14 April 2007

Dissonante Wahrnehmungen - Werbung in Blogs

Nadine schreibt in ihrem bemerkenswerten Bericht vom Bloggertreffen re:publica:
"Herr Häusler beschwert sich, wo die kritischen Stimmen gegen das Geldverdienen mit Blogs wären."
Frank schreibt in "re:publica, again":
"keine podiums-diskussion, die zum weiteren diskurs im café veranlaßt; keine kontroversen statements; (...) keinerlei subversion. (...) statt dessen eierschaukelei, konsens und langeweile, weil sich alle lieb haben oder doch zumindest im gleichen boot sitzen."
Sascha Lobo hat das anders wahrgenommen - er hörte kritische Stimmen und berichtet im adicalblog von einer regen und sogar "um Längen effektiveren" Diskussion:
"Wir haben den Eindruck, dass die teilweise ebenfalls sehr kontroversen Gespräche über adical, die wir auf der re:publica führen, um Längen effektiver und hoffentlich klärender sind als das Herumgeschubse (...) in Kommentaren und Blog-Postings."
Auch, wenn mir einige, im übrigen von mir sehr geschätzte, Leser an dieser Stelle erneut "Hass" oder gar "Blutrausch" unterstellen,- ich halte Nadine und Frank für glaubwürdiger. [Update: in den Kommentaren bringt Stefan einen wichtigen Einwand]. Abgesehen davon, dass sich das Statement des Blogverwerters Lobo fast wie "Blogs sind doof" liest: Die "kontroversen Gespräche", die er für weitaus "effektiver" als offene Gespräche in Blogs hält, nun, die fanden m.E. nur in geschlossener Gesellschaft statt. Oder aber, schlimmer noch, sie wurden werbertypisch herbeifantasiert.

(Kunstpause)

Wo wir meiner Meinung nach gleich auch bei einem Grundproblem von Werbung sind, nämlich beim: interessengeleiteten Lügen/Spin. Dazu kommen unfaire Manipulationspraktiken sowie Selbstkorruption. Darf man diese Probleme offen ansprechen, oder ist das bereits unschicklich bzw. "Schmierentheater"? Bei allem Respekt für bloggendes Erwerbsstreben, ich bezweifle einfach, dass insgesamt besser und "professioneller" gebloggt wird, wenn einige Blogger Werbegeld damit verdienen.

Es ist doch so, oft gibt es einen Einfluss kommerzieller Interessen auf Inhalte. Auch bei Blogs; Trigami gab da ein übles Beispiel. Oft aber ist dieser Einfluss nur indirekter Art, nicht weniger bedeutsam, nämlich die Schere im Kopf.

Beispielsweise, wenn auf der Jagd nach guten TKPs die Firma Cisco nicht mehr für kritisierenswert gehalten wird. Aha - alles klar auf der Andrea Doria? Oder, wenn es darum geht, Werbepraktiken zu kritisieren. Die "Schere im Kopf" als Beispiel für eine Selbstkorruption muss nicht kommen, aber es erscheint mir wahrscheinlich, dass derartige Probleme dennoch realer Natur sind. Und warum gilt nervig blinkende Flashwerbung nun bei einigen Bloggern als völlig in Ordnung oder Maß aller Dinge? Es gibt übrigens auch teils erhebliche rechtliche Probleme für die beteiligten Blogger.

Ich halte das nicht für "Fundamentalismus", Fragen zu stellen und Probleme anzusprechen, Jörg-Olaf Schäfers (übrigens, die von Dir kritisierten "Wortfetzen" entstellten nichts). Ich sehe in der Verbindung von Werbung mit einer kritischen Bürgeröffentlichkeit ein grundsätzliches Problem, auf das man Antworten finden sollte. Wenn man einen bestimmten Anspruch vertritt.

Ich behaupte nicht, dass dieses grundsätzliche Problem unlösbar ist - aber Werbung in Blogs kann eben doch, mitunter unverhofft schnell, zum Problem werden. Wer das bestreitet, ist in meinen Augen naiv oder blind.

Kleine gedankliche Rückblende: Warum gelten denn für viele Menschen Blogs als glaubwürdiger als die klassischen Medien - womit hat das wohl zu tun? Warum ist der Beruf des Journalisten ins Gerede gekommen?

Es scheint also Probleme zu geben. Andererseits wäre es auch naiv zu glauben, dass Werbung in Blogs reinweg nur zu Problemen führt bzw. dazu, dass sich das Potential der bloggenden Bürgeröffentlichkeit herabsetzt. Das muss m.E. nicht so sein.

Denkbar ist auch, um konkrete Beispiele zu benennen, dass sich jemand wie wirres* überhaupt nicht von den Werbekröten beeindrucken lässt, oder, besser noch, dass ein Journalist wie Niggemeier dank seiner Werbeeinnahmen freier und kritischer arbeiten kann. Vielleicht war das damit gemeint, als beim gemeinsamen re:publica-Gruscheln geäußert wurde, dass man mit Blogwerbung "das System mit seinen eigenen Waffen schlagen" würde. Das ist doch naiv, oder?

Naja, abgesehen davon, dass mir diese Sichtweise im Vergleich zum eigentlichen Motiv zu heroisch daherkommt,- ich gebe zu bedenken, ohne mir damit sicher zu sein, dass die Flucht Niggemeiers aus den klassischen Medien genau (!) mit den Mechanismen zu tun haben könnte, die eben auch bei Werbung in Blogs wirksam sein könnten. Wenn das so ist, dann sollte man m.E. Vorkehrungen treffen.

Eine Frage wäre z.B., wie man erreichen kann, dass manipulative Werbepraktiken und bösartige Firmen kein einseitiges, rein positives Forum bekommen, über die Werbung in Blogs, und wie man also erreichen kann, dass Kritik und Meinungsäußerung einen fairen Rückkanal erhalten.

Mein Vorschlag dazu: Statt dem über den Flashbannern platzierten Satz und Link "Werben in Blogs? Get adical!" verlinkt adical zu den Werbekampagnen jeweils einen kommentierbaren Blogeintrag zur Kampagne. Ein Rückkanal fürs vermeintliche Clickvieh. Doch, Johnny und Sascha, das würde funktionieren. Es wäre nicht wenig.

Man muss das nur wollen. Und noch was: Blindheit gegenüber Problemen ist m.E. kein gutes Beispiel für eine kritische Bürgeröffentlichkeit. Johnny, Sascha, Jörg-Olaf und andere: Was ist so verwerflich daran, Probleme anzusprechen?

+++ Update +++
Ich glaube, mein Posting war ein Schuss in den Ofen. Andere können sich besser ausdrücken.

Don sagt was. Tinowa sagt was. Rebell-TV sagt was. 24Stunden sagt was. Heliumkiffer rätselt. Keimform erklärt es mit dem Geldfetisch. Mo fragt was. Roxomatic beschreibt alternative Werbemöglichkeiten. Bardamo preist Adblock Plus. Placesoneearth gibt Ratschläge. Cyberabad einen eher skeptischen Roundup. Provisorium sagt was. Andreaffm sagt was.

M.E. deutlich ambitionierter als adical ist übrigens Swissblogpress, wo man sich mehr als Problogger-Vereinigung sieht. Achja, Markenrechtliches: Was diese Jungs von Lobos Blogverwertungsrampe halten, ist bislang unbekannt.

* werbeentschlackte und lesbarere Variante dank Feedburner - und mein Blog gibt es dort auch

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11 Comments:

At 14 April, 2007 17:44, Blogger Unknown said...

Mannmannmann, inzwischen wirkt Deine Lügen- und Skandal-Suche aber ein bisschen arg angestrengt. Die drei Eingangszitate widersprechen sich doch gar nicht. Nadine spricht von der konkreten Podiumsdiskussion. Frank spricht von den Podiumsdiskussionen allgemein. Und die adical-Jungs sprechen von den direkten Gesprächen, die sie mit Leuten geführt haben, auch klar zu erkennen an der Formulierung: "...sich gegenüber zu stehen und ein Augenzwinkern, ein Achselzucken, ein Lächeln, eine gerunzelte Stirn oder das dritte Bier zu viel zu den gesprochenen Worten zu erkennen..."

Im Klartext: Die Podiumsdisussion war fad, ihr fehlte die Kontroverse. (Dem würde wohl niemand, der dabei war, widersprechen.) Aber hinterher, beim Bier, wurde auch über adical gestritten. Wo ist der Skandal?

Komm doch mal runter.

 
At 14 April, 2007 18:42, Blogger John Dean said...

Stefan, Du hast nicht unrecht, es spricht vieles für Deinen Standpunkt, man kann es so sehen wie Du - aber für mich sah und sieht es so aus, als ob Sascha Lobo einfach nur kein Block auf kontroverse Diskussionen in Blogs in Bezug auf adical hat.

Vielleicht sollte ich es besser herausformulieren. In meinen Augen verdreht Sascha Lobo das Geschehen auf re:publica - und damit mag ich mich irren. Sascha Lobo versuchte, so sehe ich es jedenfalls, mit seinem adical-Beitrag den Eindruck zu erwecken, als ob es auf re:publica einen tollen Diskurs gegeben hätte.

Hat nicht.

Glaube ich nicht - jedenfalls bis jetzt. Sorry. Wenn Sascha Lobo irgendwann mal später vom fabelhaften werbekritischen Diskurs berichtet, dann bin ich gern bereit, meine Aussage zu revidieren.

Für mich stinkt das, was Sascha Lobo im adical-Blog macht, 100 Meter gegen den Wind. Sorry, denn ich misstraue Sascha Lobo aufgrund seiner Art, was vielleicht irrational und von meiner Seite aus unfair ist. Ich misstraue sowieso Leuten sehr schnell, die Guerilla-Marketing prima finden.

Klar: Ich war nicht dabei, und wenn Du von intensiven Streit beim Bier sprichst, dann ist das etwas, von dem ich bislang nichts wusste. Dann muss ich völlig falsch liegen, denn dann gab es ja tatsächlich einen intensiven adical-kritischen bzw. werbekritischen Diskurs.

Damit rechnete ich nicht, denn ich ging bislang davon aus, dass die Insider auf re:publica schwerpunktmäßig untereinander gegruschelt haben , während sich das Fußvolk oft genug nur langweilte.

Hmm, das klingt jetzt negativer, als es eigentlich klingen soll. Ich persönlich, da schließe ich vielleicht zu sehr von mir auf andere, hätte beim Bier eher gegruschelt, als untereinander gestritten.

Stefan, Du hast natürlich Recht: Vier-, Sechs- oder Zwölfaugengespräche stellen etwas anderes dar, sind zumeist netter und weniger missverständich usw. Ja, okay, das sehe ich auch so.

Du warst bei den Gesprächen beim Bier dabei - was waren denn dort die kritischsten Punkte? Worüber wurde gestritten? Wie fiel die Kritik an Werbung in Blogs aus?

Aber mit Gesprächen beim Bier die offene Diskussion in Blogs für erledigt bzw. sinnlos erklären?? So stehts im adical-Blog bzw. bei Sascha Lobo.

Das finde ich nicht Okay. Ich finde überhaupt, dass über adical und seine Konzepte zur Blogvermarktung noch nicht genügend gestritten wurde.

Vielleicht reagiere ich auch etwas zu sehr grantig, weil im adical-Blog massiv ad hominem gegen meine Kritik vorgegangen wird. Ich finde das daneben.

Als Reaktion auf die nun wirklich harmlosen Fragen von mir in Spreeblick - gibt es dann Sprüche wie "Zero Trollerance!", "Geht doch nach Nordkorea!", dazu wird mir ermsthaft "Blutrausch" und "Hass" unterstellt, man macht sich darüber prima lustig, dass ich auf Aussagen Bezug nehme und nennt das: "Kommentarschnitzel". So als ob ich damit die dargestellten Ansichten von Johnny und Sascha völlig verdrehen würde usw. usf.

Was soll das?

Ich mag nicht diese Art, wie mit Kritik umgegangen wird.

Im Vergleich dazu bin ich doch nun wirklich moderat. Aber, und das macht mich natürlich einigen Bloggern unsympathisch, ich pinkele allgemein beliebten Bloggern mit Kritik ans Bein. Ich lege Worte auf die Goldwaage. Das ist unwillkommen, sie hätten wohl lieber Ruhe gehabt - tja, und zu meinem Leidwesen sind das Leute, die ich als Blogger eigentlich mag.

 
At 14 April, 2007 18:45, Blogger Unknown said...

Nein, Du bist nicht moderat. Du hast Dich völlig in etwas verrannt. Ich schließe mich dem Urteil von Jörg-Olaf an, glaube, es lohnt sich nicht mit Dir über dieses Thema zu diskutieren, und lasse das jetzt auch.

 
At 14 April, 2007 19:15, Blogger John Dean said...

Ich denke, diesen Link sollte man zum Thema noch nachreichen. Johnny erklärt dort recht umfangreich, z.B., wie die Entwicklung zu adical lief.

@Stefan

Huch?! Wie auch immer:

I agree to disagree.

Das, was Jörg-Olaf Schäfers über mich verbreitet hat, das halte ich aber trotzdem für unfair und völlig überzogen. Wie Du auf die Idee kommen kannst, dass die Vorwürfe von Jörg-Olaf Schäfers auch nur halbwegs angemessen sind, erschließt sich nicht für mich.

Aber, vielleicht wirst Du mir hier mit etwas Abstand zustimmen: Es gibt Mechanismen der Selbstkorruption. Sogar bei Dir.

(bei mir - also bei Dr. Dean - bin ich mir diesbezüglich sogar völlig sicher. Zum Beispiel ist es möglich, sich in Themen zu verrennen, obwohl man in status nascende der Auffassung war, mit dem notwendigen Abstand und kühlen Kopf die Angelegenheit betrachtet zu haben)

P.S.

Und Deine Einnahmen via adical: Die gönne ich Dir. Vielleicht findest Du später einmal eine Werbeagentur, wo Du für Deine Blogs dann nicht nur 70% von 50% (= 35%) bekommst, sondern die vollen 50%.

 
At 14 April, 2007 19:23, Blogger Unknown said...

(auch diese zahlen sind falsch.)

 
At 14 April, 2007 20:20, Blogger John Dean said...

Das ist tröstlich.

In doppelter Hinsicht: Erstens, weil Du dann (hoffentlich) besser gestellt bist. Durchaus schön.

Zweitens, weil Fehler mit herumposaunten Zahlen dann nicht nur den Leuten von adical passieren. Die Frage ist: Wo war der Fehler? Statt 70 % besser 65%. Ist es das? Okay, Schlampigkeit meinerseits.

Stochern im Nebel.

 
At 14 April, 2007 22:27, Anonymous Anonym said...

Zu Jörg-Olaf solltest Du wissen: Er da (wohl) wie ein Irrwisch aufgetreten, weil ich böser Fundamentalist ihn mal Gutmensch genannt habe - da ist er schon ausgerastet.

War also eher auf mich als auf Dich bezogen.

Gruß

Chris

P.S. Und ich fand Deinen Artikel lesenswert. Mach Dich nicht kleiner als Du bist.

 
At 14 April, 2007 22:45, Anonymous Anonym said...

Mit Verlaub, Dr. Dean, ich glaube, Du verrennst Dich da etwas. Wenn Sascha Lobo schreibt "Zero Trollerance", dann meint er das auch, soll heißen, Trolle (und Adressfälscher, wie gestern geschehen) werden - wie auch normalerweise üblich - bei adical gelöscht. Soweit ich es aber überblicken kann, wurde im adical-blog kein einziger Kommentar von Dir gelöscht, woraus man schlussfolgern muss, dass Du dort nicht für einen Troll gehalten wirst.
Wenn man genauer hinsieht, bist Du selbst dort sogar hier http://tinyurl.com/2hj86w der einzige, der Dich unter Trollverdacht stellt.



LG,

Arbor

 
At 15 April, 2007 20:00, Anonymous Anonym said...

Scheffel gefunden und flugs drunter gestellt? So geht's nicht, Dr. Dean. Mit ein wenig mehr Egozentrik die Meinung in den Artikeln vertreten. Jemanden aus der "Digitalen Bohème" (fiel auf der republica gern) wirst Du nie zweifeln sehen.

 
At 17 April, 2007 22:51, Blogger Unknown said...

Nein. Kein Schuss in den Ofen. Ich jedenfalls habe bis zum Ende gelesen und mich bis zum Ende über den Text gefreut. Danke auch für die Linksammlung zum Thema.
So kann ich mir die eigene Schreiberei sparen, denn es ist ja alles schon irgendwo gesagt.

 
At 19 April, 2007 02:55, Blogger Unknown said...

Dr. Dean: Wir reden schon über meine beiden Kommentare im Adical-Blog, oder?

(http://adical.de/2007/04/13/ubers-bloggen-bei-adical/#comment-98 und http://adical.de/2007/04/13/ubers-bloggen-bei-adical/#comment-108)

Was habe ich denn da über dich "verbreitet"? Ich sprach von einem Schmierentheater. Das trifft die Art und Weise, wie gegen Adical agitiert wird - auch von dir, von anderen noch weit extremer - leider recht gut.

Ich habe nicht alles von Stefan gelesen, aber er scheint da offenbar ähnlicher Ansicht zu sein.

Von einer "offenen Diskussion" ist diese Kritik tlw. soweit entfernt, wie Schlammcatchen von den Olympischen Spielen.

(Ich habe keine Ahnung, ob und auf was Sascha Bock hat, aber man könnte da auch mal über deine Erwartungshaltung diskutieren. Ich hätte jedenfalls keinen Bock auf all die absurden Unterstellungen und Vorwürfe einzugehen oder auf Zuruf Interna "klarzustellen", die nun wirklich keinen Externen etwas angehen. Wirklich bewunderswert, dass es Johnny trotzdem versucht.)

Und ja, mich interessiert inzwischen primär die Motivation, die einige Kritiker ja geradezu manisch anzutreiben scheint. Davon ausgehend, dass ich es mit denkenden und reflektierenden Menschen zu tun habe, muss es wohl eine geben.

Chris: Dein Selbstbewußtsein in allen Ehren, aber es war nicht auf dich bezogen.

Tut mir leid es so deutlich sagen zu müssen, aber ich kann dich einfach nicht mehr ernstnehmen, lese folglich auch nicht mehr, was du schreibst.

 

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