07 Januar 2006

Frau Bundeskanzlerin und die halben Sachen

Einige Beobachtungen:
  • Sie spricht sich gegen Modellversuche bei den Kombilöhnen aus, weil man so wirklich nicht sehen könne, ob das Instrument funktioniere
  • Sie spricht sich unerwartet deutlich gegen das Gefangenenenlager Guantanamo Bay aus, deshalb, weil man Improvisiorien dieser Art nicht dauerhaft unterhalten dürfe
  • Sie wählt gern die besonders konsequent aussehende Variante (das erklärt ggf. ihre Neigung zu Leuten wie Kirchhof)
  • Sie propagiert den Begriff der "Eigenverantwortung" im Sinne einer angeblichen Notwendigkeit für Sozialstaatsabbau, statt sich um Effizienzgewinne im Solidarsystem zu mühen
  • Sie versteht "Freiheit" und "Gerechtigkeit" (Audio) einseitig, das heißt in neuliberaler Weise v.a. als Deregulierung und Freiheit vom Staat
Ihre Abneigung gegenüber "halben Sachen" könnte mit ihrer Vergangenheit in der DDR zusammenhängen, andererseits wird sie m.E. auch von ihrer geistigen Herkunft aus den Naturwissenschaft geprägt: Offen widersprüchliche oder nicht konsequent zum Ende gedachte Ansätze missfallen ihr.

Meiner Meinung nach kann dieser Wunsch nach Eindeutigkeit in der Welt der Politik kaum sinnvoll verwirklicht werden. Es gibt keine keine wissenschafliche Weltanschauung von der Politik, die Bemühung um das Absolute endet hier oft genug im absolut Falschen.

Das liegt m.E. am Wesen von Politik, die neben der Bemühung um das Allgemeinwohl eben auch ein Feld von Interessengegensätzen ist. Ohne die zivilisatorische Mäßigung, also ohne die Befähigung zum Kompromiss und Interessenausgleich verwandelt sich der Begriff des Politischen ins Feindliche und Zerstörerische.

Indes, diese Gefahr ist bei Frau Merkel nicht zu sehen.

Sie mag eine Tendenz zur Kompromisslosigkeit in der Sache haben, eine tiefe Abneigung gegen dritte Wege, gleicht dies aber durch ihre Befähigung zum Teamplay aus - und zeigt sich insofern als gute Schülerin von Helmut Kohl, dessen größtes politische Kapital im Teamplay bestand. So konnte er seine verblüffenden Defizite an politischer Rhetorik ausgleichen.

Als gelehrige Schülerin von Kohl hat sie sich diese Befähigung zu eigen gemacht. Wenn sie sich auf internationalem Feld etwas zurück hält und ihre Neigung zu neuliberalen Kapriolen (z.B. ihr realitätsverkennendes Vertrauen auf "corporate citizenship") mäßigt, wozu sie durch die große Koalitation gezwungen ist, dann wird m.E. eine garnicht so üble Kanzlerin darstellen.

Als Kanzlerin in einer FDP-CDU-Koalition wäre sie hingegen nach wenigen Jahren geschlachtet worden, wenn nicht von der Bevölkerung oder der SPD, so doch durch hungrige CDU-Prinzen in den Ländern. Ihr konnte nichts besseres geschehen als eine große Koalition.

1 Comments:

At 12 Januar, 2006 14:55, Blogger Jack Fuller said...

Sehr interessante Betrachtungen!

Da haben wir´s auf jeden Fall leichter.
Wir suchen nur (D)ein Lied für Frau Merkel!

Das Projekt - Der MerkelPod

Wir haben Frau Merkel einen iPod nano gewidmet.
Aber wir müssen ihn noch mit Musik aufladen, bevor wir ihn an den Bundestag schicken.
Helft uns die Playlist zu vollenden!

http://merkelpod.blogspot.com/

würde mich freuen ein paar vorschläge von dir entgegenzunehmen!

vielen dank schon einmal im voraus

Jack

 

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