16 November 2005

Ökonomische Gedankensprengsel (6) - sozialstaatlicher Leistungswettbewerb

Hmm. Ich habe mir gerade überlegt, ob es für den Arbeitsmarkt sinnvoll wäre, wenn Unternehmen in Deutschland eine wählbare Zusatzoption erhalten würden, mit der sie sich von Mitarbeitern trennen können, wann immer sie wollen.

Ganz ohne jegliche Begründung. Einfach so.

Ich stelle mir also eine für die Arbeitgeber wählbare Kündigungsoption vor, durch den Gesetzgeber geregelt, welche durch Arbeitsverträge und Tarifrecht auf keinen Fall ausgehebelt werden kann. Dies auch deshalb, um einen maximalen Wettbewerb zu ermöglichen. Das beträfe übrigens auch Arbeitsverträge von Vorständen.

Gleiches Recht für alle.

Ich halte es für notwendig, dass Unternehmen verhältnismäßig schnell umstrukturieren können, dies, ohne Arbeitsprozesse riskieren zu müssen, die nicht nur teuer sind, sondern auch Reputation kosten, sowie die Stimmung innerhalb des Unternehmens schwer beeinträchtigen.
Von zu großen Kündigungshemmnissen sollte man - wenn es geht - wegkommen, um die Intensität des Wettbewerbs und die Manövrierfähigkeit von Unternehmen deutlich zu verbessern.
Für die Arbeitnehmer wäre das zweifellos eine Riesenbürde, auch dann, wenn die Kündigungsfrist in diesem Fall 6 Monate beträgt (m.E. ein guter Suchhorizont) und der betroffene Arbeitnehmer halbtags (oder halbwöchentlich) zum Zweck der Arbeitssuche freizustellen wäre. Es bleibt eine Bürde.

Es wäre auch für die Gesellschaft eine Riesenbürde.

Gesellschaftlich gesehen ist es eher schädlich, wenn man es Unternehmen hier erleichtert, sich einzelwirtschaftlich anpassen, weil dies gesamtwirtschaftlich zahlreiche persönliche Schicksalsschläge produziert, sowie sozialstaatliche Folgelasten, welche auf die Unternehmen in ihrer Gesamtheit auf unvorteilhafte Weise wieder zurück schlagen.

Was also tun?

Manövrierfähigkeiten von Unternehmen zu Gunsten des Wettbewerbsprozesses erhöhen, auch um den Preis dann zwangsläufig ansteigender Sozialstaatslasten?

Falsche Alternative!

Als Ordoliberaler hat man ja im Gegensatz zu den heutigen "Neoliberalen" und den libertär erweckten Fans eines "reinen" Kapitalismus (Sinn, Peffekofen und andere prinzipiell sozialstaatsfeindliche Extremisten) die Möglichkeit, sich Regulationen für Marktmechanismen zu erdenken, erstens, um den Leistungswettbewerb zu steigern, zweitens, um Schädigungswettbewerb zu vermindern (hier: Schädigung der Gesellschaft!), drittens, um die Sozialstaatlichkeit des Wettbewerbs zu erzwingen.

Kurzum: Ordoliberale sind in ökonomischen Fragen prinzipiell geistig potenter als nackte Liberale, welche sich, so sind sie nun einmal, zwanghaft alle Kleidungsstücke vom Leibe reißen müssen, welche gegen den eiskalten Wind des Kapitalismus hilfreich wären.

Ach so, ich sollte ein Beispiel der nützlichen "Kleidungsstücke" nennen, mit denen die vorgeschlagene Sonderkündigungsoption sinnvoll auszugestalten ist.

Bitteschön:
Daher - zwingend - ist diese Kündigungsoption auf Sozialstaat erhaltende Weise (und: wettbewerbssteigernd!) zu gestalten.
Die Verantwortung eines Unternehmens geht über den Zeitpunkt der Kündigung hinaus (auch deshalb, weil einzelwirtschaftliches Handeln die Gesellschaft stark betrifft!), und dies wäre in Fall dieser Sonder-Kündigungsoption zum Beispiel so geregelt:
Wenn ein Unternehmen diese Sonderoption zieht, dann muss es sich bereit erklären, alle gesellschaftlichen Kosten - in Bezug auf den jeweils Gekündigten - für einen Zeitraum von sieben Jahren in Höhe von z.B. 30% zu tragen.
Gemeint sind hier Arbeitslosengeld, Schulungskosten, Sozialhilfekosten, Umzugskosten u.a.

Vorteil:

Wettbewerb pur - unter Aufrechterhaltung sozialstaatlicher Verfassung, sogar unter Anreizsetzung für sozialstaatlich verantwortliches Handeln!

Auf diese Weise werden Unternehmen veranlasst, erstens, bevorzugt Arbeitnehmer zu kündigen, welche bald eine neue Beschäftigung finden werden (was gesellschaftliche Kosten vermindert), zweitens, Erfolg bei der Jobsuche zu fördern wo es wirtschaftlich machbar ist, drittens, das Schicksal der Gekündigten (in einem Zeitraum von sieben Jahren) weiterzuverfolgen, und wo möglich, auf positive Weise zu beeinflussen.
Unternehmen werden damit massiv in ein sozialstaatliches Abwägen hineingezwungen, auf wettbewerblich geregelte Weise, sodass jene Regelungen sich am Markt durchsetzen werden, welche sozialstaatlichen Erfolg auf besonders wirtschaftliche Weise ermöglichen. Parallel dazu erhöht sich die Manövrierfähigkeit der Unternehmen - auf gesamtgesellschaflich nützliche Weise.
Man kann den Marktmechanismus sozialstaatlich funktionabel machen! Natürlich gibt es viele weitere ordoliberale Gestaltungsideen zu diesem Thema.

Weder das Design, noch der Mechanismus sind festgelegt, solange der "ordoliberale Effekt" (sozialstaatlicher Leistungswettbewerb) effizient erreicht werden kann.

P.S.

Eine zweijährige Probezeit (mit 14 Tagen Kündigungsfrist) ist sachlich nicht gerechtfertig. Die Probleme lagen noch nie (!) in zu kurzen Probefristen. Da hat mal wieder jemand nicht nachgedacht. Gleiches gilt auch für die Regelung von Veräußerungsgewinnen. Diese erlaubt großen Unternehmen tief greifende Steuervermeidungsstrategien, zu Lasten eines fairen Wettbewerbs.

1 Comments:

At 17 November, 2005 15:22, Anonymous Anonym said...

Vorstandsverträge haben in der Regel alle eine Kündigunsmöglichkeit vor Ablauf inkludiert, natürlich gegen entpsrechende Abschlagszahlungen, die locker für 7 Jahre reichen wenn der Mensch gut verhandelt hat ;-)

 

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