02 Mai 2008

Preisexperimente im Oligopol

Marktwirtschaft paradox: Begünstigt durch Oligopolstrukturen im Lebensmittel-Einzelhandel und bei Zulieferern (u.a. Molkereien), hatten sich die Akteure auf Anbieterseite dazu verabredet, dem niedrigen Preisniveau in Deutschland ein Ende machen zu wollen - und u.a. die Milchprodukte drastisch verteuert, und zwar ein Mehrfaches von dem Ausmaß, das sich aus der Verteuerung der Rohstoffpreise ergab.

Ein erhöhter Milchabgabepreis der Bauern (ca. 5 Cent) endete mit Preisaufschlägen im Einzelhandel von teils 30 Cent in der Spitze. Verarbeitete Produkte wie Joghurt und Käse wurden sogar im Durchschnitt um rund 35 bis 40 Prozent teurer. Schluss mit den Niedrigpreisen! So hieß es in den Handelszentralen, und sehr glücklich teilte man die dabei entstandenen Gewinne zwischen der jeweiligen Gegenseite im Oligopol auf - das heißt, der LEH verbesserte seine Gewinn-Marge drastisch auf absolut rund 10 bis 15 Prozent vom Verkaufspreis (statt sich mit einen schwachen Prozent oder gar Verlusten zufrieden zu geben), während die Gewinne der Molkereien zunächst ebenfalls explodierten.

E
s gab dabei jedoch ein Problem: Trotz generalstabsmäßig durchgeführter PR-Beschallung der Öffentlichkeit mit Halbwahrheiten und Lügen ("die chinesische Nachfrage...") sind Güter des täglichen Bedarfs hoch wettbewerbsintensiv und stehen besonders im Blick der Verbraucher. Die Kunden verhalten sich hier bei Preisveränderungen überaus kritisch, ja, sogar übersensibel. Man hätte nun erwarten können, dass die im Durchschnitt des gesamten LEH-Sortiments um rund 5 Prozent verteuerten Waren letztlich zu höheren Umsätzen im Lebensmitteleinzelhandel führen. Lebensmittel und tägliche Verbrauchsgüter gelten als schwer substituierbar. In Anbetracht der angeblich vorzüglichen Konjunktur hätten der Umsatz im Lebensmitteleinzelhandel also trotz der verstimmten Verbraucher um etwa 3-4 Prozent zulegen müssen.

Es kam anders.

Die Verbraucher sahen sich, auch wegen der teils drastischen Preiserhöhungen, stark bedrängt und die Umsätze im LEH rasselten herunter. Der Handel war nun in Not. Denn ein realer Umsatzverlust in Höhe von über 4 Prozent (trotz der Preiserhöhungen!) bedeutet für den Handel, dass er auf seinen Kosten weitgehend sitzen bleibt (Mieten, Personal, Strom, höhere Bezugspreise) und sich seine Gewinn-Situation deutlich verschlechtert hat. Es war ganz anders als es geplant war.

Er versuchte hier gegenzusteuern, indem er - aufmerksamkeitsheischend - die Milchpreise wieder senkte und seine oligopolistische Marktmacht zu ebendiesen Zweck einsetzte. Die Preise von verarbeiteten Produkten wie Käse u.a. blieben gleichwohl unverändert hoch, ebenso die übrigen Lebensmittelpreise. Das Vertrauen der Verbraucher bleibt gestört.

Binnenkonjunktur? Antwort: mausetot. Auch wenn die beschriebene Kontraktion im Einzelhandel aus statistischen Gründen in den Folgemonaten weniger stark ausfallen wird, ist es mehr als nur eine Delle. Magere Jahre werden kommen.