06 Dezember 2007

Studien zu Arbeitsmarktreformen

Es gibt inzwischen eine Vielzahl ökonometrischer Studien zu den Wirkungen von sogenannten Arbeitsmarktreformen bzw. Deregulierungen im Arbeitsmarkt. Diese Studien zeichnen sich durch die Bank dadurch aus, dass die von a) mehr oder minder liberalen Politikern, b) "Wirtschaftsweisen" und c) Lobbyverbänden der Wirtschaft behaupteten Wirkungszusammenhänge schlicht nicht nachweisbar sind.

Ein Beispiel dafür ist eine Prognos-Studie, die gerade bei Telepolis diskutiert wird, diese kommt zum Schluss (PDF):
"Ein J-Kurven-Effekt ließ sich dabei für Arbeitsmarktreformen sowohl für die Entwicklung des Pro-Kopf-Einkommens als auch für die Entwicklung der Arbeitslosenquote beobachten: eine Deregulierung des Arbeitsmarktes führte kurzfristig, d.h. in den ersten beiden Jahren, zu einer Abschwächung des Wachstums und zu einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit. Mittelfristig, d.h. nach bis zu sechs Jahren, überwiegen jedoch beim Wachstum die positiven Effekte einer Arbeitsmarktderegulierung, während sich bei der Entwicklung der Arbeitslosigkeit zwar kein negativer, aber auch kein positiver eigenständiger Effekt nachweisen ließ. (...) Interessanterweise ist der Beschäftigungseffekt einer Lockerung der Kündigungsschutzregelungen (...) sogar negativ."
So sehr der allgemeine Tenor vieler ökonometrischer Studien zur Deregulierung von Arbeitsmärkten damit getroffen wird, bei der Prognosstudie habe ich erhebliche methodische Zweifel. So wird z.B. der "OECD-Regulierungsindex" verwendet, um das Regulierungsniveau in den einzelnen Ländern zu messen. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Index die notwendige Reliabilität hat, um für ökonometrische Studien sinnvoll eingesetzt zu werden. Meine Zweifel reichen allerdings weiter.

In Dänemark, dessen Beschäftigungspolitik ich recht gut beurteilen kann, sei demnach ab Mitte der 80er Jahre eine rund 10-jährige Deregulierungsphase zu beobachten gewesen. Diese Aussage kann man gut bestreiten. Es gab in dieser Zeit m.E. ein konstantes und recht hohes Regulierungsnivau. Die Veränderungen beim Kündigungsschutz wurden vom OECD-Regulierungsindex maßlos überschätzt. Das Problem am Arbeitsmarkt in Dänemark, und hier wird es spannend, war aber erkennbar nicht die Intensität der Regulierung, sondern die Art und Weise der Regulierungen!

Bis Mitte der 90er Jahre war der Arbeitsmarkt in Dänemark, mit einem Wort: marode. Ab Mitte der 90er Jahre hat sich die Regulierung am Arbeitsmarkt in Dänemark sogar erhöht, erneut nicht sichtbar am OECD-Regulierungsindex, und die Beschäftigungsentwicklung in Dänemark hat sich dramatisch verbessert. Unter anderem, nachdem hier eine umfassende aktive Beschäftigungspolitik verwirklicht wurde.

Was ist hier geschehen? Regulierungen rauf, Beschäftigung rauf?

Nein, weit gefehlt. Man hat hier systematisch beschäftigungshemmende Regulierungen ersetzt, teils auch aufgegeben und dies dann durch einen Parallellauf a) massiver neuer beschäftigungs- und integrationsfördernder Regulierungen zusammen mit b) einem sehr hohes sozialen Sicherungsniveau sowie intensivierter Bildungsförderung ergänzt. Es wurde, in der OECD ziemlich einmalig (wenn man über die letzten Jahre kluger neuseeländischer Politik hinwegschaut) c) das Fürsorgeniveau für die Arbeitslosen enorm erhöht (ganz anders als es die neoliberalen Irren stets vorschlagen), besonders in Hinblick auf Unterstützung bei der Beschäftigungssuche und ihrer Fähigkeitenverbesserung. Dazu kamen d) Selbstverpflichtungselemente in Bezug auf die Arbeitslosen. Push & pull. Die Dänen - auch die Arbeitslosen dort - sind außerordentlich zufrieden damit.

Das Geheimnis guter Wirtschaftspolitik besteht nicht in erster Linie im Regulierungsniveau bzw. dessen Abbau, sondern vorrangig in der Regulierungsqualität.

1 Comments:

At 07 Dezember, 2007 00:07, Anonymous Anonym said...

Diese monokausalen Behauptungen sind eh für die Tonne. Als "monokausal" betrachte ich hierbei durchaus auch Die Behauptung mehrerer wenn-dann-Beziehungen. Ökonomie würde nur Sinn machen, wenn sie Ökologie wäre und Rückkopplungswirkungen diverser Einzeleffekte berücksichtigte. Was in einer ökonomischen Situation für Beschäftigung sorgt, kann in einer anderen das Gegenteil bewirken. Lediglich wenn einzelne Effekte unter variierenden Bedingungen immer wiederkehren, macht es Sinn, sich mit ihnen zu Befassen. Ein Beispiel dafür ist die sinkende oder stagnierende Inlandsnachfrage hier.
Generell verlege ich mich aber inzwischen auf das Verteilungsproblem. Beschäftigung kann nicht mehr Grundlage für die Verteilung von Ressourcen sein. Spätestens nach der nächsten technischen Revolution werden wir eine Arbeitslosenquote haben, die niemand mehr in den Griff bekommen wird.

 

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