22 November 2005

Klientel-Etatisten

Ich habe lange nach einem Wort gesucht, welches die deutsche FDP der heutigen Zeit fassen kann. Hier ist es:
Klientel-Etatisten
Ein hartes, ungerechtes Wort? Iwo!

Man müsste sich natürlich mehr Mühe machen, den Vorwurf zu substantivieren, der in dieser Bezeichnung steckt. Ich meine - ohne mir hier genügend sicher zu sein - dass das Ergebnis einer sorgfältigeren Betrachtung darauf hinaus laufen wird, dass man die deutsche FDP "Klientel-Etatisten" nennen muss.

Unsorgfältige Betrachtung

Durchdenken wir doch einfach einmal den Fall, wo die feuchtesten politischen Träume der deutschen FDP verwirklicht werden, eine Partei, welche Sozialstaatlichkeit als Kern aller Probleme betrachtet und dort gerne massiv Gelder einsparen würde, um damit Steuern zu senken. Also, nehmen wir einfach einmal an, die Ausgaben für Sozialhilfe/HartzIV werden von z.Zt. 30 Mrd Euro schlagartig auf 15 Mrd. reduziert.

So, und jetzt fragen wir uns, wo die deutschen Klientel-Etatisten eine Halbierung der Ausgaben bzw. eine Verminderung von Begünstigungen unter keinen Umständen billigen würden:

- Rüstungs- und "Verteidigungs"ausgaben
- Förderdschungel für Unternehmungsgründungen
- Hochsubventionskultur (z.B. Theater, Opern und Hunderte von Orchestern)
- Industrieforschungssubventionen
- Zigmilliardensubventionen für den Transrapid** (!!! tatsächlich - ich habe heute sogar in der FDP-Zentrale nachgefragt: Die wollen Zigmilliarden Steuergelder für die liebe Transrapidwirtschaft raushauen - wenn sie nur könnten)
- Faire Beteiligung von Selbstständigen und Besserverdienenden am Solidarkostenanteil im Gesundheitswesen und bei der Rentenversicherung, das heißt, Beteiligung an gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, welche bislang einseitig von abhängig Beschäftigten getragen werden
- Einschnitte für Pharmafirmen und höchstverdienende Spitzenmediziner, die sich im Solidarsystem auf Kosten anderer dumm und dusslig verdienen.

Diese Liste ist keineswegs vollständig.

Was ich zeigen will, sind zwei recht eindeutige Befunde, nämlich erstens, dass die "staatsferne" Haltung, welche die deutsche FDP gegenüber sozialen Verlierern hat, mit einer ausgesprochen staatsnahen Haltung einher geht, wo immer es um ihre eigene, meist gut gestellte Klientel geht.*

Zweitens kann m.E. gezeigt werden, dass (die gleiche Radikalität beim Sparwillen bzw. Subventionsabbau vorausgesetzt) im Vergleich zur Halbierung der HartzIV/Sozialhilfekosten die übrigen Potentiale in der Summe weitaus größter sind. Allein im "Verteidigung"shaushalt sind mittelfristig Schätze zu heben. Man muss nur wollen. Die deutschen Klientel-Etatisten wollen nicht - die unterstützen sogar das 2-Prozent-"Ziel" zur drastischen Anhebung der Rüstungsausgaben, das sich irgendwelche Schnapsnasen ausgedacht haben.

*Anmerkung: Genau das ist
nicht ordoliberal. Der echte Ordoliberale ist zwar staatsskeptisch (und: marktskeptisch), aber er hält Ausgaben für sozial Schwache im Vergleich zu anderen Staatsausgaben und Subventionen für das geringere Problem, auch deshalb, weil die sozialstaatliche Verfassung der Marktwirtschaft zum Credo jedes echten Ordoliberalen gehört. Das heißt natürlich nicht, dass jede mögliche soziale Ausgabe gerechtfertigt sei. Da gibt es sinnlose Wucherungen, z.B. bei sogenannten Jugendzentren - die oft von marktnaheren Gestaltungen abgelöst werden könnten. Ein Ordoliberaler reduziert also beispielsweise eher unnötige Aufwendungen für EU-Bürokratien, Geheimdienste, Hochsubventionstheater oder Rüstung/Verteidigung, als dass er den Sozialstaat zu reduzieren sucht. Einen ausufernden Sozialstaat hingegen mag ein Ordoliberaler natürlich auch nicht.

** Anmerkung: Wenn ein Produkt am freien Markt nicht lebensfähig ist, kann es nicht Aufgabe des Staates sein, diesen Quatsch zu finzanzieren, und sei die technische Faszination noch so groß. Es ist nicht Aufgabe des Staates, die Zukunftsfähigkeit von Produkten zu beurteilen - oder in Hinblick auf die mögliche Zukunftsfähigkeit Zigmilliardenausgaben (!) für ein einzelnes Prestigeobjekt zu mobilisieren. Im Übrigen gibt es in China bereits eine Strecke. Das reicht.