Grundsätzlich finde ich, dass der Staat
offene private Universitäten unterstützen sollte, mit dem Argument, dass durch die Tätigkeit privater Universitäten staatliche Universitäten entlastet werden.
50-Prozent-RegelDie Förderung sollte allerdings, meiner Meinung nach, nur rund 50 Prozent des Betrages betragen, der auf eine staatliche Universität pro Studierenden entfallen würde. Mehr hielte ich für unangemessen, denn immerhin handelt es sich hierbei um
private Universitäten und somit, das sollte man nicht vergessen, um eine
vornehmlich private Veranstaltung.
Diskussion rund um die Höhe des LandeszuschussesÜberdies bestehen bei derartigen privaten Universitätskonzepten, im Fall einer stärkeren staatlichen Förderung, erhebliche und teils sogar verfassungsrechtliche Bedenken - zum Beispiel in Bezug auf die durch Bildung zu verwirklichende
Chancengleichheit, welche durch private Universitäten mit teuren Studiengebühren grundsätzlich erodiert wird. Dieser Effekt wird dadurch gesteigert, dass es in Deutschland kein funktionierendes und angemessenes Stipendiensystem gibt, welches ausreichend geeignet wäre, sozial schwachen Schichten den Zugang zu teurer Bildung zu ermöglichen.
Die weitgehend fehlende bzw. irrelevant geringfügige Stipendienförderung für sozial schwache Bevölkerungsschichten ist im Übrigen ein beschämender und fortgesetzter Skandal unserer Republik.
Wenn der Staat der privaten Uni Witten/Herdecke pro Jahr 4,5 Mio Euro Zuschuss gibt (das ist der z.Zt. strittige Betrag -
Quelle), so scheint mir das vor dem Hintergrund von
nur rund 1030 Studierenden (Wert für SS 2008 - im SS 2007: 1089 Studierende) etwas zu viel zu sein, oberflächlich betrachtet. Denn die durchschnittliche Landesförderung pro Studierenden beträgt dann hier immerhin rund
4.400 Euro pro Jahr und Studierenden.
Zum Vergleich: An einer regulären staatlichen Universtität erfolgt zum Beispiel die Ausbildung von Wirtschaftswissenschaftlern zu einem Preis von rund 1.600 Euro pro Jahr und Studierenden - und die Studiengebühren liegen hier dennoch deutlich geringer. Die staatlichen Universitäten sind also, zumindest im Bereich der Tafelwissenschaften, im Vergleich um ein Mehrfaches
finanziell effizienter.
(Anmerkung 1)
Nun werden in Witten/Herdecke nicht nur Betriebswirte ausgebildet. Medizinische Fakultäten sind deutlich teurer als Sozialwissenschaften (wie z. B. die Wirtschaftswissenschaft) und liegen bei rund 12.000,- Euro pro Jahr und Studierenden.
Studierendenstruktur in Witten/Herdecke(anhand der letzten verfügbaren Zahlen aus dem SS 2008)
Wirtschaftswissenschaft: 354 (34 %)
Medizin: 311 (30 %)
Zahnmedizin: 152 (15 %)
Pflegewissenschaft: 107 (11 %)
Fakultät für Studium fundamentale: 74 (7 %)
Sonstiges (Biowissenschaften, Musiktherapie): 32 (3 %)
Summe: 1030 (100 %)
Professorenstruktur in Witten/Herdecke(anhand des letzten verfügbaren Tätigkeitsberichtes 06/07)
Medizin und Pflegewissenschaft: 126 (69 %)
Zahnmedizin: 20 (11 %)
Wirtschaftswissenschaft: 20 (11 %)
Sonstiges (Biowissenschaften, Musiktherapie): 13 (7 %)
Fakultät für Studium fundamentale: 4 (2 %)
Summe: 182 (100 %)
BewertungMan sieht auch hier: Tafelwissenschaften sind deutlich günstiger bzw. unaufwändiger, sogar an einer privaten Universtität mit dezidiert elitären Anspruch.
Setzt man für die einzelnen Fakultäten - ziemlich grob - die Werte an, welche bei einer durchschnittlichen staatlichen Universität anfallen, kann man auf dieser Basis in etwa den Betrag schätzen (anhand der oben formulierten 50-Prozent-Regel), mit dem das Land die private Universität Witten/Herdecke fördern sollte. Ich unternehme hier mal einen kurzen Versuch, welcher den verantwortbaren Förderungbetrag grob schätzen soll:
A) Tafelwissenschaften (50 Prozent von 1.600,- Euro / Studierenden / Jahr)
Wirtschaftswissenschaft: 354 Studierende, Pflegewissenschaft: 107 Studierende, Fakultät für Studium fundamentale: 74 Studierene, insgesamt 535 Studierende
=> empf. Landeszuschuss:
428.000,- EuroB) Aufwändigere Wissenschaften (50 Prozent von 4.500,- Euro / Studierenden / Jahr)
Biowissenschaften und Musiktherapie: 32 Studierende
=> empf. Landeszuschuss:
72.000,- EuroC) Medizinerausbildung (50 Prozent von 12.000,- Euro / Studierenden / Jahr)
Medizin: 311 Studierende, Zahnmedizin: 152 Studierende, insgesamt 463 Studierende
=> empf. Landeszuschuss:
2.778.000,- EuroSumme der empfehlenswerten Landesförderung für Witten/Herdecke:
3,28 Millionen Euro pro JahrWeil in den Tafelwissenschaften jedoch objektiv - im Vergleich zum oft lausigen staatlichen Angebot - besonders gute Ausbildungsleistungen erbracht werden, und weil die Medizinerausbildung
immerhin überdurchschnittlich gut ist, halte ich als Linksliberaler auch eine höhere Landesförderung für angemessen, zum Beispiel in Höhe von 5 Millionen Euro pro Jahr.
Dies allerdings unter der Voraussetzung, dass die Studiengebühren
nicht weiter erhöht werden sowie unter der ergänzenden Voraussetzung, dass der grundsätzlich
offene Charakter der Privatuniversität UWH erhalten bleibt. Sollten die Studierendenzahlen in Zukunft um 60 % gesteigert werden, so hielte ich auch einen Landeszuschuss in Höhe von 7-8 Mio Euro pro Jahr für befürwortenswert.
Wenn man sich überlegt, wieviele Milliarden der Staat für angebliche "Exzellenz" in der Forschung herausschleudert, oft genug ziemlich sinnlos und prestigeorientiert, in sogenannten "Exzellenzinitiativen", dann verwundert es doch recht stark, warum das FDP-Bildungsministerium in Nordrhein-Westfalen ausgerechnet der privat organisierten UWH Knüppel in die Beine wirft.
Zufällige Fundstücke- Auf der Webseite der Privatuni findet sich unter "Studentenbanking Witten", ausgerechnet als Angebot für finanziell klamme Studenten, ein beschissenes privatwirtschaftliches Kreditangebot, wo die Uni Witten - vermutlich im Rahmen eines Linkverkaufs u.ä. - also letztlich eine asoziale Werbung schaltet. Dies erfolgt in Gestalt eines PDF-Dokumentes der Deutschen Bank, das neben wenig reichhaltigem Marketing-Blabla jedoch nicht einmal die essentielle Information über den Zinssatz des Kreditangebotes gibt. Ziemlich armselig ist das, weil hier seitens der Deutschen Bank nichts weiter getan wird, als ein KfW-Angebot zur Studienfinanzierung weiterzureichen. Kurzum: Hier werden Studierene und Studieninteressierte von der Uni Witten/Herdecke nicht informiert, sondern verarscht - im Namen des privaten Profits.
Wer seine Studierenden so einseitig und gewinnorientiert informiert, und diesen nur dümmliches Marketingmaterial der Deutschen Bank zur Verfügung stellt, der wird damit den Anforderungen der Gemeinnützigkeit (das ist u.a. notwendig für die Erteilung eines Landeszuschusses) schwerlich gerecht.
- Die Studiengebühren liegen zwischen 4.800,- Euro (für Pflegewissenschaften u.ä.) und 9.000,- Euro (für Zahnmedizin) pro Jahr. Sie folgen in ihrer Höhe nicht den jeweiligen Kosten eines Studienganges, sondern anderen Erwägungen. Diese Gebühren sollen überdies künftig um stolze 60 Prozent erhöht werden. Damit dürfte endgültig feststehen, dass die Privatuni Witten/Herdecke für Normalbürger unzugänglich ist. Insofern verbietet sich eine Förderung dieser Veranstaltung durch das Land eigentlich - und sollte m.E. nur noch zwei Jahre aufrecht erhalten werden, damit die Ausbildungen der bisherigen Studiernden abgeschlossen werden können.
- Es ist ziemlich peinlich, dass im Jahr 2009 immer noch kein Tätigkeitsbericht für die Periode 2007/2008 vorliegt. Der aktuellste, verfügbare Tätigkeitsbericht gilt für die Periode 2006/2007. Das macht es ein Stück weit veständlicher, wenn die zuständige Wissenschaftsbehörde Zweifel an der Geschäftsführung dieser Privatuni hat.
- Eine aktueller Sendebeitrag im Deutschlandfunk (Transscript) ist lesenswert - und weist auf eine äußerst dubiose Rolle des FDP-Bildungsministers Pinkwart hin, welcher nicht nur einer proftorientierten Unternehmung - entgegen jeglichen Verpflichtungen zur Gemeinnützigkeit - den Zugang zur UWH ebnen möchte, sondern auch noch die Vervierfachung (!) der Studiengebühren fordert (s.o.):
Pinkwart [fordert] (...): So sollen nach seiner Vorstellung etwa die Studierenden statt bisher sieben Prozent in Zukunft ein Viertel des Wittener Haushalts durch Studiengebühren selber aufbringen.
Man kann das nicht oft genug sagen:
Die FDP ist eine Partei von Klientelisten, blind-depperten bis extremistischen Wirtschafts"liberalen" und ideologisch agierenden neoliberalen Drecksäuen.
AnmerkungenAnmerkung 1
Übrigens stimmen Studiengebühren an staatlichen Universitäten in jährlicher Höhe von 1000,- Euro nicht mit der Abgaben- und Gebührenordnung überein, jedenfalls in den Fällen, wo der jeweilige Student ein relativ "preiswertes" Fach wie z. B. BWL studiert.
Geht man nämlich davon aus, dass die jährlichen Kosten in Höhe von 1600, - Euro/Student (im Fall BWL) zumindest hälftig für den Bereich "Forschung" aufgewendet werden, so überschreiten die Studiengebühren an staatlichen Universitäten hier den Aufwand, der durch die Ausbildung der Studierenden entsteht. Mit andern Worten: Die Gebühren fallen zu hoch aus..
Merkwürdiger Weise hat diess bislang noch kaum jemand gemerkt, was vermutlich auch damit zu tun hat, dass sogar die klügeren unter den Hochschulpolitikern keinen Überblick über die Kostensituation der einzelnen Studiengänge haben. Und auch die Medien (bzw. die verdummten und verdummenden "führenden Nachrichtenmagazine") unserer Republik zeigen sich hier bislang überfordert. Hässlich wird es für die reaktionären konservativen Landesregierungen allerdings werden, welche die gegenwärtigen Studiengebühren für eine tolle Idee halten, zum Beispiel an dem Tag, wo ein pfiffiger BWL-Student aus Köln oder München wegen des Verstoßes gegen die Abgabenordnung klagt.Hinweis: Der Artikel wird in Lauf der nächsten Tage weiter ausgebaut.
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