mach kein Scheiß, Martin".)
Aber diese Rebellenszene aus Hausbesetzern, autonomen Antifas, "Alternativen" usw. gibt es kaum noch, und ob es sie ja in einer westfälischen Kleinstadt gab, wage ich zu bezweifeln. Die einzig intakte "Rebellenszene" heutzutage, das ist die unbequeme Wahrheit, sind die Neonazis. Bastian war zu sehr Selbstdenker, um sich dieser Szene anschließen.
Ob nun ein Musikprojekt für Bastian R das Richtige gewesen wäre.
Keine Ahnung.
Aber so unwahrscheinlich wäre es nicht. Denn: Hätte er sich in eine seiner Begabungen als wirklich anerkannt gesehen, inklusive sozialer Integration (wie sie z.B. über den Bandkontext geleistet wird), dann hätte er vielleicht an dieser Wahnsinnstat nicht so ein großes Interesse gehabt.
Er hätte einen Ausgleich für seine Kränkungen gefunden, sein Selbstbewusstsein und seine soziale Integration wäre gefördert worden.
Tja, und vielleicht hätte er keinen Amoklauf unternommen, sondern versucht, "jugendgefährdende" aggressive Musik zu machen, in der er - gemeinsam mit anderen - seinen Hass auf die Penne raussschreit.
Ich glaube, dass es keine gute Idee ist, Jugendliche sich reinweg nur selbst bzw. ihren Problemen zu überlassen, - gerade in einer von Wettbewerb, Konkurrenz, Egoismus und an vielen Stellen von Entwurzelung geprägten Gesellschaft.
Der Amoklauf ist in meinen Augen vor allem die Folge aus sozialer Vereinzelung, Zurücksetzungen, wahnhaften Kränkungs- und Hassideen u.a. aufgrund von sonderlinghaftem Außenseitertum. Dazu kommen als Ursachen der Waffenwahn und die Härten der modernen, von Konkurrenz geprägten Ego-Gesellschaft. Achja, und zuletzt, ganz weit zuletzt, könnte man ggf. dem von ihm gespielten Ego-Shooter Counter-Strike einen Anteil von 2% am tragischen Geschehen zusprechen.
So sehe ich das.
Wichtig ist, dass die Gesellschaft in der Lage ist, alle Menschen so einigermaßen zu integrieren, ihre Fähigkeiten entfalten zu lassen und die Fähigkeit und Möglichkeit sozialer Interaktion zu stärken.
Guter, moderner Musikunterricht bringt hier meist mehr als die meisten anderen Maßnahmen!
So paradox sich das im ersten Moment vielleicht anhören mag.
Achja, und die Rolle der Eltern müsste man mal auch checken. Sofern das geht. Irgendwie ist das doch komisch, dass da ein Jugendlicher zwischen dem 8.ten und 18. Lebensjahr nichts als Einsamkeit und Vereinzelung empfindet, zusammen mit regelmäßigem Mobbing aus der Schule.
Da ist eine ganze Menge schief gegangen.
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