02 Dezember 2005

Quiz: Staatsversagen oder Marktversagen?

Das soll noch nicht mein Weihnachtsquiz sein - aber diese Story halte ich für interessant, auch ordnungspolitisch. Ist das nun Staatsversagen oder Marktversagen? Oder beides zugleich?

Prinzipiell gefragt: Was geht es eine Druckerei an, ob ein Mitarbeiter privat raucht?

Schöne neue Welt: Ich lass mir als Firma z.B. für eine Prämie privates Verhalten zusichern - und spionier den Mitarbeitern privat hinterher, beispielsweise, ob die Mitarbeiter privat immer gute Laune zu haben hätten, oder ob sie eine bestimmte Partei wählen.

Warum nicht - ist doch Vertragsfreiheit, oder?

Sogenannte Ethikrichtlinien, welche von Mitarbeitern im Betrieb die Abwesenheit von schlechter Stimmung einfordern, gibt es bereits. Falls da ein Betriebsrat zustimmt: Tja, dann haben die Beschäftigten halt Pech gehabt.

Staatsversagen oder Marktversagen?

6 Comments:

At 02 Dezember, 2005 14:22, Anonymous Anonym said...

Der Fall ist für mich von der Vetragsfreiheit, wie ich sie verstehe, gedeckt. Wenn ich einen Vertrag darüber abschließe nicht zu rauchen und dafür monatlich 100€ zusätzlich bekomme, so habe ich mich daran zu halten. Aus dem Fall wird nicht ersichtlich, daß der Vertrag den Angestellten aufgezwungen wurde. Dies würde (in der momentanen Arbeitsmarktlage) meine Beurteilung dahingehend verändern, daß vom Arbeitgeber unzulässiger Druck ausgeübt wurde. Nachdem der Angestellte sich, dem Stand der Ding nach, freiwillig dazu entschlossen hat, die 100€ zu kassieren, so war sein Handeln jedoch ohne Zwang vertragsbrüchig.

Daß mir das Hinterherspionieren nicht gefällt ändert an der Beurteilung der Konsequenzen nichts.

Zwar bin ich der Meinung, daß theoretisch jeder Unternehmer entscheiden können sollte, ob er Raucher etc. beschäftigen möchte oder nicht. Da dies momentan nicht üblich ist und auch sonst wenig liberale Verhältnisse herrschen erscheint mir eine Durchsetzung dieser Idee im Moment jedoch nicht sinnvoll.

Als zusätzliche Anmerkung sei gesagt, daß solche Verträge in Zukunft sicher eine größere Bedeutung erlangen werden. So ist durchaus denkbar, daß Krankenkassen gesundes Verhalten (z.B. nicht rauchen) mit Abschlägen auf den Tarif "belohnen" werden. Denn warum sollten vermeidbare, freiwillige Zusatzrisiken sozialisiert werden? Ähnliches ist ja auch schon lange für "Risikosportarten" im Gespräch. Und auch wenn der Vergleich immer abgeleht wird, in der Autoversicherung ist die Berücksichtigung individueller Risikoprofile mittlerweile üblich und m.E. auch die gerechtere Lösung.

Und nein, ich habe nichts gegen Raucher. Ich rauche wenn ich Lust drauf habe :)

 
At 02 Dezember, 2005 14:31, Anonymous Anonym said...

Noch als Nachtrag zur Ausgangsfrage.

Ich sehe weder Staats- noch Marktversagen. Es wurde ein ordentlicher Vertrag abgeschlossen und der Staat sorgt dafür. daß dieser eingehalten bzw. die Nichteinhaltung vertragsgemäß sanktioniert wird.

Noch zur Frage, ob es die Firma was angeht, daß der Herr privat raucht. Generell natürlich nicht, aber in diesem Fall hat der Herr diesen Aspekt seines Privatlebens freiwillig einer Regelementierung unterworfen.

Zudem ist es auch jetzt so, daß die Firma durchaus Einfluß auf die Gestaltung des Privatlebens der Mitarbeiter hat. Zu den vertraglichen Nebenpflichten gehört durchaus, daß man dafür sorgt, daß dem Arbeitgeber die "gekaufte" Arbeitskraft auch zur Verfügung steht und erhalten wird. Jeden Tag Party bis zur Arbeit geringere Leistungsfähigkeit durch Übermüdung dürfte z.B. eine eindeutige Verletzung dieser vertraglichen Nebenpflichten sein. Diesen Gedanken kann man natürlich bis zum Raucher weiterspinnen, der statistisch betrachtet z.B. öfter krank ist. Zwar würde ich eine solche Betrachtung für übertrieben halten, aber mir ging es darum zu zeigen, daß auch jetzt das Privatleben rechtlich nicht völlig vom Berufsleben getrennt ist.

 
At 03 Dezember, 2005 15:17, Blogger John Dean said...

Man könnte nun einwenden, dass die Idee "freier Verträge", inkl. der Schlüsse, die man daraus zieht, ins Wanken gerät, wenn ein Vertragspartner eben nicht frei war.

Dieser Punkt wird von Anarchokapitalisten und ihren, sorry, Pseudotheorien m.E. komplett übersehen.

Genauso, wie Wettbewerb nur dann wirklich viel taugt, wenn er fair ausfällt und nicht manipuliert wird, genauso verhält es sich m.E. mit "freien" Verträgen.

Aufgabe des Staates ist es, echte Freiheit und fairen Wettbewerb zu verteidigen - auch über den Schutz von Schwächeren.

Oder nicht?

Ich plädiere in diesem Fall also für eine kombiniertes Staatsversagen und Marktversagen - in einem minderschweren Fall (aber immerhin).

Wenn ein Vertragspartner faktisch ein drückendes Machtübergewicht hat (und das liegt hier vor), dann wird die Argumentation mit "freien Verträgen" absurd.

Was für eine "Freiheit" soll denn das sein?

Die Angst um den Arbeitsplatz macht jede Menge irrer Eingriffe in das Privatleben von Angestellten seitens der Arbeitgeber möglich. Was prinzipiell geht, muss aber längst noch nicht richtig sein.

Es ist ohnehin kaum verständlich, warum es im einem Arbeitgeber gestattet werden sollte, das Privatleben seiner Angestellten zu steuern.

Wer so etwas duldet, oder Schlimmeres sogar, verabschiedet sich im Kern von der Idee der Freiheit, welche dann zur Freiheit des Stärkeren verkümmert.

P.S.
Das wäre eine gute Gelegenheit, z.B. über die FDP zu sprechen. Aber das spare ich mir auf.

P.P.S.
Ja, es ist schlimm, wenn jemand seinen Arbeitsplatz verliert, weil er privat raucht - im Fall der Druckerei liegt kein ausreichendes Interesse dafür vor.

 
At 03 Dezember, 2005 15:23, Blogger John Dean said...

Es m.E. wäre besser, wenn Sandro seinen Job behielte - und diese widerrechtliche Prämie zurückzahlt.

Aber OK, das mag ein utopischer Vorschlag sein. Noch utopischer wäre es allerdings, wenn das Urteil dieser jungen Arbeitrichterin zum Maßstab wird, dafür, dass Eingriffe in das Privatleben von Angestellten seitens von Arbeitgebern statthaft sind.

Der Leviathan ist nicht allein der Staat mit seinen Machtmitteln, sondern auch ein staatfreier und "freier" Markt kann zum Leviathan mutieren.

Mein Ideal ist ein nicht-etatistischer, zurückhaltend auftretender Staat, der stark genug ist, den Leviathan zu bändigen, egal, in welcher Gestalt er in der Gesellschaft auftritt.

 
At 03 Dezember, 2005 16:02, Anonymous Anonym said...

"Man könnte nun einwenden, dass die Idee "freier Verträge", inkl. der Schlüsse, die man daraus zieht, ins Wanken gerät, wenn ein Vertragspartner eben nicht frei war."

Die habe ich m.E. in meinem Kommentar berücksichtigt, da ich davon ausgehe, daß dieser Vertrag freilwillig und ohne negative Konsequenzen im Falle der Ablehnung, quasi als "nettes" Angebot und praktische Umsetzung von Nichtraucherkampagnen, zustandekam (siehe Abschnitt "momentane Arbeitsmarktlage).

 
At 03 Dezember, 2005 16:18, Blogger John Dean said...

Nun, für mich zeigt sich allein schon im Umstand, dass ein Arbeitgeber die privaten Lebensverhaltnisse eines Angestellten zu steuern versucht, eine Schieflage.

Ich habe jedenfalls noch nichts davon gehört, dass das private Verhalten von Arbeitgebern Teil von Arbeitsverträgen wurde.

Und sage bitte niemand, dass das uninteressant wäre!

 

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