04 September 2007

Ein paar ungeordnete Gedanken zur Interdependenz der Ordnungen

Die frühen Ordoliberalen gingen von einer "Interdependenz der Ordnungen" aus. Ich meine, obwohl sich an diesem Gedanken viel finden lässt, ist er doch zu optimistisch. Denn es lässt sich sowohl wirtschaftliche Liberalität (v.a. für Eliten und Großkonzerne) mit Autoritarismus kombinieren, es lässt sich (siehe China) sogar Diktatur und Marktwirtschaft verbinden, es lässt sich eine geradezu wirtschaftslibertäre Wild-West-Ökonomie wie in Russland mit einer diktaturähnlichen Staatsgestaltung verbinden - und umgekehrt:

Es sind Wirtschaftsordnungen denkbar, bei der bedeutende Schlüsselindustrien verstaatlicht sind bzw. unter der Kontrolle konsumentenorientierter Regulationsbehörden stehen - während es gleichzeitig ein sehr hohes Maß an politischer Freiheit, individuellen Freiheiten und Bürgerrechten gibt. Ein Blick auf die USA: In den letzten Jahren ist dort die gesellschaftliche Liberalität m.E. geschwunden - so sieht es jedenfalls von größerter Entfernung aus, während gleichzeitig die ökonomische Freiheit, jedenfalls für die Eliten, deutlich zugenommen hat.

Die Frage nach der Interdependenz der Ordnungen muss neu und komplexer gestellt werden, auch in Hinblick auf die Erfahrungen in Drittweltstaaten. Aus der ökonomischen Freiheit für die wenigen folgt noch keine Freiheit der vielen.

Wenn mich mein Beobachtungssinn nicht trügt (und an dieser Stelle ist diese Gefahr recht groß), dann geht die radikaler und unsozialer werdende Entwicklung der Marktwirtschaft in den Industriestaaten, welche mit Erscheinungen von privater Vermachtung verbunden ist, mit schwindenden Individualrechten und einem insgesamt repressiveren gesellschaftlichen Klima einher.

Möglicherweise ist ein bestimmtes Maß an demokratisch-gesellschaftlicher Bindung der ökonomischen Ordnung, sofern diese nicht übertrieben ist, eher eine Freiheitsbedingung denn ein Hemmnis. Wenn diese Schlussfolgerung stimmt, und ich bin mir hier sehr unsicher, so verläuft die Interdependenz der Ordnungen doch recht anders als es sich die frühen Ordoliberalen vorgestellt haben, welche m.E. allzu holzschnittartig den Gegensatz zwischen Zentralplanverwaltungswirtschaft und Marktwirtschaft in den Vordergrund gerückt haben.

So wichtig diese Unterscheidung und die darauf abzielenden Analysen der Zentralplanwirtschaft waren, sie vernachlässigten das reale ökonomische und politische Geschehen - sie waren zu sehr vom politischen Blockgegensatz der 50er Jahre geprägt. Insofern steckten auch die frühen Ordoliberalen in einer Ideologiefalle, dergestalt, dass sich ihr Forschungsprogramm anteilig zu sehr an ideologischen Herausforderungen (Abwehr des Kommunismus) ausrichtete und zu wenig an den realen Problemen der Menschen in unseren ökonomischen und politischen Ordnungen.

Eine andere Interdependenz erscheint mir jedoch stärker zu sein, als es sich die frühen Ordoliberalen geahnt haben. Ich nenne und taufe sie:

Interdependenz der Wettbewerbsordnungen

Beim Lesen der Mittelstandsbeilage des Handesblattes fiel mir auf, wie sehr die Zulieferer einer oligopolistisch strukturierten Automobilbranche unter den Oligopolstrukturen leiden, wie häufig sich z.B. eine weitreichende Abhängigkeit eines Betriebes von einem Anbieter ergibt. Die ökonomischen Dumm-Liberalen und Hayek-Anbeter, die auf die leider zu früh verstorbenen deutschen Ordoliberalen (v.a. Miksch und Eucken) folgten, meinten in voreiliger Begeisterung, dass die Wettbewerbsintensität in oligopolistischen Märkten oft höher sei - und somit ein Oligopol kein Problem darstelle. Tja, so einfach ist es wohl dann doch nicht.

Ich gebe mal ein (letztlich reales) Beispiel für eine Oligopolstruktur im Handel: Nehmen wir einmal an, dass der "Surburne-Markt" in einer Großstadt sehr marktmächtig ist - auch dank seiner firmeninternen Kooperation, die als als lügnerischer Pseudowettbewerb aufgezogen wurde, mit der "Bloed-Markt"-Kette. Nun hat der Suburne-Markt in bester Innenstadtlage viel zu viel Fläche gemietet. Was macht er?

Er zwingt mittels seiner Marktmacht seine Zulieferer (z.B. Nikon, Panasonic, Canon usw.), völlig schwachsinnige (weil: von den Kunden nicht genutzte) Flächen für teures Geld zu mieten. Die Firma Sony indes macht bei diesem idiotischen Spiel nicht mit - jedoch wird sie vom "Surburne-Markt" u.a. damit betraft, dass dieser daraufhin die viel nachgefragte Produkte von Sony kaum noch anbietet. Aus der oligopolistischen Struktur im Handel ergibt sich, erstens, eine völlig idiotische und unangemessene Flächennutzung, sowie zweitens, die Diskriminierung eines bedeutenden Anbieters.

Oligopole sind harmlos? Liebe Neoliberale: Sie sind es nicht.

Labels: