08 Juni 2006

NATO und Minister Jung: Skandalöser Beschluss

Wie der Standard berichtet, ist es auf der NATO-Tagung der Verteidigungsminister zu skandalösen Beschlüssen gekommen:
Die Verteidigungsminister hätten zudem ihren Willen bekräftigt, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für das Militär auszugeben. Diese Vorgabe sei allerdings verpflichtend, sagte der Sprecher. Sie werde derzeit von sieben Ländern erfüllt.
Dazu muss man wissen, dass die Rüstungslasten in Deutschland zur Zeit unter 1,3 % des BIP liegen! Der teilnehmende Bundesverteidigungsminister Jung hat also bei der NATO-"Verteidigungs"planung verpflichtend erklärt, die deutschen Rüstungslasten künftig um ca. 55% bzw. deutlich mehr als 14 Milliarden Euro zu erhöhen.

Skandal!

Unsere politische Elite unterhält sich in Deutschland darüber, die Zahl der Studienplätze weiter abzusenken und sogar darüber Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern weniger als das Existenzminimum zu geben, um jährlich ggf. bis zu 500 Mio Euro zu sparen und dieser Herr Jung schenkte soeben locker-flockig über 14 Milliarden weg. Pro Jahr!!

Die aktuellen Verteidungslasten (2005) betragen 23,9 Milliarden Euro (Quelle), das BIP 2005 rund 2247 Milliarden (Quelle). Das sind also immerhin 1,07 Prozent bzw. nach NATO-Kriterien (leider online nicht verfügbar) 1,26 Prozent.

2 Prozent, wie von "Verteidungs"minister Jung heute verbindlich zugesagt, entsprechen dann einen Zuwachs (von heute 1,26 Prozent auf 2 Prozent) um wahnwitzige 14 Milliarden pro Jahr bzw. einem prozentualen Zuwachs des Etats um weit über 50%! Ich zitiere eine parlamentarische Anfrage (PDF/Quelle):
Die deutschen Verteidigungsausgaben nach NATO-Kriterien liegen im Jahr
2004 bei 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Auf der Basis des Regierungsentwurfs 2005 bleiben sie konstant, in der Finanzplanung für 2006 bis 2008 sinken sie geringfügig auf 1,3 Prozent.
Dann schreibt der Standard:
Brüssel - Die Nato will künftig in der Lage sein, bis zu 300.000 Soldaten gleichzeitig in Kämpfe zu schicken.
Wozu das denn?? Hat das Irak-Desaster nicht gereicht?
Die Verteidigungsminister hätten eine "Anpassung der Planung des Bündnisses an die Realitäten des 21. Jahrhunderts" beschlossen, sagte Bündnissprecher James Appathurai.
Die Realität ist: Wir benötigen keine so großen Armeen mehr. Sie nützen uns nicht, sondern sie schaden uns. Militarisierung schadet uns finanziell, aber auch politisch.

Dieser Zusammenhang zeigt sich u.a. bei der Militarisierung der amerikanischen Gesellschaft. Die einflussreichen militaristischen Propagandafabriken (euphemistischer Begriff: "think tanks") üben eine übel deformierende Wirkung auf die Gesellschaft aus. Zum Beipiel dadurch, dass diese gezielt Hysterie, eine Kultur der Bedrohung und den Aufbau von Feindbildern betreiben.

Das wäre jetzt richtig:
  • Sofortige Entlassung des Rüstungsministers Jung wegen empörender Kompetenzüberschreitung

  • Halbierung des atavistisch übersteigerten deutschen Wehretats, denn wir lösen unsere Probleme nicht mit "mehr Militär" und größeren Armeen

  • Die USA müssen ihre Militäretats um 2/3 kürzen - mit 150 Milliarden Dollar Rüstungsetat ist Amerika gewiss so sicher wie mit den zur weit über 450 Milliarden Dollar - immer noch Nummer 1

  • Die NATO muss sich insgesamt demilitarisieren, sie muss friedfertiger und weniger bedrohlicher werden, dies auch, u.a. damit es nicht zu Problemen wie in der Ukraine kommt
Schluss mit dem gefährlichen Rüstungsetatismus!

Übrigens:

Neoliberale Drecksäcke jammern gerne und laut über "Etatismus", wenn aber unter Bezug auf dubiose "Bündnisverpflichtungen" eine sklerotische Wucherung der Rüstungslasten (Steigerung um weit über 50 % bzw. Erhöhung auf 38 Milliarden Euro pro Jahr!!) beschlossen wird, dann kommt nicht etwa das von dieser Ecke vertraute "Schmarotzer"-Gerede, sondern i.d.R. nur noch wohliges und zustimmendes Schweigen!

Der "Arbeitskreis Wehrtechnik", fordert sogar 3%, erhebliche Steigerungen verlangt ebenfalls die hochrüstungsgeile Bertelsmannstiftung (PDF). Derartige Machenschaften sollten näher betrachtet werden, damit man versteht, wie es zu derartigen "Verpflichtungen" kommt. Gute Informationen zur europäischen Militarisierung, an Stelle derartigen Schweigens, erhält man u.a. von der Linzer Friedenswerkstatt hier und hier.

6 Comments:

At 09 Juni, 2006 10:04, Anonymous Anonym said...

Der wievielte 2% "Beschluss" von NATO ist das?

 
At 09 Juni, 2006 11:06, Blogger John Dean said...

@Wilbur
Du hast schon recht, es ist der schätzungsweise 684te Beschluss. Trotzdem sollte der Vorgang thematisiert werden.

Er wirft ein Licht auf die Machenschaften von Minister Jung, aber auch auf Dysfunktionalitäten der NATO, die sich, womöglich auch unter dem Druck der Leitnation, zumehmend in eine Hochrüstungsagentur verwandelt.

Es ist nicht gut, wenn die NATO sich von den Bürgern abkoppelt und ein etatistisches Eigenleben entwickelt, und dies extrem gründlich an den Interessen der Teilnehmerstaaten vorbei.

Sinn der NATO sollte m.E. sein, Verteidigung in Bündnisform günstiger zu machen, und nicht, die Teilnehmerstaaten zur Höchstrüstung zu pressen.

 
At 09 Juni, 2006 11:09, Blogger John Dean said...

@Nixxon
Klasse! Ich habe das Buch vor einigen Jahren in der Hand gehabt, leider aber nicht komplett gelesen.

Vielleicht kann ich Dich ja, wenn Du damit durch bist, dazu überreden, es mir zu leihen.

*einaugezwinker*

 
At 10 Juni, 2006 01:18, Anonymous Anonym said...

Achja? Keine Sorge, der Jungsche hat seine Inkompetenz nicht überschritten, wie denn auch? Steinbrück steht schon mit dem Nudelholz vor der Garage. Einmal zurecht!

 
At 11 Juni, 2006 20:59, Anonymous Anonym said...

ist klar das die linksextremen Drecksäcke, um auf eurem sprachlichen Niveau zu bleiben, jammern das Deutschland seine Wehrmacht hoho, nicht vollends pleite gehen lässt

 
At 13 Juni, 2006 16:18, Blogger Atlantic Review said...

Das friedliche Europa verkauft die meisten Waffen:

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=903756

 

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