18 November 2005

Tamiflu und die Vogelgrippe

Vielleicht sollte man über diesen Presse-Skandal wegsehen, dass es zwischen BILD und Roche eine umfassende Zusammenarbeit gab und gibt, z.B. zur Vermarktung von Tamiflu.

Dass der SPIEGEL bei dem Versuch zur Anstachelung einer Vogelgrippe-Hysterie großzügig mitmischte, nicht zuletzt mit dem Zweck, Tamiflu-Verkäufe zu befördern - all das dürfte nunmehr Vergangenheit sein.

Deshalb:
Die FDA bringt Tamiflu mit 12 Todesfällen mit Kindern in Verbindung.
Die Zeit für Tamiflu ist abgelaufen. Wer berichtet es nicht? Richtig: BILD und SPIEGEL.

Das Präparat Tamiflu wäre in einem Vogelgrippe-Endemie-Fall ohnehin kaum sonderlich nützlich - außerhalb eines klinischen Einsatzes.

Das gilt erst recht, weil ein neuer - noch nie aufgetretener - Typus von human übertragbarer Vogelgrippe erstens extrem unwahrscheinlich ist und zweitens die besondere Nützlichkeit von Tamiflu in diesem Fall dann äußerst fragwürdig ist - zumal im Vergleich zu einer Impfung, die voraussichtlich in schon wenigen Monaten entwickelt sein wird.

Es geht ohnehin um eine "Gefahr" - die keine ist.

Der teure Einkauf von Tamiflu durch öffentliche Stellen - in Hinblick auf die seit 1997 weltweit rund 20 Vogelgrippe-Todesfälle pro Jahr - ist idiotisch. Nach fünf Jahren müssen die unnützen Medikamente entsorgt werden, und werden ohnehin nicht zum Einsatz kommen.

Die unverantwortliche BILD/SPIEGEL-Kampagne hat jedoch erfolgreich ihren Beitrag geleistet, die Bundesregierung dieses Jahr zu Zigmillionenausgaben für Tamiflu zu verleiten. Dies geschah möglicherweise auch mit Hilfe publizistischer Drohungen, so höre ich es aus bestimmten Kreisen, unverhüllte Drohungen, die dank der Roche-Medien"zusammenarbeit" ein recht starkes Gewicht hatten.

Ein Lehrspiel zur deutschen Presse - ein Lehrspiel für Ethik im Marketing - und zum organisierten Einfluss von Partikularinteressen in unserer Demokratie.

+++ Update +++
Die FDA gestattet Roche jetzt, eine entlastende Studie zu verfassen. Der Rubel muss rollen.

5 Comments:

At 18 November, 2005 09:47, Anonymous Anonym said...

Tendenziell bin ich ja auch geneigt, der Presse so einiges zu unterstellen. Allerdings beschränkte sich die Tamiflu-Lobpreisung nicht auf Bild und Spigel sondern war in zahlreichen, konzernfremden, Medien zu finden. So vermute ich mal, daß dies ein Selbstläufer war, der nicht unbedingt auf Böswilligkeit basierte. Bislang habe ich noch keine konkreten Hinweise gelesen, die eine "Vermartungskooperation" beweisen.

Außerdem wissen wir nun eh, daß Sauerkraut besser als Tamiflu ist :P

 
At 18 November, 2005 10:34, Blogger John Dean said...

Nun, im Fall von BILD liegen mir Beweise vor. Das geht bei den Brüdern sogar so weit, dass erhebliche Teile der BILD-Gesundheits-Seite direkt von Roche-Servern ausgespuckt werden/wurden.

Alles dokumentiert - inklusive Dokumente, wo sich die Beteiligten gegenseitig der erfolgreichen Kooperation rühmen.

Beim SPIEGEL kann man "nur" anhand der offenkundig interessengeleiteten Struktur seiner Berichterstattung Vermutungen anstellen - was übrigens nicht sonderlich fernliegend ist, wenn man mal schaut, wie bei SPIEGELONLINE im Reiseteil Redaktionelles und Werbung bunt miteinander gemischt werden - und - eindeutig redaktionelle Inhalte den Erfordernissen von "Kooperationspartnern" folgen.

Medienkooperation und offene Korruption. Bezahlte Irreführung der Öffentlichkeit. Modell der Zukunft am deutschen Medienmarkt?

 
At 18 November, 2005 11:06, Anonymous Anonym said...

Bei Bild ist man ja gewöhnt, daß Anzeigen quasi als Artikel erscheinen. ;)
Generell ist es nichts neues, daß Unternehmen in ihrer Öffentlichkeitsarbeit Journalisten mit fertigen Artikeln und Bebeilderung versorgen. Und wenn die Zeit mal wieder knapp ist dann stehen die Chancen nicht schlecht, daß so mancher Artikel schnell übernommen wird.

 
At 18 November, 2005 12:30, Blogger John Dean said...

Im Fall der Vogelgrippe-Kampagne geht das Ganze meiner Meinung nach deutlich weiter. Hier hat man sich die Täuschung der Öffentlichkeit und die künstliche Auslösung von Besorgnis zum Programm gemacht.

Marktwirtschaft und Pressethik wurden hier auf, ähm, spezielle Weise kombiniert.

Ich bin neugierig, ob die Selbstheilungskräfte im beteiligten SPIEGEL tatsächlich so groß sind, wie man bei der Mitarbeiter-KG und bei Jakob Augstein annimmt.

Ich nehme an, ohne eine offene Fundamentalkritik an derartigen Praktiken wird man nicht viel erreichen.

Wie groß die Selbstheilungskräfte der BILD sind, kann man nahezu täglich nachlesen...

 
At 20 November, 2005 10:15, Anonymous Anonym said...

Ich habe mich anfangs auch gewundert.
Was man las war irgendwie nicht schluessig....

Dann las ich sowas und die welt war fuer mich wieder in Ordnung (d.h. so wie ich sie kenne)
http://www.saar-echo.de/de/art.php?a=28522

Gruesse
Konrad

 

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