Aus Dokumentationsgründen und weil mir einige Gedanken hier wichtig sind, veröffentliche ich hier einen Kommentar zum Thema Identitätspolitiken:
Also, so richtig viel Gedanken habe ich
mir da noch nicht gemacht. Ich finde aber, dass das Faß
“Identitätspolitik” riesengroß ist, und in diesem Faß schwimmen die
unterschiedlichsten Dinge. Sicher ist es eine gute Idee, dabei danach zu
fragen, inwieweit konkrete Identitätspolitiken (bzw. Zuschreibungen und
Konzeptionen von Gruppenidentitäten) a) aus Machtverhältnissen
resultieren und b) Machtverhältnisse und c) Ausschlüsse
erzeugen/unterstützen. Klingt erst mal gut – und finde ich auch erst mal
gut, zumal ich mich selbst als ausgesprochen machtkritisch verorte.
Es gibt nur drei Haken an der Sache – jedenfalls für mich:
1. Das Faß ist so riesengroß, dass ich es nicht überschaue. Identität
ist ohnehin (sei es nun auf der individuellen Ebene oder auf der
Gruppenebene, oder interdependent) ein schwieriges Ding, dass einerseits
auch als Inanspruchnahme von Autonomie (z.B. Selbstkonzeption),
andererseits auch als Ab- und Ausgrenzung gelesen werden kann. So Pi mal
Daumen würde ich sagen (etwas im Nebel stochernd, sorry – ich weiß es
nicht besser), dass es bei Identitätskonzepten sehr darauf ankommt,
inwieweit diese a) ab/ausgrenzend oder anderen gegenüber abwertend
wirken b) als Machtmechanismus wirken und c) dialogisch sind oder Dialog
zu Personen außerhalb der Identitätsgruppe behindern. Ich nehme hier
einfach mal die Identitätskategorie “Familie”, um mit diesem einzelnen
Wort zu verdeutlichen, wie sehr es auf das Wie ankommt.
2. Machtstrukturen und -gefälle verlaufen nicht trennscharf anhand
der Umrandungen von Schlagworten. So kann ein politisch hochaktiver
Schwuler innerhalb seines Kontextes, aber auch darüber hinaus,
gleichzeitig (!) marginalisiert sein, als auch (!) privilegiert bzw.
Inhaber formaler oder informeller Macht. Was ich damit sagen will: Die
Dinge sind nicht so einfach, und Schlagworte (z.B. zur Kennzeichnung
marginalisierter Identitätskategorien) können als Denkhilfe
funktionieren, zugleich aber auch relevante Fragestellungen verdecken.
Zum Beispiel: Wenn ein “gemischt Marginalisierter/Privilegierter” auf
einen anderen “gemischt Marginalisierten/Privilegierten” trifft (imho:
der Normalfall!), zum Beispiel ein wohlhabender schwuler Filmemacher aus
großbürgerlichen Haus auf einen psychisch kranken weißen Cis-Mann und
Flaschensammler aus prekärer Arbeiterklassenherkunft: Wer von beiden
repräsentiert im Umgang mitenander dann eine marginalisierte Gruppe, wer
von beiden stiehlt dem anderen mit seinen “Performances” den Raum, wer
von beiden ist tendenziell der “Machtausübende”, wer von beiden hat
Anspruch darauf, gehört zu werden, und wessen Identitätspolitik sollte
bevorzugt kritisch hinterfragt werden?
Ich persönlich tendiere sehr stark dazu, erstens, das Wie sehr
wichtig zu finden, und zweitens, Menschen in erster Linie als Individuen
zu betrachten – und höchstens zu , ich sage mal: 15 Prozent als
Ausdruck/Repräsentant identitärer Konzepte. Das heißt für mich im
Umkehrschluss, dass wechselseitige Rücksichtnahme und Achtung wesentlich
sind, und eben weniger die (taktisch missbrauchbare) Verortung von
Identitäten. Auch glaube ich, dass Machtverhältnisse (z.B. konkrete
Marginalsiierungen oder Privilegierungen) nicht allein auf Basis
identitäter Konzepte adäquat dargestellt werden können.
.
3. Mein Ideal von Empowerment ist im Wesentlichen individuell. In meinem
Blümchen-Weltfriedensideal gehen die Menschen wechselseitig (!)
empowernd um (ich finde das sogar sehr wichtig) und beurteilen sich
nicht so sehr anhand der Frage, ob/inwieweit jemand_in PoC, Hetero,
weiß, arm, alt, Bildungsbürger, Erbe einer Eigentumswohnung, klein,
modisch, belesen, urlaubsgebräunt, stylisch oder “gut frisiert” ist.
Ich werde also, zumal im täglichen Umgang mit den unterschiedlichsten
Menschen, den Gedanken nicht los, dass Gruppenidentitäten bzw. deren
Bedeutung allzu leicht überschätzt werden können, sei es nun aus einer
eher konservativ-reaktionären Grundhaltung heraus oder aus einer
vermeintlichen oder tatsächlichen Progressivität heraus.
Schlusswort:
Ich hoffe, du fühltst dich durch mein Posting nicht irgendwie
belästigt oder gar geschulmeistert. Ich habe einfach nur die Gedanken
aufgeschrieben und zu ordnen versucht, dir mir bei diesem Thema durch
den Kopf geistern bzw. als diskussionswürdig gehalten werden.
(ich verfolge dein Blog übrigens schon – sporadisch jedenfalls – seit vielen Jahren)
Also, so richtig viel Gedanken habe ich mir da noch nicht gemacht. Ich finde aber, dass das Faß “Identitätspolitik” riesengroß ist, und in diesem Faß schwimmen die unterschiedlichsten Dinge. Sicher ist es eine gute Idee, dabei danach zu fragen, inwieweit konkrete Identitätspolitiken (bzw. Zuschreibungen und Konzeptionen von Gruppenidentitäten) a) aus Machtverhältnissen resultieren und b) Machtverhältnisse und c) Ausschlüsse erzeugen/unterstützen. Klingt erst mal gut – und finde ich auch erst mal gut, zumal ich mich selbst als ausgesprochen machtkritisch verorte.
Es gibt nur drei Haken an der Sache – jedenfalls für mich:
1. Das Faß ist so riesengroß, dass ich es nicht überschaue. Identität ist ohnehin (sei es nun auf der individuellen Ebene oder auf der Gruppenebene, oder interdependent) ein schwieriges Ding, dass einerseits auch als Inanspruchnahme von Autonomie (z.B. Selbstkonzeption), andererseits auch als Ab- und Ausgrenzung gelesen werden kann. So Pi mal Daumen würde ich sagen (etwas im Nebel stochernd, sorry – ich weiß es nicht besser), dass es bei Identitätskonzepten sehr darauf ankommt, inwieweit diese a) ab/ausgrenzend oder anderen gegenüber abwertend wirken b) als Machtmechanismus wirken und c) dialogisch sind oder Dialog zu Personen außerhalb der Identitätsgruppe behindern. Ich nehme hier einfach mal die Identitätskategorie “Familie”, um mit diesem einzelnen Wort zu verdeutlichen, wie sehr es auf das Wie ankommt.
2. Machtstrukturen und -gefälle verlaufen nicht trennscharf anhand der Umrandungen von Schlagworten. So kann ein politisch hochaktiver Schwuler innerhalb seines Kontextes, aber auch darüber hinaus, gleichzeitig (!) marginalisiert sein, als auch (!) privilegiert bzw. Inhaber formaler oder informeller Macht. Was ich damit sagen will: Die Dinge sind nicht so einfach, und Schlagworte (z.B. zur Kennzeichnung marginalisierter Identitätskategorien) können als Denkhilfe funktionieren, zugleich aber auch relevante Fragestellungen verdecken.
Zum Beispiel: Wenn ein “gemischt Marginalisierter/Privilegierter” auf einen anderen “gemischt Marginalisierten/Privilegierten” trifft (imho: der Normalfall!), zum Beispiel ein wohlhabender schwuler Filmemacher aus großbürgerlichen Haus auf einen psychisch kranken weißen Cis-Mann und Flaschensammler aus prekärer Arbeiterklassenherkunft: Wer von beiden repräsentiert im Umgang mitenander dann eine marginalisierte Gruppe, wer von beiden stiehlt dem anderen mit seinen “Performances” den Raum, wer von beiden ist tendenziell der “Machtausübende”, wer von beiden hat Anspruch darauf, gehört zu werden, und wessen Identitätspolitik sollte bevorzugt kritisch hinterfragt werden?
Ich persönlich tendiere sehr stark dazu, erstens, das Wie sehr wichtig zu finden, und zweitens, Menschen in erster Linie als Individuen zu betrachten – und höchstens zu , ich sage mal: 15 Prozent als Ausdruck/Repräsentant identitärer Konzepte. Das heißt für mich im Umkehrschluss, dass wechselseitige Rücksichtnahme und Achtung wesentlich sind, und eben weniger die (taktisch missbrauchbare) Verortung von Identitäten. Auch glaube ich, dass Machtverhältnisse (z.B. konkrete Marginalsiierungen oder Privilegierungen) nicht allein auf Basis identitäter Konzepte adäquat dargestellt werden können.
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3. Mein Ideal von Empowerment ist im Wesentlichen individuell. In meinem Blümchen-Weltfriedensideal gehen die Menschen wechselseitig (!) empowernd um (ich finde das sogar sehr wichtig) und beurteilen sich nicht so sehr anhand der Frage, ob/inwieweit jemand_in PoC, Hetero, weiß, arm, alt, Bildungsbürger, Erbe einer Eigentumswohnung, klein, modisch, belesen, urlaubsgebräunt, stylisch oder “gut frisiert” ist.
Ich werde also, zumal im täglichen Umgang mit den unterschiedlichsten Menschen, den Gedanken nicht los, dass Gruppenidentitäten bzw. deren Bedeutung allzu leicht überschätzt werden können, sei es nun aus einer eher konservativ-reaktionären Grundhaltung heraus oder aus einer vermeintlichen oder tatsächlichen Progressivität heraus.
Schlusswort:
Ich hoffe, du fühltst dich durch mein Posting nicht irgendwie belästigt oder gar geschulmeistert. Ich habe einfach nur die Gedanken aufgeschrieben und zu ordnen versucht, dir mir bei diesem Thema durch den Kopf geistern bzw. als diskussionswürdig gehalten werden.
(ich verfolge dein Blog übrigens schon – sporadisch jedenfalls – seit vielen Jahren)