20 Januar 2007

Die Wahrheit und der "Bremer Taliban"


Lesetipp: Ein Artikel in der Sueddeutschen. Inzwischen ist es also raus: Der "Bremer Taliban" (das ist die SPIEGEL- und BILD-Sprachregelung) Murat Kurnaz war ein völlig harmloser deutscher Urlauber, der von sogenannten Antiterrorkämpfern während seiner Urlaubsreise im November 2001 weggefischt wurde, bei einer Zufallskontrolle auf dem Weg nach Hause, um sodann nach Guantanamo verfrachtet zu werden.

Angeblich bereits Anfang 2002, nach wenigen Monaten schon, sei den US-Behörden klar gewesen, dass es sich bei ihm nicht um einen Terroristen handelte, sondern um einen Unschuldigen - was jedoch in keinster Weise verhinderte, dass der damals 20-jährige Schiffbauer-Lehrling von Verhörspezialisten* jahrelang weiter gefoltert wurde.

Als im September 2002 Murat Kurnaz im amerikanischen Folterknast von deutschen KSK-Beamten befragt wurde, beschwerte er sich eingehend über Folterungen. Dies interessierte die Bundesbeamten jedoch nicht, nein, sie verbreiteten stattdessen die Lüge, passend zum Neocon-Spin, dass es Kurnaz in Guantanamo "den Umständen entsprechend gut" gehe und "einzig Hitze, Langeweile und Sprachbarrieren" ihm zu schaffen machten.

Die Mächtigen haben ein instrumentelles Verhältnis zu Wahrheit und Recht.

Unklar ist, ob sich eine schwarz-gelbe Regierung anders verhalten hätte als die damalige rot-grüne, die alles versucht hatte, damit der "Bremer Taliban" nicht heimkehren kann. Auch die US-Regierung brachte es vier lange Jahre lang nicht über das Herz, den Mann einfach so frei zu lassen.

Im Kampf für die Freiheit und gegen den Terror. Oder so.

*Im Mittelalter nannten sie Folterknechte nicht "Verhörspezialisten", sondern Folterknechte.

6 Comments:

At 20 Januar, 2007 13:31, Blogger Tony said...

Ich finde es erschreckend in welcher Welt wir leben. Die Ausbeuter haben die fast uneingeschränkte Meinungshoheit. Und über Guantanamo regt sich die MSM nur hinter vorgehaltner Hand auf. Unter Objektivität verstehen die Presstitutes neben der Bundesregierung auch die US-Regierung zu Wort kommen zu lassen. Man kann gar nicht soviel essen wie man kotzen will.

 
At 22 Januar, 2007 04:52, Anonymous Anonym said...

"Die Mächtigen haben ein instrumentelles Verhältnis zu Wahrheit und Recht."

Aha! Nicht mehr und nicht weniger als die Linken und Linksliberalen.

Wahrheit und Recht wird immer ideologisch zurechtgebogen. Dieser Blog ist ein exzellentes Beispiel für eine Anpassung der Wahrheit an den Blickwinkel des Bloggers.

 
At 22 Januar, 2007 10:37, Anonymous Anonym said...

@anonym: Wer zwingt Sie, dieses Blog zu lesen? Bleiben Sie doch einfach weg...

 
At 22 Januar, 2007 11:18, Blogger John Dean said...

@anonym Nr. 1

Bevor Sie sich vertschüssen, erklären Sie doch einmal, was in meinem Artikel Ihrer Meinung nach so unwahr war, dass mein Blog ein für Sie "exzellentes Beispiel" gibt.

@anonym Nr. 2
Nicht so grob! Immerhin scheint der Mann (bzw. die Frau) dialogbereit zu sein. Obwohl die von ihm formulierten Ressentiments große Zweifel aufkommen lassen, wie stark er/sie zu vorurteilsfreien Denken befähigt ist.#

@Tony
Hinweis: Bei Che wurde Dein Kommentar verlinkt. Möglicherweise liegt ein guter Erklärungsbeitrag dafür, dass derartige Dinge ohne allzu große Erregung stattfinden, darin, dass wir zur Zeit eine große Koalition haben - und recht viele derjenigen, welche die Richtlinien der Berichterstattung bestimmen, entweder dem SPD-Lager oder aber dem konservativen Lager zuneigen.

Da mögen Leithammel der Presstitutes dann lieber keinen Skandal machen, gemäß dem Motto: "Ruhe ist die erste Pressepflicht."...

Moderner Biedermeier.

 
At 22 Januar, 2007 14:36, Anonymous Anonym said...

Wie werden diese Zeiten hier später mal beurteilt werden? Als die Zeiten der Lüge, des schmutzigen Geheimnis, der Heuchelei, und richtig, des Biedermeier 2.0. Eine hässliche Zeit um die Jahrtausendwende, als wildgewordene Spießer Angst vor der Zukunft bekamen, sich wieder an Großvaters Weisheiten und "Werte" klammerten und sich in die muffigen 50er zurückimaginierten. Restauration, Krieg, totaler Markt, verdruckstes schrittweises Abschaffen von Demokratie, Lobbyismus und Hinterzimmer statt Partizipation, und das immerwährende nervige Elitengeschwafel einer dümmlichen satten Wohlstandselite mit angeborenen Privilegien und Krawatte. Als "Nach-unten-treten-nach-oben-buckeln" und Korruption wieder hoffähig wurden, gesellschaftlich sanktioniert als "Networking" und "gute Manieren". Primitive Zeiten. Man wird mal über diese Zeiten lachen, oder so angeekelt von ihnen sein, ähnlich wie man heute den Wilhelmismus und seine bizarren Protagonisten und "Werte" beurteilt. Die wenigen, die "nein" sagten, und gegen allen Widerstand und das Geschwafel trotzdem, weiterhin, etwas anderes forderten, die weder resignierten, noch mit auf die bunte Biedermeiergartenbahn aufsprangen, die werden es sein, denen im Nachhinein Respekt entgegengebracht werden wird. Nicht denen, die jetzt wie Fettaugen auf dieser ganzen Suppe schwimmen. Man wird sich sehr genau erinnern, dass man sich damals tatsächlich anschickte, sich von Bertelsmann und Konsorten regieren zu lassen, während die Technik erstmals die alten Sender-Empfänger-Medien-Modelle unterlief und jedem eine Stimme gab; dass man wieder dem primitiven protestantischen Glauben an "Arbeit" huldigte, während die Produktivität gerade nie gekannte Höhen erklomm. Dass man tatsächlich Studiengebühren einführte. Usw. Sehr Peinliche Vorstellung, das alles gerade. Unsere Kinder werden uns später mal ziemlich unangenehme Fragen stellen - zurecht.

 
At 22 Januar, 2007 14:57, Anonymous Anonym said...

In dem Beitrag ist ein Fehler:
"harmloser deutscher Urlauber"

Korrekt ist, dass Herr Kurnaz türkischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Deutschland ist.

Ich ging bisher eigentlich davon aus, dass Herr Kurnaz der Madrassa-Fraktion angehört, die in Pakistan Koranschulen besuchen, da der in Deutschland (und in der Türkei) gelehrte Islam wohl nicht seinen Vorstellungen von der reinen Lehre entspricht, sprich nicht fundamentalistisch genug ist.

Der Besuch solcher Koranschulen ist strafrechtlich nicht relevant, allerdings halte ich das Adjektiv "harmlos" für nicht treffend.

Der BGH hat in einem seiner unglücklicheren Urteile festgestellt, dass ein die Waffen-SS verherrlichender Spruch auf dem Anrufbeantworter ebenfalls nicht strafrechtlich relevant ist.

Dennoch halte ich das Adjektiv "gefährlich" in beiden Zusammenhängen für treffend.

 

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