Bewertung der Hessenwahl
- Als Partei, die Wahlergebnisse zwischen 20 und 30 Prozent einfährt, ist das Ende der bisherigen Sozialdemokratie gekommen. Es droht für die SPD ein Szenario, wo sie den größten Teil ihrer Gestaltungskraft verliert.
- Wenn der "bürgerlich" gestimmte Wähler nicht CDU wählen mag (zum Beispiel, weil Herr Koch untragbar ist), dann wählt er FDP. Insofern sind die 16,x Prozent für die Hessen-FDP nicht überraschend.
- Der Seeheimer Kreis der SPD darf sich die Wahlschlappe in Hessen zuschreiben.
(Es waren seine sich widerwärtigst verhaltenden Maulwürfe* - vom verlogenen Fäuleton oft "mutig" und "verantwortungsvoll" genannt, welche zunächst einen maximalen Parteischaden angerichtet haben und damit dann für diese Wahlschlappe verantwortlich sind.) - Der Einfluss der Rechtspresse (u. a. die unsachliche Kampagne gegen Frau Ypsilanti) ist in den letzten Jahren eher noch angewachsen.
- Der Seeheimer Kreis gefährdet auch im Bund den gedeihlichen Bestand der Sozialdemokratie. Das gilt auch für den wachsweich-profillosen "Kanzlerkandidaten" Steinmeier. Das Motto: "Nach außen nichtssagend, nach innen neoliberal" liefert der SPD keine guten Perspektiven.
* Everts, Tesch und Walter haben als last-minute-Abweichler nicht nur den Maximalschaden angestrebt, sondern auch erreicht. Sie haben die ganze Partei genarrt. Die taktischen Fehler von Frau Ypsilanti waren im Vergleich dazu letztlich unbedeutend. Es ist nun einmal nicht möglich, eine gute SPD-Regierung zu stellen, trotz Mehrheit, wenn Abgeordneten der eigenen Partei standhaft dagegen votieren.
Labels: Innenpolitik
10 Comments:
zu Punkt 3: Du verwechselst Ursache und Wirkung. Natürlich war das Auftreten der drei Abweichler unprofessionell und wohl auch parteischädigend. Aber es war dumm von Ypsilanti, Walter & Co. vorher nicht effektiv - personell und inhaltlich - einzubinden. Dem Scheitern Ypsilantis ging ihre Entscheidung voraus, Scheer - und nicht den Favoriten Walter - zum Wirtschaftsminister zu machen.
Jeder Fraktions- oder Parteivorsitzende ist abhängig von seiner Fraktion bzw. Partei und muss sich entsprechend verhalten. Das hat Ypsilanti nicht wahrhaben wollen.
Präzise Analyse. Komisch, dass es in den großen Medien genau andersrum gedeutet wird, aber dafür gibts ja Blogs.
Zum letzten Punkt: Es deutet sich doch schon an, dass Steinmeier/brück sich darauf verlegen werden, wie immer in Wahlkampfzeiten aufs Heftigste links zu blinken, um dann wieder rechts abzubiegen. So wie Agenda-Schröder es auch tat. 2, 3 Prozent werden sie mit ihren gefühligen Heuschrecken-Sprüchen schon rausschinden, der Rest wird sich evtl. erinnern, dass Schröder die Heuschrecken erst hereinholte.
Bei allem Unbill 2009, bei allem Ekel vor der FDP - der Untergang des Seeheimer Kreises (oder der gesamten SPD, so sie sich weiterhin an diesen kettet) entschädigt doch für einiges. Die Blogs müssen halt dran bleiben, und immer wieder daran erinnern.
@ SG
Ich nehme an, du kennst die Abläufe bis zur verlogenen Last-Minute-"Gewissens"-Entscheidung der drei Arschlöcher nicht so im Detail.
Ich meine, wenn du sie kennen würdest, dann würdest du anders urteilen. Denn - nur ein Beispiel - jeder der drei Abweichler hatte mehrere Gelegenheiten, seinen Widerwillen (z. B. in der hessischen SPD-Fraktion) anonym zum Ausdruck zu bringen.
Stattdessen stimmten sie in den Probeabstimmungen hemmungslos pro Frau Ypsilanti - um dann im Moment des maximalen Schadens und in letzer Minute eine lang vorgeplante Pressekonferenz zu veranstalten, worin sie dann sagten, sie hätten ihre lang gehegten Bedenken nun gerade zum allerersten Mal empfunden...
Geht man ins Detail ist es noch heftiger. Diese drei politischen Dreckschweine haben in keiner Partei etwas zu suchen.
Das mag grob klingen, sogar sehr grob - pardon - aber hier passt es. Leider allzu genau.
@ anonym
Auch in den klassischen Medien finden sich ein paar gute Texte und Analysen.
(man muss allerdings etwas suchen...)
Mir gefällt z.B. die Analyse von Stephan Hebel und hier besonders dieser Satz:
----------- schnipp -----------
Die SPD hat an die FDP 29.000 Stimmen verloren, an die CDU 35.000, an die Grünen 120.000, an die Linke nur wenige - und an die Nichtwähler 203.000, also mehr als an alle anderen Parteien zusammen. Es scheint, als habe selbst bei einer desaströsen SPD-Niederlage nur eine Minderheit der von der SPD Enttäuschten einen Hang zum Wechsel ins "bürgerliche" Lager. Umgekehrt: Diesseits von Union und FDP ist eine Menge Platz und noch viel Potenzial zum Mobilisieren.
----------- schnapp -----------
Tja, die SPD ist leider tot. Der Seeheimer Kreis und seine Freunde haben klar gemacht, dass sie alles tun werden, um einen Erfolg des linken Flügels zu verhindern.
Okay, die Folge ist klar: In Deutschland wird es zukünftig eine gehörig kastrierte Rechts-SPD mit ca. 25% geben (als ewiger Juniorpartner der CDU oder direkt als Oppositionspartei), sowie die FDP und Union mit 40 bis 50 Prozent. Der Rest ist Links/Grün.
Diese SPD hat sich gegen das Vorzeige-Modell einer skandinavischen Sozialdemokratie entschieden, eine eigene Mehrheit kann sie nun nicht mehr aufbauen. Die FDP wäre schön blöde, wenn sie sich auf Koalitionen mit der SPD einließe, wo sie zusammen mit einer CDU ihre komplette Klientelpolitik durchbekommen kann.
Deutschlands Zukunft wird somit mindestens 20 Jahre von bürgerlichen Parteien bestimmt werden, denen das eigene Klientel so wichtig ist, dass das Land endgültig abstürzen, und in südamerikanische Verhältnisse rauschen wird.
Gruß,
Ben
die drei kommen ja nicht aus dem nichts und pinkeln ypsilanti an die karre. da muss die gute auch mal vor der eigenen türe kehren.
@ meistermochi
Oh, doch. Diese drei kamen exakt aus "dem nichts". Diese drei Drecksäcke (politische Drecksäcke, wohlgemerkt - über deren sonstige Eignung als Mensch habe ich keine schlechte Meinung) haben mit Absicht, aus politischen Zerstörungskalkül, tatsächlich bis zur letzten Sekunde gewartet, um dann "plötzlich" ihr "Gewissen" zu entdecken.
Das ist in meinen Augen eine politische Schadensstrategie - zumal diese drei Drecksäcke zuvor mehrmals die Möglichkeit hatten, ihre lang gehegten (und keineswegs über Nacht entstandenen) Bedenken in Gestalt
a) einer Enthaltung
b) einer Ablehnung von Ypsilanti
Ich nehma an, Meisermochi, dir gefällt dieser Zusammenhang nicht. Daher möchtest du ihn nicht wahr haben.
Eine andere Frage ist es, ob Frau Ypsilanti Fehler gemacht hat - und welche. Ich denke nicht, dass der Kurs zur Tolerierung (inkl. eines stark bindenden Tolerierungsvertrages) durch die "Linke" Partei ein solcher Fehler war.
(ich selber fand das trotzdem falsch - aber nicht, weil es ein eindeutiger Fehler war)
Sie hat - anders als die Rechtspresse es behauptet - durchaus die Fraktion eingebunden und auch den Drecksack Walter. Dieses nasenbohrende Bübchen war aber offenkundig der Auffassung, dass ihm das Wirtschaftsministerium zustehe - und nicht, wie das seiner Stellung und Eignung maximal angemessen gewesen wäre, eine Stellung als Staatssekretär.
So interpretiere ich die Hintergründe, die dazu führten, dass er und zwei politisch befreundete Rechtsabweichler in letzter Sekunde Ypsilanti zu Fall brachten, und ihr mit diesem last-minute-Manöver auch jede Möglichkeit zu einer Kurskorrektur verwehrten. Zusätzlich ging es diesen Drecksäcken - möglicherweise - darum, auf Länderebene einen erfolgreichen Linkskurs der Sozialdemokratie zu verhindern.
Ich glaube nicht, dass diese drei Drecksäcke dabei ganz ohne Unterstützung waren. Beispielsweise ist, meines Wissens, ungeklärt, wer diesen drei Rechtsabweichlern die Pressekonferenz (Hotel usw. usf.) finanziert hat.
Auch gibt es Gerüchte, die ich persönlich für eher sehr unwahrscheinlich halte, dass EON diese drei gekauft hat.
Aber einen "gekauften Eindruck machten diese drei Drecksäcke allemal - und keineswegs den Eindruck von drei Abweichlern, die ihre abweichende Sichtweise erst in den allerletzten Stunden entdeckt hätten.
Dazu gab es auch nicht den geringsten Anlass. Alle Fakten waren vorher bekannt.
Das war ein eindeutiges Manöver.
Niemand mit politischer Erfahrung und Ambition verhält sich so, außer, wenn er das genau so beabsichtigt hat.
Das ist der Punkt.
Ich finde es übrigens äußerst merkwürdig, warum es Leute wie Meistermochi es normal finden, dass dieses drei Abweichler in anonymen Probeabstimmungen nicht das geringste Bedenken deutlich gemacht haben.
Das ist nicht normal.
@John Dean:
Doch, ich kenne die Abläufe in Hessen ganz gut, zumindest soweit, wie sie eben bekannt geworden sind. Natürlich war das Auftreten der drei Abweichler (hochgradig) unprofessionell und parteischädigend. Aber Ypsilanti hatte sich erst relativ kurz vor der Pressekonferenz der Abweichler entschieden, Walter nicht zum Wirtschaftsminister zu machen.
Es fehlte effektiv auf beiden Seiten die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen und einen Kompromiss zu schließen. Welche Seite da sturer war, lässt sich von außen nicht beurteilen.
Die vier Abweichler sind ja auch keinesfalls Agenten der Seeheimer oder von Münte und Steinmeier angestiftet worden. Die SPD besteht (in Hessen wie im Bund) eben derzeit aus zwei inhaltlichen Ausrichtungen. Die Zahl der Ypsilanti-Skeptiker war ursprünglich in der Hessen-SPD recht groß. Bei der Nominierung Ypsilantis zur Spitzenkandidatin hatte sie nur ganz knapp Jürgen Walter besiegt.
"Aber Ypsilanti hatte sich erst relativ kurz vor der Pressekonferenz der Abweichler entschieden, Walter nicht zum Wirtschaftsminister zu machen."
Mir war nicht bekannt, dass Ypsilanti überhaupt jemals vorgehabt haben soll, Walter zum Wirtschaftsminister zu machen.
Bist du dir da völlig sicher? Meines Wissens war die Gleichung Walter=Wirtschaftsminister lediglich ein Wunsch- bzw. Fantasieprodukt der Rechtspresse. Ypsilanti hat niemals derartiges verlauten lassen.
Trotzdem hast du da an einem Punkt m. E. sogar sehr Recht: Die Rechtsabweichler hätten von Frau Ypsilanti besser eingebunden werden müssen (wobei sich Walter beim besten Willen nicht für ein Ministeramt eignet), viel besser sogar.
"u. a. die unsachliche Kampagne gegen Frau Ypsilanti"
Ich weiß ja nicht, welche Rechtspresse du meinst, aber der weit überwiegende Teil der Medien hat die SPD im 2008er-Wahlkampf sehr offen unterstützt, weil sie unbedingt Koch loswerden wollten. Und auch ihre Koalitionsbemühungen nach links außen wurden insgesamt eher milde beurteilt. Verscherzt hat sie es sich eigentlich erst, als sie dann gescheitert ist - was an sich ja gar nicht ihre Schuld war.
@ Thomas
Erläuterung: Wenn ich von "unsachliche Kampagne gegen Frau Ypsilanti" spreche, dann meine ich die letzte Wahl - auf die bezog sich mein Artikel. Und nicht, wie du meinst, die Wahl 2008. Die von dir "milde" genannten Beurteilungen seitens der Rechtspresse könntest du ggf. mit Links belegen, wenn du magst.
Mir ist da keine Milde aufgefallen. Aber vielleicht findest du ja einen gegenüber Ypsilanti milde und positiv Leitartikler.
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