Der Idiotologe der Autorität
Erstaunlich:
Carl Schmitt, einer der geistigen Stützen des Nationalsozialismus, scheint in ideologischer Hinsicht immer noch lebendig zu sein. Für seine sprachgewaltige Rosstäuscherei "Der Begriff des Politischen" finden sich im Internet inzwischen über 50.000 Fundstellen. Die neuen Rechten, aber sogar Teile der amerikanischen Neocons und ihrer deutschen Nachahmer orientieren sich bei ihm.
Dazu sage ich etwas.
Für den Idiotologen der Autorität, also für Carl Schmitt, steht der Ordnungsanspruch des Staates über den Wert des Menschen. Das ist m.E. das Kernproblem in allen seinen Hervorbringungen. Verglichen damit stellt Schmitts krasse Idee, dass
das Politische sich auf die Unterscheidung der Begriffe Freund/Feind reduzieren lässtnur eine Geringfügigkeit dar. Natürlich ist der Begriff des Politischen weit mehr, und umfasst z.B. auch jegliche Gestaltung des Gemeinlebens.
Diese verwegen dumme Reduktion politischen Denkens auf Freund-Feind-Schematas kennzeichnet jedoch nicht nur die Ideen des Carl Schmitt, die neuen Rechten oder Islamisten wie Sarkawi, sondern auch die sogenannten "strong republicans" vom Schlage eines Rush Limbaugh.
Das überbetonte Freund-Feind-Denken ist sozusagen einer der fundamentalen Fehler überhaupt. Man könnte hier m.E. von einem Extremismusmerkmal sprechen.
Carl Schmitt überhöht den autoritären Gestaltungsanspruch des Staates und jegliche von ihm gestaltete "Ordnung" bis zur Vergötzung. Er verkennt trotz seines Katholizismus zentrale Werte der Bibel, welche dem Menschen (als Ebenbild des Herrn) einen unveräußerlichen Eigenwert zubilligt. Für Carl Schmitt steht die Würde des Menschen unterhalb des staatlichen Autoritätsanspruches.
Vielleicht erklärt sich mit dieser geistigen Wurzel, also mit dem ideologischen Einfluss von Carl Schmitt (via Leo Strauss) zum Teil die Erscheinung, dass die derzeitige, neokonservativ geprägte amerikanische Administration das Wort "Menschenrechte" zur Begründung ihrer Politik oft im Mund führt, aber die Anwendung dieses Begriffes auf eigenes Handeln aggressiv ablehnt - und nicht einmal Inspektionen von Gefangenenlager durch das Rote Kreuz billigt.
Lesetipp zu diesem Thema: Ein Artikel von Josef Tutsch.
8 Comments:
Ich persönlich bin ja kein Schmidtkenner, aber weiß, dass auch der zurzeit gehypte philosophische Taktgeber der Linken, Giorgio Agamben, sich auch dezidiert auf Schmidt bezieht.
Es ist schon faszinierend, welche langen Wellenlinien geistesgeschichtliche Erscheinungen haben, ja sogar die missratendsten.
Die alldeutsche Bewegung von 1880 fand erst 60 Jahre später zu ihrer konsequentesten Zuspitzung - und es sieht so aus, dass das Werte relativierende Wortinstrumenatium des Carl Schmitt noch länger nachwirken wird.
Für Extremisten, für Freheit wenig schätzende Bürgeriche und Autokraten, aber auch für antiliberale "Linke", wird der Carl Schmitt noch lange die passenden Rechtfertigungen liefern.
Dabei sind seinee Grundaxiome, wenn man den glänzenden Wortflitter wegbläst, so einfach zu widerlegen, seine Skepsis gegenüber Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, seine Feindlichkeit gegenüber liberalen gesellschaftlichen Gestaltungen:
Alles hohl.
Warum Schmitt - wenn man mal von seiner Sprachgewalt absieht - bei denen so sehr Kult ist, ist mir allerdings unklar. Klar ist nur, dass der Trend zur Verkultung von C.Schmitt im öffentlichen Recht bereits seit vielen Jahrzehnten so geht.
Das dürfte zu dem Ergebnis beitragen, dass die deutschen Staatrechtler in ihrer Mehrheit ein widerwärtiges, reaktionäres wie demokratiefernes Pack darstellen.
Sorry, ich sehe weit und breit keinen einzigen Gedanken von C.Schmitt, der originär wäre oder wo doch dann in unser Staatswesen passen könnte.
Geistige Stütze des Nationalsozialismus - das sollte zur Charakterisierung genügen - und ist eine faire Würdigung seiner Verdienste.
In den fünziger Jahren wusste die die deutsche Rechtswissenschaft noch sehr genau, warum sie C.Schmitt mied wie einen Pockenkranken.
Heute nicht mehr.
@Che:
Teilweiser Widerspruch - in diversen Rhetorik-Lehrbüchern und entsprechenden Seminaren gilt Goebbels' Sportpalast-Rede nach wie vor als eine rhetorische Meisterleistung. Ebenso kann man handwerkliche Aspekte bei Albert Speer schätzen, wenn man den Baustil nun wirklich mag (solls ja geben). Aber Schmitt ist ja kein Rhetoriker oder Architekt, sondern Staatsrechtler und Philosoph. Bei ihm bilden Werk und Ideologie eine Einheit, was seine Bedrohlichkeit für die moderne Demokratie ausmacht.
@Karsten
Danke für den Einwand.
Nun, dann sollte ich "glänzenden Wortflitter" präzisieren. Ich meine, dass er gewiss kein Demogoge herkömmlichen Zuschnitts ist, kein Volksredner, und ganz bestimmt kein Rhetoriker - und doch ist er es, und zwar in Bezug auf seine akademische Zielgruppe.
C.Schmitt war - von den Anfängen der Hitlerbewegung an! - ein intellektueller Begleiter der Hassideologie des deutschen Faschismus. Er sorgte sich - fast rührend - wenn dort "zu viel" Romantizismus auftauchte, weil er meinte, dass dies den Erfolg der faschistischen Bewegung gefährden würde. Statement wie diese, aber auch umfangreicher und vielfältiger Art, mit denen er sich an die Seite "der Bewegung" stellt, gibt es von C.Schmitt seit den frühen zwanziger Jahren.
Doch, für mich ist C.Schmitt eine Art Demagoge, und zwar ein Demogoge unter den Intellektuellen.
Er fand durchaus eindrucksvolle Wortkombinationen, um z.B. den Parlamentarismus zu schmähen, wenn er hier z.B. von der "Promiskuität der Worte" sprach - was übrigens einem denkenden Beobachter durch den Umfang der C.Schmittchen Plublikationstätigkeit ironisiert wird.
Auch der Wikipedia-Artikel, verfasst von geradezu fanatischen Schmitt-Fans, zeigt die Wirkungsmacht seiner täuschenden Wortgewalt.
Denn wie gesagt: Seine Grundideen sind falsch uns sehr einfach zu widerlegen. Ich kann nicht erkennen, womit er eine verehrende Würdigung bis in unsere heutige Zeit verdient hätte.
Die anhaltenden Sympathien für Schmitt von der frühen Bundesrepublik bis auf den heutigen Tag sind wirklich bemerkenswert. Nach dem Fall der Sowjetunion hat sich ja auch ein Teil der Linken an ihm zu orientieren begonnen. Für mich ein Grund, seine Schriften aus der Weimarer Zeit kritisch unter die Lupe zu nehmen.
http://taktil.blogspot.com/2006/04/begrndung-diktatorischer-herrschaft.html
Herzlichen Glückwunsch. Carl Schmitt mit Mengele zu vergleichen ist ganz großes Kino und Selbstdiskredition pur. Die Linie von Carl Schmitt zu den NeoCons läuft übrigens über Leo Strauß.
@ Phillipp
Ich würde den autoritären Menschenfeind Carl Schmitt nicht mit Mengele vergleichen.
Völlig fernliegend finde ich das aber nun auch nicht. Die Begeisterung von Carl Schmitt über die faschistische Bewegung in den 20er Jahren (wissend, welche Gewalt diese Bewegung ausübte), seine prinzipielle Begeisterung über den Führerstaat ("Der Führer setzt das Recht" oder so) ermöglicht vor dem Hintergrund der historischen Folgen durchaus auch einen Hinweis auf Mengele.
Wer als Jurist (!), schlimmer noch, als Verfassungsjurist der Gewalt und der führerstaatlichen Willkür sein Wort gibt, wohlwissend (z.B. Buch: "Mein Kampf") über die anti-humanistischen Vorstellungen der unterstützten Bewegung, der ist so weit weg, so entsetzlich weit weg von den Grundlagen jeglicher sinnvollen Verfassungslehre wie z.B. ein Mengele von den Grundlagen seines Faches.
Ja, es führt ein Weg von Carl Schmitt zu Mengele.
Dass sich Carl Schmitt in seiner Haltung nach der Niederlag des Nationalsozialismus schön gelogen hat, verändert daran nicht viel, deshalb, weil sich Carl Schmitt NIEMALS von seinen eigenen Verfehlungen und Fehlhaltungen distanziert hat.
Eine Carl-Schmitt-Traditionspflege in der heutigen Bundesrepublik ist vor diesem Hintergrund eine m.E. außerordentlch absurde Veranstaltung, auch wenn Carl Schmitt ein vorzüglicher Schriftsteller war.
Aber ein Verfassungslehrer?
Nicht für Demokraten!
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