08 November 2005

Blogger, hört die Signale!

Märkte versagen - konstruktionsbedingt - in ordnungspolitischer Hinsicht immer, wenn Information oder Macht allzu ungleich verteilt sind.

Ein marktwirtschaftliches System, wo der Staat nicht den Ausgleich von Macht und Eigentum bewirkt, ist Betrug - und dient dem Betrug.

In Hamburg wird gerade - trotz des Angebots an den Vorbesitzer, ihm für den zu schließenden Betrieb Geld zu zahlen - dennoch ein wirtschaftlich solider Betrieb platt gemacht. Zunächst wurden die bösen Strompreise als Grund vorgegeben. Doch das war es nicht. Das Spiel in der Alu-Branche nennt sich "Marktbereinigung".

Wenn profitable Betriebe geschlossen werden, dann sollte m.E. der Grundsatz "Eigentum verpflichtet" greifen. Schnell noch ein dafür passendes Gesetz gestrickt - und schon gehts weiter in Hamburg.

Ja, wenn die Politik das nur auf die Reihe bekäme...

Versager!

Da reden diese Leute sonntags immer hübsch fleißig von den Segnungen des Wettbewerbs, und schnallen es nicht, wenn ein Unternehmen Wettbewerb zu eleminieren trachtet. Auch Brüssel guckt tatenlos zu.

Wenn dies die Marschrichtung der sogenannten "Globalisierung" sein sollte dann gilt:

Globalisierung ist wirtschaftlicher Wettbewerb mit gezinkten Karten.

Otto, Karstadt, Nike und Adidas lassen nachweislich zu völlig unakzeptablen Arbeitsbedingungen in Fernost fertigen - es würde vielleicht einen, maximal zwei Prozent des Verkaufspreises kosten, einfach nur die Gesetze des Produktionslandes einzuhalten und ein paar elementar sinnvolle Dinge zu tun - z.B. eine Unfallschutzversicherung für die betroffenen Arbeiter/innen.

Doch Otto, Karstadt, Nike und Adidas interessiert das höchstens dann, wenn sie damit in der breiten Öffentlichkeit kritisiert werden - vorher eher nicht.

Geld und Macht trachten nicht nach Gerechtigkeit.

Und dieses nur eine einzelne Marktseite kritiklos bejubelnde Politikerversagerpack (v.a. CDUSPDGRÜNEFDP) erdreistet sich, Tarifrechte und Arbeitnehmerrechte (die ja für einen Macht- und Rechteausgleich sorgen - und damit für fairen Wettbewerb) mit praktisch jeder politischen Stellungnahme zum Problem schlechthin zu erklären.

Blogger! Hört die Signale! Tretet in eine Gewerkschaft ein!

Ihr müsst dort ja nicht gleich so festgefahren, unkreativ und unintelligent wie die Altvorderen auftreten.

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9 Comments:

At 08 November, 2005 02:31, Anonymous Anonym said...

Ich verstehe das Problem noch nicht so ganz. Wer verhindert denn, dass ein Wettbewerber die betreffenden Arbeitnehmer einstellt und den profitablen Betrieb mit eigenem Kapital weiterführt?

 
At 08 November, 2005 15:02, Anonymous Anonym said...

Die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung in den sogennanten "sweatshops" in der Regel deutlich besser sind als in vergleichbaren Unternehmen des Landes.

Wer seine Informationen nur von Naomi Klein bezieht bekommt natürlich nicht das ganze Bild ;-)

 
At 08 November, 2005 16:18, Anonymous Anonym said...

@rayson: verhindern tut das niemand - es macht aber eben auch keiner.

 
At 08 November, 2005 19:27, Anonymous Anonym said...

@Herr Herrner

Was mich dann wirklich wundert, wenn die Sache tatsächlich profitabel sein soll. Seit wann lässt ein Kapitalist, der etwas auf sich hält, irgendwo Geld liegen?

Es gab doch angeblich Kaufinteressenten. Warum waren die so scharf drauf, gebrauchte Anlagen und zukünftige Gewinne zu kaufen, lassen aber die Chance, mit neuestem Gerät an den Start zu gehen, ohne die Gewinne teilen zu müssen, ungenutzt verstreichen?

Irgendwas stimmt da mit dem Begriff "profitabel" nicht.

 
At 08 November, 2005 21:08, Blogger John Dean said...

@ Rayson
Ein kleines Gedankenexperiment:

Nehmen wir einmal an, ich besäße - teils ererbt, teils mit größten Geschick erworben - die Hälfte aller europäischen Walzstahlanlagen. Gegenüber meiner Konkurrenz habe ich in der Regel eine halbe Nase voraus, ich lebe sehr gut davon. Unter den acht Fabriken wäre eine Fabrik, die - gemessen am Umsatz - 50 Prozent weniger Gewinn erwirtschaftet als die übrigen Fabriken. Sie ist profitabel - aber alle spieltheoretischen und marktnahen Erkenntnisse laufen darauf hinaus, dass ich mir mindestens 80% der dort erwirtschafteten Umsätze sichern kann, wenn ich diese eine etwas weniger profitable Fabrik schließe. (für die übrigen 7 Fabriken, welche genügend Kapazität für diese Leistung haben).

Ich mache es. Ich wickele diese eine Fabrik vollständig ab, zerstöre die Anlagen, sprenge die Gebäude - und durch günstige Umstände kostet mich die Aktion nicht einen Euro.

Nach der Marktbereinigung mache ich mehr Gewinn - und noch schöner: Durch die verringerte Konkurrenz kann ich in meinen sieben anderen Fabriken die Preise sogar leicht anheben.

Hätte ich jedoch diese eine Fabrik verkauft, wäre mir ein neuer Konkurrent erwachsen. Deshalb zerstöre ich ja auch die Anlagen, um das gänzlich zu verhindern.

Operation gelungen - Patient tot.

Die Wettbewerbsintensität wurde von mir herab gesetzt, das Beschäftigungsniveau sinkt ebenfalls, besonders in einem Land.

Jetzt die Gretchenfrage zu diesem Gedankenexperiment:

Was ist von dieser Strategie zu halten? Wäre hier der Staat als Regulator gefordert - oder wäre dies ein unbedenkliches Verfügen über privaten Besitz? Was sagt ein Ordoliberaler dazu?

Rayson?

 
At 08 November, 2005 23:13, Anonymous Anonym said...

Der Staat gefordert? Vielleicht gar als Enteigner? Das käme einem "Ordoliberalen" wohl kaum in den Sinn. Man kann sich sicher mal anschauen, ob der Verkauf der HAW an Norsk Hydro nicht hätte untersagt werden müssen (für meinen Geschmack ist die Fusionskontrolle allgemein zu lasch geworden - insbesondere bei grenzüberschreitenden scheinen die alten Kriterien etwas überholt zu sein), aber das hat mit der Argumentation, wie sie jetzt und auch von dir geführt wird, nichts zu tun.

Zu deinem Gedankenspiel:

Grundsätzlich: Es kann in einer Marktwirtschaft keine Pflicht für Unternehmen geben, ihre Kapazitäten suboptimal auszulasten, also z.B. regionalen oder sonstigen Proporz zu beachten.

Allerdings kann ich mit der Umsatzrendite wenig anfangen - für reale oder potenzielle Investoren ist wohl eher die Eigenkapitalrendite interessant. Und da frage ich mich nach wie vor: Wenn die HAW gemessen an diesem Kriterium ein profitabler Betrieb sein konnten, ganz egal, ob NH irgendwo anders noch profitabler ist oder nicht, warum steigt dann an dessen Stelle nicht ein anderes Unternehmen ein?

Die Zerstörung der Anlagen verhindert doch nun wirklich keine Konkurrenz - wenn das Geschäftsmodell funktioniert, stecke ich das Geld auch gerne in neue Anlagen (das ist ja keine Geheimwissenschaft), die vielleicht sogar effizienter arbeiten, und ich umgehe die Pflicht, an einen Veräußerer Teile des zukünftig erwarteten Cash-Out-Barwerts zu zahlen.

Also nochmal mein Verdacht: Die angebliche Profitabilität der HAW scheint mir auf wackligen Beinen zu stehen.

 
At 10 November, 2005 23:10, Blogger John Dean said...

Die Sozialbindung des Eigentums (eine übrigens ordoliberale Position) verbietet es, produktive Eigentum einfach zu zerstören, nur weil der Eigentümer eine wie auch gerartetets Gewinninteresse verfolgt.

Es spielt für die Diskussion des Gedankenexperimenes überhaupt keine Rolle, dass seine Umsatzrendite-Erwartungen letztlich zur Eigenkapitalrentabilität dienen - oder sonstwas.

Tatsache ist, dass in meinem Gedankenexperiment der mächtige Oligopolist gewinnt, während der Wettbewerb und dessen Intensität ein Verlierer ist - neben anderen Verlierern, die dazu kommen.

Es ist einfach nur ein Beispiel für Schädigungswettbewerb - im wahrsten Sinn des Wortes.

Dass Ordoliberale heutzutage Schädigungswettbewerb rechtfertigen und mit Scheinargumenten (etwa: "ein Wettbewerber könnte ja neue Anlagen erbauen - also null Problemo") die Problematik gänzlich verleugnen, ist m.E. ein Zug der Zeit.

Ich werde - nützlicher Provokation halber - heute ein gar winziges ök. Gedankensprensel veröffentlichen, das auf Frontstellungen zwischen modernen und echten Ordoliberalen zugeschnitten ist.

("echte Ordoliberale" - sehr provokant formuliert, sorry for thät)

 
At 11 November, 2005 17:15, Anonymous Anonym said...

"Echte Ordoliberale" - sehr provokant formuliert, sorry for thät

Keine Sorge, da ich weiß, von wem das kommt, kann ich das einordnen. Dass du deine Vorstellungen in eine Verbindung zu Ordoliberalen bringst, halte ich für eine Verballhornung des Begriffs. Der Tenor deiner Beiträge und die Art, Argumente politisch zu bewerten statt inhaltlich zu diskutieren, erinnert mich viel mehr an die "AG Alternative Wirtschaftpolitik". Hickel, der Ordoliberale...

Die "Sozialbindung des Eigentums" ist übrigens keine Auffangnorm für Enteignungsgelüste, sondern wird durch Gesetze (Steuern, Auflagen) konkretisiert. Man muss vielleicht ab und zu daran erinnern, dass der Artikel 14 nicht erst mit dem zweiten Absatz anfängt.

Gut, dass wir mal drüber gesprochen haben... Ansonsten wünsche ich weiter viel Spaß beim Bloggen unter Gleichgesinnten.

 
At 16 November, 2005 16:54, Blogger John Dean said...

Warum so verstimmt, Rayson?

 

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