29 Dezember 2005

Böswillige Abmahnungen im politischen Meinungskampf

Meiner ordoliberalen Meinung nach ist es so: Wenn z.B. im Rahmen eines politischen Meinungskampfes das rechtliche Mittel der Abmahnung wegen Verstoßes gegen gewerbliche Schutzrechte in erster Linie dazu genutzt wird, um den politischen Gegner mundtot zu machen, dann liegt hier ein "böswilliges Abmahnen" vor.

Ich halte eine Abmahnung einer im Internet politisch aktiven Privatperson, die angeblich ein gewerbliches (!) Schutzrecht verletzt, für eine erhebliche und empfindliche Störung seines "Geschäftsbetriebes" bzw. seiner Tätigkeiten im Internet.

Dies umso mehr, weil der Abgemahnte dann gezwungen ist, Recherchen anzustellen, einen geeigneten Anwalt zu finden und einzuschalten - was Privatleuten i.d.R. merklich schwerer fällt. Er wird in seinem Geschäftsbetrieb (d.h. die regelmäßige und insofern geschäftsmäßige Teilnahme an der politischen Öffentlichkeit im Internet) unter dem Eindruck der Abmahnung ggf. deutlich vorsichtiger agieren, möglicherweise wird er das beanstandete Verhalten bis zur Klärung völlig unterlassen. Unterhält er darüber hinaus einen gewerblichen Geschäftsbetrieb, so wird auch dieser dadurch erheblich in Mitleidenschaft gezogen.

Daher: Wer bewusst unter Verweis auf gewerbliche Schutzrechte grundlos verwarnt, oder seine Verwarnung im Sinne einer breit gestreuten Formulierung von Abmahnungstatbeständen gewissermaßen als "juristische Streubombe" einsetzt, tut das allein um dieser psychologischen Wirkung willen, also zum Zweck der Behinderung des Mitbewerbers am politischen Meinungsmarkt. Dies gilt in deutlich verschärfter Weise im Falle eines koordinierten und gleichgerichteten Vorgehens eines politischen Freundeskreises des Abmahners mit weiteren Abmahnungen an den Abgemahnten.

Damit liegt ein Verstoß gegen §3 UWG vor. Hier geht es also um ein "böswilliges Abmahnen" unter Verletzung von Sorgfaltspflichten oder womöglich sogar um ein sogeanntes "fertig machen" unter böswilliger Nutzung gewerblicher Schutzrechte. Ein weiterer Anhaltspunkt für die Böswilligkeit bestünde darin, wenn der Abmahner den zu weiten und v.a. zu störenden Zwecken aufgerichteten Umfang bzw. zu hohen Streitwertes seiner Abmahnung trotz klaren Hinweises darauf beibehält - und sich damit der Erkenntnis, dass die Abmahnung bzw. ihr Umfang ungerechtfertigt ist, bewusst entzieht.

Auch, wenn die Abmahnung auf den psychologischen Effekt hin besonders angelegt ist, beispielsweise durch ihren aggressiven Ton, durch weitere Begleitumstände oder gar durch eine falsche Behauptung, man hätte bereits eine einstweilige Verfügung beantragt, ist sie nicht statthaft.

Bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz (Indiz: abgestimmtes Vorgehen mit gleich gesinnten politischen Freunden) seitens des Abmahnenden haftet dieser unter dem Aspekt der Störung des Geschätsbetriebes dem Abgemahnten gegenüber auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Dies betrifft auch eine böswillige und grobe Übertreibung des Streitwertes der Abmahnung, besonders im Fall immaterieller Schutzrechte, wo der Abmahner in besonderer Weise angehalten ist, mit jeder erdenklichen Sorgfalt einen zu großen Umfang der Abmahnung und die Ansetzung eines zu hohen Streitwertes zu vermeiden.

Diese besondere Sorgfaltspflicht, auch im eigenen Interesse zur Vermeidung eventueller Schadensersatzansprüche, ist im Umgang mit Privatleuten nochmals gesteigert.

4 Comments:

At 30 Dezember, 2005 13:39, Anonymous Anonym said...

Die Abmahnung (mit exorbitatenter Kostennote schon beim ersten Brief) ist ein deutsches Spezifikum, daß leider immer öfter mißbräuchlich verwendet wird.
Vernünftige Juristen fordern schon lange, die Kostennote bei Erstabmahnungen zu verbieten bzw. auf einen angemessenen Betrag zu reduzieren. Leider scheint sich dazu im Bundestag / Justitzministerium keine Mehrheit zu finden. Diese Maßnahme würde den Mißbrauch von Abmahnungen verringern, während der Rechtsschutz nicht engeschränkt würde.

 
At 30 Januar, 2006 02:05, Anonymous Anonym said...

Eine Abmahnung ist im Gegensatz zu einstweiligen Verfügungen, die ohne Anhörung und wegen des fliegenden Gerichtsstandes von beinahe jedem Gericht beschlossen werden können, noch beinahe spaßig.

Bei einer einstweiligen Verfügung müssen dann die Kosten für die Verfügung vom nicht angehörten Betroffenen auch noch kurzfristig bezahlt werden.

 
At 05 Februar, 2007 05:51, Anonymous Anonym said...

Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

 
At 05 Februar, 2007 20:36, Blogger John Dean said...

Spammcomment killed by *spamkiller*.

 

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