Wissenschaft als Tarnungsmittel von Think Tanks
Einleitung
Die Ideen des Liberalismus zum Zeitpunkt seiner Entstehung (17. Jhd, teils zurückgehend auf Ideen des Erasmus von Rotterdam) basierten v.a. auf drei Prinzipien, "Sondereigentum" (bzw. Privateigentum) der Bürgerlichen - geschützt vor den Begehrlichkeiten des Adels, zweitens Herrschaft des Gesetzes und vor allem: Meinungsfreiheit. Die frühen Liberalen schätzen die Meinungsfreiheit extrem hoch - in der Hoffnung, dass sich dadurch die richtigen Ideen im Meinungskampf durchsetzen können.
Sie hofften auf die Durchsetzung des Wahren, Schönen und Richtigen.
Diese überaus bedeutende Hoffnung setzt jedoch etwas Entscheidendes voraus. Sie setzt neben offener Diskussion und Fairness voraus, dass die Beteiligten im Meinungskampf sich vom Streben nach Objektivität oder sogar Wissenschaftlichkeit leiten lassen.
An dieser Stelle setzen die Propagandafabriken bzw. Think Tanks an. Heritage Foundation, INSM (Initiative neue soziale Marktwirtschaft), American Enterprise Institute, Bertelsmann Stiftung, Cato Institute usw. Sie stellen sich mit ihrer "Politikberatung" zwischen Bürger und politischer Repräsentantion, liefern den Medien parteiliche Expertise und versuchen damit, die Agenda des öffentlichen Diskurses zu bestimmen.
Womit? Zum Beispiel mit "Analysen" bzw. politischen Argumentationsleitfäden oder sorgfältig ausgearbeiten Einwandbehandlungen, vermeintlich wissenschaftlich aufgepeppt.
Diskursmanipulation
Gezielt schmücken sich die meist rechtsgerichteten Propagandafabriken mit vorgeblicher Wissenschaftlichkeit. Sie nennen ihre Aktivisten Senior Fellows, Alumnis oder Scholars, sie nennen sich "Institut", mehr noch, sie beanspruchen für ihre Aktivitäten Wissenschaftlichkeit und halten sich für eine wissenschaftliche Institution.
Indes, sie betreiben das genaue Gegenteil von Wissenschaft.
Sie sind eben nicht auf die Produktion neuen Wissens orientiert, sie interessieren sich nicht für Objektivierung, sondern für die von ihnen promotete Ideologie und eine entsprechende Beeinflussung von Medien und Öffentlichkeiten. Ihre "Wissenschaft" besteht vielmehr darin, dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse gezielt auswählen, sofern diese in ihre Ideologie nützlich erscheinen, während sie entgegenlaufende Erkenntnisse gezielt unterdrücken.
"Wie die Vorgaben zum Irakkrieg zeigen, wird hier weniger gedacht, als ideologisiert und propagiert. Mit Wissenschaft hat dies wenig zu tun, denn hier wird, analog zum Thesenjournalismus, nach Wissen gesucht, das die eigene Ideologie stützt, Wissen unterdrückt, das den eigenen Standpunkt in Frage stellt." (Quelle)Sie manipulieren.
Ideologiegeleitete Wissenspromotion
Sie gehen mit Wissen und wissenschaftlicher Erkenntnis auf taktische, stalinistische Weise um. Sie betreiben "Wissenschaft" mit gezielten Weglassungen, Verdrehungen bzw. Spin. Gleichzeitig schmücken sie sich, i.d.R. sogar erfolgreich, mit ebendieser Wissenschaftlichkeit. Diese Taktik ist für Zwecke von "Think Tanks" ein großartiges und sogar mächtiges Feigenblatt, hinter dem sie ihre Agenda verbergen.
Jede Demokratie bekommt Probleme, wenn "Think Tanks" Richtung und Inhalt des öffentlichen Diskurs prägen können oder sogar sogar dominieren.
Das gilt besonders dann, wenn zwei Probleme hinzu kommen:
Erstens, wenn diese Think Tanks Informationen, Wissen und Wissenschaft in ihrer Tätigkeit verdrehen und verfälschen. Informationelle Umweltverschmutzung: Das ist unanständig und gefährlich.
Zweitens, wenn die Szene aus Think Tanks und Politikberatung in Wahrheit nur einen Scheinpluralismus darstellt. Wenn also Einzel- und Partikularinteressen den Diskurs unverhältnismäßig stark dominieren und die Gesamtheit dieser Szene also nicht - einigermaßen repräsentativ - die Vielfalt von Anschauungen der Bürger repräsentiert, sondern eine unverhältnismäßig eingeengte politische Agenda.
Dann wirken diese Propagandafabriken anti-plural und gegen eine offene Gesellschaft gleicher Bürger. Sie sind eine Pest.
4 Comments:
Das Problem der Think Tanks ist ein massives, da so die Wirtschaft, insbesondere Industrie und Finanzwirtschaft, die öffentliche Meinung diktieren können. Einige davon sind beispielsweise die INSM, der Media Tenor, der mit Springer paktiert, oder Media Smart, von Bertelsmann / SuperRTL finanziert. Auf der anderen Seite des großen Teiches sieht es mit AEI und Günstlingsnetzwerken wie Skull & Bones, zu dem auch Bush gehört, noch eine Spur heftiger aus. Aktuell versuchen interessierte Kreise, Deutschland das amerikanische Modell komplett überzustülpen.
Es stellt sich jedem vernünftigen Menschen die Frage, warum man zum Beispiel noch nicht ein Modell mit diversen Indizes eingeführt hat, um einerseits die Globalisierung zu bändigen und andererseits damit gleichzeitig die Klima- und Energiefrage zu beeinflussen: http://www.perspektive2010.de/blog/2006/09/15/baendigung-der-globalisierung/
Gruß
Alex
Das Blöde ist ja nicht nur, daß einige Banden raffinierter Wortverdreher Einfluß auf die Öffentliche Meinung nehmen. Der schlimmste Effekt ist der, daß zu viele solcher Trittbrettfahrer der Meinungsfreiheit zur Erosion einer Kultur führen, die ihre Jobs und viele andere Annehmlichkeiten erst ermöglicht. "Der" Diskurs hält (noch) eine Menge solcher PR-Schmeißfliegen aus, denn der Bezug auf Wahrheit und die Faktizität der Pressefreiheit sind auf lange Sicht stärker als die auf kurzfristige Erfolge hin produzierten Meiungen und Strategien der Think Tanks. Der Fluchtpunkt der Entwicklung ist die Frage "Demokratie oder Diktatur", denn erstere kann sich weder eine staatliche und industrielle Meinungsproduktion leisten, noch die Relativerung von Werten wie den Menschenrechten.
Damit befaßt sich auch http://feynsinn.org/?p=309
Ach, das sind doch alles nur Verschwörungstheorien ;-) ...
@alex:
Immerhin sind Skull & Bones (noch) kein Think Tank. Eher schon ein Drink Tank...
@Flatter
Ich bin mir nicht sicher, wie viele PR-Schmeißfliegen ein öffentlicher Diskurs aushält. Ich fürchte: Sobald dieses Volk die Richtung bestimmt, verdirbt das Medienwesen, durchlöchert von zahlreichen Maden und den Gestank der Lüge.
@Che
Was wirklich verblüfft, ist der faktische Einfluss, sogar auf die deutsche Politik, der hier ausgeübt wird. So ganz begriffen habe ich das noch nicht, wie dieser Einfluss so stark werden konnte.
@MR
Ja, und schlimmer noch: Wer Propandafabriken und deren Einfluss kritisiert, ist ein "Feind der freiheitlichen, offenen Gesellschaft". So, oder so ähnlich hat sich Rayson mal geäußert. *örgs*
@loelli
Interssanter Punkt. Ich habe nichts dazu gefunden, und ->sogar bei Sourcewatch fand sich zum Gesamtvolumen nichts.
Aber 60 Mrd USD halte ich für stark übertrieben. Immerhin beträgt das Gesamtvolumen von privaten Spenden (u.ä.) gerade einmal rund 210 Mrd USD (in den USA).
Sieh mal auf die INSM, mit lediglich ca. 20 Mio Euro pro Jahr haben die enorm viel Impact. Da können die Werbefritzen von Mc Donalds noch was von lernen.
Ich tippe mal, dass das Gesamtvolumen - weltweit - eher bei ca. 2 Mrd Euro liegt. Und zielgerichtet zur Beeinflussung von Öffentlichkeiten eingesetzt, ist das schon viel, finde ich.
Die EU bzw. deren Gesetzgebungsverfahren werden recht erheblich von Think Tanks, Lobbyisten und anderem überschätzten Geschmeiss beinahe schon gesteuert, was man z.B. an einzelnen Gesetzesvorhaben sehen kann. Aber es finden sich auch, eher vereinzelt, Gegenbeispiele.
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